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Veröffentlicht am 02.04.2017

Gefährliche Cold Cases

Die Grausamen
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Was macht man mit gescheiterten Kollegen, die man gerne loswerden will, die man aber nicht einfach so entlassen kann? Man gründet eine neue Abteilung, in die man die Versager abschiebt – in diesem Fall ...


Was macht man mit gescheiterten Kollegen, die man gerne loswerden will, die man aber nicht einfach so entlassen kann? Man gründet eine neue Abteilung, in die man die Versager abschiebt – in diesem Fall die Abteilung für Cold Cases, also alte, ungelöste Fälle, für die sich eh kaum jemand interessiert.
Gabriel Dickinson hat bei einem Segelunfall seinen Schwager verloren, worauf sich seine Frau von ihm getrennt hat. Obwohl schuldlos an dem Unglück, fühlt Gabriel sich schuldig, verfällt dem Alkohol und verwahrlost zunehmend. Marta Rodriguez-Johnson hat dagegen ihren Kollegen versehentlich im Einsatz erschossen und diese Schuld bis heute nicht überwunden. Beide geben ein wahrlich famoses Gespann ab: problembeladen, unsicher und verschlossen. Nur zögerlich entwickeln sich Vertrauen und Respekt zwischen ihnen und allmählich wachsen sie zu einem wirklichen Team zusammen. Als sie auf vier 20 Jahre alte, ungelöste Fälle stoßen, fallen ihnen merkwürdige Parallelen auf. Offenbar stehen diese vier Fälle in einem Zusammenhang mit dem Verschwinden der damals 13-jährigen Tessa, das auch nie aufgeklärt wurde. Je tiefer Gabe und Marta graben, desto mehr bringen sie sich selber in Gefahr. Offensichtlich hat jemand ein sehr starkes Interesse daran, dass die ungelösten Fälle auch ungelöst bleiben.
Der Leser taucht ein in Gabriels und Maritas problembeladene Welt, teilt ihre Gedanken und fühlt mit ihnen. Und man freut sich, dass ausgerechnet die beiden vermeintlichen Versager einem Netz aus Lügen und Vertuschungen auf die Spur kommen und damit ihrem eigenen Leben eine neue Perspektive geben.
Ein spannender, verwickelter Krimi mit überraschenden Wendungen.

Veröffentlicht am 18.03.2017

Ein Meisterwerk

Das letzte Bild der Sara de Vos
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Schon das Cover und der leinwandähnliche Einband zeichnen das Buch als etwas Besonderes aus.
1631 wird Sara de Vos als erste Malerin in die Amsterdamer Meistergilde aufgenommen. Als Frau soll sie hauptsächlich ...


Schon das Cover und der leinwandähnliche Einband zeichnen das Buch als etwas Besonderes aus.
1631 wird Sara de Vos als erste Malerin in die Amsterdamer Meistergilde aufgenommen. Als Frau soll sie hauptsächlich Stilleben malen, ihr Interesse gilt aber eher der Landschaftsmalerei. Doch zu der damaligen Zeit hatte eine Frau hinter ihrem Ehemann zurückzustehen und sollte ihm möglichst zuarbeiten. Als ihr einziges Kind an der Pest stirbt, malt Sara de Vos ihr, vermutlich, letztes Bild: ,,Am Saum des Waldes“.
Genau dieses Bild hängt 1957 bei dem reichen New Yorker Anwalt Marty de Groot im Schlafzimmer. Das Gemälde befindet sich seit drei Jahrhunderten in Familienbesitz.
Nur durch Zufall bemerkt de Groot, dass das Original gegen eine, wenn auch brillante Fälschung eingetauscht worden sein muss. Mit kriminalistischem Gespür begibt er sich auf die Suche nach dem Fälscher – und stößt auf die junge und recht isoliert lebende Kunststudentin Ellie Shipley. Sie hat, ohne von dem Diebstahl zu wissen, die Kopie angefertigt. Marty de Groot will Rache und umwirbt Ellie....
Eine dritte Zeitebene zeigt Ellie Shipley im Jahr 2000. Sie arbeitet inzwischen als Kunstprofessorin mit Schwerpunkt ,Niederländische Malerinnen im Goldenen Zeitalter’ an der Sydney University. Als sie für die Art Gallery of New South Wales eine Ausstellung mitorganisiert, kommen sowohl das Original als auch die Kopie von ,,Am Saum des Waldes“ in Sydney an und Ellie Shipley wird von ihrer Vergangenheit eingeholt.
Die drei Zeitebenen des Romans werden äußerst geschickt miteinander verwoben. Man fühlt mit der Malerin Sara de Vos im 17. Jahrhundert genauso wie mit der jungen Studentin oder der reifen Professorin Ellie. Sehr präzise und anschaulich werden Gemälde und Maltechniken beschrieben, sodass jedes Detail und jede Farbschattierung vor dem inneren Auge des Lesers erscheint. Der Autor Dominic Smith versteht es wirklich, mit Worten zu ,,malen“.
Auch wenn der Grundton des Romans eher melancholisch ist, gibt es immer wieder auch amüsante Situationen und Dialoge.
Ein besonderes und äußerst lesenswertes Buch, nicht nur für Kunstinteressierte.

