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Veröffentlicht am 14.05.2021

Die ersten Minuten entscheiden zwischen Leben und Tod

Zwischen zwei Herzschlägen
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Was für ein wichtiges Buch über ein viel zu häufig vernachlässigtes, aber extrem relevantes Thema: Der Notwendigkeit der Ersten-Hilfe! Die Aussage des Buches, dass wirklich jeder Leben retten kann und ...

Was für ein wichtiges Buch über ein viel zu häufig vernachlässigtes, aber extrem relevantes Thema: Der Notwendigkeit der Ersten-Hilfe! Die Aussage des Buches, dass wirklich jeder Leben retten kann und das Verhalten eines jeden in den ersten Minuten eines Herzstillstands über Leben und Tod entscheiden können, wurde wunderbar vermittelt und auch im Nachwort des Buches noch einmal betont. Und so zieht sich das Thema Medizin und Erste-Hilfe auch durch das komplette Buch, verpackt in die Lebensgeschichte dreier Beteiligter:

Am Abend der Millennium-Nacht trifft sich die gesamte Jugend Brightons am Strand, um gemeinsam zu feiern. Etwas abseits davon stehen auch Kerry und Tim, zwei langjährige Freunde, die nicht wirklich Anschluss zu den „coolen“ Jugendlichen haben, da sie eher als Nerds mit seltsamen Hobbies wie dem Engagement in der Sanitäterjugend gelten. Doch in dieser Nacht kommen Kerry genau diese Kenntnisse zu Gute als Joel, der Held des ansässigen Fußballteams, plötzlich auf dem Strand zusammenbricht. Kerry reagiert als einzige und bringt Joel durch eine Herzmassage zurück ins Leben, während Tim paralysiert danebensteht und nichts tun kann. Durch dieses Ereignis sind die drei jungen Menschen auf ewig miteinander verbunden – auf positive wie negative Art und Weise, wie die nächsten zwei Jahrzehnte voller Irrungen und Wirrungen, aber ständiger Wiederbegegnungen zeigen werden.

„Zwischen zwei Herzschlägen“ ist ein sehr einfühlsames Buch, das neben der Relevanz der medizinischen Erstversorgung auch noch einige andere wichtige Themen beinhaltet: Drogensucht, Krebs, Verlust, elterliche Liebe, Adoption, Depression und vieles mehr. An manchen Stellen wurde meines Geschmacks nach versucht, zu viel ernstes Thema in einer Geschichte unterzubringen und so haben sich die Ereignisse manchmal etwas zu sehr überschlagen. Insgesamt hat mir aber sowohl die Story, als auch die Sprache des Buches sehr gut gefallen. An der Hörbuchversion fand ich besonders herausragend, dass die drei Hauptfiguren, aus deren Perspektiven das Buch abwechselnd spielt, von drei unterschiedlichen Sprechern gelesen wurden: Madiha Kelling Bergner, Jacob Weigert und Marian Funk. Die Stimmen waren gut voneinander zu unterscheiden, die von Kerry fand ich sehr passend, die von Joel so eindringlich, dass sie Gänsehaut bei mir verursacht hat. Die drei Stimmen haben sich perfekt ergänzt und das Buch noch lebendiger wirken lassen.

Es war ebenfalls interessant, Kerry, Tim und Joel über so viele Jahre hinweg auf ihren Lebenswegen begleiten zu können, die alle auf ihre Art und Weise Höhen und Tiefen zu bewältigen hatten. So konnte ich jede Person mit all ihren Facetten, Stärken und Schwächen gut kennenlernen, habe mit ihnen mitgefiebert und sie sind mir sehr ans Herz gewachsen. Zunächst fand ich die Personen etwas klischeehaft: Tim der Nerd, Kerry die Heilige, Joel der Badboy. Aber diese Stereotypen verschwimmen mit der Zeit und wir lernen, dass hinter jeder Person mehr steckt als das anfänglich vermutete. Die Entwicklungen der drei waren interessant mit zu verfolgen. Immer präsent und als verbindendes Glied stand das Thema Medizin/ Herzstillstand/ Erste-Hilfe-Maßnahmen zwischen den dreien und hat sich wie ein roter Faden durchs Buch gezogen.

