Profilbild von Zauberberggast

Zauberberggast

Lesejury Star
offline

Zauberberggast ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Zauberberggast über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.05.2020

Krimi mit Kaiserin und K. u. k.-Kulisse

Der Offizier der Kaiserin
0

Das Jahr 1898 sollte für Franz Joseph I., Kaiser von Österreich-Ungarn, ein Jahr des Triumphes werden. Sein 50stes Regierungsjubiläum wurde gefeiert und ihm zu Ehren eine Weltausstellung abgehalten. Stattdessen ...

Das Jahr 1898 sollte für Franz Joseph I., Kaiser von Österreich-Ungarn, ein Jahr des Triumphes werden. Sein 50stes Regierungsjubiläum wurde gefeiert und ihm zu Ehren eine Weltausstellung abgehalten. Stattdessen wurde es ein "annus horribilis" mit Rebellionsherden im ganzen Land, das mit der Ermordung der Kaiserin Elisabeth im September durch einen Anarchisten seinen traurigen Höhepunkt erreichte.

In diesem Jahr also lässt Christine Neumeyer ihren top recherchierten historischen Roman spielen. Allerdings zum Großteil nicht in der Kaiserstadt Wien, sondern im niederösterreichischen Marchfeld, wo sich Schloss Hof befindet. Diese ehemalige Sommerresidenz der Habsburger ist der Dreh- und Angelpunkt dieses vielschichtigen Histo-Krimis. Schloss Hof ist zum Zeitpunkt der Handlung nur noch ein Schatten seines ehemaligen prunkvollen Selbst. Überall sind Ratten und Staub und kaputter Putz - K. u. k.-Romantik dekonstruiert gewissermaßen. Das dem Schloss angeschlossene Dorf Groißenbrunn ist geprägt von Arbeitslosigkeit, Armut und Tristesse, seit es keine opulenten Hofgesellschaften mehr zu bewirten, bedienen und betreuen gibt.

Im August 1898 soll aber ein kleines Dragonerregiment von fünf Offizieren dort zu Gast sein, um die weiteren Möglichkeiten der Nutzung von Schloss Hof als Reit- und Fahrschule auszukundschaften. Selbst Kaiserin Sisi höchstpersönlich wird in diesen Tagen auf der Durchreise für eine Nacht dort erwartet. Als einer der Offiziere tot aufgefunden wird, nehmen die Geschehnisse von Schloss Hof ausgehend ihren Lauf und der Polizeiagent Pospischil aus Wien muss in der Causa “toter Offizier” ermitteln.

Das Personal dieses Romans könnte einem österreichischen Historienfilm der 1950er Jahre entsprungen sein. Vom Herrn Verwalter über die belesene Küchenmagd, die Gärtnersfamilie und ihre Tochter, den Herrn Kaplan, den feschen Offizier mit ungarisch klingendem Namen, dem österreichischen Staatsbeamten und seinem entomologisch gebildeten Assistenten bis in die höchsten Adels- und Regierungskreise mit den kaiserlichen Hoheiten (“Allerhöchstdieselben”) sind so ziemlich alle Gesellschaftsschichten vertreten, die die österreichische Jahrhundertwende aufbieten kann. Selbst die ganz Armen kommen vor, wenn z.B. von “Bettgängern” die Rede ist, mit denen sich Pospischil demnächst seine bescheidene Kammer in Wien teilen müssen wird, wenn es mit der Wirtschaft noch weiter bergab gehen sollte.

Die Autorin war um große Authentizität bemüht, was man im Roman an fast allen Stellen spürt. Sie hat eine Atmosphäre geschaffen, die einfach lebendig und ungekünstelt wirkt - nicht zuletzt durch die großzügige Verwendung des Altwiener Dialekts (ein Glossar im Anhang erklärt zentrale Begriffe). Auch wenn die Handlung manchmal mit skurrilen Szenen und (unfreiwilliger) Komik aufwartet, war der Humor für meinen Geschmack an keiner Stelle unpassend. Den Ermittler Pospischil - ein ewiger Junggeselle, der sich trotz passablem Beatengehalt eine kleine Wohnung mit seiner Schwester teilen muss, habe ich aufgrund seiner Tierliebe und des leicht träumerischen Wesens, besonders liebgewonnen. Ich würde mich über weitere Kriminalromane mit ihm als Ermittler sehr freuen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.05.2020

Starke Haupt- und schwache Nebenhandlung

Die Optimisten
0

Das erste, was mir nach der Lektüre von “Die Optimisten” spontan eingefallen ist, ist der englische Ausdruck “what a ride!” Ja, es war eine ganz schön heftige literarische Fahrt, die ich hier mittels Rebecca ...

