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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.10.2019

Genial banal und bitterböse

Der Zopf meiner Großmutter
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Bei „Der Zopf meiner Großmutter“ handelt es sich um einen Entwicklungsroman, in dem die Erlebnisse des Kindes Maxim in der Ich-Perspektive erzählt werden. Die Erzählung beginnt im Grundschulalter und endet ...

Bei „Der Zopf meiner Großmutter“ handelt es sich um einen Entwicklungsroman, in dem die Erlebnisse des Kindes Maxim in der Ich-Perspektive erzählt werden. Die Erzählung beginnt im Grundschulalter und endet im Teenageralter Maxims. Der Roman ist dabei sehr episodisch angelegt, was beim Lesen für mich sehr angenehm war, weil man nach jedem Kapitel Pause machen und das Gelesene Revue passieren lassen konnte. Da der Roman nur wenige Hauptcharaktere umfasst und eben sehr szenisch aufgebaut ist, könnte man sich gut vorstellen, dass man daraus auch ein Drehbuch und einen Film machen könnte.
Was mir sehr gefallen hat ist der Erzählton des Ganzen – die Autorin spielt mit Mitteln der Groteske und Satire in der Darstellung ihrer Personen. Die teils eher ernsten und tragischen Elemente der Handlung werden durch die Figur der Großmutter und ihre sarkastische Haltung zum Leben überlagert. Man denkt beim Lesen oft, „Das hat sie jetzt nicht wirklich gesagt in dieser Situation“ und ähnliches. Die ganze Figur ist natürlich sehr konstruiert, aber gleichzeitig auch erschreckend lebensecht und real. Die Geschichte ist ebenfalls so normal wie gleichzeitig absurd. Diese Diskrepanz und das Spiel der Autorin mit dem Absurden und dem Gewöhnlichen machen diesen Roman so genial.
Die Handlung ist trotz in ihrer Banalität spannend. Wir begleiten Maxim und seine Großeltern durch die erste Zeit im Wohnheim in Deutschland und erleben die Dreiecksbeziehung der Großeltern und der jüdischen Klavierlehrerin Nina staunend mit. Wir fragen uns, ob Maxim wirklich so krank ist, wie es die Großmutter darstellt, was es mit dem „rothaarigen Juden“ auf sich hat und was eigentlich mit Maya passiert ist. War die Großmutter wirklich mal berühmt?
Alina Bronsky ist eine großartige Autorin, die es mit ihrer Prosa schafft, dass der Leser in der kleinen Wohnung der Familie sozusagen mitlebt, ihre Enge spürt und sich über den nächsten narzisstischen Ausbruch der Großmutter gleichzeitig freut und fürchtet.

Veröffentlicht am 02.10.2019

Witziger Herrenhaus-Krimi

Mord in Honeychurch Hall
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Diese "Cosy-Krimi-Reihe" rund um die Antiqitätenhändlerin Kat Stanford ist einfach gut! Keine hohe Literatur, aber wer alte englische Adelslandsitze und unblutige Krimis mit einer guten Prise Humor liebt, ...

Diese "Cosy-Krimi-Reihe" rund um die Antiqitätenhändlerin Kat Stanford ist einfach gut! Keine hohe Literatur, aber wer alte englische Adelslandsitze und unblutige Krimis mit einer guten Prise Humor liebt, ist hier genau an der richtigen Adresse. Die ersten beiden Bände sind auf Deutsch erschienen, die anderen habe ich auf Englisch gelesen.

Kat Standford ist eine Antiquitätenhändlerin aus London, die durch eine Trödelshow im TV eine für sie zweifelhafte Berühmtheit erlangt hat. Nach einer Trennung zieht sie zu ihrer Mutter aufs Land, die sich auf dem Grund des Herrenhauses Honeychurch Hall ein Dienstbotenanwesen gekauft hat und dort ihrem heimlichen Hobby frönt...

Ich kann nur sagen: dieses Buch bietet viel englischen Humor, der durch das Vermischen der verschiedenen Welten (alter verarmter und exzentrischer Landadel, merkwürdige Dienstboten und die Londoner Mittelschicht vertreten durch Kats Mutter sowie Kat, die "normalste" von allen obwohl sie ein "C-Promi" ist).

Der Fall rund um die verschwundene Haushälterin ist auch ganz spannend. Außerdem deckt Kat das "Doppelleben" ihrer Mutter auf...Ein Cosy Krimi mit viel Atmosphäre!

Veröffentlicht am 01.10.2019

Subtiler Ermittlungskrimi im herbstlichen Norwegen

Wisting und der Tag der Vermissten
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Die Krimireihe mit dem Kommissar William Wisting gibt es bereits eine ganze Weile, sie ist in Deutschland aber weniger bekannt, manche Übersetzungen der älteren Bände sind sogar vergriffen, andere ...

Die Krimireihe mit dem Kommissar William Wisting gibt es bereits eine ganze Weile, sie ist in Deutschland aber weniger bekannt, manche Übersetzungen der älteren Bände sind sogar vergriffen, andere blieben unübersetzt. In Norwegen sind die Bücher von Jørn Lier Horst, der früher selbst Kriminalpolizist war, Bestseller - meiner Meinung nach zurecht!