Insofern ist der Titel des Buches meiner Meinung nach sehr passend, da er sowohl auf die Emotionen zwischen den drei Protagonisten, als auch das medizinische Ereignis in der Silvesternacht anspielt. Auch das Cover ist sehr ansprechend, ich mag den Kontrast zwischen dem dunkelblauen Hintergrund und den zarten goldenen Grafiken und Figuren in One-Line-Technik.

Insgesamt hat mir „Zwischen zwei Herzschlägen“ vor allem aufgrund der großen Relevanz des Themas Erste-Hilfe, eingebaut in die unterschiedlich verlaufenden Lebensgeschichten dreier Protagonisten sehr gut gefallen. Ich kann das Buch jedem empfehlen, genau wie ich jedem empfehlen kann, sich mit Erste-Hilfe-Notfallmaßnahmen vertraut zu machen und in regelmäßigen Abständen einen entsprechenden Kurs zu besuchen.

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Veröffentlicht am 03.05.2021

Spannung pur mit Gänsehautfaktor

Todeskalt
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Caro Löwenstein ist höchst beunruhigt: Soeben wurde der Anruf ihrer Studienfreundin Melanie abrupt unterbrochen. Aber auch ohne dieses plötzliche Ende wäre die junge Kriminalpsychologin alarmiert gewesen: ...

Caro Löwenstein ist höchst beunruhigt: Soeben wurde der Anruf ihrer Studienfreundin Melanie abrupt unterbrochen. Aber auch ohne dieses plötzliche Ende wäre die junge Kriminalpsychologin alarmiert gewesen: Melanie hat um Hilfe gebeten, sie klang gehetzt, verzweifelt und in großer Gefahr. Sofort eilt Caro nach Oberweildorf, dem kleinen Ort im Taunus, von dem aus Melanies Hilferuf kam. In der verschneiten Burgruine des Ortes findet Caro zwar nicht ihre Freundin, dafür aber die Leiche einer jungen Frau, die im Burgturm an einer Schlinge hängt. Auf den ersten Blick wird nicht klar, ob es sich um Selbstmord handelt, oder ob jemand nachgeholfen hat. Der örtlichen Polizei war die Frau als Unruhestifterin bekannt und somit werden die Ermittlungen nicht weiter vorangetrieben. Caro gibt sich damit nicht zufrieden, unterstützt von ihrem Chef Kommissar Simon Berger ermittelt sie auf eigene Faust im Dorf weiter und stößt auf jede Menge dunkler Geheimnisse, eine selbstorganisierte Bürgerwehr und die alte Legende der Erlöserin, welche verlorene Seelen in den Selbstmord treibt. Bestrebt danach, Melanie zu finden hinterfragt Caro die Selbstverständlichkeiten des kleinen Dorfes und bringt dadurch nicht nur sich, sondern auch ihren Kollegen in tödliche Gefahr.

„Todeskalt“ ist der zweite Thriller des Autors Nikolas Stoltz rund um Kriminalpsychologin Caro Löwenstein, Kommissar Simon Berger und ihr Team. Leider kannte ich den ersten Band noch nicht, was auch nicht schlimm ist, da die wichtigsten Zusammenhänge und Hintergründe ausreichend erläutert werden. Je weiter das Buch vorangeschritten ist, desto neugieriger wurde ich aber auf die Geschehnisse aus Band 1, insbesondere was Bergers Geschichte betrifft – seine Kapitel haben so auf mich lange Teile des Buches eingeschoben gewirkt.

Nikolas Stoltz Schreibstil zeichnet sich für mich insbesondere durch einen durchgängig hohen Spannungsgrad aus. Kurze Kapitel und häufige Cliffhanger an deren Ende sorgen dafür, dass ich das Buch nicht aus der Hand legen konnte und unbedingt wissen musste, wie es weiter geht. Auch das Setting ist perfekt für einen Thriller gewählt, aufgrund der anschaulichen, gruseligen Beschreibungen habe ich die düstere Burgruine und das Dorf im Schneesturm quasi vor mir gesehen. Auch gab es passende Metaphern und die Emotionen, Ängste und Gedanken der handelnden Personen waren nachvollziehbar geschildert. So habe ich das ganze Buch hindurch aufgeregt mitgefiebert – perfekt gelungen für einen Thriller!

