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Veröffentlicht am 21.01.2024

Die Liebe einer Mutter ist unendlich

Weil du meine Tochter bist
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Ein mitreißender und ergreifender Roman über Schutzmaßnahmen für Kindern im England des Zweiten Weltkriegs, die mir bisher noch nicht bekannt waren. Bekannt war mir die Evakuierung von deutschen Kindern ...

Ein mitreißender und ergreifender Roman über Schutzmaßnahmen für Kindern im England des Zweiten Weltkriegs, die mir bisher noch nicht bekannt waren. Bekannt war mir die Evakuierung von deutschen Kindern in andere Länder, um sie vor den Gefahren des Krieges zu schützen bzw. ihr Leben zu retten. Dass es solche Maßnahmen auch in England gab, war für mich völliges Neuland.
Die in einem streng katholischen Elternhaus aufgewachsene knapp 18jährige Viv wird bereits nach wenigen Treffen mit ihrem ersten Freund ungewollt schwanger. Der sich daraus zur damaligen Zeit und gesellschaftlichen erforderlichen Heirat mit dem Vater des Kindes können sich weder Viv noch Joshua entziehen. Doch Joshua stellt in den Augen der alle und alles dominierenden Mutter von Viv auf Grund seiner jüdischen keinen passenden Schwiegersohn dar. Wohlwissend um den Traum des jungen musikalisch sehr talentierten Joshua, nach Amerika zu gehen, reicht der von ihr angebotene Geldbetrag gepaart mit sehr deutlichen Worten aus, dass Joshua dieses Angebot annimmt. Viv bleibt eher "geduldet" mit ihrer kleinen Tochter bei ihren Eltern wohnen, bis sie dem Druck von Familie, Kirche und Nachbarschaft nicht mehr standhält, und sich im Rahmen eines Evakuierungsprogramms von ihrer Tochter trennt. Ihre Hoffnung, dass ihre kleine Tochter Maggie in Sicherheit lebt, wird durch eine Bombe, der auch des Hauses der Pflegeeltern zum Opfer fällt, zerstört.
Die Autorin vermittelt auf eine sehr empathische Weise die Entwicklung der jungen und sich unterordnenden Viv zu einer starken und selbstbewussten jungen Frau, die den Kampf um Selbstbestimmung und Unabhängigkeit aufnimmt und der es gelingt, sich aus den Zwängen von Familie und Gesellschaft zu lösen, ihr Leben frei und unabhängig zu gestalten.
Das gleiche gilt für den von seinem musikalischen Talent vollkommen überzeugten Joshua, den – auch im fernen Amerika – bruchstückhafte Informationen nicht nur über die aktuellen Kriegsereignisse, sondern auch die zunehmende Lebensgefahr für Menschen jüdischer Abstammung erreichen. Seine gedankliche Auseinandersetzung zu diesen Themen und sein Entschluss, sich als Soldat dem zu stellen – auch hier eine überzeugende und nachvollziehende Darstellung.
Und dass es neben der überaus gelungenen Darstellung einer äußerst unsympathischen Mutter, deren ganze Liebe, Fürsorge und auch Angst sich nur um die älteste Tochter Kate und deren Familie dreht, stellen die Eltern und die Schwester von Joshua das genaue Gegenteil dar. Offen für jeden, ohne Ansehen von Herkunft oder Religion, liebevoll und fürsorglich nehmen sie Viv in ihre Familie auf und vermitteln ihr eine herzliche Wärme und Anteilnahme, die mich teilweise zu Tränen rührte. Ganz besonders beim Ausüben der mehrtägigen jüdischen Trauerzeremonie für verstorbene Familienmitglieder. Ohne ihre Enkeltochter Maggie lebend gekannt zu haben, wird sie auf diese Weise als Familienmitglied geehrt und wertgeschätzt.
Sehr geschickt gelingt es der Autorin, einen kleinen Hinweis auf einen möglichen Aufenthaltsort der vermeintlich verstorbenen Maggie in den Handlungsverlauf aufzunehmen und es beginnt ein sehr spannender Romanverlauf, bei dem auch Joshua eine nicht unbedeutende Rolle zufällt.
Das für mich zunächst etwas überraschende Ende, stellt jedoch einen überzeugenden Abschluss dar. Setzt es doch einen nachvollziehbaren Schlussstrich unter die Entwicklung, die Viv und Joshua durchlebt haben und die bei beiden zu Veränderungen in der Lebenseinstellung führten.

