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Veröffentlicht am 16.12.2020

Ein Meisterwerk

Das Lied der Krähen
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Nachdem ich schon so viel Gutes über “Six of Crows (dt. “Das Lied der Krähen”) von Leigh Bardugo gehört habe, musste ich es natürlich auch lesen. Das Buch ist ein Meisterwerk. Anders kann ich das gar nicht ...

Nachdem ich schon so viel Gutes über “Six of Crows (dt. “Das Lied der Krähen”) von Leigh Bardugo gehört habe, musste ich es natürlich auch lesen. Das Buch ist ein Meisterwerk. Anders kann ich das gar nicht beschreiben. Es gibt absolut nichts, was mir nicht gefallen oder auch nur ansatzweise gestört hat. Nichts! Ich liebe es, lest es! Am besten auf Englisch, wenn möglich! [TW: Menschenhandel, Mord, Prostitution, PTSD, Xenophobie]

Worum geht es?
Sechs Außenseiter - Eine tödliche Mission
Kaz: Ein Dieb mit der Begabung, die unwahrscheinlichsten Auswege zu entdecken
Inej: Eine Spionin, die “das Phantom” genannt wird
Matthias: Ein Verurteilter mit einem unstillbaren Verlangen nach Rache
Nina: Eine Magierin, die ihre Kräfte nutzt, um in den Slums zu überleben
Jesper: Ein Scharfschütze, der keiner Wette widerstehen kann
Wylan: Ein Ausreißer aus gutem Hause mit einem Händchen für Sprengstoff
Kaz wird ein gefährlich Auftrag für viel Geld angeboten. Diesen nimmt er an und mithilfe der anderen Fünf macht sich auf den Weg einen Mann aus dem bestgesichertsten Gefängnis der Welt zu befreien.

Ich weiß gar nicht, was mir an dem Buch am besten gefallen hat. Die Diversität? Die Repräsentation? Fangen wir klein an: Ich bin kein großer Fan von dem Trope “der/die Auserwählte”, weil ich es bevorzuge, wenn sich Figuren für etwas entscheiden und nicht, weil es ihre “Bestimmung” ist. Sie sind alle nicht vom Schicksal verdammt worden in dieses Gefängnis einzubrechen, sondern tun es aus unterschiedlichen Gründen. Einige der Charaktere haben braune Augen und es ist so selten, dass Menschen mit braunen Augen gut beschrieben werden, während in gefühlt allen Büchern, in denen die Augenfarben genannt werden, so etwas steht wie “blau wie das ungestüme Meer” oder “grau wie ein tobender Sturm”, ihr wisst sicherlich, was ich meine.

Die Charakter sind vom Aussehen so unterschiedlich, denn sie sind nicht einfach alle wunderschön, schlank, weiß mit makelloser Haut. Nein, unterschiedliche Hautfarben, Nina wird als kurvig beschrieben, Kaz hat Narben im Gesicht und bleiben wir kurz bei Kaz. Er humpelt und ist quasi nur mit seinem Gehstock zu sehen. Die Autorin selbst hat Osteonekrose, übersetzt heißt es “Knochen-Sterben”, was wiedeurm bedeutet, Knochensubstanz abgebaut wird und jeder Schritt Schmerzen verursacht. Deshalb ist es kein Zufall, dass Kaz humpelt und einen Gehstock benutzt. Was ich selbst aber am tollsten an seinem Charakter finde: Sein schlechtes Bein ist nicht Teil einer tragischen Hintergrundgeschichte oder der Grund, weshalb er diese Mission antritt. Es ist nach einem Sturz schlecht geheilt und schmerzt seitdem. Dieser Schmerz wird auch immer wieder erwähnt und normalisiert Charaktere, die nicht able-bodied sind. Kaz wird auch nicht darauf reduziert, er ist immer noch der geschickteste Dieb und ein gerissener Mastermind. Das ganze Buch über erleben wir auch, wie Kaz durch vergangene Ereignisse unter PTSD leidet und wie ihn das beeinträchtigt. All das wird ungeschönt dargestellt. Es wird nicht romantisiert und solche Charaktere zeigen, dass andere, die sich mit ihnen identifizieren, ebenfalls mutig und gerissen sein können!

