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Veröffentlicht am 16.12.2019

Macht süchtig - fesselnd, actionreich und cooles Konzept!

Schatten der Ewigkeit - Zwillingsblut
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Dieses Buch ist der Auftakt einer Reihe, allerdings werden die Bände aus der Sicht unterschiedlicher ProtagonistInnen erzählt und die Geschichte dieses Bandes ist weitgehend abgeschlossen und kann für ...

Dieses Buch ist der Auftakt einer Reihe, allerdings werden die Bände aus der Sicht unterschiedlicher ProtagonistInnen erzählt und die Geschichte dieses Bandes ist weitgehend abgeschlossen und kann für sich stehen - auch wenn man dann damit leben muss, dass ein paar Fragen offen bleiben.

Am Anfang wird man direkt in die Story hineingeworfen, was verwirrend sein kann, weil man sich erst in einem neuen Weltenkonzept zurechtfinden muss, was bei mir eigentlich ganz gut geklappt hat. Inmitten der Menschen leben die Alias, im Prinzip alle Mythen, Fabelwesen und Sagengestalten, die man sich vorstellen kann - Vampire, Götter, Dämonen, Geister, ... Dabei sind die unterschiedlichsten Hintergründe vertreten, von europäischem über japanischem hin zu indischem Ursprung.
Diese Mythen werden teils auf humorvolle Weise umgesetzt, wenn sie angeblich falsch oder verfälscht überliefert wurden. Zum Beispiel gibt es einen Vampir, der die ganze Zeit auf Knoblauch herumkaut.

Da das Buch allerdings eher plotfokussiert ist, lernt man viel von dieser Welt eher grob kennen, auch wenn ich trotzdem das Gefühl hatte, dass die wichtigen Informationen nachvollziehbar vermittelt wurden. Es werden verschiedene Welten angedeutet und Seelen werden in aller Regel wiedergeboren, selbst wenn sich die meisten nicht an ihre vorherigen Leben erinnern, was einfach auch eine super coole Idee mit Konfliktpotenzial ist.

Dachte ich am Anfang noch, es würde die typische Kennenlernphase folgen, wurde ich insofern überrascht, als dass die Handlung sehr schnell an Fahrt aufnimmt - und dann konstant ein sehr hohes Tempo hält, sodass man als LeserIn nie wirklich zum Durchatmen kommt und die Spannung durchgehend sehr hoch ist. Das wiederum führte dazu, dass ich mich nur sehr schwer von dem Buch trennen konnte und es sehr schnell durchlas
An Action und Spannung mangelt es also definitiv nicht, langweilig wird es auch nie und immer wieder gibt es überraschende Wendungen. Ein, zwei Dinge wurden so angedeutet, dass man sie erraten konnte, was die Spannung aber nur noch erhöhte. Viele Konflikte fand ich dabei unglaublich cool.
Lediglich zum Ende hin hätte ich mir etwas gewünscht, einige Konflikte, die extrem viel Potenzial haben, würden mehr ausgearbeitet werden, da sie - zugunsten des Tempos - so nun doch sehr schnell abgehandelt wurden, wobei hier mit Sicherheit auch persönliche Vorlieben eine Rolle spielen.

Kit ist eine sehr sympathische Protagonistin. Sie ist eine Kitsune und verwandelt sich bei Angst oder Stress auch gerne mal in einen Fuchs, was extrem süß sein kann. Ansonsten ist sie aber schlagfertig und lässt sich nicht unterkriegen, gibt ihrem Gegenüber grundsätzlich Paroli, ist selbstbewusst und steht für sich ein. Gleichzeitig muss sie aber auch mit dem Verlust ihres Partners klarkommen.
Auf jeden Fall war mir Kit wirklich sehr sympathisch und ich mochte es vor allem, dass es als Stärke angesehen wird, dass sie ihre Gefühle zulässt und auch offen zeigt. Oft ist bei Fantasy-Romanen eher das Gegenteil der Fall, umso toller fand ich es, dass Emotionen hier als Stärke dargestellt werden.
Zugegeben, auch Kits Charakter hat definitiv noch Potenzial, weiter ausgebaut zu werden und mehr Tiefe zu erhalten, gerade von ihrer Vergangenheit gibt es teilweise nur kleine Eindrücke - auch hier zeigt sich der Fokus auf den Plot.

