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Veröffentlicht am 13.09.2024

Macht und Ohnmacht

Tief im Schatten
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Wer hat noch nicht von Viveca Sten gehört? Die Juristin hört zu den besten schwedischen Krimiautorinnen der Gegenwart. Nach dem furiosen Auftakt "Kalt und still" legt sie mit ihrem Buch "Tief im Schatten: ...

Wer hat noch nicht von Viveca Sten gehört? Die Juristin hört zu den besten schwedischen Krimiautorinnen der Gegenwart. Nach dem furiosen Auftakt "Kalt und still" legt sie mit ihrem Buch "Tief im Schatten: Ein Fall für Hanna Ahlander" bereits den zweiten Band aus ihrer Reihe "Ein Polarkreis-Krimi" vor.

Das Cover wirkt nordisch unterkühlt. Auf dem zugefrorenen See ist ein rotgestrichenes Boot auszumachen, mitten im dunklen Wald. Wenn man auf die schneebedeckte Landschaft blickt, kann man ein Frösteln nicht unterdrücken. Der Titel enthält eine versteckte Botschaft.

Wieder konstruiert die erfahrene Bestseller-Autorin einen packenden Fall, der im tiefen Norden Schwedens angesiedelt ist. Auch wenn es sich um den zweiten Teil einer Reihe handelt, ist jeder Band in sich abgeschlossen und kann ohne Vorkenntnisse gelesen werden. Wer allerdings die Entwicklung der handelnden Protagonist
innen Hanna Ahlander und Daniel Lindskog verfolgen möchte, sollte die vorgesehene Reihenfolge einhalten.

Für mein Empfinden sind die zwei Ermittlerinnen Hanna Ahlander und Daniel Lindskog klare Sympathieträger, auch oder gerade weil sie alles andere als perfekt sind. Während Daniel gegen seine cholerische Veranlagung ankämpft, ist Hanna aufgrund ihrer eigenen persönlichen Erfahrungen sensibilisiert für sexuelle (häusliche) Gewalt. Ihre Zusammenarbeit gestaltet sich gut; nicht ganz frei von Reibereien, aber sie sind auf einem Nenner, was die Ermittlungsarbeit angeht. Der neue Fall ist sehr kompliziert; die Recherchen der Polizei weisen in unterschiedliche Richtungen, und es dauert sehr lange, bis Hanna und Daniel schlüssige Ansätze für einen begründeten Tatverdacht gefunden haben.

Die Handlung spielt in der jüngsten Vergangenheit, kurz vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Vermittelt wird sie in zwei Handlungssträngen, einmal aus der Sicht der Ermittler
innen, die mit den Ermittlungen im Fall Johan Andersson, eines ermordeten ehemaligen Weltklasse-Skiläufers, betraut sind, und zweitens aus der Sicht von Rebecka Ekvall, einer naiven jungen Frau, die von ihren gläubigen Eltern mit einem charismatischen, wesentlich älteren Mann gedrängt wird, der neben seiner beruflichen Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer in seinem privaten Leben als aufstrebender Hilfspfarrer einer fiktiven freikirchlichen evangelischen Glaubensgemeinschaft aktiv ist. Entgegen ihren Hoffnungen entpuppt sich ihre Ehe als eine Hölle, aus der es kein Entkommen gibt. Ole Nordhammer ist ein kontrollsüchtiger Mann, der nach und nach seine Maske fallen lässt und sich als brutaler, selbstgerechter Frauen-Schläger entpuppt, legitimiert durch den geringen Stellenwert von Frauen in einer hierarchisch gegliederten strengen Glaubensgemeinschaft. Geschickt platzierte Hinweise bieten genügend Raum für eigene Spekulationen, allerdings werden die Leser*innen oftmals auf falsche Fährten gelockt, die letztendlich in die Irre führen.

Dieses spektakuläre Buch bietet perfekte Unterhaltung. Es ist ein echter Pageturner, der für einen echten Adrenalinkick in der kalten Jahreszeit sorgt. Lasst es euch nicht entgehen!

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Veröffentlicht am 09.09.2024

Väter und Söhne

Vaterländer
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Als Schauspieler schätze ich Sabin Tambrea, als Schriftsteller war er mir gänzlich unbekannt. Auch seinen beruflichen und privaten Werdegang hatte ich nicht bewusst verfolgt. Umso mehr hat mich sein neues ...

