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Veröffentlicht am 26.11.2019

Absurdes Beamtentheater!

»Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten« und »Einladung zum Klassentreffen«
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Es gibt wahrscheinlich kaum zwei Welten, die weniger zusammenpassen als die Beamten- und die Theaterwelt. Auf der einen Seite ist in unserer Vorstellung alles bürokratisch, langsam und starr, auf der anderen ...

Es gibt wahrscheinlich kaum zwei Welten, die weniger zusammenpassen als die Beamten- und die Theaterwelt. Auf der einen Seite ist in unserer Vorstellung alles bürokratisch, langsam und starr, auf der anderen chaotisch, lebendig und impulsiv! Wenn dann jemand versucht, eine Brücke zwischen diesen so unvereinbar scheinenden Bereichen zu bauen, dann ist das einfach nur spannend, neu und mutig. Martin Schörle, selbst Verwaltungsbeamter und Schauspieler, hat zwei Theaterstücke geschrieben, von denen eins auch in der “Beamtenwelt” spielt. Diese beiden Stücke - "Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten" und "Einladung zum Klassentreffen" sind - laut meinem Verständnis - tatsächlich für die Bühne geschrieben worden und keine reinen Lesedramen (obwohl man sie auch wunderbar als solche betrachten und rezipieren kann).

"Herr Fredenbek" ist nun der einzige Darsteller im Monodrama "Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten". Dieses Stück besteht aus einem einzigen langen Monolog, der gelegentlich durch Regieanweisungen -Telefonate, Stimmen aus dem Off, etc. - und Brechtsches Anreden des Publikums durchbrochen wird. Dieser Monolog ist wiederum ein einziger langer Seelenstriptease dieser satirisch überzeichneten Beamtenfigur, die es der Zuschauer/Leser "liebt zu hassen".

Fredenbeks Dämonen liegen vor allem darin begründet, dass er mit seinem Beamtentum so verwoben scheint, dass er nur noch in der Welt der Paragraphen und Verordnungen sicher existieren kann. Die Zwischentöne des gesellschaftlichen und menschlichen Zusammenlebens jenseits der Amtsstube vermag er kaum noch zu entziffern. Wenn zum Beispiel seine Frau ihn fragt, ob sie abends das Auto haben könne, dann kann er die Bedeutung dieses Satzes nicht entschlüsseln. Muss er eine Steuerklasseänderung als Konsequenz befürchten?
Auch das "ewig Weibliche" zieht ihn ganz faustisch hinan - in Gestalt seiner Kollegin Karin Umlauf. Wie soll er nur mit diesem gepunkteten Kleid und den ganzen erotischen Spannungen klar kommen - ganz ohne Kopierauftrag?

Obwohl das Stück sehr schwarzhumorig und damit sicher Geschmackssache ist und Herrn Fredenbeks Tiraden alles andere als politisch korrekt, hätte es für mich ruhig noch länger sein dürfen. Sehr amüsiert habe ich mich über so manche Lebensweisheit ("soziales Umfeld", Seele der Frau, etc.) und Verschwörungstheorie Fredenbeks (Papst Ratzinger, 3. Oktober, etc.).
Wahrscheinlich hat Martin Schörle aber einem potenziellen Darsteller mit der verhältnismäßigen Kürze des Einakters einen großen Gefallen getan - es dürfte definitiv eine schauspielerische Herausforderung darstellen.

Das zweite im Buch enthaltene Stück ist nun ein ganz anderes Kaliber. Ein Mehrpersonenstück ist "Einladung zum Klassentreffen", wobei die beiden Hauptrollen "Sie" und "Er" den Löwenanteil ausmachen. Es ist ein Kammerspiel zweier ehemals Liebender, die sich nun nach 20-jähriger Pause - zunächst im Rahmen eines Telefongesprächs - wieder annähern. Sie, Marina, ist 40 und von ihrem Exmann, Holger, getrennt, weil dieser keine Kinder wollte. Mittlerweile hat er aber eins und ist wieder verheiratet. Carsten, ebenfalls in Marinas Alter da Mitabiturient, ist Marina nach wie vor verbunden, denn so richtig geklappt hat es bei ihm mit dem anderen Geschlecht ebenfalls nicht.
Das Stück ist tragikomisch wie es nur sein könnte. Es erinnert mit seinem Wortwitz und der sympathischen Unbeholfenheit seiner Protagonisten in der Midlife-Crisis an so manche Szene von Loriot und Evelyn Hamann.
Insgesamt ist dieses Stück um einiges zahmer und “mainstreamiger” als das Drama um Herrn Fredenbek. Aber das bringt die Thematik rund um das Thema verflossener Beziehungen mit sich, mit dem sich sicher mehr Leser/Zuschauer identifizieren können als mit einem psychisch instabilen Beamten.