Nicht nur Kaz, auch die anderen Charaktere sind einfach so gu ausgearbeitet. Matthias, der mit seiner Xenophobie kämpft, denn er wurde so erzogen alle Grisha zu verdammen, doch Nina scheint humaner zu sein als alle anderen Menschen, die er kennt. Ich liebe Inejs Selbstwertgefühl und dass sie sich nicht in Kaz verliebt, nur weil er sie aus dem Bordell befreit hat. Jesper und Wylan sind queer, aber ihre Sexualität wird nicht großartig erklärt, sondern sie existieren einfach so wie sie sind und für mich normalisiert LGBTQ+ in dieser Fantasy Welt. [S P O I L E R:] Am Ende wird bekannt, weshalb Wylan ausgerissen ist. Er ist Analphabet und auch hier zeigt Bardugo wieder, dass dies einen Menschen nicht definiert. Denn Wylan kann so vieles, dass es unwichtig ist, ob er nun lesen und schreiben kann oder nicht und das sagt auch Kaz zu ihm.

LEST DAS BUCH, ES IST EIN MEISTERWERK!

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Veröffentlicht am 10.12.2020

Tolle Repräsentation und Diversität

Kissing Chloe Brown (Brown Sisters 1)
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Talia Hibbert hat mit “Kissing Chloe Brown” ein ganz wundervolles Buch geschrieben! Die Autorin wurde selbst mit Fibromyalgie diagnostiziert - eine Erkrankung, die chronische Schmerzen verursacht. Das ...

Talia Hibbert hat mit “Kissing Chloe Brown” ein ganz wundervolles Buch geschrieben! Die Autorin wurde selbst mit Fibromyalgie diagnostiziert - eine Erkrankung, die chronische Schmerzen verursacht. Das macht “Kissing Chloe Brown” zu einem “Own Voice” Buch und wir können sicher sein, dass dieser Aspekt auf jeden Fall gut repräsentiert wird. Ansonsten strotzt das Buch vor toller Diversität mit PoC, unsere Protagonistin ist dick und hat chronische Schmerzen, Mental Health kommt nicht zu kurz und auch queere Menschen wurden sichtbar gemacht! [TW: Erwähnung von toxischer Beziehung]

Chloe Brown ist zwar chronisch krank und obwohl die Schmerzen sie einschränken, lässt sie sich davon nicht definieren. Durch diese Erkrankung hat sich leider ihr Freundeskreis von ihr abgewendet, sodass ihr nur noch ihre Familie bleibt. Nachdem sie fast von einem Auto überfahren wurde, beschließt sie sich nicht mehr einschränken zu lassen und das Leben in vollen Zügen zu genießen. Gut, dass sie auf ihren Nachbar und Hausmeister Red Morgan trifft, der ihr dabei helfen kann, auch wenn sie anfangs kein allzu gutes Bild voneinander haben.

Mir hat es richtig gut gefallen zu erfahren, wieso die beiden sich am Anfang nicht ausstehen konnten und das nicht einfach mit “sofortige Unsympathie” erklärt wurde. Chloe als Figur fand ich auch klasse. Sie ist trotz allem stark und was ich auch toll finde: sie wiegt 95 kg, was in unserer heutigen Gesellschaft ja quasi gleichgesetzt wird mit “nicht begehrenswert”, aber sie wird so wunderbar attraktiv und begehrenswert dargestellt 🥰 Eine tolle Repräsentation! Total oft werden Charaktere, die dick sind Eigenschaften wie Minderwertigkeitskomplex angehängt oder sind lediglich “die lustige beste Freundin” und ich bin so froh, dass das nicht der Fall ist. Sie hat natürlich trotzdem Ängste und Zweifel, aber die sind nicht auf ihr Aussehen zurückgeführt und das freut mich ungemein 💕

