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Veröffentlicht am 06.04.2022

Eine Geschichte über Mut und Emanzipation

Nora oder Ein Puppenheim
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Im Mittelpunkt dieses Dramas steht die vermeintlich naive Nora. Man lernt sie zu Beginn kennen und hat den Eindruck, dass sie sich nur um die schönen Dinge schert und nicht wirklich allein denken kann.

Der ...

Im Mittelpunkt dieses Dramas steht die vermeintlich naive Nora. Man lernt sie zu Beginn kennen und hat den Eindruck, dass sie sich nur um die schönen Dinge schert und nicht wirklich allein denken kann.

Der erste und zweite Akt bauen auf die Katastrophe auf, was ich als Leserin zum Teil schon gemerkt habe, da bis kurz vor dem dritten Akt keine richtige Spannung aufgekommen ist.

Die Charaktere sind jedoch sehr komplex. Auch wenn nur – wie es in einem Drama so ist – ihre gesagten Worte zu lesen sind und ihre Gefühle nur als Anweisungen zu lesen sind. Aber auch dort ist vieles zwischen den Zeilen herauszulesen, was mir sehr viele Einblicke in die Charaktere verschafft hat. Und auch Noras Entwicklung ist während des Stücks sehr klar ersichtlich.

Obwohl das Buch doch ein wenig älter ist, ist die Sprache sehr gut verständlich. Worte, die so nicht mehr gebraucht werden, sind im Kontext auch sehr klar. Die Probleme oder inneren Auseinandersetzungen der Charaktere wie beispielsweise von Christine Linde oder Torvald Helmer werden durch ihre oft auch direkten und eindringlichen Worte rübergebracht.

Im dritten Akt wurde es dann sehr spannend, weil Noras Problem und ihre gesponnenen Lügen drumherum immer mehr ins Zentrum rückten und dringender wurden. Noras Innenleben tritt klar in Erscheinung und wird sehr gut ausgeleuchtet, sodass man als Leser:in ihre Gedankengänge nachvollziehen kann. Und ich denke, das war zu dieser Zeit sehr wichtig: Die Gedanken und Gefühle dieser emanzipierten Frau zu verstehen und nachzuvollziehen.

Eine überaus gelungene Kritik an die Gesellschaft. Eine Geschichte der Emanzipation, die tief beeindruckt.

Fazit
Sehr interessante und komplex ausgearbeitete Charaktere, deren Innenleben man als Leser:in sehr nahe kommt – trotz der wenigen Beschreibungen. Der erste und zweite Akt bauen auf den dritten Akt auf, wo dann auch Spannung aufkommt, da Noras Entwicklung fortschreitet und sie sich mit ihren eigenen Gedanken und Zielen auseinandersetzt. Eine Geschichte, die eine Kritik in Sachen Emanzipation an die Gesellschaft äussert.

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Veröffentlicht am 05.03.2022

Detailreich und spannend

Oberst Chabert
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Oberst Chabert, der nach der Schlacht in Eylau als tot gilt, taucht eines Tages plötzlich in einem Anwaltsbüro auf. Mit dem Wunsch, sein Eigentum zurückzuerlangen, das nach seinem vermeintlichen Tod in ...

Oberst Chabert, der nach der Schlacht in Eylau als tot gilt, taucht eines Tages plötzlich in einem Anwaltsbüro auf. Mit dem Wunsch, sein Eigentum zurückzuerlangen, das nach seinem vermeintlichen Tod in die Hände seiner Frau gefallen ist.

Es ist eine kurze Geschichte, aber trotzdem unglaublich detailliert geschildert. Damit meine ich nicht, dass ich elendig lange Beschreibungen lesen musste, sondern gezielt gepickte Ausführungen, die dazu beitrugen, eine Atmosphäre im Buch zu schaffen. Ich fühlte mich so, als wäre ich dort – in Frankreich, im 19. Jahrhundert.

Spannend dabei ist, dass man als Leser:in Chabert vor allem aus anderen Augen sieht. Beispielsweise kommen wir als erstes in Kontakt mit ihm, als er spontan im Anwaltsbüro auftaucht. Jedoch lernt man ihn immer besser kennen und erblickt auch die Komplexität, die hinter dem Charakter steckt. Auch kommt während des Lesens ordentlich Spannung auf. Vor allem gegen Schluss, wo man unbedingt wissen will, ob Chabert gegen die gesellschaftlichen Verhältnisse ankämpfen kann oder dagegen verliert.

Obwohl das Buch fast 200 Jahre alt ist, spürt man das fast nicht während des Lesens. Ich kam gut durch die Seiten, alles war verständlich und flüssig geschrieben.

Balzac kritisiert in diesem Buch die gesellschaftlichen Verhältnisse Frankreichs zu dieser Zeit. Man erlangte lediglich sozialen Status, wenn man Geld besass und rücksichtslos war. Ein Mann wie Chabert, dem das Wohl seiner Mitmenschen nicht egal war, hatte zu kämpfen – und er wurde schamlos ausgenutzt.

Diese Auffassung lässt einen auch an die heutigen Tage denken, wo man immer wieder von Korruption und Machtspielen hört. Balzacs Kritik an die Gesellschaft ist auch im 21. Jahrhundert noch aktuell.

Fazit
Eine Kritik an die gesellschaftlichen Verhältnisse Frankreichs im 19. Jahrhundert, wo der soziale Status nur von Geld und Macht abhing. Auch wenn das Buch 200 Jahre alt ist, liest es sich sehr flüssig und weist eine gute Atmosphäre und Spannung auf. Die Geschichte mag alt sein, aber die Kritik ist noch hochaktuell.

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Veröffentlicht am 05.03.2022

Anregende philosophisch-satirische Kritik

Candide
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Candide wird unvorbereitet in die weite Welt geworfen. Auf sich allein gestellt, erkundet er die Welt, die nach seinem Lehrer Panglos, die beste aller Welten ist, und in der es keine Ursache ohne Wirkung ...

Candide wird unvorbereitet in die weite Welt geworfen. Auf sich allein gestellt, erkundet er die Welt, die nach seinem Lehrer Panglos, die beste aller Welten ist, und in der es keine Ursache ohne Wirkung gibt.

Zusammen mit Candide begegnet man in diesem Buch vielen grauenvollen Taten: Vergewaltigung, Krieg, Missbrauch, Mord. Man wird mit vielem konfrontiert, das einem zu denken gibt. Ist dies wirklich die beste aller Welten?

Es wird nie wirklich ins Detail gegangen, die Erzählungen sind sehr oberflächlich, was es mir manchmal etwas schwierig gemacht hat, dem Handlungsverlauf auch wirklich zu folgen. Aber diese oberflächliche Schilderung mit diesem satirischen Ton, macht, dass man zu hinterfragen beginnt, aus welcher Ursache diese Wirkung entstanden ist. Und das gibt auch Candide zu denken, denn ihn plagen Zweifel, ob die Welt wirklich so schön ist, wie er immer gedacht hat.

Die Handlung spielt sich vor allem zum Ende hin sehr rasant ab; ich wusste manchmal nicht mehr, wo oben und unten war, was jetzt gerade passierte – und vor allem wieso das jetzt passierte. Aber auch das hat einen gewissen Reiz, den man erlebt Abenteuer, die man nie erwartet hätte und hört Geschichten, die man ansonsten nie hören würde.

Ich verstehe die Kritik, die Voltaire mit dieser Geschichte im 18. Jahrhundert übt: Dass die Welt grausam sein kann, dass es nicht nur Gutes geben kann. Und Candides blinder Optimismus, der in so einer Welt Fehl am Platz scheint, regt zum Nachdenken an.

Aber leider machte mir das Lesen keine Freude, was vor allem an der Sprache und Erzählweise lag, obwohl ich die Denkansätze, die das Buch liefert, sehr interessant finde.

Fazit
Eine Kritik an die Missstände im 18. Jahrhundert, die satirisch behandelt werden und einen zum Nachdenken anregen. Die Geschichteliefert interessante Denkansätze und zwingt einen, sich mit grauenvollen Taten auseinanderzusetzen und sich zu fragen, weshalb das alles passiert.

Leider fand ich es sehr anstrengend zu lesen und konnte teils der Handlung nicht wirklich folgen.

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Veröffentlicht am 04.03.2022

Schön und widerspiegelnd – ein Buch, das einen durch die Melancholie näher zu sich selbst bringt

Melancholie in unsicheren Zeiten
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Joke J. Hermsen widmet sich voll und ganz der Melancholie: Woher kommt sie? Ist sie wirklich so furchtbar wie wir alle denken? Und: Was ist Melancholie überhaupt?

Das Buch ist in mehrere Kapitel unterteilt, ...

Joke J. Hermsen widmet sich voll und ganz der Melancholie: Woher kommt sie? Ist sie wirklich so furchtbar wie wir alle denken? Und: Was ist Melancholie überhaupt?

Das Buch ist in mehrere Kapitel unterteilt, die einen Aspekt, den Melancholie beeinflusst, aufgreifen, wie zum Beispiel die Kunst und Kreativität, Angst oder Kindheit.

Es ist sehr verständlich geschrieben. Zwar musste ich mich etwas konzentrieren beim Lesen, aber wenn ich mich nicht hätte konzentrieren müssen, dann hätte wohl auch das Buch seinen Sinn verfehlt. Mir gefällt der Schreibstil auf jeden Fall sehr und ich mag den persönlichen Aspekt, den die Autorin in ihren Text hineingebracht hat.

Auch sehr überzeugt hat mich die Gesamtgestaltung: Vom Cover, über das Layout, bis zum gewählten Format, ist das Buch wunderbar stimmig. Ich sehe es an und werde direkt in die Auseinandersetzung mit der Melancholie hineingeworfen.

Joke J. Hermsen geht auf die Ursprünge der Melancholie zurück, erklärt, wie sich die Stellung zum Begriff über die Jahrhunderte verändert hat; wer sie beeinflusst hat. Kritisch hinterfragt sie unsere heutige Annahme von Melancholie, denn melancholisch zu sein, heisst nicht gleich traurig zu sein. Aber Melancholie kann durchaus in Angst und Trauer umschlagen.

Anhand der Werke von Hannah Arendt (und anderen) untersucht sie, wie man aus der Melancholie schöpfen kann, sodass daraus Neues entsteht. Dass man durch Kreativität und Hoffnung der Melancholie nicht immer negativ entgegenschauen muss.

Trotz dessen, dass ich während des Lesens Vieles aus einem neuen Blickwinkel betrachten konnte und mehr über die Melancholie in Erfahrung bringen konnte, haben sich die Aussagen gegen Ende oft wiederholt und den Text etwas in die Länge gezogen.

Fazit
Ein Buch, das sich mit der Stellung der Melancholie über mehrere Jahrhunderte auseinandersetzt. Und ein Buch, das aufzeigt, wie man nicht nur negativ auf die Melancholie blicken muss, sondern dass man aus ihr schöpfen kann, sodass neue Dinge daraus entstehen. Sehr verständlich, persönlich und nachvollziehend geschrieben – eine lehrreiche und faszinierende Lektüre!

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Veröffentlicht am 24.02.2022

Ein Justizthriller, wie man ihn sich wünscht: Rasant und fesselnd – eine verzwickte Ermittlung und ein Prozess, der einen schwitzen lässt

Thirteen
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Eddie Flynn, ein New Yorker Strafverteidiger soll einen prominenten Mordverdächtigen vertreten, dabei nimmt Eddie normalerweise Fälle an, die nicht so viel Aufsehen erregen. Jedoch glaubt Eddie Bobby, ...

Eddie Flynn, ein New Yorker Strafverteidiger soll einen prominenten Mordverdächtigen vertreten, dabei nimmt Eddie normalerweise Fälle an, die nicht so viel Aufsehen erregen. Jedoch glaubt Eddie Bobby, dass er nichts mit dem Mord seiner Frau und dessen Liebhaber zu tun. Doch die Beweislast ist erdrückend … und: Der Mörder sitzt in der Jury.

Meine Meinung
Als ich den Klappentext dieses Buches gelesen habe, wusste ich, dass ich es lesen musste. Und da ich in letzte Zeit nicht so gute Erfahrungen mit Thrillern gemacht habe, hoffte ich, dass mich dieser endlich überzeugen konnte. Und das tat er – zweifelsfrei!
Eigentlich wollte ich nur ein paar Kapitel lesen, aber wie es sich manchmal bei guten Büchern verhält, konnte ich es nicht zur Seite legen und habe es praktisch in einem Rutsch durchgelesen.
Gleich zu Beginn lernen wir sowohl den Mörder als auch Eddie in einem typischen New Yorker Alltag kennen. Eddie ist ein unfassbar sympathischer Protagonist. Durch seine ehrlichen Handlungen und zum Teil auch unvermeidbaren Fehlern, ist er ein sehr komplexer Charakter, dem ich jeden einzelnen Gedanken und auch jedes Wort abgekauft habe. Auch der Mörder besitzt eine Glaubwürdigkeit, die ich so nicht erwartet hätte.
Das Buch ist fortlaufend aus diesen zwei Perspektiven geschrieben. Das heisst, als Leserin habe ich die beiden den gesamten Prozess über begleitet. Am Anfang war ich mir nicht sicher, ob das so eine gute Idee war: Im Kopf des Mörders zu stecken, den es eigentlich zu überlisten gilt – wo bleibt da die Spannung?
Tatsächlich hätte ich die Kapitel aus der Sicht des Mörders manchmal gerne übersprungen (aber wirklich nur manchmal!). Weil ich mich zu diesem Zeitpunkt mehr dafür interessierte, wie Eddie ihm vielleicht endlich auf die Schliche kommen könnte, als wie der Mörder, seinen nächsten Zug plante. Zum Teil hatte ich auch das Gefühl, dass ich als Leserin ein kleines bisschen zu viel über seine Taten und Motive wusste, aber sobald ich zwei Seiten aus seiner Sicht las, hatte ich diese Gedanken vergessen und war wieder im Lesefluss.
Der Schreibstil des Autors war sehr angenehm zu lesen, auch wenn die Satzstruktur meistens nicht ganz so einfach gehalten war.
Am meisten überzeugt haben mich die Szenen vor Gericht. Ich liebe amerikanische Filme, die vor Gericht spielen und kann sagen, dass es sogar noch besser ist, die Eröffnungsplädoyes und Kreuzverhöre zu lesen als zu schauen.
Der Autor führt die Leser:innen auf falsche Fährten, spielt mit der Beweislast herum, lässt uns an den Charakteren zweifeln, und am meisten lässt er uns schwitzen.
Die Spannung hat sich praktisch fortlaufend durchs Buch gezogen und stieg gegen das Finale an, sodass es mir nicht einmal in den Sinn kam, das Buch wegzulegen. Das Ende war grandios. Danke für diesen tollen Thriller!

Fazit
Die Spannung zog sich konstant durchs Buch hindurch und stieg gegen das Finale an. Durch die Perspektivenwechsel kam zum Teil sogar noch mehr Nervenkitzel auf. Auch die Charaktere in der Geschichte, also der Mörder und Eddie, konnten mich überzeugen. Sie sind glaubwürdige und komplexe Charaktere. Ein rundum grossartiger Thriller!

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