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Veröffentlicht am 21.01.2021

Unglaublich gutes Buch, das aufzeigt, inwiefern Sprachen einen eingrenzen als auch befreien können

Sprache und Sein
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In dem Buch “Sprache und Sein” beschreibt Kübra Gümüşay anhand von ihren eigenen Erlebnissen, wie Sprache unser Denken beeinflusst und wie Menschen sich durch die Sprache sichtbarer machen können. Ein ...

In dem Buch “Sprache und Sein” beschreibt Kübra Gümüşay anhand von ihren eigenen Erlebnissen, wie Sprache unser Denken beeinflusst und wie Menschen sich durch die Sprache sichtbarer machen können. Ein wundervolles Sachbuch, das verständlich und dennoch präzise geschrieben ist. In diesem Buch werden auch diverse Ismen besprochen und wie Menschen durch die Sprache auf ihre “Fremdartigkeit” reduziert werden. ⚠️ [CN: S. 60 Suizid]

Bereits der Titel verrät uns, worum es in dem Buch geht. Was Sprache alles kann, wie Menschen Sprache verwenden, unterschiedliche Begriffe in anderen Sprachen, die nicht zu übersetzen sind und schließlich dem Sein. Wie können wir existieren und wie machen wir uns verständlich? Insbesondere, wenn wir zu einer marginalisierten Gruppe gehören. Gümüşay erzählt, wie sie selbst oft als Repräsentantin für eine Gruppe angesehen und dementsprechend behandelt wird. Sie wird ihrer Individualität beraubt. Wenn sie etwas Falsches tut, dann ist das keine individuelle Handlung, dieser Fehler wird dann auf alle ausgeweitet, die ebenfalls Türkisch sind.

Ganz oft habe ich mich selbst wieder entdeckt. Ich habe selbst bemerkt, dass ich mich anders verhalte und mich anders ausdrücke, wenn ich bspw. Englisch oder Kantonesisch spreche. Es ist total interessant zu bemerken, dass ich anscheinend in anderen Sprachen auch andere Persönlichkeiten habe. Für mich war es wie eine kleine Erleuchtung, als ich schwarz auf weiß lesen konnte, wie anstrengend es ist mit anderen Menschen zu sprechen, denen ich quasi erstmal meine Zugehörigkeit beweisen muss. Damit sind Fragen, wie “woher kommst du wirklich?” gemeint. Denn wie Gümüşay schreibt “Neugier ist nicht gleich Neugier.” Wenn eine andere Person mich das fragt, ist es nicht nur reine Neugier. Ich werde dabei inspiziert und der andere Mensch und ich begegnen uns nicht auf Augenhöhe. Deshalb sind Safer Spaces so wichtig. Dort müssen Menschen sich nicht “entkleiden” und interview-mäßig Fragen beantworten. Dort können wir sein.

Ganz oft habe ich mich selbst wieder entdeckt. Ich habe selbst bemerkt, dass ich mich anders verhalte und mich anders ausdrücke, wenn ich bspw. Englisch oder Kantonesisch spreche. Es ist total interessant zu bemerken, dass ich anscheinend in anderen Sprachen auch andere Persönlichkeiten habe. Genauso auch das schwarz auf weiß zu lesen, wie anstrengend es ist mit anderen Menschen zu sprechen, denen ich quasi erstmal meine Zugehörigkeit beweisen muss. Damit sind Fragen, wie “woher kommst du wirklich?” gemeint. Denn wie Gümüşay schreibt “Neugier ist nicht gleich Neugier.” Wenn eine andere Person mich das fragt, ist es nicht nur reine Neugier. Ich werde dabei inspiziert und der andere Mensch und ich begegnen uns nicht auf Augenhöhe. Deshalb sind Safer Spaces so wichtig. Dort müssen Menschen sich nicht “entkleiden” und interview-mäßig Fragen beantworten. Dort können wir sein.

