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Veröffentlicht am 10.02.2024

Gewitzter Coup, ausgeführt von starken Frauen

Mayfair House
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Mrs King ist 1905 Wirtschafterin in der protzigsten Villa in Mayfair. Doch nach dem Tod des Hausherrn de Vries wird Mrs King entlassen und verliert ihre Wirkungsstätte mit weißem Marmor, kostbaren Möbeln, ...

Mrs King ist 1905 Wirtschafterin in der protzigsten Villa in Mayfair. Doch nach dem Tod des Hausherrn de Vries wird Mrs King entlassen und verliert ihre Wirkungsstätte mit weißem Marmor, kostbaren Möbeln, funkelnden Kronleuchtern, Kristallschalen und edlen Kunstgegenständen - und: sie will Gerechtigkeit. Mit einigen Gleichgesinnten plant sie den Coup des Jahrhunderts; in der Nacht eines Kostümballs soll das Haus bis auf den letzten Wertgegenstand ausgeräumt werden.
Das Cover fällt durch sein intensives Rot und die elegante Teetasse in Gold sofort auf. Im Vorsatzblatt befindet sich der Grundriss des imposanten Hauses an der Park Lane. Die kurzen Kapitel sind teils mit Datum und Uhrzeit überschrieben, der Leser begleitet die Geschichte in Ihrem Countdown bis zum großen Raub und bietet einen kurzen Blick in die Zukunft. Der Schreibstil ist leicht und flüssig.
Der Autor zeichnet ein übersichtliches Bild des damaligen edwardianischen London in seinen letzten Luxusjahren vor dem 1. Weltkrieg; er beschreibt die gesellschaftlichen Schichten und beschränkt sich dabei nicht auf den Unterschied der Oberen in der Beletage und deren Dienstboten. Hay arbeitet auch genau die Differenz der „echten“ besseren Gesellschaft im Vergleich zu den Emporkömmlingen aus. Um einen solchen handelt es sich auch beim Erbauer der Villa, die mit übermäßigem, fast obszönem Prunk ausgestattet ist.
Hay verwendet viel Zeit auf die Planung des Raubzugs. Während der Lagebesprechungen bekommt der Leser erste Hinweise auf die wahren Motive für den atemberaubenden Rachefeldzug – doch jede der sieben Frauen behält ihre Beweggründe für sich; erst nach und nach entsteht ein vollständiges Bild. Die Charaktere sind allesamt authentisch und jede der Frauen ist für sich stark genug, um sie leicht voneinander unterscheiden zu können. Die überraschenden Wendungen und Enthüllungen erhalten die Spannung bis zum Ende aufrecht und machen das Buch damit zu einer großartigen Unterhaltung.

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Veröffentlicht am 13.01.2024

Margheritas Leben 1941

Margherita und der dunkle Widerschein der Welt
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Margherita Civitella ist über achtzig, als sie die Erinnerungen an ihre Kindheit am Übergang zu ihrer Jugend im Zweiten Weltkrieg in Großbritannien niederschreibt. Sie wächst als Tochter eines Italieners ...

Margherita Civitella ist über achtzig, als sie die Erinnerungen an ihre Kindheit am Übergang zu ihrer Jugend im Zweiten Weltkrieg in Großbritannien niederschreibt. Sie wächst als Tochter eines Italieners und einer Engländerin auf und erzählt im zweiten Teil ihrer Lebensgeschichte von ihrer ersten großen Liebe und von den Erlebnissen ihres Bruder und dessen Freunden als Soldaten an der Front.
Das Cover spiegelt den Inhalt des Buches im düsteren Braun und der Darstellung des Vollmonds und vereint dadurch die Schrecken des Kriegs mit den helleren und freundlichen Momenten aus Margheritas Jugend, die trotz des ernsten historischen Hintergrunds immer wieder möglich sind. Wie bereits im ersten Teil gelingt es dem Autor auch hier wieder sehr gut, die Gefühlswelt der jugendlichen Protagonistin in passende Worte zu fassen. Das Buch umfasst ihre Gedanken und Erlebnisse, ihre ersten Schritte in Richtung Erwachsenenleben, aber auch einen generellen Überblick über die Situation des Kriegsjahres 1941 von Großbritannien aus. Margheritas Vorwort liefert eine perfekte Zusammenfassung des ersten Teils und macht diesen Roman dadurch auch jenen Lesern zugänglich, die mit diesem Buch in die Reihe einsteigen. Am Ende verfügt das Buch außerdem über ein praktisches Personenverzeichnis. Fußnoten erklären Begriffe, die vor allem die technische Ausrüstung des Militärs betreffen. Handlungen, die sich direkt aufs Kriegsgeschehen beziehen, werden in jenen Kapiteln beschrieben, in denen Margheritas Bruder und dessen Freunde eine Rolle spielen.
Der Roman ist sehr gut recherchiert, die Angaben am Ende des Buchs verweisen auf die verwendeten Quellen. Das Buch informiert über die damalige Versorgungslage, historische Persönlichkeiten und anderes Wissenswertes, ohne jemals belehrend zu wirken; Hinweise sind auf eine Weise eingestreut, als kenne man sie bereits – selbst wenn man zum ersten Mal mit gewissen historischen Gegebenheiten in Kontakt kommt.
Insgesamt ist dieses Buch sehr empfehlenswert und macht neugierig auf die Fortsetzung von Margheritas Lebensgeschichte.