Bereits der Einstieg in die Geschichte hat mir sehr gut gefallen, ab Seite eins befinden wir uns bereits mitten im Geschehen. Der Plot war durchdacht aufgebaut und Caros Ermittlung somit schlüssig und auf ein klares Ziel hinarbeitend. Zwar gab es für meinen Geschmack etwas viele Alleingänge der Ermittler, aber da diese sich auch der Situation ergaben und dem Spannungsaufbau dienten kann ich in diesem Fall darüber hinwegsehen. Die Geschichte der Erlöserin war mysteriös und hat mich fasziniert. Super auch, dass wir zwischendurch auch ihre Gedankengänge mitverfolgen konnten, so hat sich für uns Leser das Motiv herauslesen lassen. Die Auflösung, wer dahinter steckt, hat mich total überrascht, war aber für mich schlüssig und gut erklärt. Das Ende lässt mich befriedigt zurück, auch wenn bereits auf einen dritten Band hingedeutet wird, da insbesondere Bergers Geschichte noch nicht zu Ende erzählt ist.

In „Todeskalt“ spielen sehr viele Personen eine Rolle, die aber allesamt authentisch und individuell beschrieben werden. Gefühlt hat fast jede mit eigenen Dämonen zu kämpfen, der Großteil wirkt auf seine eigene Art getrieben. So ist Berger regelrecht vom Mörder seiner Verlobten besessen – so sehr, dass ich mich immer mehr gefragt, wie man es denn verantworten kann, ihn weiterhin als Polizisten arbeiten zu lassen. Protagonistin Caro mochte ich indessen sehr, ich konnte mich mit ihr gut identifizieren und bewundere ihren Mut, ihre Beharrlichkeit und ihre Entschlossenheit. Gerade wie sie sich in dem Dorf behauptet war klasse. Auch ihr Instinkt, der kleinen Rafaela zu vertrauen anstatt sie als nicht zurechnungsfähig abzustempeln, fand ich toll.

Insgesamt ist Nikolas Stoltz mit „Todeskalt“ ein Thriller mit Hochspannungsgarantie und vielen gruseligen Gänsehautmomenten gelungen, den ich jedem weiterempfehlen würde, der aufregende Lektüre mag und etwas Zeit hat – denn weglegen und am nächsten Tag weiterlesen ist bei diesem Buch wirklich schwierig!

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  • Spannung
Veröffentlicht am 02.05.2021

Eine mutige alte Frau geht ihren Weg

Als wir uns die Welt versprachen
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Edna ist eine fast 90jährige rüstige alte Dame, die mit Papagei Emil zurückgezogen in einem kleinen Dorf in Südtirol lebt. Keiner der Dorfbewohner ahnt, dass Edna in ihrer Kindheit schreckliches erleben ...

Edna ist eine fast 90jährige rüstige alte Dame, die mit Papagei Emil zurückgezogen in einem kleinen Dorf in Südtirol lebt. Keiner der Dorfbewohner ahnt, dass Edna in ihrer Kindheit schreckliches erleben musste, da sie von ihrer Familie als sogenanntes „Schwabenkind“ über die Alpen nach Deutschland verkauft wurde, um bereits als 10jährige Schwerstarbeit auf einem schwäbischen Bauernhof zu leisten. In diesen harten Monaten hat sich eine enge Freundschaft mit Jacob aufgebaut, einem Jungen, der sich um sie gekümmert und sie so gut es geht beschützt hat. Damals haben sich die geschworen, zusammen fliehen – gelungen ist es nur Edna. Als die alte Dame Edna nun Jacobs Foto in einer Zeitung sieht, fühlt sie sich an das alte Versprechen gebunden und rüstet sich zum Aufbruch: Sie möchte Emil Jacob zurückbringen und dafür ist ihr kein Weg zu weit oder zu steinig – selbst der der Schwabenkinder über die Berge nicht.

„Als wir uns die Welt versprachen“ von Romina Casagrande ist ein berührender Roman, der zwei Geschichten in einer vereint: Die der jungen Edna aus der Zeit als Schwabenkind und die der alten Edna auf ihrer Reise zurück nach Ravensburg. Der Wechsel von Vergangenheit und Gegenwart liest sich angenehm, auch wenn zu Beginn eines neuen Kapitels zunächst nicht eindeutig klar ist, in welcher Zeit wir uns gerade befinden. Das in Sepia gehaltene Bild des kleinen Mädchens passt sehr gut dazu, man kann sich gut vorstellen, dass es sich dabei um das Foto aus dem Buch handelt. Auch gut gefällt mir die abgedruckte Karte, die ebenfalls eine große Rolle in der Geschichte spielt. Ich hatte viel Freude dabei, anhand dieser Ednas Weg nachzuvollziehen.