Was mir auch sehr gut an dem Buch gefallen hat: Es wird durchgehend gegendert, es werden viele andere Sprachen genannt, unterschiedliche marginalisierte Gruppen und auch non-binäre Personen, die so oft nicht beachtet werden, werden erwähnt, als es um das Kategorisieren von Menschen geht. Es gibt so viele gute Stellen in dem Buch und ich bin so froh, dass ich es gelesen habe. Ganz große Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 10.01.2021

Toller poetischer Thriller

Das Licht am Ende
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Claudia Giesdorf hat mit “Das Licht am Ende” ein unglaubliches Buch geschaffen. Was für ein Psychothriller! Und gleichzeitig ist er so... poetisch geschrieben, wie kann das sein?!
[TW: Body Shaming, ...

Claudia Giesdorf hat mit “Das Licht am Ende” ein unglaubliches Buch geschaffen. Was für ein Psychothriller! Und gleichzeitig ist er so... poetisch geschrieben, wie kann das sein?!
[TW: Body Shaming, Erniedrigung, Fanatismus, Gewalt, häusliche Gewalt, Kindesmisshandlung, Mord, OCD, PTSD, sexuelle Belästigung, sexuelle Beziehung trotz Abhängigkeitsverhältnis Anwalt/Klientin, Totschlag, Unfall, unprofessioneller Abtreibungsversuch]

Helena zieht in eine leerstehende Hütte auf einer abgelegenen Lichtung. Doch wieso ist sie dort und was ist in ihrer Vergangenheit geschehen? Nach und nach erfahren wir mehr über sie und auch über Anuk und Salim, die einzigen Menschen, die ebenfalls dort wohnen. Sie alle haben ihre Gründe, weshalb sie auf dieser Lichtung sind. Eines Tages verschwinden plötzlich Gegenstände aus ihren Hütten, und sie spüren, wie die Bedrohung stetig zunimmt. Um herauszufinden, wer mit ihnen spielt, müssen sich die drei ihrer Vergangenheit stellen.

An den Triggerwarnungen kann man erahnen, was alles in diesem Buch thematisiert wird. Es ist definitiv keine leichte Kost und Helenas Geschichte ist grausam, brutal und unsagbar traurig. Ich habe gar keine Worte für das, was ich gelesen habe. Vergangenheitsbewältigung ist der rote Faden dieses Buches und wir erleben hautnah mit, wie alle drei Figuren mit ihrer eigenen Vergangenheit umgehen. Denn wie verarbeitet man ein Trauma? Jede*r muss das für sich selbst entscheiden. Anuk, die mit ihrem ganzem Wesen “Fick dich” verkörpert und sich nichts mehr sagen lässt. Salim, der sanftmütig ist und nicht weiß, wohin mit den Schuldgefühlen. Sie alle haben schreckliches durchgemacht und müssen sich dennoch dem Leben stellen.

In der Gegenwart flieht Helena und erinnert sich nicht mehr daran, wer sie ist oder was passiert ist. Sie und wir lernen durch ihre wiederkehrenden Erinnerungen immer mehr über ihre Vergangenheit und was auf dieser Lichtung passiert ist. Ich habe so mit Helena mitgelitten und die Auflösung fand ich genial. Große Leseempfehlung von mir!

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Veröffentlicht am 29.12.2020

Ein Meisterwerk

Das Gold der Krähen
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Leigh Bardugo beweist in “Crooked Kingdom” wieder einmal, was für eine unglaubliche Autorin sie ist. Ich kann immer noch nicht fassen, wie sie es hinbekommen hat so tolle Charaktere voller Diversität mit ...

Leigh Bardugo beweist in “Crooked Kingdom” wieder einmal, was für eine unglaubliche Autorin sie ist. Ich kann immer noch nicht fassen, wie sie es hinbekommen hat so tolle Charaktere voller Diversität mit positiver Repräsentation zu erschaffen. Ganz zu schweigen von dieser unglaublichen Welt! Ich liebe diese Dilogie und ihr müsst sie alle lesen! Über 500 Seiten und es hat sich weggelesen wie Nichts! [TW: Drogenentzug, Gewalt, Menschenhandel, PTSD, Spielsucht, toxische Familie]

Nach dem Überfall auf den Ice Court hätte die Crew in Geld schwimmen sollen, aber sie wurden überlistet und müssen nun um ihr Leben kämpfen. Während mächtige Kräfte aus der ganzen Welt nach Ketterdam kommen, um die Geheimnisse der gefährlichen Droge namens Jurda Parem zu ergründen, tauchen alte Rivalen und neue Feinde auf, um Kaz Gerissenheit herauszufordern und die Loyalität des Teams zu testen.

Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie gut diese Bücher sind! Was hat mir am besten gefallen? Alles! Ok, das ist keine ordentliche Antwort. Es gab so viele Twists und jedes Mal, wenn die sich irgendwie retten konnten, habe ich mit offenem Mund weitergelesen! Vor allem wirkten die Wendungen nie unrealistisch! Lest die Bücher!

Die meisten, die mich kennen, wissen dass ich ziemlich… strikte Prinzipien habe, was Moral betrifft. Mein Guilty Pleasure: Charaktere, die moralisch nicht eindeutig einzuordnen sind. Für mich ist das schlichtweg realistischer, weil auch unsere Gesellschaft nicht so einfach in Gut und Böse einzuordnen ist. Die Charaktere in dieser Dilogie sind definitiv keine Helden, aber sind sie böse? Für mich zumindest nicht, denn ich kann all ihre Handlungen gut nachvollziehen und ich fühle mit ihnen. Obwohl Kaz bspw. sehr schlimme Dinge aus Rache getan hat oder einfach, um seine Pläne umzusetzen, hält er sich an seinen eigenen moralischen Code. Er nimmt nicht an Menschenhandel teil und das finde ich gut umgesetzt.

Die Entwicklung von Kaz ist einfach grandios. Wunderbar dargestellt! Wir haben ihn als skrupellosen Mastermind kennengelernt und das ist er auch nach wie vor! Aber zu erleben, dass er sich aufrichtig um seine Crew sorgt und es bspw. Inej direkt gesagt hat, dass er sie auch retten würde, wenn sie gebrochene Beine hätte, war für mich herzerwärmend. Denn Dirtyhands hätte das nicht getan. Warum sollte er solch ein Risiko eingehen für eine Person, die ihm nicht mehr nützen würde! Auch zu sehen, wie Kaz mit seinem Trauma umgeht, wie es ihn immer wieder verfolgt und wie er gelernt hat sich selbst zu schützen, indem er andere nicht an ihn heranlässt, hat mir das Herz zerrissen. Ebenso lernen wir in diesem Buch auch wie Inejs Trauma sie beeinflusst und wie sie damit umgeht.

Generell hat das Buch mich immer mehr verletzt, je mehr ich über die Charaktere erfahren habe. Als Wylan eine schreckliche Wahrheit erfährt. Wie Jesper mit sich ringt und nicht weiß, wie er seinem Vater gegenüber treten soll. Ninas Verzweiflung, als sie mehr über ihre neuen Kräfte lernte. Inejs Gedanken während ihrer Gefangenschaft. Matthias innerer Kampf mit seinen alten Ideologien.

Genauso gibt es so viele lustige und schöne Szenen! Wie Jesper versucht Wylan aufzumuntern. Als Nina zu Matthias sagte, dass sie ihn lieber hat als Waffeln und er sie darum bittet nicht zu lügen. Ich liebe einfach deren Beziehungen untereinander! Nicht nur die romantischen, sondern auch die freundschaftliche Beziehung zwischen Nina und Inej. Was für wundervolle Frauen! Auch die Beziehung zwischen Jesper und seinem Vater ist einfach so schön, dass ich beide in die Arme nehmen will. Oder die Freundschaft zwischen Jesper und Inej und, ach überhaupt, alle sind so toll!

Das sich durchziehende Thema in diesem Buch ist für mich die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit und die Verarbeitung davon. Es war für mich selbst heilend mitzuerleben, wie die Charaktere sich anderen öffneten und über ihre Vergangenheit und ihre Ängste sprachen. Das einzige, was ich Bardugo nicht verzeihe, ist das Ende. Sie hat mir damit mein Herz herausgerissen und ist dann darauf herumgetrampelt. Wie konnte sie nur?!