"Wisting und der Tag der Vermissten” (norweg.: “Katharina-koden”, engl. “The Katharina Code”) ist nun der erste Teil der “Cold Cases”-Reihe, in der Wisting ebenfalls der Ermittler ist. Allerdings sind die Fälle eben bisher unaufgeklärte Verbrechen, bei denen die Ermittlungen nun neu aufgerollt werden. So beginnt das Buch auch damit, dass der nunmehr 55-jährige William Wisting die alten Akten des "Katharina-Falls” wie jedes Jahr neu durchsieht.

Zum Inhalt: Vor 24 Jahren verschwand die gebürtige Österreicherin Katharina Haugen an einem 10. Oktober spurlos. Hinterlassen hat sie einen gepackten Koffer, ein paar vertrocknete Rosen und einen merkwürdigen "Code", einen Zettel mit Nummern und Zeichen. Jedes Jahr am Tag ihres Verschwindens besucht Wisting ihren Ehemann, Martin Haugen, der bisher als unschuldig galt. In der Zwischenzeit hat sich sowas wie eine Freundschaft zwischen den beiden Männern aufgebaut - doch: was verschweigt Haugen? Und was hat ein anderer "cold case" mit Katharinas Verschwinden zu tun?

Das Setting: Der Krimi spielt im herbstlichen Norwegen, genauer gesagt in Südnorwegen, der Heimat des großen Dramatikers Henrik Ibsen und des Skisprungs (Provinz Telemark). Die nordische Atmosphäre wird durch die Prosa des Autors schön eingefangen und bildet einen tollen Hintergrund für die Handlung. Alles ist ein bisschen nebelverhangen und undurchsichtig, genau wie der vorliegende Fall, man spürt die herannahende Kälte des kommenden Winters.

“Wisting und der Tag der Vermissten” ist ein "leiser" Krimi, aber deswegen ist er trotzdem unglaublich spannend. Die Handlung baut sich langsam aber kontinuierlich auf, so dass wir der Lösung mit jedem Kapitel einen Schritt näher kommen. Dadurch dass die Fälle über 20 Jahre alt, also "cold cases" sind und keine "frischen" Verbrechen, bei denen Gefahr im Verzug wäre, haben die Ermittler - allen voran Wisting, aber auch seine journalistisch tätige Tochter Line und der neue Leiter der “Cold Cases”-Einheit Adrian Stiller aus Oslo spielen eine Rolle bei der Aufklärung - Zeit, den Verdächtigen einzukreisen und Detailarbeit zu betreiben. Deswegen würde ich den Krimi auch als "Ermittlungskrimi" bezeichnen, denn das "Wie" steht im Vordergrund. Die Situation zwischen Wisting und Haugen ist ein psychologisches Kammerspiel, unglaublich spannend, zum Ende immer mehr einem Psychothriller gleichend.

Die Kapitel sind kurz, so dass sie sich wunderbar dafür eignen immer noch eins dranzuhängen. Der Schreibstil ist absolut unaufgeregt und konzise - die wichtigsten Fakten werden vermittelt und das Beiwerk ist auch immer irgendwie von Belang. Hier wird nicht unnötig ausgeschweift, Längen gibt es eigentlich nicht.

Zum Ermittler Wisting muss ich sagen, dass ich lange keinen Kommissar mehr so sympathisch und menschlich gefunden habe. Gerade wie bezaubernd und manchmal unbeholfen er sich um seine Enkelin Amalie kümmert ist eine willkommene Auflockerung des doch eher düsteren Geschehens.

Alles in allem ist dies ein nahezu perfekter (nahezu, weil für mich eine wichtige Frage offen bleibt), in sich abgeschlossener “Herbstkrimi”, den man auch ohne Vorkenntnisse der Reihe um William Wisting lesen kann.

Zum deutschen Cover muss ich sagen, dass es überhaupt nicht ansprechend ist und auch gar nicht zu der Handlung passt. Ich hätte vielleicht eine alte Hütte im Nebel genommen.


Veröffentlicht am 29.09.2019

Bezaubernder Band einer sehr wertvollen Kinderbuch-Reihe

Jane Austen
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Die Geschichte der Weltliteratur ist zu einem erschreckend großen Anteil männlicher Natur. Jane Austen (1775-1817) bildet dabei eine der wenigen Ausnahmen. Sie hat es mit ihren 6 Romanen geschafft, in ...

Die Geschichte der Weltliteratur ist zu einem erschreckend großen Anteil männlicher Natur. Jane Austen (1775-1817) bildet dabei eine der wenigen Ausnahmen. Sie hat es mit ihren 6 Romanen geschafft, in den Kanon der Weltliteratur aufgenommen zu werden. Ihre Werke sind Klassiker, die die englische Gesellschaft unter die Lupe nehmen und ihre Heiratspolitik mit subtilem Humor karikieren. Dabei hat sie auch starke weibliche Protagonisten geschaffen, die innerhalb des rigiden Klassen- und Wertesystems ihren eigenen Weg gehen.

Die Kinderbuchreihe "Little People Big Dreams" der Spanierin Isabel Sánchez Vegara hat es sich nun zur Aufgabe gemacht, große Persönlichkeiten der Weltgeschichte - bislang meistens Frauen - für Kinder ab einem Alter von 4 Jahren zugänglich zu machen. Darunter sind Wissenschafterinnen wie Marie Curie, Reformerinnen wie Maria Montessori oder Künstlerinnen wie Frida Kahlo. Und eben Schriftstellerinnen wie Jane Austen. Die Reihe baut auf dem Erfolg der Anthologie "Good Night Stories for Rebel Girls" auf und ist sozusagen das Pendant für jüngere Kinder in Monografieform.
Im Insel-Verlag sind einige "Little People Big Dreams"-Bände nun in hochwertiger Ausstattung (Leinenrücken, kunstvoll bedruckter Vor- und Nachsatz) auf Deutsch erschienen.

Der Band "Jane Austen" vermittelt mit sehr ansprechenden und kindgerechten Zeichnungen von Katie Wilson also die Geschichte der kleinen Jane, die im späten
18. Jahrhundert im Süden Englands aufwuchs. Mädchen war zur damaligen Zeit der Zugang zu Bildung erschwert, ihre einzige Bestimmung war es, einen gut situierten Mann zu heiraten und die Mutter seiner Kinder zu werden. Jane Austen hatte das Glück dass ihr Vater seine beiden Töchter genauso wie ihre Brüder unterrichtete und ihr Interesse an Literatur und Wissen förderte. So wird ihr Weg zur Schriftstellerin nachgezeichnet und mit kurzen Erklärungen unterlegt. Diese könnten für meinen Geschmack etwas ausführlicher sein. Durch das für die Eltern bestimmte Hintergrundwissen am Ende des Buches können die Vorleser den Text allerdings altersgerecht ergänzen und evtl. aufkommende Fragen beantworten.

Ich freue mich für meine 3 ½-jährige Tochter, dass es jetzt auch solche tollen Kinderbücher gibt, die zeigen, dass man trotz eines bestimmten Geschlechts alles werden kann, was man sich erträumt hat. Sicher werde ich für sie weitere Bände der Reihe besorgen.






Veröffentlicht am 28.09.2019

Lauwarmer Guglhupf...

Guglhupfgeschwader
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Als so richtig grottenschlecht möchte ich ihn jetzt nicht bezeichnen, den Jubiläums-Eberhofer-Roman "Guglhupfgeschwader", aber zum-Fingernägel-kauen-spannend oder super witzig war er halt leider auch nicht, ...

Als so richtig grottenschlecht möchte ich ihn jetzt nicht bezeichnen, den Jubiläums-Eberhofer-Roman "Guglhupfgeschwader", aber zum-Fingernägel-kauen-spannend oder super witzig war er halt leider auch nicht, gell, um im Rita-Falk-Jargon zu bleiben.
Die Eberhofer-Story hebt sich nicht deutlich von anderen ab, außer dass er halt Dienstjubiläum hat und ein Kreisverkehr nach ihm benannt werden soll. Franz und die Stammbelegschaft der Krimireihe bleiben ihren Charaktereigenschaften treu und die Handlung dümpelt so vor sich hin.
Franz ist und bleibt der coole Polizistencowboy, der sich alles erlauben kann, nur kommt das für mich nicht mehr ganz so sympathisch schlingelhaft rüber, sondern eher überheblich. Der "Fall", ja mei, ist kaum , aber doch rudimentär vorhanden - zum Glück gibt es ja den Birkenberger, der dem Eberhofer - wie immer trotz allem - mal wieder beim Ermitteln hilft.
Der Paul, also der Sohn vom Eberhofer und von der Susi, ist auch wieder älter geworden, wie alt, erfahren wir leider nicht. Das wäre aber gut zu wissen, denn Eberhofer steht mit einer überkorrekten Ökomutter aus dem Neubaugebiet auf Kriegsfuß, deren Sohn Ansgar mit seinem Sprössling in die Kita geht. Es geht darum, dass der Ansgar schon megamäßig gut sprechen kann und der Paul zu Anfangs eben noch nicht. Später im Buch kann Paul dann plötzlich [Vorsicht: "Spoiler"] Schuhe binden - wofür Kinder ja erst im Alter von 4 bis 5 Jahren die Fingerfertigkeit besitzen. Also passt das irgendwie nicht ganz mit dem Sprechenlernen zusammen...Naja egal, ich will ja nicht wie die Helikoptermutter rüberkommen, gell?
Ich hätte zum Jubiläum - 10 Jahre Eberhofer - doch deutlich mehr erwartet, aber ich ahne schon, dass die Eberhofer-Krimis - ähnlich wie die Kluftinger-Reihe - langsam "auserzählt" sind. Im Endeffekt ist es zwar ganz spaßig, aber doch immer wieder auch dieselbe Leier, die da angestimmt wird. Kann man lesen, muss man aber nicht!
Was allerdings 1a mit Sternchen ist, ist das Guglhupfrezept im Anhang. Ich habe ihn nachgebacken und er schmeckt fast so gut wie von der Eberhofer-Oma!