Der Schreibstil der Autorin ist zugegebenermaßen etwas gewöhnungsbedürftig und ich habe dadurch etwas gebraucht, bis ich wirklich in die Geschichte eintauchen konnte. Vieles wird nur angedeutet und die vielen zusätzlichen Einschübe in Klammern waren so zahlreich, dass sie den Lesefluss etwas beeinträchtigt haben. Auch wirkt das Erzähltempo aufgrund des Schreibstils mit vielen Detailbeschreibungen irgendwie sehr langsam. Dies passt zwar zur Sichtweise der alten Dame, für meinen Geschmack hätte die Story aber an einigen Stellen schneller voranschreiten dürfen. Mit der Zeit habe ich mich aber an den etwas anderen Schreibstil gewohnt und mich nicht mehr daran gestört.

Der Erzählstrang aus der Vergangenheit ist der Autorin sehr gut gelungen. Das Mädchen Edna berichtet in ihrer naiven Art von den schlimmen Geschehnissen auf dem Hof, durch ihre kindliche Erzählweise wirken trotz ihres Schreckens beinahe alltäglich. Die Szenen auf dem Hof haben mich tief erschüttert, vor allem weil sie auf der wahren Geschichte der „Schwabenkinder“ beruhen, über die es meiner Meinung nach viel zu wenig Aufklärung gibt. Ihr Schicksal hat mich unheimlich erschüttert und traurig gemacht.

Wo der Vergangenheitsstrang durch seine grausame Authentizität überzeugt, desto unglaubwürdiger wirkt der aus der Gegenwart. Auch wenn es amüsant zu lesen war, so halte ich es doch für überzogen, dass eine fast 90jährige alleine mit einem Papagei den Weg über die Alpen geht, ohne dabei aufzufallen oder zusammenzubrechen. Natürlich erhält sie Hilfe von verschiedensten Leuten, überwindet eigene Vorurteile und lernt dabei viele Lebensweisheiten, aber an vielen Stellen wirkte die Wanderung dann doch zu konstruiert, um noch realistisch zu sein. Trotzdem sind der Trip und ihre Begegnungen sehr unterhaltsam. Das Ende hingegen hat mich traurig hinterlassen. Es ist emotional, irgendwie aber auch stimmig. Vieles bleibt ungesagt, aber Edna schließt ihren Frieden mit ihrem Schicksal. Dieses Ende hat mich sehr berührt, auch aufgrund seiner gnadenlosen Ehrlichkeit – der Kreis hat sich geschlossen.

Der alten Dame Edna stand ich bis zum Ende hin etwas zwiespältig gegenüber. Einerseits hatte ich das Gefühl, dass sie nicht mehr vollkommen klar denken kann, stark in der Vergangenheit lebt und darüber hinaus ihre körperlichen wie geistigen Fähigkeiten überschätzt. Andererseits bewundere ich sie für ihren Mut, ihre Hartnäckigkeit und Entschlossenheit, das Versprechen Jacob gegenüber einzuhalten. Auch ist sie sehr tolerant, wundert sich zwar über die seltsamen Menschen, die ihr auf ihrer Reise begegnen, gibt aber jedem eine Chance und sieht das Gute in ihnen. Dadurch werden beiderseits Vorurteile abgebaut und generationsübergreifende Lebensweisheiten ausgetauscht.

Insgesamt hat mir das Buch trotz einiger unrealistischer Begebenheiten gut gefallen, gerade die Botschaften hinter den Worten waren so wahr und wichtig. Die alte Edna macht Mut, seinen Weg zu gehen und anderen Menschen offen zu begegnen und ihnen zuzuhören. Insbesondere hat mich aber die Thematik der Schwabenkinder nachhaltig beschäftigt. Meiner Meinung nach ist die Zeit der Schwabenkinder ein sehr dunkles Kapitel der deutschen Geschichte, von deren Schicksal jeder gehört haben sollte. Super, dass in „Als wir uns die Welt versprachen“ mithilfe eines fiktiven Romans gleichzeitig geschichtliche Aufklärung stattfindet.

