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Veröffentlicht am 24.12.2019

Alte Liebe rostet nicht

L(i)eben ist....eine Mottoparty
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Die 20jährige Sophie ist zum ersten Mal in ihrem Leben so richtig verliebt! Mit Michael, genannt „Helli“, hat sie die Zeit ihres Lebens. Aufgrund unglücklicher Umstände trennt sie sich aber von ihm und ...

Die 20jährige Sophie ist zum ersten Mal in ihrem Leben so richtig verliebt! Mit Michael, genannt „Helli“, hat sie die Zeit ihres Lebens. Aufgrund unglücklicher Umstände trennt sie sich aber von ihm und bricht von heute auf morgen jeglichen Kontakt ab.
25 Jahre später: Die 45jährige Sophie ist inzwischen dreifache Mutter und mit Julian verheiratet. Die Ehe ist sehr unglücklich, Julian ist zwar im Beruf erfolgreich, behandelt Sophie aber wie seine Angestellte. Nichts kann sie ihm recht machen, sämtliche Sympathie zwischen den Eheleuten ist erloschen. Sophie bleibt eigentlich nur noch der Kinder wegen bei ihrem Ehemann, sie findet alleine nicht die Stärke, sich zu trennen – bis eines Tages Helli ganz unverhofft wieder in ihrem Leben auftaucht und es gehörig durcheinanderwirbelt. Wird die alte Liebe neu entflammt und Sophie die Kraft geben, ihren Mann zu verlassen? Oder überschatten die Ereignisse der Vergangenheit auch noch die Gegenwart?

Die erste Hälfte des Buches hat mich sehr deprimiert. Hier wird dargestellt, wie aus einer fröhlichen, lebensbejahenden jungen Frau eine verbitterte, unglückliche dreifache Mutter wird, die sich nichts Schöneres vorstellen kann, als sich endlich von ihrem Mann zu trennen. Die Protagonistin trifft so viele schlechte Entscheidungen und schlittert von einer unglücklichen Situation in die nächste, so dass man sie am liebsten schütteln und aufwecken möchte.

Ich bin leider kein großer Fan der Protagonistin Sophie. Für mich verkörpert sie ein sehr naives Frauenbild, eine Person, die blauäugig von einer Situation in die andere schlittert und sich am Ende abhängig von einem Mann macht, dem sie sich nicht wirklich widersetzen kann. Zwar gelingt es ihr am Ende, sich loszueisen, aber nur aufgrund eines anderen Mannes. Mir kam Sophie sehr schwach vor, als bräuchte sie jemand anderes, über den sie sich definiert. Sehr schade, die junge lebenslustige Sophie zu Beginn des Buches war mir sehr sympathisch.

Das Cover ist mir etwas zu vollgestopft, etwas weniger Motive hätten auch ausgedrückt, was verkörpert werden soll. Den Titel fand ich zunächst interessant, aber leider hat sich mir nicht erschlossen, was das Buch mit einer „Mottoparty“ zu tun hat. Schade.

Das Buch endet offen und an einer Stelle, an der sich wichtige Weichen für den weiteren Verlauf von Sophies Leben stellen. Das ist sicherlich als Stilmittel bewusst so gedacht, mich hat es allerdings etwas unbefriedigt mit dem Gefühl zurück gelassen, das Buch war absolut vorhersehbar und wurde mitten im Geschehen beendet. Für meinen Geschmack kam das Ende viel zu plötzlich.

Einen Extra-Punkt gibt es für die leckeren Rezeptideen zu Schluss.

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Veröffentlicht am 08.12.2019

Österreichischer Kriminalroman mit langsamen Spannungsbogen

Schutzpatrone
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Johann Rumpler ist pensionierter stellvertretender Leiter der Mordkommission in Wien. Seine Katze Rosamunde und er könnten ein ruhiges Leben haben, viel Zeit mit gemeinsamem Kochen verbringen und regelmäßig ...