Der andere Protagonist ist Nakir, ein Todesdaimon, an den man aufgrund seines Charakters weit weniger einfach herankommt. Was ich aber auch an ihm sehr mochte, ist, dass er zwar an sich der typische düstere, jahrhundertealte Typ mit tragischer Vergangenheit und tödlichen Fähigkeiten ist, der sich oftmals ruppig verhält und von vielen gefürchtet wird, man aus seiner Perspektive aber sehr schnell erfährt, dass er vielleicht abweisend ist, aber an sich durchaus Mitleid, Trauer, Wut, Verzweiflung, Frustration etc. empfindet und ihm seine Mitwesen alles andere als egal sind.
Trotz dass er ein Alias ist, wirkt er somit fast ... menschlich, auch, weil er zwischendurch auch mal Rückschläge erleidet, und das mochte ich sehr gerne. Umso mehr finde ich es schade, dass ich bis zum Schluss nicht hundertprozentig an ihn herangekommen bin.

Mit den Klischees bricht die Autorin auch, wenn es um Kits neuen (menschlichen) Partner Keagan geht. Auch der ist abweisend, zeigt kaum Gefühle und ist wortkarg, strahlt etwas Düsteres aus und ist berüchtigt. Wo man also erwarten würde, dass sich das instant eine Liebesgeschichte auftut, stellt die Autorin schnell klar, dass zwischen den beiden keine romantischen Gefühle sind, und baut stattdessen eine partnerschaftliche Freundschaft auf, die ich unglaublich toll fand.
Gerade Keagan entwickelte sich sehr schnell zu meinem Lieblingscharakter, denn seine harte Schale taut sehr schnell auf und dann merkt man ihm an, dass er sich um seine Partnerin kümmert und sich um sie sorgt, was einfach unglaublich niedlich ist. Nicht zuletzt sind die Dialoge zwischen ihm und Kit auch einfach unglaublich unterhaltsam und humorvoll, da sich die beiden ständig necken und ärgern.

Die tatsächliche Liebesgeschichte entwickelt sich sehr, sehr langsam, und auch das erst gegen Ende des Romans. Selbst am Schluss steckt sie eigentlich vielmehr in ihren Kinderschuhen, was absolut authentisch ist. Und auch wenn der nächste Band aus der Sicht anderer Charaktere kommt, bleibt doch zu hoffen, dass man erfährt, wie es mit den anderen weitergeht.

Fazit: Eine actionreiche Fantasy-Geschichte mit einer coolen Idee, die durchgehend ein hohes Tempo hält, nie langweilig wird und den/die LeserIn dadurch nie zu Atem kommen lässt. Das Buch fokussiert sich dabei in erster Linie auf den Plot, die Liebesgeschichte ist nur leicht präsent und entwickelt sich langsam. Am Ende hätte ich mir gewünscht, dass das Potenzial in einigen Aspekten ein wenig mehr ausgearbeitet worden wäre. Die Charaktere sind sehr sympathisch und authentisch, die größte Stärke der Protagonistin sind ihre Gefühle und hinzu kommen humorvolle Dialoge. Insgesamt ein fesselndes Buch, das süchtig macht und Spaß bereitet!

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  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.12.2019

Spannende Science Fiction-Story mit sympathischen, tiefgründigen ProtagonistInnen

Neon Birds
5

Das Buch hält sich nicht mit langen Einleitungen auf, sondern steigt sofort in die Geschehnisse ein und legt voller Spannung los. Das führte in meinem Fall dazu, dass ich von Anfang an gebannt an den Seiten ...

Das Buch hält sich nicht mit langen Einleitungen auf, sondern steigt sofort in die Geschehnisse ein und legt voller Spannung los. Das führte in meinem Fall dazu, dass ich von Anfang an gebannt an den Seiten hing und sofort in der Story drin war.
Umgekehrt muss man sich als LeserIn natürlich auch in einer fremden, futuristischen Welt orientieren. Dabei gibt es zwischendurch immer mal wieder Akten und Dokumente, die die Informationen gebündelt vorstellen, gleichzeitig werden diese aber auch in die Gesprächen geschickt eingewoben und ergänzen und wiederholen sie somit, so dass ich das Gefühl hatte, die relevanten Informationen zu verstehen, ohne dass ein Info Dump auftrat.