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Veröffentlicht am 01.05.2021

Eine Adoption, ihr Hintergrund und ihre Folgen

Eines Tages für immer
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Luke und Hannah sind gerade erst Eltern des kleinen Samuel geworden und sehr glücklich mit ihrer kleinen Familie. Doch gerade dies reißt bei Luke eine alte Wunde auf, denn er selbst wurde als Baby zur ...

Luke und Hannah sind gerade erst Eltern des kleinen Samuel geworden und sehr glücklich mit ihrer kleinen Familie. Doch gerade dies reißt bei Luke eine alte Wunde auf, denn er selbst wurde als Baby zur Adoption freigegeben und möchte gerne mehr über seine Wurzeln erfahren. Er sucht den Kontakt zu seiner leiblichen Mutter Alice, eine Beziehung bahnt sich an und Alice bietet sich sogar als Tagesmutter für Samuel an, damit Hannah wieder arbeiten gehen kann. Alles scheint perfekt zu laufen, doch Luke fühl sich zunehmend unwohler: Alice verhält sich seltsam, meidet den Kontakt zu ihm und wird immer einnehmender Samuel gegenüber. Nichtsahnend sind auch bei Alice alte Wunden aufgerissen, die sowohl sie, als auch ihren Sohn drohen in die Tiefe zu reißen.

Bereits das Cover zu „Eines Tages für immer“ gefällt mir unheimlich gut: Die satten, dunklen Farben mit dem hervorstechenden gelben Titel sind ansprechend, das Blumenmuster ist hübsch, verrät aber noch nichts über den Inhalt der Geschichte. Die im Buchdeckel abgedruckten Zitate aus dem Buch sind absolut passend gewählt und fassen gut die Kernaussagen des Buches zusammen. Außerdem passt die Optik sehr gut zu Clare Empsons vorangegangenem Buch, der Wiedererkennungswert ist groß.

Der Schreibstil der Autorin hat mich verzaubert und gefesselt, er ist teilweise locker-leicht, dann wieder philosophisch-tiefgründig. Clare Empson schreibt sehr gefühlvoll, dabei aber häufig zwischen den Zeilen versteckt, so dass sich der Leser Emotionen selbst erschließen muss. Durch diese Feinfühligkeit entsteht an vielen Stellen Tiefe und der Leser wird zur Reflexion über die eigene Einstellung zum Thema Adoption angeregt. Ich mag außerdem die kurzen Kapitellängen und die beiden unterschiedlichen Handlungsstränge: Lukes Sicht in der Gegenwart und Alice Erlebnisse in der Vergangenheit. Dieser Wechsel zwischen Perspektive und Zeitebene erhöht die Spannung enorm, der Leser hat bereits einen Wissensvorsprung und kann sich anhand der Vergangenheit einiges erklären, was in der Gegenwart noch unbekannt ist, aber sehr relevant werden wird. Dies führt zu einer Grundstimmung, die – trotz äußerlich scheinbarer heiler Welt – immer angespannter wird und man fiebert als Leser darauf hin, dass die Bombe platzen wird. Dadurch wird Showdown zwar etwas vorhersehbar, aber das hat mir in diesem Fall nichts ausgemacht.

Beide Einzelstränge haben mich sehr gefesselt und ich war überrascht davon, dass die Geschichte gleich an einem entscheidenden Punkt los, dem Treffen mit Luke und seiner leiblichen Mutter, beginnt. Auch die Hintergründe der jungen Alice werden erläutert und ich mag ihre Geschichte rund um die Kunsthochschule, ihren guten Freund Rick und die Zeit mit Jake sehr gerne. Der Leser kann sehr gut die Entwicklung der Beziehung zwischen Luke und Alice mitverfolgen, aber auch die Zuspitzung der Situation aufgrund der fehlenden Annäherung. Der Showdown fand demensprechend nicht unvorhergesehen, aber dann doch überraschend und anders als gedacht statt. Die Ereignisse haben sich überschlagen, ich konnte nicht mehr aufhören zu Lesen und wurde von den Emotionen schier überrollt. Wirklich harter Tobak dieses tragische Ende! Schön, dass dieses von dem noch folgenden Epilog wieder etwas abgemildert wurde, der dann einfach nur schön war und die Geschichte rund beenden konnte.

