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Veröffentlicht am 17.04.2023

Eddie Flynns 1. Fall: Tödlicher Zeitdruck, knifflige Widersprüche und seine Tochter als Druckmittel – raffiniert, spannungsgeladen und verblüffend!

Zu wenig Zeit zum Sterben
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Als Eddie Flynn vor einem Jahr einen folgenschweren Fehler vor Gericht begann, gab er seinen Beruf auf. Bis er von der New Yorker Russenmafia bedroht wird, den Kopf der Mafia vor Gericht zu vertreten. ...

Als Eddie Flynn vor einem Jahr einen folgenschweren Fehler vor Gericht begann, gab er seinen Beruf auf. Bis er von der New Yorker Russenmafia bedroht wird, den Kopf der Mafia vor Gericht zu vertreten. Das Problem: Sie haben seine Tochter entführt und somit hat Eddie nur 48 Stunden Zeit, um die Jury zu überzeugen, dass sein schuldiger Klient unschuldig ist.

Der Start in die Geschichte legt ein rasantes Tempo vor: Kaum beginnt man, wird unser vertrauter Anwalt schon gekidnappt und vor dem Gerichtsgebäude erpresst. Was diese Reihe besonders macht, ist die Schlagfertigkeit von Eddie, die ihn so unglaublich sympathisch macht. Es macht einfach Spass, aus seiner Sicht zu lesen, denn er macht sich über andere lustig und nimmt sich selbst nicht allzu ernst. Aber natürlich ist es auch sein schnelles und logisches Denken, das ihn als Protagonisten attraktiv macht. Wenn er scheinbar aus dem Nichts die Herleitung eines ganzen Falls vor dem Richter oder der Richterin präsentiert, sitze ich erstaunt da und blättere so schnell wie möglich um.

Wie man also unschwer erkennen kann, liebe ich diese Reihe, deshalb freut es mich, endlich den ersten Band auf Deutsch lesen zu können. Eddie steht in allen seinen Fällen unter Zeitdruck, aber bei diesem hier spürt er wortwörtlich den Druck der Zeit, weil er erzwungenermassen eine Bombe mit sich herumträgt – sowohl metaphorisch als auch buchstäblich. Der Stress, den er empfindet, sickert durch die Zeilen und man möchte einfach zusammen mit ihm möglichst schnell zur Auflösung gelangen. Gepackt hat mich die Handlung also definitiv.

Dementsprechend gibt es wenige Pausen, was bedeutet, dass nicht viele Stunden vergehen, in denen wir als Leser:innen nicht mitverfolgen, was Eddie gerade tut. Wir sind immer dabei, vom Moment an, in dem er erpresst wird, bis zur letzten Seite. Es gibt eine Kleinigkeit, die mich irritiert: Die Kapitel sind sehr kurz, was ich grundsätzlich mag. In diesem Fall aber endet ein Kapitel mit einem Cliffhanger und wenn man umblättert, geht es ohne Unterbruch weiter. (Ich weiss, ich habe gerade die Grundfunktion von Kapiteln beschrieben.) Da das Buch davon lebt, dass jede Szene nahtlos in die Folgende übergeht, wirken diese Kapitelunterbrüche nicht natürlich. Vielleicht wäre es besser, wenn man bei vereinzelten einen Abschnitt, statt ein neues Kapitel beginnt, denn dann haben diese Cliffhanger auch mehr Wirkung, wenn sie in ihrer Anzahl runtergehen. Mich hat es eben leider aus meinem Leseflow gerissen.

Ich habe Eddies Fähigkeit, logisch zu denken, gelobt – jedoch nur, wenn es um den Prozess eines Falls geht. Wenn er willkürlich an eine Situation mit einem alten Freund denkt, die in Verbindung zu dem Ort steht, an dem er gerade vorbeiläuft, während er angespannt alle zehn Schritte über seine Schulter blickt, da er Angst hat, dass er verfolgt oder getötet wird, zweifle ich an der Natürlichkeit dieses Gedankengangs. Klar, die Leser:innen müssen mehr über Eddies Leben erfahren, über seine Fehler, seine Freundinnen und Freunde, seine Kontakte, seine Familie. Aber die mehrseitige Erklärung, wie ein Richter ihm sein Jurastudium ermöglicht hat, während er an einem Gebäude runterklettert, fügt sich nicht so organisch in den Verlauf der Geschichte ein, wie Cavanagh es am liebsten gehabt hätte. Es gibt ruhige Momente im Buch, die man besser fürs Aufzeigen von Eddies Leben hätte nutzen können.