Als Schauspieler schätze ich Sabin Tambrea, als Schriftsteller war er mir gänzlich unbekannt. Auch seinen beruflichen und privaten Werdegang hatte ich nicht bewusst verfolgt. Umso mehr hat mich sein neues Buch "Vaterländer" fasziniert, das vor wenigen Wochen erschienen ist.

Das Cover rückt ein unbekanntes Paar in den Mittelpunkt. Allen Betrachter*innen den Rücken zukehrend, gehen sie ihren Weg gemeinsam, auf ein unbekanntes Ziel. Der Titel unterstreicht die Multi-Kulturalität der handelnden literarischen Figuren. Gleichzeitig wirft er die Frage aus, was es für Menschen bedeutet, ihre Heimat zu ver- und alles hinter sich zu lassen, um in einem unbekannten Land einen neuen Anfang zu wagen.

Der Roman "Vaterländer" erzählt die Geschichte der rumänisch-ungarischen Familie Tambrea. Er ist in drei Teile gegliedert, die jeweils aus der Perspektive von drei Generationen geschildert werden. Die Handlung ist wie ein Ring gestaltet. Sie setzt 1985 ein, mit der Flucht des Violinisten Bela Tambrea während einer Tournee. Der erste Teil ist auf Nuku (Sabin) Tambrea fokussiert, der als kleines Kind mit seiner großen Schwester Alina (Ai) und seiner Mutter Radica in der Bundesrepublik Deutschland ankommt, sehnsüchtig erwartet von seinem vor zwei Jahren aus Rumänien geflohenem Vater Bela, der sich in Marl ein neues Zuhause aufgebaut hat. Der zweite Teil ist das Tagebuch seines Großvaters Horea Tambrea, der Zeugnis ablegt über seine schrecklichen Erlebnisse während der Diktatur. Er hat Willkür, Gefangenschaft, Folter, Verfolgung und Unterdrückung selbst erfahren; ist aber nicht zerbrochen worden. Der letzte (dritte) Teil rückt Bela Tambrea, den Vater von Sabin Tambrea, in den Mittelpunkt des Geschehens. Er zeigt wichtige Stationen seines Lebens auf, von seinem Aufwachsen in einem totalitären System und seiner (musikalischen) Ausbildung über seine Liebe zur Violinistin Radica bis hin zu seiner 1985 erfolgten Flucht aus Rumänien und endet mit dem Wiedersehen mit seiner Familie in 1987, wo sich der Kreis schließt.

Es ist ein emotional aufwühlender Roman, der eine persönliche (Familien-) Geschichte verbindet mit historischen Ereignissen, sensibel und virtuos erzählt, durchzogen von der Liebe zur Darstellenden Kunst und Musik. Ein beeindruckendes, berührendes literarisches Werk über Familie, Heimat, Identität, Liebe; Migration und Zusammenhalt.

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Veröffentlicht am 31.08.2024

Mutter und Tochter

Bevor du gehst
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Seit ihrem ersten Publikationen ist mir Anne Barns vertraut. Auch ihre weiteren Pseudonyme sind mir geläufig. Sie zählt zu meinen liebsten Autor*innen, und ich freue mich immer, wenn sie ein neues Buch ...

Seit ihrem ersten Publikationen ist mir Anne Barns vertraut. Auch ihre weiteren Pseudonyme sind mir geläufig. Sie zählt zu meinen liebsten Autor*innen, und ich freue mich immer, wenn sie ein neues Buch veröffentlicht. Wie den nachdenklich stimmenden Roman "Bevor du gehst", der ein ernstes Thema behandelt.

Das Cover ist sehr schlicht, aber gut auf den Klappentext abgestimmt. Am linken Bildrand ist eine Frau unbekannten Alters auszumachen, die mit nackten Füßen über den Strand läuft. Ihre Konturen sind nicht vollständig auszumachen; sie verschwindet sozusagen im Nichts. Im Hintergrund ist das Meer zu erkennen. Der Titel ist relativ kurz und verweist auf einen nahenden Abschied voneinander.