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Veröffentlicht am 03.01.2024

Eine gefährliche Suche nach der verschollenen Tochter

Bevor die Welt sich weiterdreht
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Ein historischer Roman aus der Zeit des Ersten Weltkriegs, für den als Handlungsort die Schweiz gewählt wurde, von der ich sagen muss, dass mir diese im Zusammenhang mit dem damaligen Kriegsgeschehen noch ...

Ein historischer Roman aus der Zeit des Ersten Weltkriegs, für den als Handlungsort die Schweiz gewählt wurde, von der ich sagen muss, dass mir diese im Zusammenhang mit dem damaligen Kriegsgeschehen noch nicht bekannt war. Umso neugieriger war ich auf das, was ich nun neu – wenn auch überwiegend als Fiktion – erfahren durfte.
Die junge Schweizerin Johanna, deren Vater ein Sanatorium in Davos betreibt, entschließt sich, einen ganz persönlichen Beitrag zu den Kriegsereignissen leisten zu wollen und nimmt eine pflegerische Tätigkeit in einem Lazarett auf. Hochschwanger von ihrer im Krieg gefallenen großen Liebe Erich kehrt sie nach Hause zurück – doch ihre Pläne für den weiteren gemeinsamen Lebensweg mit ihrem Kind werden bereits kurz nach ihrer Ankunft zerschlagen: das Kind, ein kleines Mädchen, wird ihr sofort nach der Geburt weggenommen und sie selbst in die Verlobung mit einer gut betuchten wichtigen Persönlichkeit gezwungen, auf dessen finanzielle Unterstützung Johannas Vater für sein angeschlagenes Sanatorium hofft.
Johannas Sehnsucht nach ihrer Tochter ist ungebrochen und so lässt sie sich in einen lebensgefährlichen Handel ein: wird sie zunächst nur als Spionin für Deutschland akquiriert, so sind schon kurze Zeit später auch andere Länder an ihr interessiert. Ein spannendes und auch gefährliches Spiel, bei dem äußerste Vorsicht geboten ist.
Mir gefällt die Verbindung zwischen der nachvollziehbaren und sehr empathisch geschilderten unaufhörlichen Suche der jungen Mutter Johanna nach ihrem Kind, der "kriegsneutralen" Schweiz und einer Spionagetätigkeit, die mit Lebensgefahr verbunden sein kann, sehr gut. Das Abgleiten immer tiefer in die geheimnisvolle, aufregende aber auch lebensbedrohliche Welt der Spionage, noch dazu nicht nur für ein, sondern im Verlauf für mehrere Länder garantiert einen großen Spannungsbogen. Aber immer wieder durchbrochen von der Hoffnung auf ein freies, unbeschwertes, frohes und glückliches Leben mit der Tochter. Dies alles wird spannend, mit sehr viel Gefühl und auf eine leichte und flüssige Weise erzählt. Da hofft und bangt man mit und wünscht sich nichts sehnlicher, als dass Johannas Wege zum erhofften Ziel führen.
Für mich ein sehr interessanter Ausflug in eine mir eher ungewohnte Thematik der Spionage. Aber in Verbindung mit einer ergreifenden und überzeugenden emotionalen Romanhandlung hat mich dieser Roman von Anfang an in seinen Bann gezogen.
Er hat mir sehr, sehr gut gefallen und kann ihn guten Gewissens weiterempfehlen.