Das erste, was mir nach der Lektüre von “Die Optimisten” spontan eingefallen ist, ist der englische Ausdruck “what a ride!” Ja, es war eine ganz schön heftige literarische Fahrt, die ich hier mittels Rebecca Makkais Worten erlebt habe. Ein Berg von einem Roman, der sich nicht so einfach an zwei Abenden lesen lässt und den ich immer wieder unterbrechen musste, um über das Gelesene nachzusinnen.
Um was geht es? Angesichts der großen Komplexität seien mir ein paar zusammenfassende Worte erlaubt. In der Haupthandlung geht es um die ersten Aids-Infizierten der 1980er Jahre in Chicago. Es geht um den Protagonisten Yale Tishman, ein junger Mann von Anfang Dreißig, der sich mit dem Umsichgreifen der Aids/HIV-Epidemie 1985/86 an einem Wendepunkt seines Lebens befindet. Selbst homosexuell, erlebt er am eigenen Leibe mit, wie viele seiner Freunde aus “Boystown” - wie das Schwulenviertel in Chicago bezeichnet wird - an dem neuartigen Virus sterben, mitten im Leben dahingerafft werden. Heute noch gesund, morgen schon krank, übermorgen tot. Yale lebt in einer monogamen Beziehung mit Charlie, dem Chefredakteur eines schwullesbischen Stadtmagazins. Er selbst arbeitet in der Buchhaltung einer der Northwestern-Universität angeschlossenen Kunstgalerie, wo er u.a. für die Liquidierung der Ankäufe von Kunstwerken zuständig ist (so habe ich es zumindest verstanden). Eines Tages bietet sich ihm die Gelegenheit, bei einer alten Dame in Wisconsin, Nora, eine potenzielle Schenkung wertvoller Kunstwerke aus den 1920er Jahren für seine Galerie zu erwerben. U.a. sollen da auch Werke des berühmten Amadeo Modigliani dabei sein, daher das deutsche Cover.
Neben der Haupthandlung um Yale gibt es noch eine Parallelhandlung, die im Jahr 2015 in Paris spielt. Fiona, eine Freundin von Yale aus Chicago, fliegt nach Paris, um dort ihre Tochter zu suchen, die sich von ihr entfernt hat. 1985 war Fiona in ihren späten Teenager-Jahren, jetzt ist sie 51. Sie hatte damals ihren Bruder Nico, der gut mit Yale befreundet war, an das Aids-Virus verloren. In Paris kommt sie bei dem Fotografen Richard unter, in dessen Haus in Chicago damals die Trauerfeier für Nico stattgefunden hat. Hier schließt sich der Kreis.
Um den Leser bei der Stange zu halten, wendet die Autorin einen erzähltechnischen Kniff an. Wir erfahren nämlich in der "Fiona-Handlung" lange nichts darüber, ob Yale zu den Toten oder den Überlebenden der Aids-Epidemie gehört. Immer wieder streut sie zwar Infos über andere Personen ein, die in der Vergangenheitshandlung bereits vorgekommen sind, Yales Schickdal bleibt aber zunächst lange im Dunkeln. Dann aber wird sein Schicksal tatsächlich in der Zukunftshandlung enthüllt, bevor die Narration in der Vergangenheit so weit ist - die Autorin spoilert sich also selbst. Hier wäre mir ein lineares Erzählkonzept lieber gewesen.
Das Buch hat einige starke Momente in der Haupthandlung, vor allem wenn Yale träumt, halluziniert, phantasiert. In einem Kapitel hat er "Epiphanien", ihm werden der Wert und die Schönheit des Lebens angesichts des drohenden Todes bewusst. Diese Stellen, in denen das Leben an Yale vorbeizieht, sind meines Erachtens die berührendsten Momente im ganzen Buch. Hier macht der Text etwas mit dem Leser.
Dennoch muss ich sagen, dass ich die Nebenhandlung überhaupt nicht gebraucht hätte. Wozu dieser zweite Erzählstrang rund um Fiona da ist, außer dass der Leser am Ende erfährt, was aus allen Figuren geworden ist (das hätte man auch anders lösen können), erschließt sich mir nicht. Warum noch eine verlorene Tochter, Sektenthematik, Toyboy, Terror in Paris, die inneren Kämpfe einer 50-jährigen mit der Vergangenheit? Die Aids-Epidemie hätte als Stoff genug hergegeben, ich jedenfalls wäre gerne noch tiefer in die Thematik eingetaucht. Dennoch hat mir das Buch letztlich sehr gut gefallen, weil es ein ambitionierter und vielschichtiger Roman ist, bei dem allerdings weniger Nebenhandlung dann doch mehr gewesen wäre.