Das Setting ist dabei ziemlich interessant und wirkt bisher sehr durchdacht. An manchen Stellen mutet diese Zukunftsversion fast utopisch an - als Reaktion auf die Folgen des Klimawandels wird Naturschutz großgeschrieben und die Menschen ernähren sich vegan, es gibt eine Weltregierung, die angeblich alle Menschen gleichbehandelt, und technologische Erweiterungen wie Cyber Trips (quasi Beamen). Aber schnell wird deutlich, dass nicht alles immer so hübsch ist, wie es aussieht.
Umgekehrt kämpft die Welt mit einer künstlichen Intelligenz (KI) und einem Virus, der über die Luft übertragen wird und Menschen in emotionslose, von dieser KI gesteuerte Wesen - Mojas - verwandelt, die die Menschheit auszulöschen drohen. Der Virus und die KI werden in Schutzzonen gefangengehalten, doch reicht das nicht, um sie in Schach zu halten ...
Ein sehr düsteres Zukunftsszenario also, das für mich weitgehend logisch erklärt wurde. Auf jeden Fall bin ich gespannt darauf, wie das in den Folgebänden weiter entwickelt wird.

Hatte ich Angst, die Spannung könnte nach dem starken Beginn abflachen, so wurde ich beruhigt, denn das war keineswegs der Fall. Stattdessen machte die Geschichte in gewisser Weise süchtig, kann überraschen und war für mich weitgehend unvorhersehbar. Gerade der Schluss ist nochmal ein richtiger Cliffhanger, der gespannt auf die Fortsetzungen macht.
Allerdings muss ich auch dazu sagen, dass das Ende zwar sehr spannungsgeladen ist, mir aber fast ein wenig zu hektisch war und mir manche Sachen zu schnell abgehandelt wurden, was aber auch einfach nur ein persönlicher Eindruck sein kann.

Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht von vier ProtagonistInnen erzählt. Ich muss zugeben, dass ich kein Fan von vielen Perspektiven bin und somit zwischendurch ein wenig genervt war, wechseln zu müssen, gerade, wenn es an anderer Stelle spannender war.
Insgesamt waren mir alle vier sympathisch, dennoch mochte ich Flover und Luke am meisten. Flover ist ein Soldat einer geheimen Elite-Einheit und durch seinen Job abgehärtet. Dennoch geht das nicht so spurlos an ihm vorbei, wie es scheint. Sein Mitbewohner Luke wirkt dagegen wie ein eher gewöhnlicher Student, doch auch er hat seine Geheimnisse. Gerade die Beziehung zwischen den beiden Freunden ist extrem süß und ja, eventuell habe ich die beiden sehr in mein Herz geschlossen. :D

Daneben haben wir dann noch Okijen und Andra. Okijen ist ein ehemals gefeierter Soldat, der sich aus dem Militär zurückgezogen hat und eigentlich nur seine Ruhe haben will, jetzt aber wieder mit reingezogen wird. Andra stammt aus einer Siedlung, die abseits der übrigen Zivilisation und näher an der Natur lebte, nun aber von Mojas angegriffen wird.
Was alle ProtagonistInnen gemeinsam haben, ist, dass sie sehr menschlich wirken, Ängste und Schwächen haben und dadurch sehr authentisch rüberkommen. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass unnötige Dramen und Konflikte zwischen den Charakteren vermieden werden, zum Beispiel trifft Okijen irgendwann seine Exfreundin und obwohl die beiden nonstop streiten, wird schnell klar, dass sie sich trotzdem nicht abgrundtief hassen, sondern auch normal miteinander reden können.