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Veröffentlicht am 03.01.2024

Ein wunderbares Denkmal für ein besonderes Pferd

Das Gemälde
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Als ich diesen Roman entdeckte, hat mich sofort das Titelbild in seinen Bann gezogen: ein schönes Pferd, das von einem dunkelhäutigen Mann am Halfter gehalten wird. Ich habe mich sofort gefragt, was diese ...

Als ich diesen Roman entdeckte, hat mich sofort das Titelbild in seinen Bann gezogen: ein schönes Pferd, das von einem dunkelhäutigen Mann am Halfter gehalten wird. Ich habe mich sofort gefragt, was diese beiden wohl verbinden mag und konnte mir vorstellen, dass es eine ganz besondere Beziehung zwischen ihnen geben muss.
Die kurze Inhaltsangabe hat mich dann bewogen, mich näher mit der diesem Roman zu Grunde liegenden Lebensgeschichte des amerikanischen Rennpferdes Lexington zu beschäftigen.
Die Autorin lässt in drei verschiedenen Erzählsträngen und ebenso vielen Zeitebenen teilhaben am Werdegang Lexingtons und verflechtet diese hervorragend und überzeugend mit den gesellschaftlichen Ereignissen der jeweiligen Zeitabschnitte.
Beginnend mit seiner Geburt und seinem Heranwachsen Mitte des 19. Jahrhunderts spielt der Sklavenjunge Jarret eine ganz besondere Rolle und wird zu seinem ständigen Begleiter/Betreuer durch die folgenden Jahre. Dabei lässt die Autorin teilhaben am alltäglichen Leben von Sklaven und dies auf eine sehr empathische Art und Weise. Dass auch der in dieser Zeit stattfindende amerikanische Bürgerkrieg, an dem Lexington und Jarret gemeinsam teilnehmen, eine wichtige Berücksichtigung findet, verleiht dem Geschehen eine glaubwürdige und überzeugende Authentizität. In diesem Zusammenhang eine gelungene Idee, den Maler Scott, von dem Lexington bereits mehrfach gemalt wurde, als Kriegsteilnehmer zu berücksichtigen und eine gute Verbindung zwischen dem Pferd und dem dann später entdeckten Gemälde von Lexington herzustellen.
Denn im zweiten, allerdings im Verhältnis zu den beiden anderen Zeitsträngen recht kurzen Zeitrahmen, entdeckt im Jahr 1954 die Galeristin Martha Jackson eines dieser Bilder von Lexington.
Dieses gelangt im Laufe der folgenden Jahre zu einem Ehepaar in Washington und wird im Jahr 2019 von der verbliebenen Witwe für die Müllabfuhr vor das Haus gestellt. Glücklicherweise aber gerettet von Theo, einem gegenüberliegend wohnenden Studenten. Fasziniert von dem abgebildeten Pferd lernt er bei seinen Recherchen die Paläontologin Jess kennen, die gerade damit beschäftigt ist, das Skelett eines Pferdes zusammenzufügen. Und es überrascht nicht wirklich, dass es sich hierbei um Lexington handelt. Ein interessanter, schöner und auch gelungener Abschluss.
Dieser Roman hat mich bewogen, mich ein wenig näher mit dem einstigen Rennpferd Lexington zu beschäftigen und ich war erstaunt, wie gekonnt reale Ereignisse mit fiktiven Elementen verknüpft wurden. Auch wenn ein Pferd im Mittelpunkt des Geschehens steht, so werden gerade die historischen Ereignisse aus seinen Anfangsjahren – mit all den schrecklichen Begleiterscheinungen von Sklaverei und dem amerikanischen Bürgerkrieg – hervorragend berücksichtigt und aufgezeigt. Um dabei dann doch immer wieder auf die ganz besondere Beziehung zwischen Jarret und Lexington hingewiesen zu werden.
Für mich auf alle Fälle ein ganz besonderes Buch, das mich auch nachdem ich es fertiggelesen hatte, als absolutes Lesehighlight in Erinnerung bleiben wird.