  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 06.05.2020

Der Geschmack der Freiheit

Im Ernstfall keine halben Sachen
0

Diese ganz besondere Geschichte einer "späten Freundschaft" wird aus der Perspektive des 76-jährigen Joel Monroe erzählt. Joel lebt sein einigen Jahren im Altenheim "Hilltop Manor". Ein Dasein, das er ...

Diese ganz besondere Geschichte einer "späten Freundschaft" wird aus der Perspektive des 76-jährigen Joel Monroe erzählt. Joel lebt sein einigen Jahren im Altenheim "Hilltop Manor". Ein Dasein, das er abgrundtief verabscheut, vor allem seit seine Frau Lucey in ebendiesem Pflegeheim verstarb und ihn dort alleine zurückgelassen hat. Nun ja, nicht ganz alleine, er muss sich sein Zimmer auch noch mit einem Komapatienten teilen. Eines Tages beschließt Joel, sein trostloses Dasein zu beenden und durch einen selbstgewählten Tod aus dem Leben zu scheiden. Doch just im Zuge dieses Entschlusses, stirbt sein Zimmergenosse und kurz darauf zieht ein neuer Bewohner bei ihm ein: Frank. Frank ist ein ehemaliger Schauspieler, der BewohnerInnen und Pflegepersonal durch seine Präsenz und Persönlichkeit sofort für sich einnehmen kann. Joel ist skeptisch und hält den Eindringling zunächst für einen eitlen Blender, bis er hinter die Fassade des einstigen Theatermenschen und TV-Gesichts blickt. Die beiden Senioren werden Freunde und erobern sich gemeinsam ein Stück der Freiheit zurück, die ihnen genommen wurde.

Mit viel Sprachwitz, der sich vor allem in den Dialogen zwischen Frank und Joel aber auch im Schlagabtausch der beiden mit anderen hervortut, besticht dieses Buch auf der Humorebene. Zahlreiche komische Szenen, wie die Ausbruchsversuche der beiden Protagonisten aus dem Altenheim und ihre Begegnungen mit der Welt außerhalb von Hilltop, sorgen beim Leser für Schmunzeln.

Der Roman entbehrt aber gleichzeitig nicht einer gewissen Tragik. Vor allem das Leben von Frank ist bzw. war unter der Oberfläche ein tragisches. Während sich der Schauspieler nach außen hin jovial und lebensfroh gibt, brodeln in seinem Inneren viele Verletzungen, die er in seiner Jugend erfahren hat. Auch die Tatsache, dass der Autor mit Frank einen (Spoiler!) LGBTQ-Charakter ins Spiel bringt, finde ich fabelhaft. Die Probleme von älteren Homosexuellen dieser Generation werden viel zu selten thematisiert, immerhin haben sie im Alter oftmals keine Kinder, die sie betreuen oder zumindest besuchen können. Frank sehnt sich förmlich nach Gesellschaft - ganz im Gegensatz zu seinem zunächst grummeligen neuen Mitbewohner.