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Veröffentlicht am 26.12.2020

Zu viele Themen für einen Krimi

Eine unbeliebte Frau (Ein Bodenstein-Kirchhoff-Krimi 1)
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Nele Neuhaus ist bei deutschen Krimi-Fans beliebt und da ich noch nichts von ihr kannte, habe ich mich an den ersten Fall für Pia Kirchhoff und Oliver von Bodenstein gewagt - “Eine unbeliebte Frau”. Kurz: ...

Nele Neuhaus ist bei deutschen Krimi-Fans beliebt und da ich noch nichts von ihr kannte, habe ich mich an den ersten Fall für Pia Kirchhoff und Oliver von Bodenstein gewagt - “Eine unbeliebte Frau”. Kurz: mir hat das gar nicht gefallen. Abgesehen davon, dass Neuhaus in diesem Buch generell lange Sätze verwendet, die nur erzählen, anstatt “zu zeigen” (Stichwort: show, dont’t tell), gab es leider viele Stellen, die ziemlich problematisch sind. ⚠️ [TW: Body Shaming, Fatphobia, Folter, häusliche Gewalt, Menschenhandel, Mord, Suizid, Verharmlosung psychischer Krankheiten]

Klappentext: Eine Ladung Schrot aus dem eigenen Jagdgewehr beschert dem Frankfurter Oberstaatsanwalt ein schnelles, wenn auch sehr hässliches Ende. Die schöne junge Frau, die tot am Fuß eines Aussichtsturms im Taunus liegt, ist viel zu unversehrt, um an den Folgen eines Sturzes gestorben zu sein. Kriminalhauptkommissar Oliver von Bodenstein und seine neue Kollegin Pia Kirchhoff sind sich einig: Der erste Todesfall war ein Selbstmord, der zweite jedoch ein Mord. Bald häufen sich sowohl die Motive als auch die Verdächtigen. Doch was hat den Staatsanwalt in den Tod getrieben?

Dass sich die Verdächtigen häufen, ist keine Untertreibung. Ich hatte teilweise Probleme zu folgen welche Person nun wer ist, weil es für mich schlichtweg zu viele waren. Auf mich wirkte es so, als hätte Neuhaus zu vieles in einem Krimi unterbringen wollen. Durch die vielen unterschiedlichen Themen wurde es sehr schnell unübersichtlich. Menschenhandel, Eifersucht, Betrug in Beziehungen und bei Aktien. So viele Verzweigungen, dass die Spannung dann verloren ging und ich auch gar keine Lust mehr zum Lesen hatte.

Nun zu all den kleineren Dingen, die mich gestört haben: Neuhaus benutzt anstatt Suizid sehr häufig “Freitod” und wenn sie nur ganz kurz diesen Begriff ein Goggle eingegeben hätte, wüsste sie, wie schrecklich dieses Wort ist. Ich hasse dieses Wort. Suizidpraevention.de schreibt: “Ein Suizid ist meist der Endpunkt einer psychischen Krise und großer innerer Not. Dieser psychische Zustand legt kaum die Möglichkeit einer ‘freien Entscheidung’ nahe.” Der Begriff impliziert allerdings, dass es ein gewähltes Verhalten ist und beschönigt den Sachverhalt.

Es ist unglaublich, wie sehr das Aussehen der Menschen in diesem Buch verurteilt wird. Ich versteh nicht, wozu die abfälligen Bemerkungen von Bodenstein und Pia über das Aussehen von Frau Jagoda geschrieben wurden. "Walküre" und "grotesk" haben die beiden sie genannt, aber ich habe schon nach "fett" und den Beleidigungen von Herr Jagoda "Fette Henne" und Isabel "Walross" verstanden, dass sie fett ist und wohl absolut widerwärtig. Frau Jagoda spricht offen aus, "Ich bin zwar fett, aber ich bin trotzdem eine Frau. ... Es ist demütigend, aber ich weiß, dass Leute wie Sie über mich lachen und es als pervers empfinden, wenn eine Dicke wie ich sexuelles Verlangen verspürt." Pia fühlt sich dabei nicht ertappt oder so? Nicht peinlich, dass sie die Frau selbst als grotesk bezeichnet hat und mit einem Walross verglich? Eine andere Frau wird unentwegt als “mopsgesichtig” und "stämmig" beschrieben und macht eine erstaunlich graziöse Bewegung, weil so eine Frau sich natürlich wie ein Elefant bewegt. Dann wird allen Frauen unterstellt, dass sie Frauen Isabell aufgrund ihrer Schönheit nicht leiden können. Dass es eventuell an ihrem Charakter liegen könnte, ist wohl zu abwegig. Das Gesicht einer Frau wurde auch als "reizloses Gesicht" beschrieben und ich weiß nicht, was man sich darunter vorstellen soll.