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Veröffentlicht am 19.11.2023

Geheimnisvolle und verschwiegene Familiengeschichte

Träume aus Licht
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Ich mag historische Romane über alles, weil ich einfach nicht genug über vergangene Zeiten erfahren kann, die ich – wegen der Natur der Sache – halt nicht miterlebt haben konnte.
Der Titel dieses Romans ...

Ich mag historische Romane über alles, weil ich einfach nicht genug über vergangene Zeiten erfahren kann, die ich – wegen der Natur der Sache – halt nicht miterlebt haben konnte.
Der Titel dieses Romans hat mich unwahrscheinlich neugierig gemacht, konnte ich doch auf den ersten Blick einfach nicht vorstellen, um welche Thematik es sich handeln könnte. Aber Träume, die jeder Mensch hat, noch dazu aus Licht … das klingt doch einfach nur positiv, träumerisch, mystisch, kreativ.
Als ich dann auf der Rückseite den Handlungsort entdeckte, wusste ich, dass ich unbedingt die ganze Geschichte, die sich mir dann auf 430 Seiten eröffnete, kennenlernen wollte. Zumal sich die Romanhandlung über verschiedene Zeitstränge erstreckt, sodass man der Protagonistin aus der Gegenwart immer einen Schritt voraus ist und geradezu darauf hinfiebert, dass sie endlich das Familiengeheimnis aufdecken kann.
Der Roman beginnt mit einem sehr kurzen Prolog über noch nicht einmal 1,5 Seiten und konfrontiert mit einer lebensmüden jungen Frau auf einer Brücke in Berlin im Jahr 1927 – Ergebnis ihrer Verzweiflungstat bleibt jedoch offen. Und schon stellt sich die Frage, was wohl dazu geführt hat, dass diese junge Frau keinen Sinn mehr in ihrem Leben sah – eine Frage bzw. eine Entwicklung, die sich mit Sicherheit auf den nächsten Seiten zeigen wird.
Die Romanhandlung beginnt dann quasi erneut im Jahr 2020, in dem die junge Buchhändlerin Ariane gemeinsam mit ihrer gut 17 Jahre älteren Schwester Silke den körperlichen Zusammenbruch der Großmutter anlässlich deren Geburtstags erlebt. Ariane verbringt nicht nur sehr viel Zeit am Krankenbett ihrer Großmutter, sondern sieht auch immer wieder in deren Haus nach dem Rechten. Mit dem Fund von mehreren großen runden Silberdosen wird dann romanmäßig die Verbindung zu einer jungen Frau namens Eva geknüpft, die man dann Anfang 1920 in Berlin kennenlernt.
Eva, älteste von 4 Schwestern, die mit sehr phantasievollen Geschichten gerne ihre jüngeren Schwestern unterhält, gelingt es eher durch reinen Zufall, in der sich rasend schnell entwickelnden und fortschreitenden Entwicklung des deutschen Films Fuß zu fassen. Dabei berücksichtigt die Autorin auf eine sehr einfühlsame Weise nicht die Stellung von berufstätigen Frauen in der damaligen Zeit, sondern die darüber hinaus gehenden Schwierigkeiten und Besonderheiten für Frauen, wenn sie sich nicht auf die Rolle der "wunderschönen Schauspielerin" reduzieren lassen möchten.
In einem weiteren Erzählstrang lernt man dann Vera, Evas Tochter aus der Ehe mit dem Regisseur und Inhaber eines zunehmend erfolgreicheren Filmstudios Heinrich Lichtenfeld. Vera, ehemals erfolgreiches Model, die einem tragischen Verkehrsunfall zum Opfer fiel, als Ariane erst drei Jahre alt war.
Drei Frauen, drei unterschiedliche Lebenslinien, drei verschiedene Zeitepochen – eine spannende Frage, wie und wo Zusammenhänge bestehen – eine ungemein spannende und ereignisreiche Lesereise.
Wobei ich unbedingt erwähnen muss, dass mich gerade die Erzählstränge mit Eva und ihre Verbundenheit mit dem deutschen Film fast magisch angezogen haben. Einmal, wenn auch nur in Kleinigkeiten, einmal hinter die Kulissen der Filmindustrie der damaligen Zeit blicken zu können. Dabei wurden Erinnerungen an eigene Filmerlebnisse aus der s.g. Stummfilmzeit, allerdings im Fernsehen, in mir geweckt. So treffend skizziert und mit realistischem Romangeschehen belegt – hat mich völlig überzeugt.
Auch die Romanhandlungen, geschickt, zunächst recht langsam und dann mit zunehmend sich steigerndem Tempo, haben mich von Anfang an in ihren Bann gezogen. Vor allem auch, weil die Kreation der Hauptcharaktere mit sehr viel Empathie und Verständnis für die jeweilige Zeitepoche erfolgte. Jede der drei Frauenrollen mitsamt individuellen Charaktereigenschaften, die sich zudem auf Erfahrungen der Kindheit oder auch der Jugendzeit zurückverfolgen lassen, hat mich in ihren Bann gezogen und ließ mich mehr als einmal sehr betroffen und mitfühlend den Kopf schütteln. Bis ich dann mit großer Erleichterung und auch Begeisterung gegen Ende des Buches mit mancher Ungerechtigkeit in meinen Augen versöhnt wurde.
Ein rundum gelungener Roman, den ich sehr gerne weiterempfehlen möchte. Mit sehr interessanten Details aus der beginnenden Filmbranche in Berlin und sehr interessanten, unterschiedlichen und als Gesamtpaket stimmigen und überzeugenden Charaktere – für mich ein absoluter Genuss … dieser hervorragende Roman!