Was mich allerdings ein bisschen irritiert hat, ist, dass Flover und Okijen als absolute militärische Helden in krassen Positionen gepriesen werden und ich sie dafür ein wenig jung fand. Gerade bei Okijens Darstellung hatte ich lange das Bild eines alten Veterans oder meinetwegen eines Typen, der mindestens Mitte 30 ist, im Kopf, nur um dann damit konfrontiert zu werden, dass er erst Anfang 20 ist, obwohl das halbe Militär ihm zu Füßen liegt. Auch Flover ist erst 19, aber schon Captain und anscheinend auch irgendwie mega der Überflieger.
Zwar wird später erklärt, warum viele SoldatInnen so jung sind und die Charaktere verhalten sich ansonsten in aller Regel auch entsprechend ihres Alters, dennoch war das sehr verwirrend und nicht ganz nachvollziehbar. Andererseits ist das eben auch ein Jugendbuch und daher ist es verständlich, dass die ProtagonistInnen sich dann wieder in dem Alter ihrer Zielgruppe befinden.

Fazit: Durchgehend und von Anfang an sehr spannende Science Fiction-Story mit einem düsteren und nachvollziehbar erklärten Zukunftsszenario, aber auch mit utopischen Elementen. Die actionreiche Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht von vier authentischen und sehr sympathischen ProtagonistInnen mit Stärken, Ängsten und Schwächen erzählt. Der Cliffhanger am Ende stimmt neugierig auf die Fortsetzungen, allerdings ist der Schluss dabei auch ein wenig hastig.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Geschichte
  • Spannung
  • Erzählstil
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.08.2019

Eine skurille, unterhaltsame Geschichte einer nigerianischen Autorin

Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy
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Dieses Buch ist ein Own Voice-Buch der nigerianischen Autorin Adaobi Tricia Nwaubani, das in Nigeria spielt und sich die 419-Scammer zum Thema nimmt, sprich diejenigen, die mit Spam-Mails Geld machen, ...

Dieses Buch ist ein Own Voice-Buch der nigerianischen Autorin Adaobi Tricia Nwaubani, das in Nigeria spielt und sich die 419-Scammer zum Thema nimmt, sprich diejenigen, die mit Spam-Mails Geld machen, in denen sie sich als nigerianische Prinzen, arme Witwen oder ähnliche ausgeben, Gewinne versprechen oder um Geldleihen bitten. Wiederholt machen sie sich dabei über die Dummheit der EuropäerInnen und AmerikanerInnen lustig, die auf diese Mails reinfallen und sich gegebenenfalls sogar noch selbst als RetterInnen "bedürftiger AfrikanerInnen" sehen.
Dabei geht es auch viel um das Bild weißer Menschen und der westlichen Welt in Nigeria, eigenen Sehnsüchten, aber auch Abgrenzungen und irgendwie eben auch um den Umgang mit Postkolonialismus. Das Buch bietet mir die Möglichkeit, einen Einblick in eine nigerianische Sicht zu erhalten - und natürlich auch in einen nigerianischen Alltag.

Der Protagonist Kingsley ist in einer armen Familie aufgewachsen. Für seine Eltern stand Bildung und Wissen immer an erster Stelle, aber jetzt findet er trotz Universitätsabschluss keine Stelle. Dabei will er eigentlich das Mädchen, das er an der Uni kennengelernt hat und über alles liebt, heiraten und ihr ein sicheres Leben bieten. Und als er wieder in Kontakt mit seinem Onkel kommt, dem schwarzen Schaf der Familie, der ein reicher Chef einer 419er-Firma ist, lockt ihn diese Methode des schnellen Geldes.

Kingsley ist wie so viele Charaktere jemand, bei dem ich mir nie sicher war, ob er mir sympathisch ist. Sein Onkel, stark übergewichtig, von jüngeren Frauen umschwärmt und mit seinem Geld am prossen, mag unsympathisch erscheinen, wirkt aber eher wie eine Persiflage. Überhaupt - im Zentrum der Geschichte stellt vielmehr der Unterhaltungswert.
Der Roman lebt gerade von diesem Ironischen, mit dem mit diesem Thema umgegangen wird. Skurril, abnormal, die Faszination des schnellen Geldes und eine Welt der Macht und des Reichtums - aber auch der Ehre, denn gegenüber anderen NigerianerInnen und besonders der eigenen Familie zeigt sich enorme Solidarität.

Politik oder Gesellschaftskritik stehen bei diesem Buch gar nicht wirklich im Vordergrund, vielmehr geht es um die Unterhaltung, und so lässt sich dieses Buch auch relativ flüssig lesen. Und ganz nebenbei bot es mir die Möglichkeit, mal meine westliche Blase zu verlassen und eine nigerianische Stimme kennenzulernen.