Veröffentlicht am 18.03.2017

Deutsch-portugiesische Ermittlungen

Lost in Fuseta
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Lost – der Name ist Programm. Als Leander Lost aus Hamburg am Flughafen von Faro von seinen Kollegen der Polícia Judiciária empfangen wird, fühlt er sich wirklich ziemlich verloren. Im Rahmen eines Austauschprogramms ...


Lost – der Name ist Programm. Als Leander Lost aus Hamburg am Flughafen von Faro von seinen Kollegen der Polícia Judiciária empfangen wird, fühlt er sich wirklich ziemlich verloren. Im Rahmen eines Austauschprogramms von Europol soll er ein Jahr in dem kleinen Städtchen Fuseta an der Algarve verbringen, während ein portugiesischer Kollege in Hamburg Erfahrungen sammeln soll. Sub-Inspektorin Graciana Rosado und ihr Kollege Carlos Esteves finden Leander Lost von der ersten Minute an merkwürdig. Nach nur wenigen Wochen Sprachkurs spricht er fast perfekt ihre Sprache, versteht aber weder Ironie noch Witze. Dies führt zu recht amüsanten Dialogen. Was sie zunächst für eine typisch deutsche Eigenheit halten, erweist sich als Asperger-Syndrom. Leander Lost besitzt ein fotografisches Gedächtnis und kann zwei Seiten eines Telefonbuchs in einer Minute auswendig lernen. Allerdings kann er die Mimik der Menschen nicht entschlüsseln, versteht keine Zwischentöne und kann vor allem nicht lügen. Damit stößt Lost seine Mitmenschen regelmäßig vor den Kopf und denunziert sogar ungewollt seine neuen Kollegen. Doch Graciana Rosado hat ein großes Herz und viel Menschenverstand. Sie erkennt Losts Schwächen, aber auch seine Stärken. Und sie hat eine Schwester, Soraia, die sich sehr für den seltsamen Deutschen erwärmen kann.
Schon wenige Stunden nach Leander Losts Ankunft wird ein Privatdetektiv tot in seinem Boot aufgefunden und bald stellt sich heraus, dass es sich um Mord handelt. Als Rosado, Esteves und Lost das Büro des Detektivs untersuchen wollen, werden sie angegriffen und das Büro in Brand gesetzt. Die Spuren führen zu einer Firma, die die Wasserversorgung in der Region übernommen und offenbar so einiges zu verbergen hat. Und bald zeigt sich, dass das Trio auch in den eigenen Reihen ermitteln muss.
Neben der Krimihandlung erfährt man auf anschauliche und unterhaltsame Weise viel über die Algarve und ihre Bewohner, ihre Herzlichkeit und ihre Traditionen. Aber auch der Außenseiter Lost mit seinen merkwürdigen Verhaltensweisen wird dem Leser zunehmend verständlicher und sympathischer. Die Aufdeckung des Verbrechens gerät dabei fast schon zu Nebensache, was der Unterhaltsamkeit aber keineswegs abträglich ist.
Kein hochspannender Thriller, aber ein lesenswerter, unterhaltsamer Krimi mit interessanten Charakteren.

Veröffentlicht am 08.03.2017

Nimm dir, was du willst!

So, und jetzt kommst du
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Dieser Roman beruht auf einer wahren Begebenheit. Der Autor Arno Frank erzählt von einer (seiner?) Kindheit in einem kleinen Ort bei Kaiserslautern in den 80er Jahren. Der Vater Jürgen ist ein Macher, ...

Dieser Roman beruht auf einer wahren Begebenheit. Der Autor Arno Frank erzählt von einer (seiner?) Kindheit in einem kleinen Ort bei Kaiserslautern in den 80er Jahren. Der Vater Jürgen ist ein Macher, der ständig irgendwelche ,,Projekte“ und kleine Geschäfte am Laufen hat. Von zu Hause aus verscherbelt er Krimskrams wie z.B. Hirschgeweihe aus Plastik, Heimtrainer, ja sogar alte Kübelwagen der Wehrmacht, bis das Geschäftsmodell scheitert, die Familie das Haus aufgeben und umziehen muss. Später arbeitet der Vater als Verkäufer von Gebrauchtwagen, wo er seine Talente als Blender voll einsetzen kann. Er erzählt den Leuten, was sie hören wollen und hat damit Erfolg. Sein Motto: ,,Du musst dir nehmen, was du willst. Niemand schenkt dir was.“ Und ganz plötzlich ist die Familie reich. Genauso plötzlich verlassen sie die Heimat für einen sehr langen Urlaub in Südfrankreich. Für die Kinder ist das Leben dort zunächst paradiesisch: in einer Villa mit Pool, mit Sportwagen.... Bis allmählich das Wasser für den Pool zu teuer ist, die Mutter kaum mehr das Haus verlässt und immer wieder merkwürdige Briefe kommen, die der Vater sofort zerreißt. Als eines Abends die Polizei vor der Tür steht, flieht die Familie Hals über Kopf nach Portugal.
Die kindliche Perspektive des Jungen, der manches spürt und ahnt, aber erst allmählich durchschaut, dass sein Vater kein Held ist, sondern er das Geld offenbar illegal beschafft hat, ist sehr eindringlich und packend. Auch die Mutter Jutta, die immer zum Vater steht und seine Entscheidungen nie in Frage stellt, ist von der Situation so überfordert, dass sie sich oft in eine eigene Welt zurückzieht. Sie vernachlässigt die Kinder, sodass sie am Ende regelrecht verwahrlosen. Erschütternd wird geschildert, wie die vermeintliche Realisierung der elterlichen Träume verhindert, dass die Kinder eine ,,normale“ Kindheit mit Schule, Freunden und Alltag erleben dürfen.
Während sich der Beginn des Romans noch etwas zäh gestaltet, bringt die Flucht deutliche Dynamik in die Geschichte – bis zu ihrem schlechten Ende. Erschütternd und sehr berührend.

Veröffentlicht am 27.02.2017

Weniger wäre mehr

DEMUT
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Harry Svensson, ehemaliger Reporter einer Stockholmer Zeitung und ansonsten Privatier,
mag Spanking, das heißt, er versohlt Frauen den Hintern und sie stehen drauf.
Bei einem übers Internet zustandegekommenen ...


Harry Svensson, ehemaliger Reporter einer Stockholmer Zeitung und ansonsten Privatier,
mag Spanking, das heißt, er versohlt Frauen den Hintern und sie stehen drauf.
Bei einem übers Internet zustandegekommenen Date mit der Weinhändlerin Ulrika Palmgren bekommt Svensson allerdings statt körperlicher Zuwendung einen Korb und eins auf die Nase. Bei der Rückkehr ins Hotel findet er im Nachbarzimmer den völlig zugedröhnten Sänger Tommy Sandell, der seinen Rausch neben einer Frau ausschläft – diese ist allerdings tot. Und ihr wurde offensichtlich der Hintern versohlt! Während die Polizei in den Ermittlungen kaum vorankommt, geschieht der nächste Fall. Dieses Mal trifft es einen erfolgreichen und vielversprechenden Politiker, der neben einer toten Frau im Hotelzimmer erwacht. Und diese Frau ist die Weinhändlerin Ulrika Palmgren!
Harry Svensson beginnt nun selbst zu recherchieren, ist er doch teilweise in den Fall involviert. Und er ahnt, dass er es mit einem Serientäter zu tun hat.
Svensson schildert in der Ich-Perspektive seine Ermittlungen, die allerdings immer wieder abschweifen. Das führt zu gewissen Längen, da es nicht wahnsinnig interessant ist, was Svensson isst und welchen Wein er dazu trinkt. Immer wieder trifft er Bekannte von früher oder lernt neue Menschen kennen, wobei sein Interesse vorzugsweise den Frauen gilt. Das führt stellenweise zu unterhaltsamen Situationen und Dialogen. Doch thrillermäßige Spannung kommt dabei nicht auf. Lediglich die eingestreuten Passagen, die das Geschehen aus der Sicht des Täters schildern und nach und nach dessen Motive ans Licht bringen, sind spannend. Erst im letzten Drittel, als Svensson dem Täter immer näher rückt und dadurch in dessen Visier gerät, kommt wirkliche Spannung auf.

Olssons Schreibstil ist locker und unterhaltsam. Er versteht es, Personen und Stimmungen anschaulich und prägnant zu beschreiben. Hätte er sich aber statt der über 700 Seiten auf die Hälfte beschränkt und sich mehr auf die Fälle konzentriert als auf das Privatleben seines ,Helden’ Harry Svensson, wäre es eventuell ein Thriller geworden. So aber handelt es sich eher um einen unterhaltsamen Krimi mit zu vielen Abschweifungen und Längen.