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Veröffentlicht am 12.10.2023

Drei Freundinnen, ein Versprechen

Die Glücksfrauen - Der Geschmack von Freiheit
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Im ersten von insgesamt 3 Romanen über die drei Freundinnen aus Kindertagen Luise, Maria und Anni lernt man dieses harmonische Kleeblatt an einem Wendepunkt ihres Lebens kennen: Berlin im Sommer des Olympiajahres ...

Im ersten von insgesamt 3 Romanen über die drei Freundinnen aus Kindertagen Luise, Maria und Anni lernt man dieses harmonische Kleeblatt an einem Wendepunkt ihres Lebens kennen: Berlin im Sommer des Olympiajahres 1936. Auch wenn der Welt ein fröhliches weltoffenes sportliches Großereignis geboten wird, sind bereits Auswirkungen der bald allumfassenden Naziherrschaft zu spüren. Mit unterschiedlichen Auswirkungen auf jede der drei Freundinnen.
Luise, gemeinsam mit ihrem Verlobten Richard, ist Mitglied eines Netzwerks, das im Rahmen des politischen Widerstands Flugblätter erstellt und verteilt. Was auf Maria, Jüdin, verheiratet mit einem jüdischen Buchhändler und Mutter von zwei kleinen Kindern in den Folgejahren zukommen wird, kann man sich unschwer vorstellen. Und Anni, liiert mit einem Schulfreund und Gestapo-Mitarbeiter, ist nicht in der Lage oder auch nicht bereit, die herannahende Gefahr vor allem für Maria und ihre Familie zu erkennen.

Durch die Enttarnung der im Untergrund betriebenen Druckerwerkstatt ist Richard auf dem Weg nach Amerika, Luise will und soll ihm folgen. Damit beginnt ein Roman, der auf zwei Zeitebenen erzählt wird. Fast neunzig Jahre nach der Trennung der drei Freundinnen, wird Luises Enkelin June über die Bedingungen des Erbes ihrer verstorbenen Großmutter Luise informiert: es gibt zwei weitere Miterbinnen und sie soll die Freundinnen (oder deren Nachfahren) ihrer Großmutter, Maria und Anni, suchen und die Erbmasse mit ihnen teilen. Eine schon durch Zeitablauf fast unmögliche Aufgabe, doch June stellt sich dieser Herausforderung und entdeckt im Haus ihrer Großmutter einen Karton voller Aufzeichnungen über die ersten Jahre nach Ankunft von Luise in Amerika. Denn Luise ist es gelungen, mit Hilfe der vor ihrer Abreise in die Staaten von Maria und Anni gewährten Kredite den gemeinsamen Traum eines eigenen Restaurants in Amerika zu verwirklichen