Johann Rumpler ist pensionierter stellvertretender Leiter der Mordkommission in Wien. Seine Katze Rosamunde und er könnten ein ruhiges Leben haben, viel Zeit mit gemeinsamem Kochen verbringen und regelmäßig die Kaffeehäuser Wiens unsicher machen. Allerdings geschehen in letzter Zeit vermehrt Morde an Obdachlosen in Wien, die Rumpler beunruhigen. Er hatte zu seiner aktiven Zeit rege Kontakte in die Obdachlosenszene und auch die ein oder andere Freundschaft geschlossen. Rumpler beginnt auf eigene Faust zu ermitteln und findet einen parallel verlaufenden Vermisstenfall einer jungen Frau. Der einzige, der eine Verbindung zwischen den beiden Fällen schaffen und zum Täter der Morde führen kann ist Rudi Schätter, ein Freund des ersten Mordopfers. Allerdings wurde dieser in eine psychatrische Anstalt eingeliefert, da er in der kindlichen Welt des Kasperltheaters lebt. Wird es Rumpler gelingen, das Kasperl-Rätsel zu lösen?

„Schutzpatrone“ ist ein regionaler Krimi, der Stadt und Landkreis Wien sehr anschaulich darstellt. Wer sich in Wien auskennt, wird sicherlich viele Schauplätze wieder erkennen. Der österreichische Dialekt ist in sämtlichen Dialogen präsent, was dem Buch einerseits Authentizität verleiht, andererseits das Lesen für Nicht-Österreicher schwierig gestaltet: Ich persönlich hatte teilweise große Probleme, den Gesprächen zu folgen und habe viele umgangssprachliche Wörter nicht gekannt, was mich sehr gestört hat und dazu führte, dass ich mich ausgeschlossen fühlte.

Der Autor selbst bezeichnet seinen Stil als „Slow Crime“, eine sich sehr langsam entwickelnde Kriminalgeschichte ohne Cliffhanger und Brutalität. Ich gehöre wohl eher zu der Sorte des ungeduldigen Lesers, mir ging der Fortgang der Handlung viel zu langsam. Der Spannungsbogen hat sich leider so langsam aufgebaut, dass auch die subtile Hinführung zum Höhepunkt mich leider nicht mehr mitreißen konnte. Ich habe den Handlungsverlauf an vielen Stellen als zäh empfunden. Der Autor schreibt in langen Sätzen, was dazu führt, dass das Geschehen sehr gut erklärt wird, teilweise aber ausufert, beispielsweise finden sich genauste und sich wiederholende Beschreibungen der Handlungen von Rumplers Katze oder ganze Kochrezepte. Diese Detailverliebtheit war für mich viel zu ausführlich und ich habe mich teilweise dabei gelangweilt. Der entscheidende Punkt am Ende, warum der Schuldige seine Taten begangen hat, war hingegen für mich nicht nachvollziehbar. An dieser Stelle hat es an Hintergrundinformationen gemangelt.

Rumpler als Charakter ist ein sehr sympathischer Protagonist, der Leser kann sich aufgrund des detailverliebten Begleitens im Alltag ein sehr genaues Bild von ihm machen, sowohl charaktermäßig, als auch seiner Handlungen, Routinen und Vorlieben.

Der Titel „Schutzpatrone“ ist hier als Wortspiel zu verstehen, in diesem Fall bezieht es sich auf die Patrone einer Waffe, die jemanden beschützt. Diese ist auch auf dem Cover zu sehen, welches mich insgesamt leider auf den ersten Blick nicht angesprochen hätte. Auch dieses ist sehr detailreich und wird erst ganz am Ende des Buches verständlich. Allerdings handelt es sich laut Autor dabei um ein Gemeinschaftsprojekt seiner Familie, was dem Ganzen wieder Charme gibt. Im Buchhandel hätte ich wohl leider aber nicht danach gegriffen.

Fazit: „Schutzpatrone“ ist ein österreichischer Kriminalroman, der intensiv den Alltag des Protagonisten darstellt. Leider geht bei der Beschreibung all diesen „Drumherums“ der Fokus auf das eigentliche Geschehen etwas verloren und der Spannungsbogen baut sich nur langsam auf.

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Veröffentlicht am 21.09.2019

Mehr gesellschaftskritischer Roman als Krimi

Die einzige Zeugin
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Auf dem Gelände der ehemaligen Nervenheilanstalt Beckomberga in Stockholm ist eine moderne Wohngegend entstanden, in der auch der Consultant Svante Levander mit seiner Freundin ein Haus bezogen hat. Svantes ...

Auf dem Gelände der ehemaligen Nervenheilanstalt Beckomberga in Stockholm ist eine moderne Wohngegend entstanden, in der auch der Consultant Svante Levander mit seiner Freundin ein Haus bezogen hat. Svantes Ex-Frau Eva hat noch Gefühle für ihn und sucht des Öfteren die Nähe des Hauses. Eines Abends kommt es dabei zu einem fatalen Aufeinandertreffen mit verbaler Auseinandersetzung zwischen Eva und Svante, welches damit endet, dass Eva nach einer Phase der Bewusstlosigkeit im Krankenhaus aufwacht und dort erfährt, dass Svante ermordet wurde. Eva wird beschuldigt, hierfür verantwortlich zu sein und sieht sich plötzlich in der Situation, ihre Unschuld beweisen zu müssen. Die einzige Person, die dies bezeugen könnte, ist eine rumänische Bettlerin, die das Geschehen beobachtet hat.
Um diese aufzuspüren taucht Eva zunächst in die Bettlerszene Stockholms ein und macht sich anschließend auf die lange Reise nach Rumänien, begleitet von ihrem rebellischen Sohn Filip.
Währenddessen geschehen in der Wohngegend in Beckomberga weitere seltsame Zwischenfälle und unter den Bewohnern geht die Angst um…

Der Einstieg ins Buch gelingt aufgrund der eben beschriebenen Geschehnisse schnell, auch ein in der Vergangenheit spielender Prolog macht Neugier auf die weitere Geschichte. Tove Alsterdal eröffnet zeitgleich viele parallel verlaufende Handlungsstränge, denen der Leser aufgrund ihres erzählenden, klaren Schreibstils gut folgen kann. Auch zeigt die Autorin Perspektiven verschiedenster Figuren auf, was an sich ein spannendes Stilmittel ist, angesichts der Vielzahl an Personen droht der Leser jedoch den Überblick zu verlieren.

Leider konnte ich persönlich nur wenig Sympathie für die – meist sehr egoistisch wirkenden – Figuren entwickeln. Eine Identifikation mit ihnen war gar nicht möglich und so konnten deren Handlungen und Entscheidungen weder nachvollzogen noch gutgeheißen werden. Lediglich die Krankenschwester Ulla konnte als Sympathieträgerin überzeugen, sie spielt aber erst sehr spät im Buch eine Rolle. Die Ermittlungsarbeit der Polizei wird im Buch nur nebenbei angerissen, über den Verlauf der Ermittlungen erfährt man fast nichts. Das finde ich für einen skandinavischen Krimi ungewöhnlich und auch sehr schade.

Die Mitte des Buches zieht sich in die Länge: Die Lebensumstände von Bettlern in Stockholm und Rumänien werden en detail beschrieben, dazu geschichtliche Hintergründe dargestellt. Diese sind tragisch und von der Autorin gut recherchiert, letztendlich aber irrelevant, um die Story voranzutreiben. Hier kommt leider keinerlei Spannung auf und der Leser fragt sich im Nachhinein, weshalb dieser Teil der Geschichte so ausführlich dargestellt werden musste.

Insgesamt betrachtet ist die Lesespannung während des gesamten Buches nur teilweise vorhanden, lediglich eine gruselige Szene des Nachts auf einem verlassenen Waldstück der ehemaligen Klinik lässt das Adrenalin nach oben schießen. Leider war es das dann auch schon. Erst kurz vor Schluss kommt mit Krankenschwester Ulla die Protagonistin aus dem Prolog wieder zurück, löst – beinahe im Alleingang – das Rätsel und verbindet die Geschichte der alten Nervenheilanstalt mit der Gegenwart.

Das Ende wirkt konstruiert und unrealistisch, ist zugegebenermaßen aber doch überraschend, wenn auch moralisch zweifelhaft. Der Leser hätte durch Miträtseln während des ganzen Buchverlaufes gar nicht auf die Lösung kommen können. Auch bleiben am Ende noch offene Fragen, manche Erzählstränge werden einfach nicht weiter verfolgt – schade, ich als Leser hätte mir eine vollständige Aufklärung aller begonnenen Handlungsstränge gewünscht.
Tove Alsterdals Ansatz, ihre Geschichte auf dem ehemaligen Klinikgelände spielen zu lassen, ist spannend, wird aber leider viel zu kurz und oberflächlich behandelt. Auch fehlt insgesamt der Bezug aufs Wesentliche, das Behandeln vieler unterschiedlicher – davon die detaillierte Beschreibung gesellschaftskritischer – Themen geht zulasten des roten Fadens.

Der Titel des Buches ist meiner Meinung nach etwas irreführend gewählt, da die einzige Zeugin nicht die Schlüsselfigur des Buches darstellt und nicht maßgeblich zur Lösung des Falles beiträgt. Ebenso passt der Klappentext nicht zum Hauptgeschehen.

Leider kommt keine richtige Spannung auf, das Buch endet in großer Ernüchterung. Ich kann es deshalb keinen spannungssuchenden Krimifans weiterempfehlen, wer über das gesellschaftspolitische Problem der Flüchtlinge und Bettler in Europa lernen möchte sei „Die letzte Zeugin“ von Tove Alsterdal allerdings ans Herz gelegt.

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Veröffentlicht am 24.07.2021

Anspruchsvolle und anstrengende Charaktere

Schicksal
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Die Geschichte zweier Frauen in Israel, die indirekt miteinander verbunden sind: Atara sucht nach dem Tod ihres Vaters, zu dem sie kein gutes Verhältnis hatte, nach dessen geheimnisvoller erster Frau. ...

Die Geschichte zweier Frauen in Israel, die indirekt miteinander verbunden sind: Atara sucht nach dem Tod ihres Vaters, zu dem sie kein gutes Verhältnis hatte, nach dessen geheimnisvoller erster Frau. Über Rachel durfte nicht gesprochen werden und alles was Atara über sie herausfand war rätselhaft. Als es Atara schließlich gelingt, Rachel aufzuspüren verläuft die Begegnung ganz anders als verhofft. Und dann schlägt das Schicksal zu und schafft Verbindungen zwischen den Frauen und ihren ewig andauernden Schuldgefühlen.
Das Cover von „Schicksal“ ist schlicht gehalten und zeigt eine Frau, die melancholisch und geheimnisvoll auf mich wirkt. Das Cover ist stimmig zur Geschichte, in der es ja auch primär um Atara geht, ansonsten mag ich allerdings keine Gesichter auf Covern, da ich mir die Personen lieber selbst vorstelle. Gut gefällt mir allerdings die Farbgebung, das Gelb im Kontrast zum Schwarz-weißen wirkt eindrucksvoll. Seltsam erscheint mir lediglich, dass der Autorenname in Größe und Farbe den Buchtitel doch sehr stark überstrahlt.
Die Sprache des Buches ist sehr besonders und herausfordernd. Sie ist sehr literarisch, beinahe poetisch und voll von Metaphern – mal passend, mal weniger nachvollziehbar. Ich fand das Buch an vielen Stellen zäh und mühselig zu lesen. Viele Satzkonstruktionen waren kompliziert. Keine leichte Lektüre war es zudem, da über der gesamten Geschichte ein melancholischer Nebel aus Trauer, Sehnsucht, Ohnmacht, verpassten Chancen und verbrauchtem Leben hängt. Es hat mich schon etwas schwermütig werden lassen. Gut fand ich, dass ich als Leser nebenher etwas über die israelische Geschichte lernen konnte, insbesondere durch das Glossar zu verschiedenen Begrifflichkeiten im Anhang.
Im Buch wird abwechselnd aus zwei Perspektiven erzählt, der von Atara und der von Rachel. Innerhalb dieser Kapitel wird aber auch des Öfteren unvermittelt zwischen den Zeiten sowie Erleben und Reflexion gesprungen, so dass es mir an manchen Stellen schwer fiel den Kontext einzuordnen und die Handlung zu erfassen. Noch dazu wird sehr viel Nebensächliches bis ins kleinste Detail beschrieben, dass es meiner Meinung nach nicht gebraucht hätte. Am meisten gestört hat mich allerdings, dass unglaublich wenig passiert. Das Buch hat sich sehr gezogen und die vielen (unnötigen) Geheimnisse voreinander, Streitigkeiten und die traurige Stimmung haben es mir nicht ermöglicht, mich wirklich auf das Buch einlassen zu wollen.
Was mich aber am meisten gestört hat war die Protagonistin selbst: Atara hat mich in ihrer Art unheimlich abgestoßen! Ständig kreist sie nur um sich selbst, bemitleidet sich und ist in unendlicher Reflexion und Aufarbeitung. Alles andere gerät ihr dabei völlig aus dem rein selbstbezogenen Blick. Sie ist sprunghaft, streitlustig und ruhelos, verlangt Dinge von anderen, die sie selbst nicht umsetzt. Diese Lebenskrise war mir zu ausgeschlachtet, ihr Selbstmitleid zu überbordend und ich wollte irgendwann einfach nichts mehr von ihrer Charakterstudie hören. Auch sämtliche andere Charaktere waren mir unsympathisch und wurden primär durch ihre negativen Eigenschaften charakterisiert.
Insgesamt empfand ich das Buch als ungemein anstrengend und Atara als die unsympathischste Protagonistin seit langem. Ich kann verstehen, dass anderen Leser sicherlich die Wortgewandtheit der Autorin und ihr literarisch-sprachliches Können gut gefallen, meinen Geschmack hat sie dabei leider aber überhaupt nicht getroffen. Schade, der Kern der Geschichte hatte Potenzial, aber die Ausführung konnte mich alles andere als überzeugen.

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Veröffentlicht am 20.06.2021

Historisch interessant, als Krimi enttäuschend

Lange Schatten über der Côte d'Azur
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Kommissar Léon Duval steht vor einem Rätsel: Auf dem Friedhof „Le Grand Jas“ in Cannes wurde die Leiche eines jungen Mannes entdeckt, der über einem Grabstein zusammengebrochen ist. Duval forscht – entgegen ...

Kommissar Léon Duval steht vor einem Rätsel: Auf dem Friedhof „Le Grand Jas“ in Cannes wurde die Leiche eines jungen Mannes entdeckt, der über einem Grabstein zusammengebrochen ist. Duval forscht – entgegen der Anweisung seiner Vorgesetzten – zu dem Grab, der sich als ein Gedenkstein für Opfer des Nationalsozialismus in Cannes herausstellt. Und er findet tatsächlich einen Zusammenhang zu dem Ermordeten und den Personen, denen auf dem Stein gedacht wird. Kommissar Duval glaubt nicht an einen Zufall und begibt sich deshalb, unterstützt durch seine Lebensgefährtin Annie, auf eine Reise in Cannes traurigstes Kapitel der Vergangenheit.

„Lange Schatten über der Côte d´Azur“ ist bereits der achte Band der Autorin Christine Cazon rund um Kommissar Léon Duval. Ich habe bisher keinen Vorgängerband gelesen und deshalb fehlen mir auch einige Vorkenntnisse, die im Buch angedeutet, aber leider nicht vollständig erklärt werden. Diese haben mich zwar neugierig gemacht und teilweise etwas unbefriedigt hinterlassen, der Ermittlung an sich aber keinen Abbruch getan. Der Titel des Buches ist mir persönlich zu sperrig, aber das Cover hat mich überzeugt: Das Bild des Friedhofes vor Meereskulisse wird direkt im ersten Kapitel des Buches aufgegriffen und passt so gut zur Handlung.

Christine Cazons Schreibstil lässt sich aufgrund seiner Einfachheit gut lesen. Die Dialoge sind teilweise so schlicht und unaufgeregt gehalten, dass sie fast trivial wirkten. An anderen Stellen sind sie hingegen oftmals in lange Monologe ausgeartet, die beinahe wie Zitate aus einem Geschichtslehrbuch und dementsprechend anstrengend und alles andere als authentisch waren. Das hat mir den Lesefluss erschwert und nicht besonders gut gefallen. Was mir jedoch am meisten gefehlt hat, da das meine primäre Erwartung an das Buch war, ist der Lokalkolorit. Leider ist es dem Buch nicht gelungen, südfranzösisches Flair zu versprühen und die dort so typische Atmosphäre aufzubauen. Die Beschreibungen von Örtlichkeiten, Landschaften und Stimmungen waren mir einfach zu wenig, so dass mich das Buch leider gedanklich nicht an die Côte d´Azur entführen konnte – schade!

Die Geschichte an sich betrachte ich zwiespältig: Einerseits gab es den Handlungsstrang rund um die Geschehnisse in Südfrankreich zur NS-Zeit. Die Themen hier waren eher schwere Kost, da das Buch tief ins Historische und dort in besonders schlimme Ereignisse eintaucht. Wie bereits erwähnt geschah dies auf etwas sperrige Art und Weise in Form sehr unglaubwürdiger „Dialoge“. Christine Cazon scheint sehr ausführlich recherchiert zu haben und dem Leser ein breites Hintergrundwissen mitgeben zu wollen. Dies war zwar interessant, aber in dieser Ausführlichkeit nicht alles von Belang für die Krimihandlung. Die deutsch-französische Geschichte wurde teilweise sehr belehrend ausgerollt und rückte stark in den Fokus. So sehr, dass ich teilweise die eigentliche Geschichte um den Mord fast vergessen hatte. Emotional war der Hintergrund von Jakob Silberstein das einzige am Buch, was mich emotional berührt hat, aber die Verknüpfung von historischen Ereignissen mit der aktuellen Mordermittlung ist meines Empfindens nach leider nicht gelungen. Der zweite Handlungsstrang konnte ebenfalls nicht überzeugen. Die Ermittlung lief gefühlt eher nebenher, da neben ausführlichen Geschichtsstunden auch Duvals Privatleben ausgiebig thematisiert wurde. Dieses hat weder ihn, noch seine Frau Annie in einem besonders sympathischen Licht dastehen lassen, ich empfand deren Dialoge als aggressiv und wenig wertschätzend. Insgesamt war es mir viel zu viel breit ausgewälztes Privatleben, das zulasten der Kriminalgeschichte ging. Sowieso ist diese so stark in den Hintergrund gerückt, dass man das Buch schon fast nicht mehr als Krimi bezeichnen könnte. Für meinen Geschmack hätte dafür mehr Ermittlungsarbeit geschildert und Spannung aufgebaut werden müssen. Die Auflösung des Falles empfand ich dann als sehr unkreativ. Es ging dann plötzlich ganz schnell und nach all den Verwicklungen war das Motiv hinter dem Mord einfach nur enttäuschend.

Insgesamt hat mir das Buch leider nicht besonders gut gefallen. Bis auf Jakob Silberstein habe ich alle Personen als überempfindlich oder unsympathisch wahrgenommen. Die ergreifende historische Geschichte des alten Mannes hat der eigentlichen Story absolut den Rang abgelaufen, so dass das Buch sehr stark von der Krimihandlung abgedriftet ist. Vieles wirkte konstruiert und unglaubwürdig, es fehlte mir komplett an Spannung. Auch habe ich mir einen Krimi mit "Urlaubsflair" versprochen, von dem ich kaum etwas gespürt habe. Mich hat das Buch nicht besonders zufrieden hinterlassen und ich werde deshalb wohl auch keinen weiteren Fall von Duval mehr lesen. Schade.

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