Nun zu den Männern, so wurde Hans Peter Jagoda beschrieben: “harmlos, beinahe weibisch", weil er schmaler gebaut ist! Was bin ich da wütend geworden. Weibisch! Döring hätte eine gespaltene Persönlichkeit, weil er aggressiv wird, nachdem er Alkohol getrunken hat. Er hat aber keine dissoziative Identitätsstörung und so leichtfertig sollte man nicht mit Vergleichen von psychischen Krankheiten umgehen. Dann hatte ich mir auch “maskuline Anmut” notiert, aber nicht mehr auf was es bezogen war. Aber dennoch… was ist “maskuline Anmut”?

Außerdem gab es so viele Handlungen von Bodenstein, die ich einfach nicht nachvollziehen konnte. Ich meine, ist es normal als Polizist eine Zivilistin einfach so mit zum Tatort zu nehmen und überhaupt diese Info weiterzugeben? Sowieso finde ich Bodenstein sehr arrogant und unsympathisch. Er lernt Thordis, eine junge Frau kennen, und vermutet, dass sie ihn so unglaublich attraktiv findet und als sie das anspricht, ist er peinlich berührt und Angriff ist die beste Verteidigung, ne. Er äfft den Tonfall von Thordis nach und nennt sie “zickiges kleines Mädchen” und behandet sie infantil. Gut, dass sie Konter gibt. Bodenstein fragt sich, wieso er plötzlich empfänglich für fremde weibliche Reize ist und sucht die Schuld bei der Abwesenheit seiner Frau oder bei der Wiederbegegnung mit Inka. Wieso nicht bei sich selbst? Dann ist er kurz davor sich mit Inka einzulassen, denn “Bodenstein will nicht mehr vernünftig sein”... OK, aber dann sollte er vielleicht erstmal mit seiner Frau darüber sprechen. Später erzählt er seiner Frau Cosima bei einem Anruf, dass er nicht mehr viel länger treu sein kann, wenn sie nicht bald nach Hause kommt. So wie Bodenstein das aber erzählt halt, klingt es eher so als würde er einen Witz über Ehebruch machen... Wenn Cosima wüsste wie nah dran er gewesen ist sie zu betrügen. Dann noch etwas, was nichts mit all dem zu tun hat, aber mich hat es sehr verwundert, dass er wusste, wo ein bestimmte Bibelvers in der Bibel steht.

Am Ende weitere Fragen an das Buch, weil ich so vieles nicht nachvollziehen kann: Die Polizei observiert Haus, aber bekommt nicht mit, wie da etwas über den Rasen geschleppt wird? Wieso wird die Polizei so inkompetent dargestellt? Wieso bleiben Menschen in Beziehungen, wenn sie ihre Partner*in nicht ausstehen können? Was für eine faule Zusammenfassung von Dingen war das auf S. 438? Wie kann das Kind kein Trauma haben? Wie kann Bodenstein über Selbstjustiz hinwegsehen? Was zum Teufel vermittelt das der Leserschaft.

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Veröffentlicht am 20.12.2020

Eine unglaublich mutige Biografie

Meine Flucht aus Nordkorea
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Yeonmi Park ist die Flucht aus Nordkorea gelungen und hat Dinge erlebt, die kein Mensch erleben sollte. Diese Erfahrungen hält sie in ihrem Buch “In Order to Live” (dt. “Meine Flucht aus Nordkorea”) fest. ...

Yeonmi Park ist die Flucht aus Nordkorea gelungen und hat Dinge erlebt, die kein Mensch erleben sollte. Diese Erfahrungen hält sie in ihrem Buch “In Order to Live” (dt. “Meine Flucht aus Nordkorea”) fest. Auch wenn ich mir bereits vor dem Lesen denken konnte, dass das Buch viel Grausamkeit enthält, war das für mich sehr schwer zu akzeptieren und zu verarbeiten. [TW: Depression, Hungersnot, häusliche Gewalt, Menschenhandel, Menstruation, Mord, PTSD, sexualisierte Gewalt, Tod]

Dies ist die Geschichte von Parks Kampf ums Überleben in Nordkorea; ihre erschütternde Flucht durch Chinas Unterwelt der Schmuggler und Menschenhändler; ihre Flucht aus China durch die Wüste Gobi in die Mongolei, mit nur den Sternen als Wegweiser, von dort nach Südkorea endlich in die Freiheit; und schließlich ihr Aufstieg zu einer führenden Menschenrechtsaktivistin - alles vor ihrem 21. Geburtstag.

Wie Parks Flucht ist das Buch ebenfalls in drei Teile eingeteilt: Nordkorea, China und Südkorea. Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, was ich zu diesem Buch schreiben soll. Während dem Lesen habe ich so viele unterschiedliche Emotionen gespürt... Ich war entsetzt, als ich erfahren habe, wie schlimm es in Nordkorea tatsächlich ist. Die Hungersnot der Menschen, die Gehirnwäsche und die Propaganda, die die Menschen unterzogen werden, um der Regierung Folge zu leisten. Wütend, weil andere Menschen die Situation von Park und anderen Flüchtenden ausgenutzt haben, um sich finanziell zu bereichern oder sexuell zu befriedigen. Traurig, dass Park doch nur frei sein wollte und ihr Leben dafür aufs Spiel setzen musste. Bestürzt, dass jemand so viel Schlimmes durchmachen musste und es immer noch Menschen gibt, die das Gleiche durchmachen müssen wie sie, um auch frei zu sein.

Alles, was ich lediglich aus George Orwells Bücher “Animal Farm” und “1984” kenne, scheint in Nordkorea Realität zu sein. So beschreibt es auch Park in ihrem Buch. Das, was Orwell als “Doppeldenk” beschrieb, war das, was Park selbst erlebte. “Doppeldenk” beschreibt eine Denkweise, bei der sich widersprechende Wahrheiten oder gegeneinander ausschließende Überzeugungen ignoriert werden. Sie glaubte fest daran, dass Nordkorea das beste Land überhaupt ist und die Regierung nur das beste für das Volk will, obwohl sie selbst hungerte und der Strom immer wieder ausfiel. Doch sie kannte es nicht anders, also war das für sie “normal”. So vieles, war für sie “normal”, das für mich schlichtweg unmenschlich ist.

Von Park habe ich das erste Mal erfahren, als ich sie beim “One Young World 2014”-Gipfel in Dublin sah. Dort hielt sie eine Rede über ihre Fluchterfahrung und als ich sie darüber sprechen hörte, hat es mir regelrecht das Herz zerrissen. Ich bin froh, dass sie den Mut gefasst hat, all diese schlimmen Erfahrungen in einem Buch festzuhalten, sodass mehr Menschen darauf aufmerksam werden. Es kann nicht leicht gewesen sein, darüber zu schreiben und all das in Gedanken wiederzubeleben, obwohl sie lieber vergessen wollte.

Es gab einige Stellen, bei denen ich mir zwar mehr Details gewünscht hätte, manchmal war die Sprache etwas holprig und im Englischen wurde eine chinesische Stadt ständig “Chaingbai” geschrieben, obwohl es “Changbai” heißt, aber ganz ehrlich? Sie war 13, als sie geflohen ist, wurde mit Depression und PTSD diagnostiziert und Englisch ist ihre Drittsprache. Man kann es ihr nicht verübeln, dass sie sich nicht an alle Details erinnert, vor allem, wenn sie aktiv versuchte alles zu verdrängen. Solltet ihr euch zumuten solch eine gewaltige Biografie zu lesen, tut es bitte. Es ist schrecklich und es tut regelrecht das zu lesen, aber ich finde es wichtig, das zu wissen.

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