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Veröffentlicht am 07.01.2024

Es geht bloß um Eier, Zucker, Butter und Mehl

Der späte Ruhm der Mrs. Quinn
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Mrs. Quinn, die seit fast sechzig Jahren glücklich mit Bernard verheiratet ist, lebt in einem kleinen englischen Dorf und liebt das Backen. Sie greift dabei vor allem auf Familienrezepte zurück, die gleichzeitig ...

Mrs. Quinn, die seit fast sechzig Jahren glücklich mit Bernard verheiratet ist, lebt in einem kleinen englischen Dorf und liebt das Backen. Sie greift dabei vor allem auf Familienrezepte zurück, die gleichzeitig ihre wertvollsten Erinnerungen sind. Aus einem Gefühl heraus, etwas in ihrem Leben verpasst zu haben, bewirbt sie sich als Kandidatin für eine TV-Backshow. Vor Bernard verbirgt sie nicht nur diese Bewerbung, sondern auch ein viel größeres, dunkles Geheimnis, dem sie sich nun nach Jahrzehnten stellen muss.
Das Cover mit der appetitlichen Torte hat mich sofort angesprochen, der am Klappentext versprochene Inhalt des Romans hat mich jedoch nicht überzeugt. Die Kapitelüberschriften sind jeweils mit den Namen von Backwaren betitelt; diese verbinden die Herausforderungen der Backshow mit dem Erzählstrang aus Jennys Vergangenheit, wo dieselben Kuchen ebenfalls eine tragende Rolle spielten. Anekdoten aus Jennys Kindheit und Jugend sind kursiv hervorgehoben. Der Schreibstil ist nicht herausragend und die Geschichte läuft insgesamt ohne Konflikte ab. Da sie zu konstruiert und vorhersehbar ist, kommt auch keine rechte Spannung auf; weder die Herausforderungen der Backshow betreffend, noch das lange gehütete Geheimnis der Protagonistin.
Jenny konnte ich nicht viel Sympathie entgegenbringen. Es ist eine Sache, seinem Mann vorerst die Teilnahme an einer Backshow zu verheimlichen, aber eine völlig andere, ihm eine Entscheidung aus der Vergangenheit vorzuenthalten, die das weitere gemeinsame Leben betroffen hat. Dem Verweis vom Klappentext auf eine lebenslange Liebe kann ich daher nicht zustimmen. Liebe sollte nicht einseitig sein, sie besteht nicht aus Nehmen von einer Seite und Vergeben von der anderen.
Das Buch macht Appetit – auf Kuchen, leider jedoch nicht so sehr auf die Handlung.

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Veröffentlicht am 06.01.2024

Die bronzene Glocke aus dem Süden

Die Insel der weißen Lilien
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Linnea zieht nach ihrer Trennung von Oslo auf eine kleine Insel in Nordnorwegen ins Haus der verstorbenen Großtante ihrer besten Freundin. Sie entdeckt nicht nur den wunderschönen Garten, die neue Umgebung ...