Die Figuren waren mir zunächst sympathisch, je weiter sich die Geschichte entwickelt, umso seltsamer wird aber ihr Verhalten. Alice ist einerseits sehr distanziert, dann aber wieder aufdringlich. Immer deutlicher wird ihr Versuch, die verlorene Zeit wieder aufzuholen und die Adoption wieder gut zu machen. Auch Luke wird zunehmend drängender, als sein Wunsch nach Nähe nicht erfüllt wird. Er wirkte auf mich zunehmend zerrissen und tut mir leid, da er viel Hoffnung in die Begegnung mit seinen leiblichen Eltern gesetzt hat. Beide haben große Hemmungen, miteinander zu sprechen, was letztendlich das Konfliktpotenzial ihrer Beziehung immer größer werden lässt.

„Eines Tages für Immer“ behandelt ein ernstes Thema, dem oftmals viel zu wenig Aufmerksamkeit zuteilwird: Was macht eine Adoption mit Mutter und Kind? Dazu hat die Autorin jeweils passende Auszüge aus dem Buch "Wer bin ich? Das verborgene Trauma adoptierter Kinder" von Joel Harris ihren Kapiteln vorangestellt. Diese psychologischen Einblicke waren für mich lehrreich, erhellend und erschütternd gleichzeitig, insgesamt aber sehr bereichernd. Clare Empson hat dieses Thema gefühlvoll und sensibel umgesetzt, ohne den Anflug von Kitsch oder Verharmlosung. Ebenfalls wurde das Thema Depression und psychische Krankheiten mit all seinen Folgen für Betroffene und Angehörige angemessen thematisiert.

Insgesamt habe ich die Lektüre von „Eines Tages für immer“ sehr genossen. Der Autorin ist es sehr gut gelungen, das psychisch-emotionale Dilemma eines adoptierten Kindes in Romanform darzustellen und eine stimmige Geschichte herum zu erzählen, die den Leser berührt und mitnimmt. Ich würde das Buch auf jeden Fall weiterempfehlen, warne aber vor triggernden Inhalten für Personen, die selbst Beteiligte an einer Adoption sind, da es durchaus Wunden aufreißen könnte.

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Veröffentlicht am 30.04.2021

Schöne Landschaftsbeschreibungen, aber unausgereifter Krimi

Mord auf Provenzalisch
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Die britische Auswanderin Penelope „Penny“ Kite ist im südfranzösischen St. Merlot angekommen: Die Renovierung ihres Häuschens schreitet voran, sie hat Freunde in der Umgebung gefunden und genießt die ...

Die britische Auswanderin Penelope „Penny“ Kite ist im südfranzösischen St. Merlot angekommen: Die Renovierung ihres Häuschens schreitet voran, sie hat Freunde in der Umgebung gefunden und genießt die kulinarischen Köstlichkeiten ihrer neuen Wahlheimat. Dieses süße Leben findet ein jähes Ende, als Pennys lang ersehnte Verabredung mit dem Bürgermeister Laurent Millais auf einer Kunstaustellung durch einen tragischen Todesfall unterbrochen wird. Don Doncaster, einer der ausstellenden Künstler, bricht plötzlich zusammen, offenbar erstickt an einer Olive. Je mehr Penny über den Maler und seinen Tod erfährt, desto mehr regen sich in ihr die Zweifel, ob tatsächlich die Olive schuld war – oder ob hier nicht jemand von Dons zahlreichen Feinden nachgeholfen hat. Da die Polizei keine große Hilfe ist beginnt Penny selbst zu ermitteln und stößt dabei auf einen wahren Kunstskandal…

„Mord auf Provenzalisch“ ist der zweite Band des Autorenehepaars Deborah Lawrenson und Robert Rees, die gemeinsam unter dem Pseudonym „Serena Kent“ schreiben, über die britische Auswanderin Penny und ihre kriminalistischen Aktivitäten in Südfrankreich. Ich persönlich kannte den ersten Band „Tot in St. Merlot“ leider nicht, habe aber gehofft auch ohne diesen in eine eigenständige Geschichte eintauchen zu können. Der Kriminalfall an sich war auch eine solche, aber dennoch hat mir an zahlreichen Stellen das Wissen aus Band 1 gefehlt: Viele Andeutungen und „Insider“-Geschichten habe ich nicht verstanden, Beziehungen zwischen den Personen waren für mich unerklärlich und durchgehend hatte ich das Gefühl, etwas überlesen zu haben. Da dieses Vorwissen aus dem Auftaktband durch das komplette Buch immer mal wieder aktiviert wurde, war das für mich sehr frustrierend zu lesen. Das Abholen von quereinsteigenden Lesern wie mich ist somit leider überhaupt nicht gelungen.

Gut gefallen haben mir hingegen die bildhaften Beschreibungen der südfranzösischen Landschaft, die eine authentische Atmosphäre heraufbeschwören, wie sie auch das lavendelbedeckte Cover transportiert. Insbesondere Orte, Landschaften und kulinarische Köstlichkeiten werden sehr realistisch beschrieben, in Teilen fast so ausführlich, als würde es sich um einen Reiseführer handeln. Es gibt relativ viele Einwürfe und Beschreibungen in Originalsprache. Ich kann mir vorstellen, dass diese Leser beeinträchtigen, die nicht des Französischen mächtig sind, eine Übersetzung in Fußzeilen wäre hier angebracht. Auch hat mich der große Anteil an Rechtschreibfehlern doch sehr gestört.

Mit der Geschichte selbst bin ich leider nicht wirklich warm geworden. Der eigentliche Fall geht nur schleppend voran, dafür werden an vielen Stellen Nebenstränge unnötig aufgebauscht. Durch diese geriet die Ermittlung um Dons Tod vollkommen in den Hintergrund und es konnte sich leider nicht wirklich Spannung aufbauen. Auch gab es zahlreiche unlogische Szenen (z.B. die Olive in der Handtasche) und unzusammenhängende Nebenhandlungen, die nichts zum Fortlauf der Geschichte beitrugen (z.B. der Familienbesuch). Das Ende hingegen kam überraschend actionreich, nachdem die Story bisher eher gemächlich dahingetröpfelt ist – leider aber auch hier wieder in großen Teilen unlogisch und unglaubwürdig. Mit den Tätern hatte ich zwar nicht gerechnet, allerdings erschienen sie doch sehr „aus dem Hut gezaubert“, ihre Art der Beteiligung war sehr verwirrend und wirkte konstruiert. Schade, so hatte man als Leser gar keine Chance mitzurätseln. Am Ende wurde zwar fast alles aufgeklärt, allerdings geschah das nicht aus der Handlung heraus, sondern in einer Art „Nachgespräch“, welches mehr Raum einnahm als der eigentliche Showdown.

Auch mit den einzelnen Charakteren des Buches konnte ich mich nicht wirklich anfreunden. Der Großteil wirkte auf mich oberflächlich. Protagonistin Penny ist eine liebenswerte, wenn auch recht naive und einfältige Person. Sie befindet sich in einer Art Midlife-Crisis und orientiert sich sehr stark an anderen, gerade in Bezug auf Äußerlichkeiten wie Figur und Mode. Dies lässt sie sehr unsicher und unterwürfig wirken, was an sich nicht zu der gestandenen Frau, die ihr Leben in die Hand nimmt und alleine nach Frankreich auswandert, passt. Auch finde ich ihre Einmischungen und beinahe Sensationsgier hinsichtlich der Morde oftmals unangebracht und ich konnte ihre Handlungen zunehmend weniger nachvollziehen. Ich konnte keine wirkliche Bindung zu ihr aufbauen. Ihre Freundin Frankie fand ich einfach nur schrecklich und die Dreiecksbeziehung mit Laurent und Clemence habe ich nicht wirklich verstanden. Insgesamt war mir keine der Figuren wirklich sympathisch und somit konnte ich auch nicht mit ihnen mitfühlen.

Insgesamt habe ich bei „Mord auf Provenzalisch“ zwar mit einem Cozy Crime gerechnet, bin dann letztendlich aber doch sehr ernüchtert zurückgeblieben. Weder Storyline noch Protagonisten konnten mich überzeugen, das einzig tolle am Buch waren die wunderschönen Beschreibungen des französischen Flairs, die mich an die Küste entführt haben. Leider würde ich dennoch keinen weiteren Band der Reihe mehr lesen.

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