Wie auch schon die vorherigen Bände, überzeugt das Buch mit Spannung, Druck und Nervenkitzel, die einen nicht loslassen wollen. Und nicht jeder Schritt, den unser Anwalt tätigt, wird niedergeschrieben, sondern man wird als Leser:in hingehalten, bis man erfährt, was Eddie im Stillen herausgefunden hat. (Ausser man kommt vorher schon selbst drauf.) Ein toller erster Band, der jedoch nicht an die bereits erschienenen herankommt. Zumindest weiss ich jetzt schon, dass die Reihe mit der ersten Geschichte erst langsam anfährt.

Und: Mein Vorwissen aus dem vierten und fünften Band hat der Spannung überhaupt nicht geschadet.

Fazit
So, wie die Geschichte startet, verläuft sie bis zum Schluss: Rasant, spannend und überraschend. Eddie Flynn überzeugt mit seiner Schlagfertigkeit in brenzligen Situationen und seinen schlüssigen Folgerungen, die einen verblüfft zurücklassen. Einzig die vielen Unterbrechungen in einem sich zeitlich durchziehenden Strang und die unnatürlich eingeworfenen Hintergrundinformationen haben mich beim Lesen etwas gestört. Dennoch ein zufriedenstellender Auftakt der Reihe.

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Veröffentlicht am 17.04.2023

Clever und packend – Cavanagh überzeugt mit seinem charmanten Protagonisten Eddie wieder aufs Neue und liefert einen weiteren Pageturner!

Gegen alle Regeln
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Das FBI wendet sich an Eddie Flynn, damit er den verhafteten David Child vor Gericht vertritt, sie erpressen ihn mit belastenden Unterlagen über seine Frau Christine. Eddie soll David dazu bringen, den ...

Das FBI wendet sich an Eddie Flynn, damit er den verhafteten David Child vor Gericht vertritt, sie erpressen ihn mit belastenden Unterlagen über seine Frau Christine. Eddie soll David dazu bringen, den Mord an seiner Freundin zu gestehen, damit er als Zeuge gegen eine Anwaltskanzlei aussagen kann, die Geldwäsche betreibt. Doch Eddie spürt, dass David den Mord nicht begangen hat. Nun muss er einen Weg finden, seine Frau zu retten und aufzuzeigen, dass David unschuldig ist.

Wieder wird man direkt in die Geschichte hineingeworfen, ohne, dass lange herumgetrödelt wird. Eddie wird vor eine prekäre Wahl gestellt: Seiner Frau zu helfen oder einen unschuldigen Mann auszuliefern. Natürlich – wie wir unseren Anwalt mittlerweile kennen – beschliesst Eddie, beides zu vollbringen. Das ist unter anderem eine Eigenschaft, die ihn als Protagonisten auszeichnet: Seine Widerstandsfähigkeit und sein Glaube, dass er tatsächlich Gutes bewirken kann. Umso schöner, wenn man an seine folgenschweren Fehler aus der Vergangenheit denkt.

Anders als beim ersten Band werden in diesem nicht einfach Hintergrundinformationen wahllos eingeworfen, sondern in den richtigen Momenten gezielt eingesetzt; das hat das Lesen um einiges angenehmer gemacht. Auch die Länge und Bestimmung der Kapitel hat für mich wieder besser gepasst. Ich kam also harmonischer durch die Zeilen.

Das liegt unter anderem auch daran, dass wieder dieser kaum aushaltbare Druck herrscht, so schnell wie möglich ans Ziel zu gelangen. Die Lage erscheint aussichtslos, denn alle Beweise sprechen gegen David Child, und als Leser:in fragt man sich, wie Eddie aus dieser Sache wieder rauskommt.

Die Handlung legt ein rasantes Tempo vor, weil auch hier wieder viel in kurzer Zeit passiert, das heisst, wir sind bei fast allen von Eddies Schritten dabei – nicht zwingend gedanklich, aber physisch. Somit wird ein Grossteil dessen, was Eddie bereits herausgefunden hat, den Leser:innen vorenthalten, damit er es schlagfertig und clever vor Gericht entfalten kann. Ich kann nicht oft genug betonen, wie sehr ich solche Justizthriller liebe, die in einem Gerichtssaal spielen!

Cavanaghs Schreibstil ist wie immer sehr angenehm, logisch gegliedert und trotzdem nah am Protagonisten. Es schimmert nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig durch, wenn auf noch versteckte Hinweise gedeutet wird.

Die Spannung hält sich gut und gegen Ende zieht sie nochmals an. Bei den anderen vier Büchern, die ich gelesen habe, traf mich die Auflösung grösstenteils unvorbereitet. Bei diesem hier hatte ich schon eine Vorahnung, deshalb konnte mich dieser Fall nicht ganz so packen wie die anderen. Aber auch das ist Kritik auf sehr hohem Niveau.

Fazit
Wer sich für Justizthriller begeistern kann, für die Person ist diese Reihe ein absolutes Muss! Eddie Flynn ist ein talentierter, schlagfertiger Anwalt, dem vor allem die kleinen Sachen nicht entgehen. Spannend und nervenaufreibend bis zum Schluss!

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Veröffentlicht am 11.04.2023

Eine coole, erfrischende Protagonistin – leider wirkt die Konstruktion der Welt sehr fragil und auch die Handlung kann weder mit Spannung noch mit Überraschungen überzeugen

Die Bibliothek von Edinburgh
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Seit Ropa die Schule abgebrochen hat, hält sie ihre Familien mit dem Überbringen von Nachrichten zwischen Geistern und Lebenden über Wasser. Als sie von einem Geist angesprochen wird, sie solle ihr verschwundenes ...

Seit Ropa die Schule abgebrochen hat, hält sie ihre Familien mit dem Überbringen von Nachrichten zwischen Geistern und Lebenden über Wasser. Als sie von einem Geist angesprochen wird, sie solle ihr verschwundenes Kind suchen, muss Ropa sich entscheiden, ob sie es sich leisten kann, kostenlos dafür zu arbeiten. Dieser Fall bringt sie in die geheimnisvolle Bibliothek von Edinburgh, wo sie auf neue Magie stösst.

Da ich Edinburgh liebe und Bibliotheken gegenüber auch nicht abgeneigt bin, musste ich das Buch lesen. Es ist ein Jugendbuch, zu denen ich in letzter Zeit eher ungern greife, aber dieses konnte mich mit dem Klappentext doch überzeugen.

Mit der letztendlichen Geschichte leider nicht. Wir begleiten Ropa, die ihre nächtlichen Tätigkeiten vollführt auf ihren Touren. Sie ist jung, somit ist auch die Sprache im Buch sehr jugendlich gehalten, was mich nicht gestört hat. Ich fand es sogar mutig vom Autor, dass er nicht vor offensichtlich abgekürzten Begriffen zurückgeschreckt ist. Manche Ausdrücke habe ich nicht verstanden, aber das kann auch auf die Übersetzung zurückgeführt werden.

Die Figuren im Buch sind sehr gut skizziert, wobei sich bei wenigen auf einen bestimmten Charakterzug beschränkt wird, der dann diese gesamte Person definiert. Leider hat das zur Folge, dass diese Charaktere sehr flach erscheinen. Ein Beispiel dafür wäre Ropas Schwester, die nur am Rumnörgeln ist und absolut kein Gefühl für andere Menschen hat.

Ropa als Protagonistin scheint mir eine gute Wahl zu sein, vor allem, da sie auch ihre Macken hat, die im Buch zur Geltung kommen. Ich persönlich mag sie nicht, aber das hat nichts mit der Qualität ihrer Charakterentwicklung zu tun. Tatsächlich hat Ropa mit grossen und wichtigen Entscheidungen im Verlauf des Buches zu kämpfen, die für sie sprechen. Auch wächst sie mit jeder Aufgabe über sich hinaus, was ein gutes Jugendbuch ausmacht.

Was mir überhaupt nicht gefällt, ist die Geschichte an sich: Sie braucht eine Weile, bis sie anläuft, obwohl sie sehr vielversprechend und rasch startet. Das liegt unter anderem daran, dass Ropa oft und viel mit ihrem Wissen herumprahlt. Manchmal verliert sie sich in irgendwelchen magieverwandten Erzählungen, wobei sie ebenso behauptet, keine Zeit zum Lernen zu haben, was ich an sich etwas widersprüchlich finde …

Auch entdecken wir erst etwa zur Hälfte des Buches zusammen mit Ropa die Bibliothek, die im Titel erwähnt ist. Sehr spät, vor allem, da in der ersten Hälfte nicht mehr passiert, als dass Ropa auf dieses vermisste Kind angesetzt wird und sie ein paar nicht-handlungsrelevante Nachrichten an die Lebenden überbringt. Es passiert so gut wie nichts – erst gegen Ende tauchen ein paar interessante Handlungen auf, die mich ausnahmsweise packten, aber auch das konnte mich letztendlich nicht mehr überzeugen.

Ausserdem wirken die Details der Geschichte sehr an den Haaren herbeigezogen. Wann spielt das Buch? Was für soziale Standards herrschen? Die Hintergrundinformationen werden wahllos in die Geschichte gestreut, ohne, dass man als Leser:in die Chance hat, diese irgendwie einzuordnen. Alles in Allem wirkt es einfach überhaupt nicht durchdacht.

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Veröffentlicht am 07.04.2023

Eines der schönsten philosophischen Prosawerke, die es gibt – der Trost der Philosophie in wegweisenden Worten vermittelt

Trost der Philosophie
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Zusammen mit der Philosophie, die als weise Dame auftritt, erörtert Boethius Fragen wie: Wieso gibt es das Böse, wo Gott doch allmächtig und gut ist? Der in Ungnade gefallene Schriftsteller dieses Buches ...

Zusammen mit der Philosophie, die als weise Dame auftritt, erörtert Boethius Fragen wie: Wieso gibt es das Böse, wo Gott doch allmächtig und gut ist? Der in Ungnade gefallene Schriftsteller dieses Buches tritt selbst als Figur darin auf, geschrieben hat er es, während er auf seine Hinrichtung wartete. Dabei ist eines der schönsten Prosawerke entstanden, die es in der Philosophie gibt.

Zugegeben, es ist nicht einfach zu lesen, man muss also schon mit dem Kopf dabei sein und gewisse Abschnitte vielleicht auch zwei Mal lesen, um wirklich hinter seine geschriebenen Worte zu blicken, aber das Buch ist auch verhältnismässig dünn, also lohnt es sich.

Besonders schön finde ich, wie Boethius zu Beginn seiner Schrift selbst beschreibt, wie er sich der Philosophie entfremdet hat. Im Verlauf ihrer Dialoge lässt er sich sogar von der Weisheit beruhigen und wird unter anderem zur folgenden Erkenntnis begleitet: Es spielt keine Rolle, dass das Schicksal jetzt gerade Böses für ihn bereithält, denn seine Seele ist unsterblich.

Es werden Verweise auf die antiken Lehren von Platon und Aristoteles gemacht, vor allem im Zusammenhang mit dem Streben nach dem Guten, der der einzige Weg ist, um zur Glückseligkeit zu gelangen. Den grössten Schwerpunkt belegt die Frage nach dem Bösen in der Welt und wie Gott das dulden könne. Hierbei geht es schon stark in die mittelalterliche Philosophie, die grösstenteils von christlichem Denken geprägt war. Auch Boethius erklärt, dass Gott alles vorhersehe, dass eigentlich alle Menschen nach dem Guten strebten und man nur vom Weg abkam, wenn man schwach war.

Schön geschrieben; mit vielen bekannten, aber dennoch bahnbrechenden Gedanken.

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Veröffentlicht am 05.04.2023

Alte Legenden, starke Akzente und komplexe Charaktere – willkommen in den Highlands! Es gibt reichliche Beschreibungen, nur leider wenig Atmosphäre zwischen den Zeilen.

Outlander – Feuer und Stein
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Schottland 1945: Claire geniesst gerade ihre Flitterwochen mit ihrem Mann, als sie sich bei einem Spaziergang in einem Steinkreis wiederfindet. Auf einmal fällt sie in eine ahnungslose Ohnmacht, und als ...

Schottland 1945: Claire geniesst gerade ihre Flitterwochen mit ihrem Mann, als sie sich bei einem Spaziergang in einem Steinkreis wiederfindet. Auf einmal fällt sie in eine ahnungslose Ohnmacht, und als sie aufwacht, befindet sie sich im 1743.
Es wurde höchste Zeit, dass ich mich dieser Reihe stellte. Natürlich ist das über 1000-seitige Buch zu Beginn etwas abschreckend, aber es lässt sich gut meistern.
Ich habe die Serie vor einigen Jahren begonnen, mittlerweile habe ich den Grossteil der Handlung vergessen und wollte sie mit dem Buch auffrischen. Charakteristisch für diese Geschichte ist der rasche Bruch, als Claire in einem anderen Jahrhundert aufwacht. Im Buch lässt sich die Autorin Zeit, bis unsere Protagonistin endlich Craigh na dun entdeckt. Davor muss man sich durch einige trockene Lektionen Kräuterkunde, Highland Geographie und schottische Geschichte schlagen. All diese Informationen brauchen Platz, was bedeutet, dass die Handlung erst nach mehr als hundert Seiten beginnt.
Dann, endlich, findet sich Claire in den natürlichen und überwucherten Highlands wieder, lernt Jamie und die damaligen Sitten und Gebräuche kennen. Wo eine Legende, die hinter einem Trinklied steckt, auf mehreren Seiten geschildert wird und das Schloss, in dem sie gezwungenermassen haust ebenfalls viele Paragraphe in Anspruch nimmt, wird die Landschaft Schottlands atmosphärisch überhaupt nicht aufgebaut. Die alten Geschichten helfen, diese altertümliche Stimmung herzustellen – auch Erklärungen der damaligen medizinischen Verhältnisse oder von überholten Traditionen . Aber wo bleibt die erzeugte Atmosphäre durch Beschreibungen? Wo sind die Bilder in meinem Kopf? Es ist nicht irgendeine Landschaft, durch die Claire reitet, es sind die Highlands! Ein Hochland, das Fotograf:innen aus der ganzen Welt besuchen, um es abzulichten, weil es eben voller Wirkung und Atmosphäre ist.
Der Schreibstil ist trotz der teils in die Länge gezogenen Umschreibungen angenehm zu lesen. Vor allem reflektiert er Claires Denken sehr gut: Ihre Beobachtungen sind scharf und sie lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Viele kritisieren den Entscheidungsprozess der Protagonistin: Wie sie nur so gedankenlos von einem Mann zum nächsten wechseln könne, ob sie den gar keine Schuldgefühle hege. Zu ihrer Verteidigung möchte ich anfügen, dass Claire sehr praktisch denkt; sie möchte den Nutzen in jeder Situation maximieren, und dafür stellt sie ihre Gefühle manchmal in den Hintergrund. Ich finde ihre Gedanken grösstenteils gut nachvollziehbar.
Eher fraglich finde ich einzelne Entscheide der Autorin. Braucht es wirklich so viele Sexszenen mit Claire und Jamie? Nein, denn dann wäre das Buch auch um einiges kürzer gewesen. Auch tendiert Gabaldon dazu, viel zu früh aufzulösen, was gleich passieren wird. Die Protagonistin geht sehr taktisch vor, dafür habe ich Verständnis, aber mir als Leserin muss ihr detaillierter Plan nicht schon zwanzig Seiten im Voraus vorliegen. Ich lasse mich bei Büchern tatsächlich auch gerne überraschen. Trotzdem muss ich zugeben, dass ich die Dynamik der beiden liebe! Nicht selten musste ich bei Jamies Aussagen lachen oder meine Tränen unterdrücken.
Letzten Endes hat die Autorin wahnsinnig komplexe Charaktere erschaffen, die sich in einer unvorstellbaren Situation befinden und sich immer weiter hineinverstricken. Auch Jamie hat einiges zu bieten, vor allem, wenn er von seiner Kindheit erzählt. Faszinierend finde ich hierbei, wie es Gabaldon geschafft hat, die krassen und mittlerweile nicht mehr akzeptierten Normen von damals in Jamies’ lockeren Plauderton zu erzählen. Die wichtigen geschichtlichen Ereignisse fahren im ersten Band erst langsam an und legen die Basis für den zweiten; es ist also definitiv Spannung im Buch vorhanden (sonst hätte ich es nicht fertiggelesen), aber man verpasst nichts, wenn man mal paar Seiten einfach überfliegt …

Fazit
Die Geschichte überzeugt mit den komplexen Charakteren, die nicht nur mit ihrer Vergangenheit zu kämpfen haben, sondern jetzt vor allem mit der Gegenwart. Gabaldon bleibt ihren Figuren treu und schafft eine gesunde Nähe zu den Leser:innen. Nichtsdestotrotz verlor ich mich oft in irrelevanten Beschreibungen und hätte mir mehr Atmosphäre gewünscht, wo wir uns schon in so einer wunderschönen Landschaft befinden. Die Spannung hielt, der Cliffhanger nagt, also wird weitergelesen!

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