Diese beiden Stücke von Martin Schörle waren für mich eine positive Überraschung und vielleicht bietet sich in Zukunft ja öfter die Gelegenheit, dass sie ihrer wahren Bestimmung zugeführt werden: als von Schauspielern gespielte Stücke auf der Bühne - vor Publikum.

Veröffentlicht am 26.11.2019

Sehr morbider "Klufti" mit wenig Witz

Kluftinger (Kluftinger-Krimis 10)
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Wie sehr habe ich mich auf dieses neueste Kluftinger-Werk aus dem Hause Klüpfl/Kobr gefreut. Nachdem mir Kluftinger Nr. 9 ("Himmelhorn") wieder sehr gut gefallen hat, hatte ich mich auf die Steigerung ...

Wie sehr habe ich mich auf dieses neueste Kluftinger-Werk aus dem Hause Klüpfl/Kobr gefreut. Nachdem mir Kluftinger Nr. 9 ("Himmelhorn") wieder sehr gut gefallen hat, hatte ich mich auf die Steigerung und die endgültige Auflösung des Geschlechts von Kluftingers Enkelchen gefreut: beides ist leider ausgeblieben.
Die persönliche Bedrohung, die Kluftinger durch die Todesanzeige, Trauerbildchen und das offene, für ihn "reservierte" Grab erlebt, ist makaber und bietet einen Nährboden für schwarzen Humor, allerdings bleibt einem dieser oft im Halse stecken. Dadurch fehlt meines Erachtens die typisch kluftinger'sche Leichtigkeit, die sich in eine "Leichigkeit" verwandelt hat. Man fragt sich, ob hier auch der Humor, das Markenzeichen dieser Krimis, bzw. die ganze Kluftinger-Reihe zu Grabe getragen wird?
Neben der ganzen Memento-Mori-Thematik, wird hier auch noch erzählerisch in der per se schon dahingeschiedenen Vergangenheit gewühlt. Wir bekommen Flashbacks bzw. Rückblenden präsentiert und lernen den jungen Kluftinger im Rahmen seiner ehemaligen Clique kennen. Auch wird dem Leser als besonderes "Schmankerl" zum Jubiläum endlich der volle Name des Kommissars aus Altusried eröffnet. Naja, auch das war nicht so spektakulär wie gedacht, aber man freut sich ja über ein Überraschungsei auch egal was drin ist. Das Geheimnispotenzial, das früher der Name innehatte, wird jetzt von "Butzele" oder dem "Kind" ausgefüllt, dem Enkelchen der Kluftingers, das weiterhin geschlechts- und namenlos bleibt.
Dann geht es in Kluftis Erinnerungen um den "persönlichsten Fall" des "Kasspaznliebhabers", einen "Cold case" aus seiner Anfangszeit bei der Polizei. Leider bildet dieser unaufgeklärte Kriminalfall die Basis für den fiesesten Cliffhanger in der Kluftinger-Geschichte. Und jetzt wieder 2 Jahre warten?
Alles in allem war dieser Kluftinger so ganz anders als seine Vorgänger. Nicht mal der von mir hochverehrte Dr. Langhammer konnte in diesem Buch sein vollstes Fremdschämpotenzial ausnutzen - immerhin ist er "auf den Hund gekommen".
Natürlich werde ich das nächste Buch trotzdem lesen. Ich will Kluftinger endlich wieder ermitteln sehen - im sogenannten "Funkenmord".

Veröffentlicht am 24.11.2019

Amüsante Reise durch die russische Literatur

Tolstois Bart und Tschechows Schuhe
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Literarische Kanons sind momentan im Trend. In unserer schnelllebigen Zeit möchte man belesen sein und wirken, aber gleichzeitig genau wissen, was es der Mühe wert ist gelesen zu werden und was eher nicht. ...