Veröffentlicht am 12.01.2018

Voller Melancholie und Weltschmerz

Winter so weit
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! ACHTUNG - ENTHÄLT SPOILER ZUM VORGÄNGER!

Das ist eins der Bücher, das man beendet, und dann ist man total fertig. Mit den Nerven. Mit den Gefühlen. Mit der Welt. Mit allem.

Ich hatte Angst vor dem ...

! ACHTUNG - ENTHÄLT SPOILER ZUM VORGÄNGER!



Das ist eins der Bücher, das man beendet, und dann ist man total fertig. Mit den Nerven. Mit den Gefühlen. Mit der Welt. Mit allem.

Ich hatte Angst vor dem zweiten Teil. Ich hatte wirklich Angst. Ich fand, dass der erste gut für sich stehen konnte, ich fand, dass das Ende passte, und ich hatte Angst, dass diese Fortsetzung alles kaputtmachen würde.
Doch all diese Gedanken wurden beim Lesen absurd. Ich glaube, ich habe ganz diesen Stil vergessen. Die Worte, die mal voller Poetik und sprachlicher Bilder ist, und einem dann wieder ganz schonungslos die Wahrheit ins Gesicht klatscht. Einem den Atem raubt, wegen dieser unfassbaren Grausamkeit und Ungerechtigkeit.
Irgendwie gelingt es Peer Martin, den syrischen Bürgerkrieg in all seiner Grausamkeit rüberzubringen, sodass ich teilweise das Gefühl hatte, ich wär selbst dort, zwischen den zerstörten Ruinen eines ehemals wunderschönen Landes. Inmitten eines gnadenlosen Krieges. Mehr als einmal weinte ich innerlich, äußerlich erstarrt wegen all dem.

Und dann die andere Seite der Medaille. Fremdenhass, Neo-Nationalsozialismus in Deutschland, rechte Gruppen. Ich habe es verabscheut beim Lesen.
Und beide Themen sind einfach unfassbar gut recherchiert, was die Zitate vor den Kapiteln zeigen. Und die Rechercheanstöße, den ich noch folgen muss. Überhaupt, auch hier gab es wieder viele schöne Textstellen, aber ich konnte mich nicht von den Seiten lösen, um die Seitenzahlen aufzuschreiben. Ich vergaß die Welt um mich herum, wurde komplett reingezogen in diese Geschichte, die manchmal irreal anmutet und doch realer ist wie die meisten anderen.

Klar, man könnte jetzt darüber diskutieren. Darüber, dass es in dem Buch Stellen gibt, die unseren Vorstellung von real und möglich widersprechen, die mystisch anmuten. Unerklärbare Dinge. Dass die Geschichte sowas nicht braucht, dass sie vielmehr zu realistisch ist, als dass sowas geht.
Aber das ist einfach dieser Stil. Die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit verblassen manchmal, manchmal weiß man auch als LeserIn nicht mehr so ganz, was Einbildung ist und was nicht, und dennoch verliert das Thema kein bisschen an Ernsthaftigkeit.
Stattdessen wurde ich beim Lesen immer von einer seltsamen Melancholie mitgepackt. Wegen dieses wunderschönen, aber eben auch melancholischen Schreibstils einerseits. Wegen dieser ungerechten Geschehnisse andererseits, die Weltschmerz in mir hervorruften.

Die Wendung, vor der ich die ganze Zeit Angst hatte, wurde tatsächlich so nachvollziehbar und logisch reingebracht, dass ich sie nicht als unpassend, störend oder falsch empfand, sondern auf einmal ziemlich froh über diesen zweiten Teil war.
Natürlich kann ich nicht beurteilen, inwieweit die beschriebenen Verhältnisse in Syrien der Realität entsprechen. Inwieweit das, was da passiert, überhaupt möglich wäre. Und manchmal war es mir ein kleines bisschen zu viel. Zu viel Glück, zu viel Pech, zu viel.
Aber vielleicht ist diese Geschichte auch nur eine Zeichnung eines Traumes. Der dennoch nicht die Schärfe der Wirklichkeit verliert.