Linnea zieht nach ihrer Trennung von Oslo auf eine kleine Insel in Nordnorwegen ins Haus der verstorbenen Großtante ihrer besten Freundin. Sie entdeckt nicht nur den wunderschönen Garten, die neue Umgebung der felsigen Insel und den charmanten Karsten, sondern in Maries Haus eine bronzene Glocke mit geheimnisvoller Inschrift. So macht sich Linnea auf die Suche nach Maries Geheimnis und entdeckt deren dramatische Vergangenheit.
Das Cover wirkt verträumt mit dem kleinen Haus auf der Insel, eingerahmt von weißen Lilien. Der Klappentext verspricht eine Romance in Nordnorwegen – wer nun auf eine seichte Liebesgeschichte hofft, wird etwas enttäuscht. Natürlich spielt die Liebe eine Rolle, aber dieses Buch überrascht vielmehr mit einem Erzählstrang aus Maries Vergangenheit im Zweiten Weltkrieg, der das Leben im besetzten Norwegen mit seinen negativen Seiten beleuchtet und eine Spur nach Serbien legt. Immer wieder sind Gedichte und nie verschickte Briefe aus Maries Notizbuch eingeschoben, die die Handlung noch authentischer machen. Auch Linneas Erzählstrang in der Gegenwart ist lebendig erzählt; nur langsam gelingt es ihr sich an das raue Inselleben zu gewöhnen und das Vertrauen der Bewohner zu gewinnen.
Die Sprecherin Irina Salkow macht das Hören sehr angenehm. Ruhig und eigentlich ohne viel Emotionen gibt sie die fesselnde Geschichte wieder. Dass dieser Abstand gewahrt wird, ist auch gut, denn die Handlung und die Worte in die sie gefasst ist, geben genug an Gefühlen der Protagonisten an die Hörer weiter.
Insgesamt ist dieses Hörbuch sehr empfehlenswert und bietet neben einer lebensechten Rahmenhandlung einen überraschenden Einblick in ein Kapitel norwegischer Geschichte.

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Veröffentlicht am 04.01.2024

Ein Festbetrieb, gar nicht so galant

Himmelfahrt. Höllenfahrt.
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Der Schauplatz Lüdenscheid 1976 bietet den drei Hobby-Ermittlern in ihrem vierten Fall einige Rätsel. Theo Kettling kommt gerade selber von einem Begräbnis, als ihm Sabine aufgelöst vom tödlichen Unfall ...

Der Schauplatz Lüdenscheid 1976 bietet den drei Hobby-Ermittlern in ihrem vierten Fall einige Rätsel. Theo Kettling kommt gerade selber von einem Begräbnis, als ihm Sabine aufgelöst vom tödlichen Unfall der kleinen Schwester ihrer besten Freundin erzählt. Lieselotte Larisch wittert einen Mordfall – oder doch gleich mehrere? Dass schließlich selbst Antiheld Theo verdächtigt wird, steigert die Spannung dieses Krimis zusätzlich.
Der VW Käfer am Cover erinnert sofort an die Siebziger, die Dogge an Lieselotte Larisch und die hinten sitzende Person an Theo – wortwörtlich hinten, denn das Foto des Autos erstreckt sich auch auf die Rückseite. Die Kapitel haben eine angenehme Länge, die Dialoge sprühen vor Lebendigkeit; der Autor verwendet oft lange, verschachtelte Sätze, er macht deren Inhalt durch die kluge Wortwahl aber dennoch sehr verständlich und zu einem richtigen Genuss.
Das ungleiche Ermittlertrio schließt man sofort ins Herz, auch wenn man die Vorgänger dieses Krimis nicht kennt. Alle drei sind wahre Sympathieträger, die oft nervige Lieselotte, die sture Sabine und Theo, so unscheinbar und zurückhaltend er auch erscheint, ist ohnehin eine Ausnahmeerscheinung. Der Krimi lebt vom gut durchdachten Kriminalfall, von den starken Charakteren, dem humorvollen Unterton, der vor allem in Theos Gedanken zu Vorschein kommt und vom Ambiente der Siebziger Jahre. Immer wieder, aber immer nebenbei, werden Autos, Einrichtung, Musik, Essen oder Fernsehsendungen eingestreut, die einen guten Einblick ins damalige Leben und Lebensgefühl geben (viele Zigaretten und Alkohol inklusive). Wer die Zeit selber erleben durfte, fühlt sich in die Vergangenheit katapultiert, sei es mit Wehmut oder auch Erleichterung, dass die Zeiten sich verändert haben. Für jüngere Generationen bietet das Buch ein authentisches Kennenlernen jener Zeitspanne, ohne jemals schulbuchmäßig belehrt zu werden. Daher ist dieser Sauerland-Krimi durchaus allen zu empfehlen. Mir hat er erfreuliche und spannende Lesestunden beschert und mich auf weitere Abenteuer des Ermittertrios recht neugierig gemacht.

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