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Veröffentlicht am 13.09.2019

Lauwarm trotz des guten Erzählers

Beste Jahre
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In „Beste Jahre“ geht es darum wie ein Mann Anfang 40 das Thema Kinderwunsch und späte Schwangerschaft aufarbeitet – und außerdem seine eigene Biographie.
Der Protagonist ist Schauspieler (seinen Namen ...

In „Beste Jahre“ geht es darum wie ein Mann Anfang 40 das Thema Kinderwunsch und späte Schwangerschaft aufarbeitet – und außerdem seine eigene Biographie.
Der Protagonist ist Schauspieler (seinen Namen erfahren wir nicht), er ist an einem Theater in Hamburg engagiert und lebt schon seit vielen Jahren mit seiner Frau Lisa, die ebenfalls Schauspielerin ist, in einer glücklichen Zweierbeziehung. Während sie ihrem Beruf auf der Bühne mit voller Inbrunst nachgehen, ist das private Leben des Paares mittlerweile eher undramatisch – und das ist auch gut so bzw. war gut so. Denn seit sie an den Rand von Bremen gezogen sind haben ihnen ihre dortigen Nachbarn, späte Eltern von Zwillingen vorgemacht, dass ihnen im Leben etwas fehlt: ein Kind.
In Rückblenden erzählt der Schauspieler von seinem Leben und den jüngsten Ereignissen rund um die Entstehung von „Obsklappt“, der Name den sie ihrem ungeborenen Kind scherzhaft gegeben haben. Es wird deutlich wie fragil und artifiziell diese Kindeswerdung, die durch künstliche Befruchtung ermöglicht wurde, in diesem Alter ist. Ein Abenteuer und gleichzeitig eine schicksalhafte Notwendigkeit für diese beiden Menschen, die es sich schon in der Mitte ihres Lebens bequem gemacht haben.
Die Innensicht des Mannes, der immer von außen auf das „Projekt“ Kind schauen muss, er, der wahrscheinlich dafür verantwortlich ist dass es bisher eben nicht geklappt hat, ist das Interessante an diesem Roman. Das Gefühl der Unwirklichkeit und Machtlosigkeit, das durch die Erzählersicht gefiltert wird, kommt sehr gut rüber.
Die eigene bevorstehende Vaterschaft des Schauspielers wird durch zwei Figuren gespiegelt, die keine biologischen Väter sein können: da wäre zum einen der ehemalige Griechischlehrer des Erzählers, der homosexuell ist und durch ein Nahtoderlebnis eines seiner Schüler zu einem ideellen Vater wurde. Zum anderen gehört zu diesen Männerfiguren, die keine Väter sein können sein ehemals bester Freund HC, der ironischer Weise unfruchtbar ist, obwohl er doch als Staatsanwalt und Besitzer einer kindgerechten Immobilie von einem bürgerlichen Wohlstandsaspekt heraus der perfekte Vater wäre und er und seine Frau sich außerdem nichts sehnlicher wünschen.
Hier stellt sich beim Erzähler natürlich die Frage ob die vielfältigen Konstruktionen von Männlichkeit – Macht, Geld, schöne Frauen, (selbst)darstellerisches Talent – letztlich auf die Potenz und die Fähigkeit zum Zeugen herunter gebrochen werden.
In diesem geistigen Spannungsfeld bewegt sich der Ich-Erzähler, der zwischendrin immer wieder seine individuelle Geschichte reflektiert, die sich durch sein Kind gewissermaßen fortschreiben wird.
In diesem Roman ist vieles symbolisch ohne schwer oder unrealistisch zu werden. Der Schriftsteller John von Düffel ist ein Intellektueller und als solcher hat er seinen Roman auch mit kulturellen Referenzen gespickt. Besonders auffällig ist dabei die unglückliche Verliebtheit des Protagonisten in eine Frau aus Stendal, die er während seiner Zeit am dortigen Theater kennenlernt. Dies verweist auf die Biographie des Schriftstellers Stendhal, der sich sein Pseudonym nach einer Verliebtheit in eine Stendalerin zulegte. Mit seiner „Emigration“ in den Osten wird zudem das Thema geteiltes und wiedervereinigtes Deutschland anschnitten. Als „Westler“ im Osten betritt der junge Schauspieler eine exotische Welt, die schnell sein Zuhause wird – bis er wieder in den Westen abberufen wird.
Neben der starken Symbolkraft des Romans fällt auch die elaborierte gehobene Sprache des Buches auf, die aber von einem leicht ironischen Unterton durchzogen wird.
Das Buch ist über große Strecken aus der Ich-Perspektive erzählt, gelegentlich wechselt aber die Erzählweise ins Personale um zum Schluss sogar kurz in eine Du-Perspektive zu verfallen.
Vom (teil überraschenden-teils vorhersehbaren) Ende aus gesehen wirkt das Buch dann doch etwas konstruiert und bekommt durch die Handlungsentwicklung eine unrealistische, fast triviale Note. Ich glaube der Autor wollte den von ihm bisher heraufbeschworenen Realismus seiner Erzählung aufbrechen. Das ist schade, denn von Düffel ist ein toller Erzähler, dessen Sprache eine ganz eigene Kraft entwickelt.