Was das Setting betrifft, hat Anne Barns eine gute Wahl getroffen. Die literarische Reise führt über die hektische Metropole Frankfurt auf die beschauliche nordfriesische Insel Amrum. In einer schlichten Sprache thematisiert Anne Barns eine schwierige Mutter-Tochter-Beziehung. Im Fokus steht Julia, eine emotionale Frau mittleren Alters , deren Verhältnis zu ihrer Mutter, der rüstigen, kühlen Mittsiebzigerin Christine, nicht lieblos, sondern eher unterkühlt ist. Ganz im Gegensatz zu ihrer eigenen Tochter Emilia, mit der sie eine innige Beziehung verbindet. Mitten in einer schweren Ehe-Krise steckend, wird sie durch einen Krankenhausaufenthalt ihrer Mutter aufgeschreckt. Ihre Gedanken überschlagen sich geradezu, als ihr schmerzlich bewusst wird, wie wenig Zeit noch bleibt, miteinander zu sprechen und einander nahe (näher) zu kommen. Zwischen ihnen steht viel Ungesagtes, das ihr Verhältnis zueinander belastet. Auf einer gemeinsamen Reise nach Amrum schaffen sie es, nicht nur ein streng gehütetes Geheimnis aufzudecken, sondern auch einen echten Draht zueinander zu entwickeln.

Auch wenn dieser Roman sehr kurz ist, hat er mich tief berührt. Denn er regt zum Nachdenken über das Leben an. Man fühlt sich an sein eigenes Dasein erinnert, an seine Kinder, an seine Eltern. Sollten wir unsere gemeinsame Zeit nicht nutzen und miteinander (nicht übereinander) sprechen, solange wir es können? Aus diesem Grunde hat er nicht nur 5 Sterne, sondern auch eine ausdrückliche Empfehlung verdient.

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Veröffentlicht am 27.08.2024

Ein Wollcafe zum Verlieben

Ostfriesenglück
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Moin!

Seit vielen Jahren gehören Anne Barns und Susanne Oswald zu meinen liebsten Schriftstellerrinnen. Um so mehr habe ich mich über ihre kreative Zusammenarbeit in dem Roman "Ostfriesenglück" gefreut, ...

Moin!

Seit vielen Jahren gehören Anne Barns und Susanne Oswald zu meinen liebsten Schriftstellerrinnen. Um so mehr habe ich mich über ihre kreative Zusammenarbeit in dem Roman "Ostfriesenglück" gefreut, der allen Leserinnen unbeschwertes Lesevergnügen mit einer lebensbejahenden, emotional berührenden Geschichte schenkt.

Das in warmen Tönen gehaltene Cover zeigt eine ländliche Idylle, wie man sie sich in seinem Urlaub an der Nordsee erträumt. Eine Radtour immer am Deich entlang, vorbei an den wolligen Deichschafen. Im Hintergrund ist eine Mühle auszumachen. Der vielsagende Titel rekurriert auf auf die malerische Region in Niedersachsen.

Das Setting ist klassisch, an der Nordsee, in einem gemütlichen Dorf, wo alle Bewohner*innen einander kennen, aufeinander achtgeben und fest zusammenhalten. Im Fokus des warmherzigen Wohlfühlromans stehen zwei Frauen mittleren Alters, Anneke und Nora, deren Wege sich in dem fiktiven kleinen Fischerdorf Fenjesiel in Ostfriesland kreuzen. Seit dem Tod ihrer Eltern ist Anneke wie erstarrt in ihrer Trauer, sie vergräbt sich in ihren vier Wänden, konzentriert sich auf ihre Strickarbeiten und zögert eine klare Entscheidung über ihre Zukunft hinaus. Anneke ist sehr sensibel und nah am Wasser gebaut. Dahingegen ist die Konditorin Nora realistisch und praktisch veranlagt, sie nimmt ihr Schicksal in die eigenen Hände. Sichtlich unzufrieden mit ihrem Aushilfs-Job im Restaurant ihres Bruders, gönnt sie sich einen Erholungsurlaub an der Nordsee, um den Kopf frei zu bekommen. Das zufällige Zusammentreffen von Anneke und Nora stellt die Weichen für eine gute Freundschaft - und ihre vielversprechende Geschäftsidee: das künftige Wollcafé für Fenjesiel.