Literarische Kanons sind momentan im Trend. In unserer schnelllebigen Zeit möchte man belesen sein und wirken, aber gleichzeitig genau wissen, was es der Mühe wert ist gelesen zu werden und was eher nicht. Vor allem wenn die Klassiker Hunderte oder sogar Tausende von Seiten umfassen, wie in der russischen Literaturgeschichte nicht selten der Fall, möchte man wissen ob sich der Griff zum "Schinken" lohnt oder ob es reicht, ihn als literarisches Statussymbol im Schrank verstauben zu lassen.

Wladimir Kaminer, deutsch-russischer Schriftsteller und selbst in Moskau geboren, hat es sich nun zur Aufgabe gemacht, die vielen so fremde russische Literatur oder vielmehr die Verfasser dieser Literatur dem deutschen Lesepublikum näherzubringen. "Tolstois Barts und Tschechows Schuhe" ist eine Art "Autoren-Kanon" des Schriftstellers Kaminer. Aber nicht nur die Autoren der "dicken Schinken" kommen vor, sondern auch die der literarischen Kleinformen.

Kaminer beleuchtet in 7 Kapiteln das Leben und Werk der Schriftsteller Dostojewski, Tolstoi, Tschechow, Bulgakow, Majakowski, Nabokov und Charms. Ich persönlich hätte mir noch ein Kapitel über einen russischen Romantiker (Puschkin, Lermontov) gewünscht. Auch AutorInnen wären sicher interessant gewesen. So bleibt es ein rein männliches Buch, in dem Frauen nur als tragische Protagonistinnen (Anna Karenina), Sekretärinnen und Nachlassverwalterinnen (Dostojewski), schwierige Ehefrauen (Sofja Tolstaja) und Mütter eine Nebenrolle spielen.

Kaminer verwebt seine eigene Biografie mit den Anekdoten über die Schriftsteller. Die Berührungspunkte sind manchmal Parallelen zu seinem eigenen Leben (wenn seine Träume z.B. von der Nabokov-Lektüre inspiriert werden), seiner eigenen Familiengeschichte (Tschechows Schuhe, Majakowskis Staubphobie) oder einfach die unterschiedlichen Erfahrungen der Rezeption der großen Klassiker, die er schon in der Schulzeit machte oder später als Tontechniker einer Theaterbühne. Auch gegen das Heimweh halfen die Schriftsteller seiner Heimat dem frisch in Berlin angekommenen Kaminer. Ähnlich wie Majakowski machte er mit einem Freund literarische Performances, eine Art "Poetry Slam", in seiner Anfangszeit in Deutschland. Und bis heute beschäftigt er sich mit dem geistigen Erbe Russlands, wie man am vorliegenden Buch erkennen kann, das teilweise bereits früher veröffentlichte und überarbeitete Essays enthält.

Die anekdotischen Schilderungen sind biografische Abrisse aus der subjektiven Sicht Kaminers. Er erzählt, was ihm erzählenswert scheint aus dem Leben der berühmten Autoren. Auch eine literaturgeschichtliche Einordnung nimmt Kaminer vor. Gelegentlich rückt er sogar Falschannahmen bisheriger Biografen mit neuen Fakten zurecht (z.B. Tschechows Bruder).

Es war einfach sehr interessant, etwas über die skurrile - gleichzeitige - Entstehungsgeschichte von Dostojewskis Der Spieler und Der Idiot zu erfahren oder über Tolstojs asketisches und oft chaotisches Leben. Am besten hat mir das Kapitel über Anton Tschechow gefallen, weil ich sein Werk von allen vorgestellten Autoren am besten kenne. Seine "Literatur des Zweifels" (S. 106), die unserer modernen Zeit am nächsten ist. Mit dem sehr politischen Kapitel über Bulgakow konnte ich leider nicht so viel anfangen. Eine Überraschung war für mich der futuristische Dichter Majakowski, der mir bis zur Lektüre gar nichts sagte. Sehr gut hat mir auch das Kapitel über Nabokov und seine Schmetterlinge gefallen.

Man merkt Kaminer mit jedem Wort die Leidenschaft und Begeisterung an, mit der er über sein Thema schreibt. Sehr unterhaltsam und informativ sind diese Essays. Allerdings sollte man schon selbst etwas Interesse an russischer Literatur und Geschichte mist, sollte auf jeden Fall zu diesem durch den "Wunderraum-Verlag" sehr schön gestalteten (Leinenrücken mit aufgedrucktem Titel) und toll geschriebenen Werk greifen.

Veröffentlicht am 21.11.2019

Sehr einfach gestrickter Whodunit

Der zehnte Gast
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Mehrere Leute sind zusammen in einem abgelegenen Hotel eingeschlossen - und dann passiert ein Mord. Das ist ein Szenario, das alle Liebhaber von klassischen Whodunit-Krimis - zu denen ich mich zähle - ...

Mehrere Leute sind zusammen in einem abgelegenen Hotel eingeschlossen - und dann passiert ein Mord. Das ist ein Szenario, das alle Liebhaber von klassischen Whodunit-Krimis - zu denen ich mich zähle - kennen dürften. Hier ist das Setting ein typisches Hotel auf dem Land im Staate New York, wo sich gestresste Großstadtpärchen für gewöhnlich ein romantisches Wochenende gönnen. Mit der Idylle ist es schnell vorbei, als ein Schneesturm aufzieht. Natürlich gibt es weder WLAN noch Handyempfang, der Festnetzanschluss ist durch den Schneesturm tot und es wäre zu gefährlich, sich zu weit vom Hotel zu entfernen. Und dann ist plötzlich jemand tot und jemand anderes ein potenzieller Mörder. Ein "Locked-Room-Mystery" also.

Das Personal erscheint mir ein wenig am Reißbrett entworfen zu sein. Es gibt die alleinreisende Schriftstellerin, den erfolgreichen Strafverteidiger, die Kriegsberichterstatterin mit den seelischen Wunden und ihre geheimnisvolle Freundin, den reichen Neuengland-Erben mit der bildhübschen Verlobten, das mittelalte Paar in der Ehekrise und ein scheinbar ganz "normales" frisch verliebtes Pärchen, über das wir zunächst wenig erfahren. Komplettiert wird das Ganze vom Besitzer des Hotels und dessen Sohn mit der Drogenvergangenheit.

Lapena ist keine Wortakrobatin. Sie erzählt ergebnisorientiert und nur so viel, als es für die Handlung relevant ist. Die Landschafts- und Umgebungsbeschreibungen sind nur im Einsatz, um zu illustrieren, wie schlimm die Wetterverhältnisse sind und wie abgelegen das Hotel. Die düstere und altmodische Atmosphäre im Hotel wird mehrfach eindrücklich beschrieben. Dennoch kommt das alles ein wenig hölzern und "gewollt" rüber, so dass man unweigerlich an eine Theaterkulisse denken muss - oder an ein Krimidinner oder ein Exit-Room-Spiel, wo einen der Spielleiter ständig darauf hinweist, dass hier etwas seeehr verdächtig ist. So kommen auch alle im Hotel Eingeschlossenen perspektivisch zu Wort. Jeder verdächtigt jeden und der Leser muss sich durch den Dschungel von gegenseitigen Verdächtigungen winden.

Je weiter die Erzählung fortschreitet, desto weniger genau wird die Handlung beleuchtet. Während um den ersten Mord noch einiges Aufhebens gemacht wird, passieren die anderen immer mehr nebenbei. Irgendwann wurden es mir auch zu viele Leichen. Klar, oft wird auch ein Verdächtiger mit einem "Aha-Effekt" ausgeschaltet, aber ich fand das dann nicht mehr reizvoll, sondern einfach nur noch too much.

Die Auflösung war leider auch kein Wow-Effekt und die unglaubwürdige Geschichte, die dahintersteckt, auch nicht. Die Story ist zu einfach gestrickt, es fehlt einfach an Raffinesse. Durch die flachen Charaktere hat der Leser keine Ansatzpunkte für Empathie.

Fazit: Das Buch ist weder sprachlich-erzähltechnisch, noch auf den Plot bezogen eine Sensation. Die Charaktere sind zu oberflächlich, als dass man richtig mitfühlen könnte. Dennoch denke ich dass sich mancher weniger anspruchsvolle Krimiliebhaber für das Buch erwärmen könnte - als schnelle, wenig anspruchsvolle Lektüre zwischendurch.