Veröffentlicht am 13.09.2019

Netter Familienroman - mehr nicht!

Die Shakespeare-Schwestern
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Die drei „Shakespeare“-Schwestern um die es geht heißen Bianca (eine Randfigur aus „Othello“), genannt Bean; Cordelia (die jüngste der drei Schwestern aus „King Lear“), genannt Cordy und Rosalind (aus ...

Die drei „Shakespeare“-Schwestern um die es geht heißen Bianca (eine Randfigur aus „Othello“), genannt Bean; Cordelia (die jüngste der drei Schwestern aus „King Lear“), genannt Cordy und Rosalind (aus „As you like it“/“Wie es euch gefällt“), genannt Rose. Rose ist mit 33 die Älteste. Sie lebt zu Beginn des Romans als einzige der Drei im amerikanischen Heimatort Barnwell (mit einer Mischung aus Liebe und Hass von den Schwestern „Barney“ genannt) und ist Dozentin für Mathematik. Sie ist diejenige die ihre Eltern am meisten sieht und muss nun eine schwere Entscheidung treffen: soll sie mit ihrem Verlobten Jonathan nach England ziehen, weil dieser eine Stelle in Oxford bekommen hat?
Bean (30) ist die mittlere Tochter, die jahrelang einen Bürojob in New York hatte und nun rausgeworfen wurde, weil sie bei der Firma, bei der sie gearbeitet hat Geld gestohlen hat. Völlig verschuldet und desillusioniert kehrt sie nach Barnwell zurück. Dort flirtet sie zunächst mit dem neuen Pastor und mit ihrem ehemaligen Lehrer…
Auch Cordy kehrt nach Jahren der Rastlosigkeit und des ziellosen Vagabundierens zurück in ihre Heimat. Mit 27 ohne Collegeabschluss will sie kellnern und sich überlegen wie sie das Kind, das in ihrem Bauch heranwächst, großziehen soll.
Sie alle vereint aber überdies noch ein gemeinsames Schicksal: ihre Mutter ist an Brustkrebs erkrankt.
Der Vater, ein Shakespeare-Philologe, hat dem allen vor allem Ratschläge und einen unerschöpflichen Vorrat an Zitaten des Barden entgegenzusetzen.

Das Buch heißt im Original „Weird Sisters“, was die drei Hexen aus Shakespeares „Macbeth“ bezeichnet. Dies ist vom Wortspielcharakter ziemlich passend, denn das englische Wort „weird“ heißt ja merkwürdig, komisch. Sie sind auch irgendwie komisch, diese drei Schwestern, die nicht so recht wissen was sie mit ihrem Leben anfangen sollen. Einzig das Lesen scheint für sie – so wie auch für ihre Eltern – essentiell und der feste Anker in ihrem Leben zu sein. Auf das Lesen, auf die Literatur können sie sich immer verlassen, egal welche Art von Hurrikane sie in ihrer realen Existenz gerade bedroht. Das ist ein tröstlicher und schöner Gedanke: die Literatur rettet einen über alle Krisen hinweg.

Leider muss ich sagen dass die Geschichte sehr viel unnötig Konstruiertes hat, was oftmals gestelzt und unnatürlich wirkt. Zunächst muss man hier die seltsame pluralisierende Erzählsituation eines auktorialen „Schwestern-Erzählers“ erwähnen, der immer aus der „Wir“-Perspektive berichtet, auch wenn es um das Innenleben einer einzelnen Schwester geht. Dies wirkt als seien die Schwestern eine Schicksalsgemeinschaft, die zwar aus Individuen besteht, im Grunde aber ein Wesen ist. Die eingeflochtenen Shakespeare-Zitate, die den Protagonisten zu jeder erdenklichen Situation passend herausrutschen, wirken stellenweise ebenfalls sehr bemüht – außer vielleicht beim Vater selbst – und das obwohl die Frauen als Töchter eines Shakespeare-Forschers ihr ganzes Leben lang von ihnen berieselt wurden. Ansonsten ist die Dreier-Konstellation natürlich typisch und häufig in der Literatur – natürlich auch bei Shakespeare – zu finden. Anfangs tat dieses Bemühte dem Lesespaß – jedenfalls bei mir – kaum Abbruch. Mit der Zeit aber geht einem die pathetische Erzählweise und der belehrende Unterton, der leider auch durch die Shakespeare-Zitate kommt, ein wenig auf die Nerven.
Dann ist auch die Geschichte selbst nicht gerade innovativ: die Schwestern kehren – bis auf eine – an einem schicksalhaften Moment zu ihren Wurzeln zurück und alle drei müssen ihr Leben neu ordnen. Natürlich ist es dabei die Sesshafte, die die Flügel ausstrecken wird und die beiden anderen, die umhergewandert sind, erkennen als zurückgekehrte verlorene Töchter dass sie in der Heimat alles finden was sie immer gesucht haben.
Obwohl der erste Teil sehr retrospektiv und handlungsarm erschien hat mich der Roman gefesselt und mich am „Schicksal“ der Schwestern teilhaben lassen. Leider nahm der Plot im zweiten Teil nur wenig an Fahrt auf. Alle Konflikte die sich im ersten Teil entwickelt haben wurden zwar aufgelöst, ich hätte mir aber ein paar mehr spektakuläre Wendungen und Plot-Verschnörkelungen gewünscht. Stattdessen gab es zum Ende hin einige Längen und Momente, in denen man als hoffender Leser denkt: das kann sich doch jetzt nicht wirklich so „platt“ auflösen. Der Roman selbst ist sicher keine Hochliteratur und dadurch dass ständig der größte Literat aller Zeiten heraufbeschworen wird merkt man leider auch, wie trivial die ganze Geschichte im Gegensatz zu seinen unsterblichen Worten dann doch erscheint.
Dennoch: es ist ein netter (langer) Familienroman, den ich nicht bereut habe zu lesen.

Veröffentlicht am 06.09.2019

Fantasy-Ethno-Öko-Thriller-Romance-SciFi

Der Ruf des weißen Raben
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Die Handlung von „Der Ruf des weißen Raben“ löste in mir als Leser eine gewisse Unruhe aus. Ständig ist man mit Zeitsprüngen (Vorzeit/Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft) und unterschiedlichen Ich-Ausprägungen ...

Die Handlung von „Der Ruf des weißen Raben“ löste in mir als Leser eine gewisse Unruhe aus. Ständig ist man mit Zeitsprüngen (Vorzeit/Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft) und unterschiedlichen Ich-Ausprägungen bzw. Bewusstseinsstufen der Charaktere (Mythische Vorzeit-Lehrerin/Jüngeres Ich/Älteres Ich) konfrontiert, die einem die vollste Konzentration abverlangen. Diese doch sehr diffuse Handlungsführung kontrastiert auf eine merkwürdige Weise mit der sehr einfach gehaltenen Prosa und den ständig auftretenden semantischen Wiederholungen der Autorin, die, wenn sie sich einmal für eine Vokabel oder ein sprachliches Bild entschieden hat, selten davon abweicht (so sind die Zedern in diesem Buch omnipräsent, Myra empfindet jedes Mal dieses „seltsame Ziehen“ wenn sie die Zeiten wechselt, man muss dazu immer „bei Kräften bleiben“ und auch die Murmeltiere und Streifenhörnchen tauchen ständig auf und pfeifen oder huschen). Ein bisschen mehr semantische Variation hätte ich mir gewünscht. Die Naturbeschreibung ist ansonsten sehr anschaulich ausgefallen.