Mit Hilfe dieser Aufzeichnungen wird Luises Lebensgeschichte ab 1936 erzählt, im erzählerischen Gegenwartsstrang nimmt man Teil an Junes Recherchen, die ihr so manche überraschenden neuen Kenntnisse über ihre Großmutter vermitteln.

Eine interessante, fesselnde, facettenreiche und auch sehr informative Geschichte, die viele verschiedene Aspekte beinhaltet und miteinander kombiniert. In Kenntnis der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung der kommenden Naziherrschaft stellt gerade der unterschiedliche familiäre Hintergrund der drei Freundinnen eine gelungene Ausgangsposition dar und die im ersten Band noch offene Frage nach dem Verbleib von Maria und Anni bietet großen erzählerischen Spielraum.

Darüber hinaus gelingt es der Autorin mit Hilfe der Charaktere von Luise, Einblicke und Eindrücke von deutschen Einwanderern der Kriegsjahre sehr anschaulich und verständlich zu schildern. Die sprachlichen Barrieren, das schwierige, langwierige und belastende Aufnahmeverfahren nach Ankunft in Amerika, das fast aussichtslose Bemühen um Arbeit zur Sicherung des eigenen Lebensunterhalts. Besonders berührt hat mich in diesem Zusammenhang die Apathie von Richard, der, einmal in Amerika angekommen, nicht in der Lage ist, sich den veränderten, neuen Lebensbedingungen anzupassen und sich der Herausforderung zu stellen. Ein verstörender aber durchaus realistischer Eindruck. Ganz im Gegensatz zu Luise, die ihre neue Heimat als Chance sieht und der es dank ihres Pragmatismus, ihrer Kreativität, vor allem aber auch ihrer Bekanntschaft mit anderen ebenfalls ausgewanderten deutschen Frauen gelingt, Fuß zu fassen. Gerade die Charakterisierung dieser deutschen Auswanderinnen, die gegenseitige Unterstützung, Hilfsbereitschaft und der mit einer Auswanderung verbundenen gleichen Ausgangssituation vermitteln eine ganz neue Perspektive und sind überzeugend in das Romangeschehen eingebettet.

Zu den Nachforschungen von June sei anzumerken, dass von der Autorin sehr viele reale Recherchemöglichkeiten Einfluss gefunden haben. Gerade diese Hinweise verleihen dem Roman eine Authentizität und in der heutigen Zeit auch Aktualität, die mir sehr gut gefallen hat.

Zum Schluss noch die Anmerkung, dass mir Cover und auch der Titel, bzw. vielmehr der Untertitel, gerade nach Lektüre des Buches, sehr gut gefallen haben. Zum einen, weil er die Hoffnung weckt, dass die drei Freundinnen tatsächlich Glücksfrauen waren, bzw. glücklicherweise die Naziherrschaft überlebt haben. Und zum anderen, weil die Darstellung gerade von Luise, die den Geschmack von Freiheit gefunden und geliebt hat, sehr gut nachvollziehen kann.

Für mich ein sehr gelungener erster Band, mit unterschiedlichen, individuellen, sorgfältig, authentisch und sehr empathisch gestalteten Charaktere. Zudem mit einer Romanhandlung, die sehr berührend und nachvollziehbar ganz persönliche Probleme und Schwierigkeiten von Auswanderern aufzeigt. Alles in einem leichten, flüssigen und auch spannenden Schreibstil. Bin schon sehr gespannt, ob und wann ich etwas über Maria und Anni erfahren werde und warte bereits sehnsüchtig auf den nächsten Band.

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