Aber auch Joel hat sein Päckchen zu tragen. Sein Leben war zwar bis auf eine nicht so schöne Kindheit irgendwie ganz gut, aber seit dem Tod seiner Frau ist es eben nicht mehr dasselbe und er leidet unter der Situation, von seiner Tochter Eva “eingesperrt” und quasi abgeschoben worden zu sein. Dass er an Selbstmord denkt, rückt das Thema “Altersdepression” in den Vordergrund. Auch eines, über das viel zu wenig gesprochen wird in der Literatur, aber auch in unserer Gesellschaft.

Die Erzählung geht sehr gemächlich vonstatten und passt sich damit dem Tempo seiner Protagonisten im fortgeschrittenen Seniorenalter an. Wer hier einen wilden Ritt oder Roadtrip erwartet, wird enttäuscht werden.

Der junge irische Autor Dan Mooney schafft es wunderbar, sich in die Befindlichkeiten zweier Männer einzufühlen, die ihren Zenith alterstechnisch längst schon überschritten haben. Das Buch wartet neben seinen vielen tragikomischen Szenen mit einer besonderen Warmherzigkeit auf, die zwischen den Seiten zu spüren ist. Die zarte, zerbrechliche Freundschaft zwischen den beiden Männern und ihr Kampf um ein bisschen Freiheit und Selbstbestimmung ist einfach wundervoll beschrieben.

Insgesamt ein traurigschönes Leseerlebnis, das man nicht so schnell vergessen kann.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.05.2020

Was Sie schon immer über Kunst in Kombination mit Katzen wissen wollten...

Eine Geschichte der Kunst in 21 Katzen
0

Katzen sind schon immer die Diven unter den Haustieren gewesen. Elegant, oft unnahbar und mit einem Hauch von Snobismus streichen sie durch unsere Wohnzimmer und Gärten. Ihr anarchistisches, freies und ...

Katzen sind schon immer die Diven unter den Haustieren gewesen. Elegant, oft unnahbar und mit einem Hauch von Snobismus streichen sie durch unsere Wohnzimmer und Gärten. Ihr anarchistisches, freies und unangepasstes Wesen, haben sie mit vielen Künstlern gemeinsam. Dies und die Tatsache, dass es im alten Ägypten einen Kult um die felligen Vierbeiner gab und dass so mancher große Künstler sich eine Katze als Haustier hielt, veranlasste die Autorin und Künstlerin Nia Gould dazu, ihren Überblick über die Kunstgeschichte mithilfe von Katzen zu illustrieren.

Jeder Kapitelanfang wird mit einer Katze eröffnet, die dem Stil der jeweiligen Kunstepoche nachempfunden ist. Dazu gibt es einen einführenden Text. Danach folgt jeweils eine Doppelseite mit "Schnipselwissen", also kurzen Textbausteinen, die Infos zu den wichtigsten Stilmerkmalen der jeweiligen Strömung sowie Hintergrundinfos und Wissenswertes beinhalten - umrahmt von Illustrationen. Die grafische Gestaltung der Doppelseiten ist sehr ansprechend und abwechslungsreich. Sehr schön finde ich auch die eingestreuten Selbstaussagen bzw. die Zitate bekannter Künstler.

Die Illustrationen wie auch die Texte sind mit einem gewissen Augenzwinkern verfasst, entbehren aber dennoch nicht einer gewissen lexikalischen Nüchternheit und der Intention zu informieren. Dieses Buch soll unterhalten und den Betrachter optisch erfreuen. Wenn er nebenbei noch etwas über Kunstgeschichte lernt, umso besser!

Auf Vollständigkeit der Kunstströmungen setzt die Verfasserin nicht, im Gegenteil: Mut zur Lücke ist hier Programm. Ein klassizistisches Kätzchen oder ein romantisches Katzenbild nach Art der Präraffaeliten beispielsweise sucht man hier vergebens. Auf die Beschreibung der Renaissance-Malerei folgt acht Seiten später schon der Impressionismus. Fast Zwei Drittel des Buches sind der modernen Malerei ab Ende des 19. Jahrhunderts gewidmet. Am Ende des Buches findet sich ein Zeitstrahl für den Überblick über die genannten Strömungen und die wichtigsten Künstler.