Zu den Charakteren ist zu sagen, dass sie alles in allem an der Oberfläche bleiben und selten greifbar werden. Vor allem die Protagonistin Myra wirkt gelegentlich fehl am Platz und Marionettenhaft, ihre Motivation und ihre Beweggründe sind nicht wirklich erkennbar. Sie bleibt oberflächlich und wirkt auf mich auch nicht sonderlich sympathisch, weil sie wenig „Ecken und Kanten“ hat. Chad hingegen versprüht einen gewissen menschlichen Charme, aber auch er wird aber für meinen Geschmack nicht befriedigend charakterisiert. Die Liebesgeschichte der beiden hätte ich mir auch etwas tiefgehender gewünscht, so wird zwar von Anfang gesagt, dass sich beide auf unerklärliche Weise zu einander hingezogen fühlen und am Ende des Romans wird auch klar warum. Dennoch wirkt die Lovestory zuweilen sehr aufgesetzt.

Die Grundaussage des Romans ist wie bei nahezu allen Ethno-Naturgeschichten sicher ehrenvoll: der Mensch hat den Sündenfall der Naturzerstörung begangen und begeht ihn weiterhin. Die alten Kulturen haben es sich zur Aufgabe gemacht dies zu verhindern indem sie die „Alten“ und die – dem modernen Menschen nicht mehr präsenten – Naturgewalten anrufen und um deren Hilfe ersuchen. Das natürliche „Gleichgewicht“ der Kräfte muss wieder hergestellt werden. Die Plotline dass Myra die Auserwählte ist und es jetzt „richten“ soll, ausgerechnet Myra, deren Eltern ursprünglich Einwanderer aus Deutschland sind, Myra, die Journalistin aus der Großstadt Victoria, wirkt auf mich sehr konstruiert. Da hat die ebenfalls aus Deutschland stammende Autorin etwas zu viel Autobiographisches in den Roman gepackt. Ich hätte es besser gefunden wenn Chad – in seiner Eigenschaft als Kanadischer Ureinwohner – diese Funktion des Gesandter bzw. Retters gehabt hätte, aber das wäre vielleicht zu unspektakulär gewesen.

Die indianische Mystik ist in diesem Roman sehr gut beschrieben, die Autorin weiß von was sie spricht. Die Fantasy-Elemente beschränken sich im Wesentlichen auf die Zeitreisen (für die Indianer sind alle Zeiten stets präsent und deshalb ist es für sie keine Fantasy, sondern Teil der universellen Wirklichkeit), die Myra macht. Allerdings kann nur Myra so in die Vergangenheit reisen, wie sie es tut und das macht alles in wenig fragwürdig.

Es gibt fast wie in der klassischen Novelle ein Falkenmotiv, nämlich den Talisman, der so etwas ist wie der „Stein der Weisen“. Um ihn und um sein Haben bzw. Nicht-Haben dreht sich die gesamte Story. Natürlich gibt es auch einen Bösewicht mit Allmachtsphantasien, Morris, der vor nichts zurückschreckt um diesen Talisman (der Myras Mentorin Runa in der Vorzeit vermacht und von mehreren Schamanen mit magischen Kräften und Weisheit aufgeladen wurde) zu besitzen.

Alles in allem hat der Roman für mich Stärken und Schwächen, die sicher vermeidbar gewesen wären. Ein gutes Buch für Zwischendurch, aber auch nicht mehr.

Veröffentlicht am 06.09.2019

Der letzte Schattenschnitzer: ein romantisches Buch!

Der letzte Schattenschnitzer
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Mit der Überschrift ist nicht etwa gemeint, dass dieser Fantasyroman auch nur im Entferntesten etwas mit der Pseudo-Romantik einer schnulzigen Fernsehromanze zu tun haben könnte. Hier ist die gleichnamige ...

Mit der Überschrift ist nicht etwa gemeint, dass dieser Fantasyroman auch nur im Entferntesten etwas mit der Pseudo-Romantik einer schnulzigen Fernsehromanze zu tun haben könnte. Hier ist die gleichnamige Epoche gemeint und damit die der Düsternis, der Doppelbödigkeit und des Unbelebten, das durch Magie zum Leben erweckt wird. Die Romantiker interessierten sich für die Dinge hinter den Dingen und so auch für Schatten, wie man an der berühmten Geschichte von „Peter Schlehmil“ (die im „Schattenschnitzer“ auch zitiert wird) sehen kann. Diese Thematik, die verschachtelte Geschichte und auch die vielen Perspektiven- und Schauplatzwechsel machen das Buch „romantisch“ und damit extrem gehaltvoll.

Die Geschichte, die erzählt wird, ist so gruselig wie phantastisch: es geht um Schatten als eigene Entitäten, die ihr Dasein zunächst mit dem Menschen zusammen fristen und nach deren Tod eigenständig werden. Es gibt den Limbus, den Ort an dem die Schatten wohnen. Ein Rat der Schattensprecher hat die Aufgabe, das Gleichgewicht zwischen Licht und Schatten zu halten und einen Krieg zwischen Menschen und Schatten zu verhindern. Es gibt also Schatten, die gegen die Menschen kämpfen und sich von ihnen ablösen wollen oder aber, wie im Falle des „Schattensprechers“ Jonas Mandelbrodt, (zunächst) ihre Verbündeten sind: Gut vs. Böse, das alte Lied auch hier neu eingespielt. Madelbrodt ist der Hauptakteur des Buches, um ihn herum wird die Geschichte aufgezogen. Der Junge ist in der Lage mit Schatten zu kommunizieren und ihnen seinen Willen aufzuzwingen. Diese gefährliche Gabe, die von anderen Schattenmagiern häufig zum Negativen gebraucht wird, bringt ihn bald in die Bredouille: er und seine Familie sind nicht mehr sicher… Dann gibt es noch Carmen Maria Dolores Hidalgo, das „Mädchen ohne Schatten“, das auch von der Schattenwelt instrumentalisiert wird. Jonas erfährt, dass der Rat der Schattensprecher den Tod von Jonas und Maria beschlossen hat, denn sie werden als Anomalien betrachtet und dürfen deshalb nicht weiterleben. Ein(e) Bösewicht(in), der (die) alles daran setzt die Schattenmächte zu beherrschen darf natürlich auch nicht fehlen…

Es vermischt sich in diesem Roman auch Realhistorie mit Fantasy. George Ripley, ein Alchemist aus dem 15. Jahrhundert, hat der heutigen Welt ein gefährliches Erbe hinterlassen: das „Eidolon“. Es gab diesen bedeutenden Alchemisten aus England tatsächlich, das Eidolon ist natürlich eine Zutat des Autors. Auch anderen historischen Figuren wird die Schattenwelt als Grund ihres Untergangs zugeschrieben: Giordano Bruno, Kaspar Hauser etc. sowie zahlreiche Hexenverbrennungen. Auch John Dee, Alechmist der Königin Elizabeth, (der Protagonist aus „Die Gebeine von Avalon“), kommt zwischendurch zu Wort indem immer wieder Passagen aus seinem „Alchimia Umbrarum“ als Zwischentexte eingestreut werden.

Die „Schattenfresser“ erinnern sehr an die „Dementoren“ aus „Harry Potter“, genau wie die Siegel, mit denen die Welt der Schatten geschützt ist an die Horkruxe erinnern. Auch andere Anleihen bei Fantasy-Geschichten sind durchaus zu finden (irgendwie erinnert mich die ganze Atmosphäre ein wenig an den „Schrecksenmeister“ von Walter Moers). Aber das stört ja nicht, denn Autoren haben sich immer überall bedient und Intertextualität ist schließlich ein Wert an sich.

Dass auch aus der Erzählperspektive des Schattens (mit Du-Anrede der Leser) von Jonas Mandelbrodt erzählt wird fand ich bereits in der Leseprobe sehr speziell und durchaus begrüßenswert.

Die Zitate zum Thema Schatten am Beginn jedes Kapitels finde ich sehr anregend und informativ, auch die graphische Gestaltung des Buches sowie des Schutzumschlags lässt bibliophile Herzen höher schlagen. Die Hobbit Presse wird ihrem eigenen Standard hier absolut gerecht (danke auch für das schöne beigelegte Lesezeichen). Ein Abschlusslektorat täte dem Buch aber dennoch gut, immerhin fehlen bei manchen Wörtern die letzten Buchstaben oder es ist einer zuviel.

Christian von Aster erzählt eloquent, geheimnis- und anspruchsvoll, so dass der Leser stets mit voller Konzentration bei der Sache sein sollte. Leider ist der Autor aber letztlich etwas klüger als seine Geschichte, die vielleicht ein wenig zu arabeskenhaft und ambitioniert daherkommt und ihrem eigenen hohen Anspruch in letzter Konsequenz nicht ganz gerecht werden kann. Die Geschichte wird zum Schluss sehr esoterisch, der letzte Teil des Buchs ist recht dicht gewebt, so dass man leicht den Überblick verlieren kann. Ich fand dass es dann zum Ende auch immer pathetischer wurde und das hat mich sehr gestört. Die Auflösung-den Überraschungseffekt-fand ich gut.

Veröffentlicht am 06.09.2019

Einstein wird ins Rollen gebracht

Einsteins Versprechen
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Ja, das Schema ist altbekannt: mehr oder weniger junger Mann (meist Schreiberling, Büchermensch oder Wissenschaftler), der ein relativ langweiliges, eintöniges Leben fristet und immer ein wenig zu wenig ...

Ja, das Schema ist altbekannt: mehr oder weniger junger Mann (meist Schreiberling, Büchermensch oder Wissenschaftler), der ein relativ langweiliges, eintöniges Leben fristet und immer ein wenig zu wenig Geld verdient wird plötzlich mit einem „Geheimnis“ konfrontiert, dessen Auflösung meist Menschenleben und viele zurückgelegte Meilen kostet. Natürlich darf die mysteriöse Fremde nicht fehlen, die nach einer spröden Anfangsphase beginnt mit dem Protagonisten zusammenzuarbeiten (vielleicht auch zu schlafen). Erst im Verlauf des Buches wird sich herausstellen, auf welcher Seite sie wirklich ist oder was sie mit dem „Geheimnis“ zu tun hat.

„Einsteins Versprechen“ ist ein Buch nach genau diesem Schema-F und trotzdem: es hat mich sehr unterhalten, auch wenn sich manche Erwartungen bzw. Befürchtungen im Laufe des Lesens erfüllt haben. Ja, ja, die „spektakuläre“ Schnitzeljagd durch Europa und Amerika mit den mysteriösen Hinweisen und Morden und der arme Javier (so heißt die Hauptperson) mittendrin! Dann geht es auch noch um Albert Einstein, einen Mann, dessen Theorien und Leben ihm zwar oberflächlich bekannt sind, aber dass er jetzt plötzlich eine Biographie über ihn fertigschreiben soll, weil deren Verfasser um die Ecke gebracht wurde ist eine Situation, die latente Beunruhigung bei dem 40jährigen Journalisten verursacht.

Formeln und Frauen: die beiden wichtigen Eckpfeiler in Einsteins Leben sind es auch in diesem Buch. Da werden genealogische Linien verfolgt, die Mitwirkung von Frauen an seinem Werk beleuchtet und schließlich die bekannteste aller physikalischen Formeln neu interpretiert. Das klingt spannend, ist es auch, zumindest für mich und die meiste Zeit. Gelegentlich wähnt sich der Leser aber auch als Zuschauer eines schlechten Theaterstücks, das hanebücherne Theorien, etwas Sexappeal und allzu stromlinienförmige Charaktere einmal verquirlt und in Romanform ausspuckt. Wie gesagt: gelegentlich. Die meiste Zeit habe ich mich amüsiert und wollte wissen wie es weitergeht, wer hinter dem ganzen Spießrutenlauf um Einstein steckt und wo das Ganze terminiert. Die Zeit, ein wichtiges Element bei Einstein, vergeht schnell und so auch die Lektüre.

Obwohl der Roman von zwei Autoren verfasst wurde, fällt an keiner Stelle auf dass der Schreibstil divergiert, da muss ein guter Lektor am Werk gewesen sein. Besonders schön fand ich die Zitate am Anfang jedes Kapitels und auch die angenehme Kürze derselben (natürlich endet fast jedes Kapitel mit einem spannenden Cliffhanger). Ich vergebe 3 Sterne, auch wenn es sich hier um banale „Unterhaltungswissenschaftsverschwörungstheorienschnitzeljagden-literatur“ à la Dan Brown handelt. Allerdings amüsant und – nicht zuletzt durch die vielen eingestreuten Fakten – sogar ein wenig lehrreich.