Calvin hat so wenig noch mit dem Neo-Nazi gemein, den ich im ersten Band gehasst habe. Und doch hat er natürlich diese Vergangenheit. Er verändert sich, hat sich verändert, und irgendwann wurde mir bewusst, dass ich ihn mittlerweile wirklich mochte. Dann gab es wieder ein, zwei Szenen, bei denen ich mit seinem Verhalten nicht einverstanden war, eine, die schon diskussionswürdig ist, aber nicht zwangsläufig problematisch.
Was man der Geschichte vielleicht noch vorwerfen könnte, ist, dass vieles zu konstruiert zussamenhängt. Aber wie gesagt, es ist keine Geschichte mit dem Anspruch, huntderprozentig realistisch zu sein. Es ist eine Geschichte. Und die bringen manchmal die Wahrheit am grausamsten rüber.

Fazit: Eine fesselnde und mitreißende Geschichte mit einem melancholischen, poetischen und ehrlichen Schreibstil, bei der manchmal die Grenzen zwischen Vorstellung und Wirklichkeit verwischen, die aber vielleicht gerade dadurch die Wahrheit noch grausamer vermittelt, sodass es mir als Leserin den Atem raubte

Veröffentlicht am 21.10.2019

Lebt von individueller Erzählstimme

Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat
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Die Geschichte beginnt mit dem Ende, nämlich damit, dass Alex in Dover angehalten wird mit der Urne und dem Marihuana. Ohne weitere Erklärung springt Alex dann zu einem sehr prägnanten Ereignis in seiner ...

Die Geschichte beginnt mit dem Ende, nämlich damit, dass Alex in Dover angehalten wird mit der Urne und dem Marihuana. Ohne weitere Erklärung springt Alex dann zu einem sehr prägnanten Ereignis in seiner Kindheit zurück und erzählt dann Stück für Stück, wie sich sein Leben entwickelt und wie er schließlich Mr. Peterson kennenlernt, manchmal mit vorgreifenden Kommentaren, die Spannung schüren in einer Erzählung, die nicht so klingt, als wäre sie spannend.
Ist sie aber irgendwie trotzdem, denn obwohl man eigentlich weiß, wie das Ganze ausgeht, weiß man doch nicht, wie es dazu gekommen ist, was die genauen Umstände sind und wird so ein wenig dadurch vorangetrieben, dass man wissen will, wie es zu all dem gekommen ist. Nichtsdestotrotz gibt es auch zwischendurch immer kleine Überraschungen in diesem Buch, das Themen wie Tod, Sterben und Krankheit behandelt, aber auch Freundschaft, Ziele im Leben und so viel mehr.

Ich glaube, dieses Buch hat es auch gar nicht zum Ziel, spannend zu sein, denn in allererster Linie unterhält es auf seine ganz eigene Art. Oder vielmehr auf Alex' ganze eigene Art. Alex ist ein ganz individueller Charakter. Naiv trifft es nicht ganz, auch wenn er das mit Sicherheit auch ist, vielleicht unschuldig oder unbescholten, im Buch wird er einmal als arglos beschrieben.
Alex lernt sehr gerne und viel, und ist vor allem begeistert von Naturwissenschaften, was sich auch in seinem eher faktenkonzentrierten Denken abzeichnet, was dazu führt, dass er eben manchmal nicht so ganz das Verständnis für irrationale Gefühle hat, auch wenn er sie selbst verspürt.

Sein Charakter und vor allem sein sehr individueller Blick auf die Welt haben einen ganz eigenen Charme inne, der dieses Leseerlebnis ausmacht. Manchmal ist es die Naivität seiner Gedanken, die Unschuld darin, manchmal die Intelligenz, wenn er Schlussfolgerungen oder Vergleiche zu Dingen zieht wie Wissenschaft, manchmal einfach nur der Glaube an seine Prinzipien.
Und diese ganz eigenen Gedanken habe ich sehr gerne verfolgt, denn zusammen mit dem lockeren, leicht humorvollen Schreibstil trägt das dazu bei, dass dies ein sehr unterhaltsames Buch ist.

Fazit: Eine ungewöhnliche Geschichte mit einem ungewöhnlichen Protagonisten, die vor allem von ihrer individuellen Erzählstimme lebt und einen hohen Unterhaltungswert, aber auch einige Denkanstöße zu tiefgründigeren Themen bietet.