Es hat mich auch überrascht, dass Red komplexer ist, als ich angenommen habe. Er war in einer toxischen Beziehung und Hibbert hat die psychischen Spuren, die so eine Beziehung bei einem hinterlässt, gut gezeigt. Vor allem, wird in dem Buch explizit erwähnt, dass seine Ex-Freundin gewalttätig war. Frauen können Täterinnen sein und Männer können Opfer werden. Red selbst sagte, dass es ja nicht wirklich wehgetan hat, als sie ihn geschlagen hat, weil sie kleiner und zierlicher war als er, aber in der Szene wurde deutlich, dass das dennoch als häusliche Gewalt zählt und das ist eine sehr wichtige Botschaft.

Die Beziehung zwischen Red und Chloe wirkte auf mich anfangs sehr zärtlich. Red ist auch generell immer sehr rücksichtsvoll, ohne sie zu bemitleiden. Außerdem fand ich es großartig, dass auf Safer Sex und Konsens geachtet wurde. Oh und ein ganz großer Pluspunkt ist die positive Darstellung zur Therapie zu gehen. Leider ist das heutzutage immer noch stigmatisiert, deshalb fand ich das richtig toll, dass eine Therapie im Buch vorgeschlagen wurde, um vergangenes Trauma zu bewältigen.

Wieso gab es dann einen Stern Abzug? Eine Kleinigkeit war, dass Chloe sich zweimal mit Annie trifft und plötzlich sind sie Freundinnen? Das wirkte auf mich gehetzt und unglaubwürdig. Was mich aber am meisten gestört hat, waren die Sexszenen. Zum einen, habe ich nicht damit gerechnet, dass es so explizit wird, was an sich nicht schlimm ist. Schlimm fand ich die Wörter die benutzt wurden, weil sie für mich einfach total vulgär sind. Ab hier wird es nun ebenfalls explizit. Die Benutzung von “Muschi” und “Möse” für “Vagina” fand ich schrecklich. Genauso wie “Schatz” und “Baby” als Kosenamen. Ja, ich weiß, dass das viele machen, aber ich mag diese Wörter als Kosenamen einfach nicht. Es war auch etwas seltsam, dass Chloe sich beim Sex so ganz anders ausdrückt als im Alltag. Oder ist das normal? Sie wirkte auf mich nicht so wie eine Figur für Dirty Talk. Einige seltsame Metaphern haben mich auch total irritiert, wie“[...] dass sein Orgasmus sich mit der Wucht einer Lokomotive näherte”... Danach hatte ich nur noch dieses “chooo chooo” Geräusch einer Lokomotive im Kopf.

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Veröffentlicht am 07.12.2020

Miserable Darstellung von Sexualität und psychischen Krankheiten

ONE OF US IS LYING
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“One Of Us Is Lying” von Karen M. McManus hat generell sehr gute Bewertungen. Tja, ich ziehe die wohl mit meiner ziemlich herunter. Die Darstellung von psychischen Krankheiten und Sexualität ist schrecklich ...

“One Of Us Is Lying” von Karen M. McManus hat generell sehr gute Bewertungen. Tja, ich ziehe die wohl mit meiner ziemlich herunter. Die Darstellung von psychischen Krankheiten und Sexualität ist schrecklich in diesem Buch und sie werden als Plot Device verwendet, was widerwärtig ist. [TW: Alkoholmissbrauch, bipolare Störung, Depression, erzwungenes Coming Out, Homophobie, Slut Shaming, Suizid, Suizidversuch, toxische Beziehung]