Veröffentlicht am 20.11.2019

Keine Weihnachtskomödie

Swinging Bells
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Wie sehr habe ich mich auf dieses Buch und eine richtig schöne leichte Weihnachtskomödie gefreut. Das Cover, der Titel, die Inhaltsangabe waren in dieser Hinsicht vielversprechend.

Ach ja, das Missverständnis ...

Wie sehr habe ich mich auf dieses Buch und eine richtig schöne leichte Weihnachtskomödie gefreut. Das Cover, der Titel, die Inhaltsangabe waren in dieser Hinsicht vielversprechend.

Ach ja, das Missverständnis - die Quintessenz allen komödiantischen Schreibens! Es hätte so eine schöne Komödie werden können...hätte!

Die Situation ist die: Aufgrund eines Missverständnisses findet sich das Swingerpärchen Leo und Elisabeth bei dem verheirateten Paar Thomas und Sandra ein, die eigentlich nur ein Bett verkaufen wollten. Es ist Heiligabend. Was dann folgt, ist der Verlauf eines skurrilen Weihnachtsabends mit vielen verschiedenen Untertönen. Ja, durchaus auch humoristisch-augenzwinkernden, aber leider kam mit der Zeit immer mehr Pathetisches und Dramatisches dazu, das das Humorvolle ad absurdum führte.

Thomas ist Cheflektor eines österreichischen Verlags, weswegen er immer wieder darüber nachdenkt, welche Ausdrücke, Begriffe und Handlungselemente er seinen Autoren nicht "durchgehen lassen" (S. 46) würde. Das ist natürlich höchst amüsant weil metatextuell: dem realen Autor René Freund gehen nämlich genau all diese Sachen tatsächlich "durch" - das vorliegende Buch ist der physische Beweis! Das gefällt mir.

Thomas hat ebenfalls einen kleinen Gesundheitswahn und Angst vor schädlichen Stoffen, die er in jedem Essen, das nicht biologischer Herkunft ist, vermutet. Sandra hingegen ist genervt davon und das wiederum bringt Thomas auf die Palme. Das wäre auch ein guter Ansatzpunkt gewesen für eine Komödie.

Im Laufe der Handlung entsteht die paradoxe Situation, dass die beiden promiskuitiven Swinger Leo und Elisabeth zu den "moralisch Überlegenen" werden und auf die kleinkarierten Spießer Thomas und Sabine herabschauen. Die Swinger leben schließlich ihre Fantasien aus, während bei vermeintlich monogamen Paaren eine unterdrückte Lust gezüchtet würde, die letztendlich zu Fremdgehen, Lügen und Scheidung führe. Sex ist schließlich nichts so Großes, argumentieren die Swinger und Liebe solle davon unberührt betrachtet werden. Das monogame Paar steht also plötzlich als das Fragwürdige da.

Anders als René Freuds Buch "Liebe unter Fischen" konnte mich dieses Buch leider nicht begeistern. Ich hatte eine locker-leichte Weihnachtskomödie erwartet, bekommen habe ich bis auf ein paar kleine Schmunzler aber die hübsch verpackten Themen Betrug, Tod, Trauer und Verlust, gelegentlich durchbrochen von Schlüpfrigkeit. Der Autor kann sehr gut schreiben, allerdings bin ich weder mit den Figuren, noch mit der Handlung richtig warm geworden.

Das Buch weiß einfach nicht, was es sein will. Es ist nicht richtig witzig, aber auch nicht richtig ernsthaft-seriös. Für eine Tragikomödie nicht gut genug. Es könnte sein dass der Dramaturg Freund Stücke wie "Gott des Gemetzels" von Yasmina Reza im Hinterkopf hatte. Um diesem Vergleich stand zu halten ist "Swinging Bells" allerdings wieder viel zu zahm und klischeebehaftet. Vielleicht passt die Prosaform hier einfach nicht. Manche Dialoge und Situationen sind sehr szenisch. Als Film könnte ich mir dieses Prosastück auch gut vorstellen. Anschauen würde ich mir den Film trotzdem nicht.

Das Ende nimmt dann auch jedes Klischee im Vorbeigehen mit. Es ist schließlich Weihnachten.