Wer mal wieder sein Wissen über die Kunstgeschichte auffrischen möchte, ohne allzu tief ins Detail zu gehen, für den ist “Eine Geschichte der Kunst in 21 Katzen” das richtige Buch. Wer darüberhinaus noch Katzen als seine liebsten Haustiere bezeichnen würde, dem lege ich dieses farbenfrohe Sachbuch unbedingt ans Herz. Insgesamt ein kurzweiliger, lehrreicher Zeitvertreib.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 30.04.2020

Bestandsaufnahmen einer Generation

Was wir sind
0

Wenn man nach dem Lesen eines jeden Kapitels das Buch kurz zuschlägt um innezuhalten und um "wow, das ist so gut" zu denken, dann hat das Buch in meinen Augen seine 5 Sterne verdient.

Was soll ...

Wenn man nach dem Lesen eines jeden Kapitels das Buch kurz zuschlägt um innezuhalten und um "wow, das ist so gut" zu denken, dann hat das Buch in meinen Augen seine 5 Sterne verdient.

Was soll ich sagen? Dieser Roman bildet die Lebenswirklichkeit der Generation von modernen Frauen, die in den mittleren 1970er Jahren geboren wurden, 1:1 ab, legt den Finger in die Wunde ihrer Befindlichkeiten. Drei Frauen aus England, die sich kennen, Freundinnen waren bzw. irgendwie immer noch sind, werden unter dem Brennglas der auktorialen Erzählinstanz auf ihre gegenwärtigen Unzulänglichkeiten hin untersucht. Ihre momentane Existenz wird mit ihrer vergangenen verglichen (es gibt zahlreiche kursivierte Rückblenden). Die Wünsche, Träume und Vorstellungen, die sie abgelegt haben, treten wie ein offener Bruch aus dem Körper ihres Ichs hervor. Alle drei Frauen sind zum Zeitpunkt der Haupthandlung im Jahr 2010 Mitte 30, also in der “Rushhour des Lebens”, in der eigentlich alles unter Dach und Fach gebracht werden will: Kinder, Karriere, Haus und Garten, gemachte Erfahrungen - alles soll und muss perfekt sein, wenn es nach den gesellschaftlichen Vorstellungen geht. Aber dass diese nicht immer mit der Realität einhergehen und das Leben oft diametral entgegengesetzte Verläufe zu unseren Erwartungen (das Buch heißt im Original "Expectation"), nimmt, zeigt Anna Hope anhand ihrer drei Protagonistinnen auf.

Cate ist die Intellektuelle, die ihren Oxford-Cum-Laude-Abschluss an der Tür ihres Reihenhauses in der Vorstadt von Canterbury abgelegt hat. Sie ist frischgebackene Mutter eines kleinen Jungen und hadert mit den sich überschlagenden Ereignissen ihres momentanen Lebens: neuer Partner, Heirat, Kind, Haus, Umzug aus der Metropole ins Suburbane - alles in weniger als 2 Jahren. Und da ist dann auch noch eine Person aus ihrer Vergangenheit, eine verflossene Liebe, der sie nachtrauert.

Hannah ist die Karrierefrau, bei der eigentlich alles perfekt läuft. Ein sehr gut bezahlter Job in London, schöne Wohnung, ein langjähriger Partner und seit kurzem Ehemann. Trotz dem scheinbar perfekten Äußeren ihres Lebens droht sie aber an ihrem unerfüllten Kinderwunsch zu verbrechen.

Lissa ist die unkonventionelle Schauspielerin, die im Callcenter und als Aktmodell arbeiten muss, weil es mit der großen Karriere nicht geklappt hat. Ein gesetztes und spießiges Leben mit Haus und Kindern ist für Lissa nicht vorstellbar, aber dennoch sucht sie nach Konstanten.

Alle Figuren sind und wirken so echt, ihre Probleme sind exakt die, die Frauen in ihren mittleren Dreißigern eben haben - ich weiß wovon ich rede, gehöre ich doch selbst dieser Spezies an.

Danke Anna Hope für dieses wundervolle Portrait einer Generation, das zum Nachdenken über das eigene Leben und zum Innehalten anregt. Dass die Autorin übrigens auch noch mein Lieblingsstück von Tschechow, Onkel Wanja, in die Erzählung mit einbaut, hat mich vollends für das Buch eingenommen: 5 Sterne!


  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere