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Veröffentlicht am 22.11.2020

Wunderschönes Buch mit toller Message

Love, Simon (Filmausgabe) (Nur drei Worte – Love, Simon)
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Die meisten kennen das Buch “Love, Simon” (Original: “Simon vs. the Homo Sapiens Agenda”) von Becky Albertalli oder haben sogar schon den Film gesehen. Schließlich hat das Buch 2017 den Deutschen Jugendliteraturpreis ...

Die meisten kennen das Buch “Love, Simon” (Original: “Simon vs. the Homo Sapiens Agenda”) von Becky Albertalli oder haben sogar schon den Film gesehen. Schließlich hat das Buch 2017 den Deutschen Jugendliteraturpreis gewonnen! Und das zu Recht! Ich hab beim Lesen sowohl gelacht, als auch geweint, bin geschmolzen, weil es so viele süße Szenen gab, bin aber auch wütend geworden und wäre am liebsten ins Buch hineingesprungen, um einigen meine Meinung zu geigen. Letztendlich ist es ein wunderschönes Buch mit einer tollen Message. [TW: Homophobie, Mobbing]
4,5/5

Das Buch ist ein Entwicklungsroman und handelt von dem 16-jährigen Simon, der versucht herauszufinden, wer er ist und was er will. Nachdem Simon auf Tumblr einen Post von “Blue” gesehen hat, nimmt er mit ihm Kontakt auf und sie schreiben einander Mails, wobei Simon sich als “Jacques” vorstellt, um die Anonymität zu wahren. Denn seltsamerweise ist es für ihn einfacher mit einer fremden Person über seine Geheimnisse zu sprechen als mit seinen besten Freundinnen. Nur sie wissen voneinander, dass sie schwul sind. Bis Simon einmal vergaß sich aus dem Schulcomputer auszuloggen und Martin die Mails las. Und plötzlich wurde alles kompliziert.

Anfangs hatte es mich gestört, dass sehr viele Sätze mit “ich” beginnen, aber der Schreibstil passt zu einem Jugendbuch und nach einer Weile habe ich mich daran gewöhnt. Es ist so geschrieben, wie wenn Simon direkt zu einem sprechen würde.

Direkt am Anfang war ich so sauer auf Martin. Denn das Buch beginnt damit, dass Martin Simon mit den E-Mails erpresst. Wenn mir ein
e Freund*in das erzählt hätte, hätte ich sofort gesagt, dass jeglicher Kontakt zu Martin gekappt werden sollte. So einfach ist das aber nicht und trotz der Erpressung fand ich ihn immer wieder sympathisch. Martin zeigt ziemlich gut, dass ein Mensch nicht so einfach in “gut” und “böse” einzuteilen ist.

Generell strotzt das Buch (im Vergleich zu anderen Büchern) vor Diversität, ohne dass ich das Gefühlt hatte, dass die Charaktere lediglich aufgrund von Diversität diese Eigenschaften zugesprochen bekommen haben. PoC kommen darin vor, die Segregation in Atlanta wurde kurz angesprochen und auch Bisexualität wird erwähnt. Es gibt auch Gesellschaftskritik, was mir persönlich sehr gut gefällt. Bspw. wird das Coming Out als Konzept kritisiert, denn wieso haben Heterosexuelle nicht auch ein Coming Out? Auch die Benutzung von Beleidigungen innerhalb des Freundeskreises, die eigentlich sexistisch sind. Ist es ok eine Freundin spaßeshalber “Bitch” zu nennen?

Obwohl man alles aus Simons Sicht miterlebt, lernt man die anderen Charaktere gut kennen.Besonders stolz bin ich auf Simons Charakterentwicklung und ich würde ihn am liebsten ganz doll drücken.

Weshalb ich aber nicht die vollen 5 Sterne vergebe: Simon wirkt sehr “woke”, deshalb fand ich es sehr schade, dass er denkt, dass Lesben und bi Mädchen es einfacher haben, weil Jungs das heiß finden. Direkt im Anschluss fügt er hinzu, dass es ja auch Mädchen gibt, die schwule Jungs heiß finden. Allerdings ist das ziemlich problematisch, denn dadurch werden die fetischisiert. Natürlich kann Simon nicht perfekt sein und es denken bestimmt viele Menschen so, aber ein paar Sätze mehr, die erklärt hätten, dass diese Denkweise problematisch ist, hätte ich schön gefunden.

Dann bin ich über zwei weitere Dinge gestolpert. Einmal über das Wort “black”, denn das Wort sollte eigentlich großgeschrieben werden, sodass es eindeutig ist, dass von einer Menschengruppe die Rede ist. Dann schrieb Simon in der Mail “your people”, nachdem Blue ihm offenbart hatte, dass er jüdische Traditionen feiert. Im Deutschen wurde das glücklicherweise nicht mit “deine Landsleute” oder so übersetzt, sondern einfach mit “ihr”. (“Ich muss sagen, ihr seid phonetisch sehr kreativ”/”And your people are very creative, phonetically speaking.”) Ich persönlich reagiere da immer sehr allergisch darauf.

Das sind für mich aber nur Kleinigkeiten, weshalb ich einen halben Stern abgezogen habe. Denn das schönste, was das Buch mir mitgegeben hat, ist folgendes: “White shouldn’t be the default any more than straight should be the default. There shouldn’t even be a default.” / “Weiß sollte nicht die Norm sein, genauso wenig wie hetero. Es sollte überhaupt keine Norm geben.”

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Veröffentlicht am 18.11.2020

Ernstes Thema mit surrealen Elementen

You are (not) safe here
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[TW: häusliche Gewalt] “You Are (Not) Safe Here” von Kyrie McCauley beschreibt eindrücklich, wie es ist in einem Zuhause aufzuwachsen, in dem man sich nicht mehr sicher fühlt. Es ist eine wichtige Thematik, ...

[TW: häusliche Gewalt] “You Are (Not) Safe Here” von Kyrie McCauley beschreibt eindrücklich, wie es ist in einem Zuhause aufzuwachsen, in dem man sich nicht mehr sicher fühlt. Es ist eine wichtige Thematik, die normalerweise nicht in Jugendbüchern so vorzufinden ist. In diesem Buch verarbeitet McCauley ihre eigene Erfahrung mit häuslicher Gewalt, was das Ganze nochmal beklemmender wirken lässt.

Die 17-jährige Leighton und ihre beiden jüngeren Schwestern leben in Auburn, eine Kleinstadt, die nach und nach von Tausenden Krähen belagert wird. Allerdings empfinden sie die Tiere nicht als Bedrohung, denn die ist Zuhause. Ihr Vater hat immer häufiger Wutausbrüche, doch die Mutter weigert sich ihn zu verlassen. Schließlich tut es ihm jedes Mal Leid und er entschuldigt sich. Leighton würde am liebsten die Stadt verlassen und alles hinter sich lassen, aber was wird dann aus ihren Schwestern?

Der Schreibstil ist sehr einfach gehalten und flüßig zu lesen, wenn es einen nicht stört, dass häufig Pronomen am Satzanfang vorkommen. Anfangs dachte ich, dass es evtl. an der Übersetzung liegen könnte, aber in der englischen Leseprobe habe ich gesehen, dass es im Original auch so ist. Was aber definitiv an der Übersetzung liegt: Umgangssprache, fehlende Apostrophe und gelegentlich falsch konjugierte Wörter (“Ich zittre.” anstatt “Ich zittere.”). Deshalb empfehle ich allen, die sich für das Buch interessieren und kein Problem damit haben Bücher auf Englisch zu lesen, holt euch lieber die Originalausgabe.

Alle, die dieses Thema nicht triggert, sollten das Buch lesen, denn es zeigt unglaublich gut, dass häusliche Gewalt nicht unbedingt sofort zu erkennen ist. Die Familie wird nicht sofort zusammengeschlagen, nein, anfangs war er ein toller Vater! Nur nach und nach hat er sich verändert und man findet immer wieder Ausreden. Wie, er hatte Stress bei der Arbeit und musste Dampf ablassen und hat deshalb so herumgeschrien.

Außerdem hat McCauley auch surreale Elemente mit eingebaut, so repariert sich das Haus quasi von alleine. Wenn ein Riss in der Wand durch seine Fast entstand, ist dieser am nächsten Tag plötzlich nicht mehr da. Als würde das Haus ihn schützen wollen. Während dem Lesen habe ich Leightons Angst und Panik regelrecht gespürt und mit ihr gefühlt. Dabei kann ich nicht einmal ansatzweise erahnen, wie so etwas für einen sein muss. Allerdings beinhaltete mir das Ende doch zu viele surreale Elemente.

Neben dieser wichtigen Thematik wird auch Rassismus gegenüber Schwarzen angesprochen, wir haben auch PoC Charaktere, die nicht nur als Token fungieren und nicht stereotypisiert werden! Großes Lob an dieser Stelle. Hinzu kommt, dass auch veraltetes Denken kritisiert wird, wie dass Frauen ihre Männer unterstützen und alles still und leise hinnehmen sollten.

Häusliche Gewalt ist ein ernst zunehmendes Thema und ich denke, dass dieses Buch insbesondere Jugendlichen helfen kann.
An dieser Stelle möchte ich einige wichtige Nummern nennen:
Telefonseelsorge: 0800 111 0111 und 0800 111 0222
Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen": 08000 116 016
https://www.hilfetelefon.de/
Hilfetelefon “Gewalt gegen Männer”: 0800 123 9900
https://www.maennerhilfetelefon.de/
Kinder können sich auch bei Jugendämtern anonym beraten lassen. In bedrohlichen Situationen gilt: Sofort den Notruf der Polizei 110 wählen. Dabei muss es noch nicht zu körperlicher Gewalt gekommen sein. Es reicht, dass die Situation als bedrohlich empfunden wird.

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Veröffentlicht am 16.11.2020

Tolles Konzept!

Zufällig vegan – International
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Ich selbst habe bis jetzt zwar nur “Ungarischer Paprikagulasch” nachgekocht, aber es war richtig lecker!

Die Rezepte sind aufgeteilt in Frühstück, Kleiner Hunger, Suppen, Großer Hunger, Nachtisch, Getränke, ...

Ich selbst habe bis jetzt zwar nur “Ungarischer Paprikagulasch” nachgekocht, aber es war richtig lecker!

Die Rezepte sind aufgeteilt in Frühstück, Kleiner Hunger, Suppen, Großer Hunger, Nachtisch, Getränke, und Grundrezepte. Bevor es aber mit den Rezepten richtig losgeht, stellt Dymek einige Gewürze vor, die für die deutsche Küche eher exotisch sind, wie z.B. Szechuanpfeffer und Zitronengras. Bei jedem Rezept stehen auch einige Sätze, die erklären, woher das Gericht kommt, wie sie es kennengelernt hat, und was für eine Geschmacksparty im Mund stattfinden wird, wenn man das isst.

Besonders toll, finde ich den Ansatz “exotische Küche mit regionalen Zutaten”, denn zum einen wohnen wir nicht alle in Großstädten, wo man bspw. einfach in einen Asia-Markt gehen kann, zum anderen ist so eine weite Reise einer Mango nicht unbedingt klimafreundlich. Deshalb ist es sehr lobenswert, dass Dymek auch darauf geachtet hat!

Mit diesem Kochbuch kann man geschmacklich einmal um die Welt reisen und ich freue mich schon darauf, weitere Rezepte auszuprobieren.

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Veröffentlicht am 11.11.2020

Selbstfindung + Sci-Fi

Play
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“Play” von Tobias Elsässer handelt von Jonas, einem frisch gebackenen Abiturienten, der sein Leben selbst in die Hand nehmen will, anstatt sich mit der Zukunftsprognose einer App abzufinden. Wir erleben ...

“Play” von Tobias Elsässer handelt von Jonas, einem frisch gebackenen Abiturienten, der sein Leben selbst in die Hand nehmen will, anstatt sich mit der Zukunftsprognose einer App abzufinden. Wir erleben mit, wie Jonas durch einen Road-Trip nicht nur seinen eigenen Weg, sondern auch den Weg zu sich selbst findet. [TW: Transphobie, Suizid, Drogenmissbrauch, Panikattacke, Tier wird getötet]

Nachdem “Die Maschine” Jonas seine Prognose mitgeteilt hat, setzt er alles daran, für diese unberechenbar zu sein, um nicht so zu enden wie sein Vater. Nachdem er eine Affäre mit seiner Lehrerin Anne angefangen hat, packt er seinen Rucksack und trampt Richtung Norden. Dabei trifft er auf Maja, Kim und Sun, die ihn als Transvestit in eine VIP-Party einschleusen. Nach der drogenreichen Party begibt er sich mit Sun auf ein Abenteuer, ohne zu wissen, dass Sun ihren eigenen Plan verfolgt.

Anfangs dachte ich, dass die App einen höheren Stellenwert in der Geschichte hat, aber die handelt eher von Jonas Selbstfindung. Ich hätte gerne mehr Hintergrundinfos zu der Maschine gewünscht, da ich das Konzept sehr spannend finde und mir vorstellen kann, dass so etwas tatsächlich entwickelt werden könnte und auch viele das benutzen würden. Allerdings weiß man anfangs nur, dass “Die Maschine” die Bekanntschaften mit einem Ampelsystem bewertet, wobei unklar ist, wofür die Farben stehen. Jonas hat für sich beschlossen, dass er Rot folgt.

Obwohl Jonas der Protagonist ist, fand ich ihn nie sympathisch. Auf mich wirkt er oberflächlich, irrational, trotzig und überheblich, was als Charakter nicht schlimm wäre, wäre er nicht der Protagonist. Wahrscheinlich soll er damit wie ein durchschnittlicher Jugendlicher wirken, aber mögen tue ich ihn trotzdem nicht. Sun hingegen mochte ich lieber, da sie rationaler und erwachsener dargestellt wird als er. Einiges, was sie sagt, regt auch zum Nachdenken an, was mir gefallen hat.

Ich mochte die längeren Szenen im Wald, weil sie für mich in einem schönen Gegensatz zu der wilden Party am Anfang des Buches stehen. Man lernt auch Jonas und Sun etwas besser kennen. Mich hat es aber immer wieder gewundert, dass Jonas sich zwar nicht von der App beeinflussen lassen will, sich aber auch nicht bewusst ist, dass er nicht aus freiem Willen handelt, sondern sich von der Maschine beeinflussen lässt. Schließlich macht er seine Entscheidungen von der Bewertung der Maschine abhängig.

Am Ende löst sich zwar einiges auf, dennoch blieb ich verwirrt zurück, weil es für mich zu chaotisch war und die Ereignisse sich regelrecht überschlagen. Was mich allerdings am meisten stört, ist die Verwendung des Wortes “Transe”. Jonas wird als “Transe 1” zu der Party angemeldet und ich bin der Meinung, dass man das hätte ruhig weglassen können oder durch “Drag King” (wie bereits einmal verwendet) oder “Transvestit” ersetzen können. Was mir ebenfalls aufgefallen ist: Anne und Sun haben beide blasse Haut und die einzigen PoC, die auftauchen, sind einmal der “indisch aussehende Mann” vor der Toilette und die “asiatisch aussehende” Drogen-Dealerin… Zum einen, wieso spezifisch “indisch aussehender Mann”? Zum anderen, wieso ausgerechnet diese beiden Charaktere als PoC?


Der Kommentar des Autors zu meiner Kritik bzg.l dem Begriff “Transe” (und andere m.E. problematischen Sätzen): “Als Autor folge ich der Stimme und den biografischen Erfahrungen der Figuren. Es geht nicht darum, gesellschaftlich akzeptierte und tolerierte Handlungsoptionen auszuloten und sich für die dem Alter der Leserschaft gefälligste zu entscheiden, sondern in den Figuren zu bleiben und Sprache oder Jargon und Handlung und Gedanken danach auszurichten, das sie zum Milieu der Erzählung passen. Die Annahme, dass ein Jugendbuch einen Bildungsauftrag hat oder der Ich-Erzähler (aber auch die Lehrerin) übermäßig politisch korrekt handeln und denken müssen, weil die Rezipienten Jugendliche sind, bzw. sein könnten, ist falsch. Die Freiheit des Erzählens besteht darin, einen homogenen Mikrokosmos abzubilden, in dem die Geschichte sich abspielt. Jugendliteratur als widerspruchsbefreites Genre zu sehen, das selbst in Dialogen immer politisch korrekt daherkommt, würde einem zeitgemäßen Text jegliche Form der Glaubwürdigkeit nehmen. Menschen sind fehlbar. Gedanken nicht steuerbar. Menschen handeln und denken nicht rational. Deshalb dürfen die Lastwagenfahrer auch ausgehungert sein und Jonas darf sich Gedanken über Schamhaare machen. Weil Literatur nicht die Aufgabe hat, eine cleane Welt zu zeichnen, die es so nicht gibt und nie geben wird.”

Dem stimme ich nicht zu, weil es ist schlichtweg nicht in Ordnung ist. Denn durch die Verwendung von solchen Wörtern in der Literatur werden diese normalisiert.

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Veröffentlicht am 06.11.2020

Großartiges Buch mit viel Recherche dahinter

Der letzte Papierkranich - Eine Geschichte aus Hiroshima
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In “Der letzte Papierkranich” erzählt Kerry Drewery eine ergreifende Geschichte über den Atombombenabwurf auf Hiroshima. Die Autorin hat sehr viel recherchiert und das merkt man auch beim Lesen. Besonders ...

In “Der letzte Papierkranich” erzählt Kerry Drewery eine ergreifende Geschichte über den Atombombenabwurf auf Hiroshima. Die Autorin hat sehr viel recherchiert und das merkt man auch beim Lesen. Besonders toll ist die Tatsache, dass die japanische Illustratorin Natsko Seki ausgewählt wurde, um die Geschichte bildlich zu untermalen.

4,5/5

Das Buch ist in drei Teilen aufgeteilt, wobei der 1. und 3. Teil einen lyrischen Aufbau haben, was sehr interessant ist, weil dadurch andere Betonungen gesetzt werden, als wenn es ein Fließtext wäre. Anfang und Ende der Geschichte spielen in der Gegenwart und werden aus der Sicht der Enkelin Mizuki erzählt. Opa Ichiro spricht mit Mizuki über die selbst aufgebürdete Last eines nicht eingehaltenen Versprechens. Der 2. Teil offenbart den Grund für die Schuldgefühle Ichiros und bringt uns in das Jahr 1945, als die Atombombe Hiroshima traf. Ichiro und sein bester Freund Hiro überleben dieses tragische Ereignis und begeben sich auf die Suche nach Hiros fünfjährigen Schwester Keiko. Sie finden das kleine Mädchen und Ichiro verspricht Hiro, kurz bevor dieser verstarb, dass er auf Keiko aufpassen wird. Doch der Weg zum Krankenhaus ist weit und Ichiro konnte Keiko nicht länger tragen, sodass er gezwungen war sie zurückzulassen, um Hilfe zu holen. Seitdem hat er sie nie wieder gesehen. Während seiner Suche nach ihr hinterlässt er Origami-Papierkraniche mit seiner Adresse – in der Hoffnung, dass Keiko überlebt hat …

Ich muss zugeben, dass ich anfangs Vorbehalte hatte, weil eine weiße Autorin über Hiroshima aus einer japanischen Sicht schreibt. Es ist kein Own Voice Buch, aber Drewery hat das m.M.n. sehr gut gemacht, aber ich bin keine Japanerin und kann dementsprechend nicht beurteilen, wie das auf japanische Leser_innen wirkt.

Im Buch werden "Ensō" (Kreise, die mit einem Pinselschwung gemalt werden) benutzt, um Gedanken zu akzentuieren. Ensō ist insbesondere im Zen-Buddhismus ein bedeutungsvolles Symbol, das für Ästhetik, Erleuchtung, Stärke und Eleganz steht. Genauso kann es aber sowohl für das Universum als auch für die Leere stehen. Das Ensō ist der „Ausdruck des Moments“ und die Zitate darin sind es ebenso.

Es ist ein Buch mit lebendigen Charakteren und ich hatte mehrere Male Tränen in den Augen. So viele Stellen waren einfach herzzerreißend und die Illustrationen sind so ausdrucksstark und verstärken die Wirkung der Geschichte. Ich denke, Drewery hat die Emotionen, die Verzweiflung, die Angst, die Ungewissheit der Überlebenden der Atombombe großartig eingefangen.


Dennoch habe ich einige Kritikpunkte, was aber evtl. auch Haarspalterei ist. Hin und wieder werden im Buch japanische Begriffe und Phrasen verwendet, die direkt im Anschluss übersetzt werden. Deshalb frage ich mich, ob es denn überhaupt notwendig war, diese einzustreuen? Bei einigen kann ich es nachvollziehen (wie “ganbare”, weil es nicht die eine richtige Übersetzung dafür gibt), aber “tasukete” (“hilfe/hilf mir”)? Und dann wurde “shikata ga nai” (“Kann man nichts machen” / ”Es ist wie es ist”) nicht übersetzt. Es wirkt auf mich fast dekorativ. Es wurde auch der Begriff “pika” benutzt. “Pika” ist eine Abkürzung von “pikadon” (der “helle Blitz” der Atombombe) und wird häufig von Menschen verwendet, die der Bombe am nächsten waren. Beim Lesen war das für mich verwirrend, weil gesagt wurde, dass in dem Moment bzw. kurz nach dem Einschlag der Atombombe jemand mit der “pika” angezündet wurde, und ich habe nicht verstanden, inwiefern man andere mit einem Blitz anzünden sollte? Außerdem meine ich, dass der Begriff “pikadon” zu dem Zeitpunkt noch nicht verwendet und erst im Nachhinein eingeführt wurde.

Ich bin auch über den Satz “Möge Gott mit Ihnen sein” gestolpert, weil ich das mit dem Christentum verbunden habe und der Großteil der Japaner dem Shintoismus oder Buddhismus angehören. Lediglich etwa 1% der Bevölkerung gehört dem Christentum an. Außerdem wird die Reihenfolge der japanischen Namen (zuerst Nachname, dann Vorname) nicht eingehalten, was seltsam war, aber natürlich den Lesefluss nicht gestört hat. Wie gesagt, Kleinigkeiten, deshalb auch der halbe Stern Abzug, wollte das nur anmerken.

Mein Vorschlag: Glossar mit all den Hiroshima-spezifischen Begriffen bzw. allen japanischen Begriffen und Phrasen hinzufügen.

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