Die vier Protagonistinnen verkörpern die typischen High School Klischees und das Buch macht auch keinen Hehl daraus. Bronwyn: das Superhirn auf dem Weg nach Yale. Addy: die perfekte Homecoming-Queen. Nate: der Bad Boy. Cooper: der Baseball-Star. Dann gibt es noch Simon, der eine App programmiert hat, auf der er Gerüchte postet, die sich im Nachhinein immer als wahr herausgestellt haben. Sie waren zu fünft beim Nachsitzen, als Simon plötzlich zusammenbricht und kurz darauf im Krankenhaus stirbt, woraufhin die Polizei wegen Mordes ermittelt. Denn Simon wollte am Folgetag einen Post veröffentlichen, der die Geheimnisse von Bronwyn, Addy, Nate und Cooper preisgibt.

Aber zunächst einmal das Positive: Es hat mich gefreut ein bisschen Diversität zu lesen. Bronwyn und Keely sind biracial, Yumikos Name impliziert einen japanischen Hintergrund, generell haben einige Nebencharaktere Namen, die einen asiatischen Hintergrund vermuten lassen oder sie werden mit einem dunklen Hautton beschrieben. Es wird früh klar, dass Addy in einer toxischen Beziehung ist und ich fand sie gut dargestellt und freute mich sehr über Addys Charakterentwicklung. Die gesamte Geschichte empfinde ich als schlüssige und auch der einfache Schreibstil trägt dazu bei, dass das Buch ziemlich schnell gelesen ist.
Nach etwa einem Drittel des Buches habe ich mir schon gedacht, wie es aufgelöst wird, aber das finde ich nicht schlimm, weil ich die Hintergründe immer am spannendsten finde. Ich habe früher auch immer zuerst das erste Kapitel gelesen und dann das letzte.

Nun zu dem Negativen, wobei es immer schlimmer wird, je mehr ich schreibe. Das Buch wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, aber es ist immer der gleiche Erzählstil, sodass man überhaupt keinen Unterschied merken würde, wenn davor nicht der Name stehen würde. In einer Szene liest Bronwyn nebenbei “Ulysses” von James Joyce, während sie etwas auf Netflix schaut. Hat sich die Autorin das Buch mal angesehen? Das kann man nicht einfach nebenbei lesen! Ich muss es wissen, denn ich war so eine Streberin, die mit einem Freund und unserer Literatur-Lehrerin einen Lesekreis gründen wollten, um dieses Buch zu lesen, weil es so anspruchsvoll ist. (Hat nur leider aus Zeitgründen nicht geklappt, und ok das ist eine sehr unwichtige Kritik, aber trotzdem hat mich das gestört)

Alle Protagonist
innen sind schön, haben makellose Haut bzw. sind muskulös, nur das depressive Mädchen hat schlechte Haut… Außerdem waren alle Eltern irgendwie schrecklich? Lediglich Coopers Oma war cool! Als hätten alle eine gestörte Eltern-Kind-Beziehung.

Und nun zu den wirklich schlimmen Sachen: Das ganze Buch über findet Slut Shaming statt und bei einer Szene hätte ich das fast übersehen, weil es sich gerechtfertigt anfühlte. Ein Mädchen macht sich über die Homosexualität eines Charakters lustig und daraufhin wird ihre sexuelle Aktivität angeprangert und wie sie sich jedem an den Hals schmeißt. Hinzu kommt auch noch die Doppelmoral zwischen Jungen und Mädchen. Ein Mädchen wird gemobbt, als herauskam, dass sie einen ONS hatte, obwohl sie in einer Beziehung ist. Ein Junge, der eine monatelange Affäre hatte und diesbezüglich auch keine Reue zeigt…

Darüber wird einfach hinweggesehen? Einige werden es wahrscheinlich als Spoiler sehen, aber eine sexuelle Orientierung ist kein Spoiler, deshalb: Natürlich musste die einzig queere Person eine Affäre haben. Urgh. Homosexualität wird als Plottwist verwendet und dann gibt es noch ein erzwungenes Coming Out.

Kommen wir zu den psychischen Krankheiten und wie schlecht sie repräsentiert werden. Depression wird als böse dargestellt und bipolare Störung bedeutet anscheinend, dass man eine miserable Mutter ist und sein Kind im Stich lässt. Es herrscht bereits genug Stigmatisierung und solche Darstellungen tragen dazu bei, dass solche Stigmata und Vorurteile aufrechterhalten werden. Dann wird ein Suizidversuch einfach so nebenbei erwähnt und es wird überhaupt nicht darauf eingegangen, wie die Person dann damit umging. Was mich aber am meisten störte und auch das wird für viele ein Spoiler sein: Suizid sollte nicht als Plot Device verwendet werden. Suizid als Racheakt sollte nicht dargestellt werden. Dadurch wird Suizid nicht nur auf makabre Art und Weise glorifiziert, was schlichtweg nicht richtig ist, es vermittelt auch wieder einmal, dass Menschen mit psychischen Krankheiten gefährlich für die Gesellschaft sind. Suizid ist ein ernst zu nehmendes Thema und wenn man schon nichts tut, um dem Stigmata entgegenzuwirken, sollte man diese zumindest nicht auch noch festigen.

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Veröffentlicht am 29.11.2020

Brutal und grausam

Die Chroniken von Alice - Finsternis im Wunderland
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Ich finde Neuerzählungen immer unheimlich spannend, besonders dann, wenn es in eine dunkle Richtung geht. Und oh man, das tut “Die Chroniken von Alice - Finsternis im Wunderland” von Christina Henry auf ...

Ich finde Neuerzählungen immer unheimlich spannend, besonders dann, wenn es in eine dunkle Richtung geht. Und oh man, das tut “Die Chroniken von Alice - Finsternis im Wunderland” von Christina Henry auf jeden Fall. Ihre Geschichte ist nicht nur düster, sondern auch grausam und brutal. [TW: Sexualisierte Gewalt, Gewalt, Menschenhandel, Kannibalismus]

Alice wird seit zehn Jahren in einem Hospital festgehalten, weil alle sie für verrückt halten, während sie sich an nichts erinnert. Jede Nacht suchen Alpträume sie heim, in denen ein Mann mit Kaninchenohren sie quält. Als ein Feuer ausbricht, gelingt es Hatcher, der Axtmörder aus der Nachbarzelle, auszubrechen und er befreit auch Alice. Genau wie Alice hat auch Hatcher die Erinnerung verloren. Zusammen begeben sie sich auf die Flucht, doch auch der Jabberwocky, ein grauenvolles dunkles Wesen, ist entkommen und jagt die beiden.

Für mich war das eine sehr interessante Neuerzählung, auch wenn ich mir eine Triggerwarnung gewünscht hätte, weil ich vollkommen überrascht war, dass Vergewaltigung darin vorkommt. Damit hatte ich nicht gerechnet. Nachdem ich mich aber darauf eingestellt hatte, dass wirklich sehr viel Gewalt vorkommt, fand ich diese schonungslose Brutalität gut dargestellt. Insbesondere die Schmetterlingsmädchen. Das war einfach krass. Anders kann ich das gar nicht ausdrücken. Toll fand ich, dass man die Charaktere aus dem Original ganz gut wiedererkannt hat und sie waren allesamt unglaublich interessant. In dieser Geschichte kommt Alice ursprünglich aus der Oberschicht und Hatcher aus der Unterschicht. Dieser Unterschied zwischen den beiden wird immer wieder in der Geschichte eingearbeitet und ich fand das genial, wie Alice dadurch ihre eigene Ignoranz bemerkte und reflektierte. Das Ende war mir leider zu antiklimaktisch und zu einfach gelöst.

Außerdem hat mich hin und wieder der Schreibstil gestört, weil so viele Sätze mit Pronomen oder mit den Namen der Charaktere anfangen und das ganze Buch über quasi nur “xy sagt” oder “xy antwortet” benutzt wird. Aber… irgendwie hat das doch auch zu der seltsamen Atmosphäre gepasst, die das Buch für mich geschaffen hat. Ich kann es mir nicht erklären.

Zwei Dinge haben mich am meisten gestört: [S P O I L E R] Wieso musste Henry da unbedingt eine Liebesbeziehung zwischen Alice und Hatcher einbauen… Ich fand das unpassend, auch wenn sie nur hin und wieder erwähnt wird. Das schlimmste war aber, dass geschrieben wurde “his eyes bulged”, obwohl fast das ganze Buch über geschrieben wird, dass Alice ihm ein Auge ausgestochen hat. Da kann doch dann nicht einfach das Plural verwendet werden!

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Veröffentlicht am 27.11.2020

cis Leute, lest dieses Buch!

Ich bin Linus
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Linus Giese hat ein Buch geschrieben, das von jedem cis Mensch gelesen werden sollte. “Ich bin Linus” hat mir brutal gezeigt, wie es im Leben eines trans Mannes sein kann, wie Dysphorie bei ihm aussieht, ...

Linus Giese hat ein Buch geschrieben, das von jedem cis Mensch gelesen werden sollte. “Ich bin Linus” hat mir brutal gezeigt, wie es im Leben eines trans Mannes sein kann, wie Dysphorie bei ihm aussieht, wie anstrengend eine Namensänderung ist, und auch wie Menschen sowohl wundervoll, als auch schrecklich sein können. [TW: Transphobie, Mobbing, Stalking, selbstverletztendes Verhalten, Selbsthass, suizidale Gedanken, sexualisierte Gewalt]

Das Buch ist in viele kurze Kapitel eingeteilt, sodass wir Linus leicht verständlich auf seinem Weg “Wie ich der Mann wurde, der ich schon immer war” begleiten können. Es hat 31 Jahre gedauert bis er “Ich bin Linus” sagen konnte. Danach wurde sein Leben nicht einfacher, aber er definitiv glücklicher.

Während dem Lesen haben mich immer wieder Erlebnisse unvorbereitet getroffen und ich musste erstmal kurz aufatmen. So vieles, was Linus widerfahren ist, ist einfach schrecklich gewesen. Ich freue mich für ihn, dass er Solidarität erfahren hat und es ärgert mich ungemein, dass er auch unsolidarische Kolleg*innen hatte. Allerdings war die digitale Gewalt, die er erfuhr bzw. immer noch erfährt, und die Tatsache, dass ihm das auch im analogen Leben heimsucht, vor seiner Wohnung und bei seiner Arbeitsstelle, eines der schlimmsten Dinge, die ich gelesen habe.

Sein Leben ist alles andere als einfach gewesen, aber ich bin froh, dass er sich entschieden hat sein “wahres Ich” auszuleben. Eines, was mir große Sorge bereitet hat, ist seine Beschreibung von Sex, den er hatte. Als ich das gelesen habe, habe ich das sofort als Vergewaltigung bzw. sexualisierte Gewalt katalogisiert. Dennoch wurde das nie so genannt. Es wurde lediglich als “Sex” betitelt.

Wenn ihr kein Problem mit den möglichen Trigger habt, lest dieses Buch und lernt. Ich habe dank Linus viel gelernt. Der Grund, weshalb ich einen halbe Stern abgezogen habe: es gibt einige Kleinigkeiten, die mich gestört haben. Zum einen verwendet er häufig englische Zitate, aber es gibt keine deutsche Übersetzung. Häufiger werden einige Sätze wiederholt. Es gibt einen inhaltlichen Fehler: Auf S. 72 steht, dass Chester M. Pierce den Begriff “Mikroagression” geprägt hat und auf S. 112 steht, dass es Derald Wing Sue gewesen wäre. Richtig ist: Pierce hat den Begriff "Mikroaggression" in den 70er geprägt, Sue hat den Begriff 2007 wiederbelebt.

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