Dieser leicht lesbare Roman ist durchzogen von dem köstlichen Duft frisch gebackenen Kuchens, man kann sich in ihm einkuscheln wie in eine weiche selbstgestrickte Jacke, die vor allen Stürmen des Lebens schützt. Anne Barns und Susanne Oswald thematisieren nicht nur ihre Lieblingsthemen Backen und Stricken, sondern rücken auch Freundschaft, Selbstfindung und Zusammenhalt in der Gemeinschaft in den Mittelpunkt. Auch die Liebe kommt nicht zu kurz; Anneke und Nora finden nicht nur ihre Schwesterseele, sondern auch neue Lebensgefährten. Wer sich für einige Stunden ans Meer träumen und über leckere Rezepte und tolle Strickanleitungen freuen möchte, sollte sich dieses Lesevergnügen nicht entgehen lassen.

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Veröffentlicht am 22.08.2024

Viel mehr als die Frau an seiner Seite

Kämpferin gegen den Krebs
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Die Romanbiographie "Kämpferin gegen den Krebs" von Yvonne Winkler ist der Radiologin Frau Dr. Mildred Scheel (1931-1985) gewidmet, die nicht nur die zweite (viel zu früh verstorbene) Frau des ehemaligen ...

Die Romanbiographie "Kämpferin gegen den Krebs" von Yvonne Winkler ist der Radiologin Frau Dr. Mildred Scheel (1931-1985) gewidmet, die nicht nur die zweite (viel zu früh verstorbene) Frau des ehemaligen Bundespräsidenten Walter Scheel, sondern auch die Gründerin der Deutschen Krebshilfe war. Ihrem Einsatz ist es zu verdanken, dass Krebs nicht mehr ein Tabu-Thema, sondern in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist.

Das Cover erinnert an die offizielle Darstellung des Bundespräsidenten Walter Scheel und der "First Lady" Dr. Mildred Scheel m Dienst der Bundesrepublik Deutschland, während der Titel ihre Verdienste für die Medizin hervorhebt.

Yvonne Winklers Romanbiographie besticht durch ihr medizinisches Fachwissen. Einfühlsam schildert sie wichtige Stationen im Leben von Frau Dr. Scheel, einer selbstbewussten, starken Persönlichkeit, die ihrer Zeit weit voraus war. Als alleinerziehende, berufstätige Mutter war es für sie nicht leicht, sich in einer von Männer dominierten Welt zu behaupten. Aufgrund ihrer Ausbildung zur Fachärztin war sie gezwungen, ihr unehelich geborene erste Tochter zwei Jahre lang in einem Waisenhaus betreuen zu lassen, bis sie sie wieder zu sich nehmen konnte. Durch ihre Beziehung zum Politiker Walter Scheel rückte sie schlagartig in den Fokus der Öffentlichkeit. Auch wenn ihre persönliche Freiheit durch die offiziellen Verpflichtungen eingeschränkt wurde, führten die konträren Charaktere eine glückliche Ehe, gesegnet mit einer zweiten leiblichen Tochter und einem adoptierten Sohn aus Bolivien. Frau Dr. Mildred Scheel legte großen Wert auf ein harmonisches, "normales" Familienleben; ihre drei Kinder standen für sie immer an erster Stelle. Sie war eine durchsetzungsstarke, lebhafte Frau, die sich den starren Zwängen des Protokolls nicht unterordnen mochte. Von Kritik an ihren Aktivitäten und Ansichten hat sie sich nicht beirren lassen, sie hat ihre eigenen Ziele (den Kampf gegen den Krebs und den Einsatz für die Deutsche Krebshilfe) niemals aus den Augen verloren. Leider hat sie selbst ihren Kampf gegen diese heimtückische Krankheit verloren, sie starb viel zu früh an Darmkrebs, den sie aus Angst um ihr Lebenswerk bis zum letzten Tag verschwiegen hat.

Mir hat diese Lektüre sehr gefallen. In ihrer Romanbiographie bringt Yvonne Winkler ihren Leser*innen nicht nur die mehr oder minder bekannte Person des öffentlichen Lebens, sondern den außergewöhnlichen Menschen Dr. Mildred Scheel nahe. Sie war viel mehr als die attraktive Frau an der Seite des Bundespräsidenten Walter Scheel. Aus diesem Grunde möchte ich eine ausdrückliche Lese-Empfehlung aussprechen.

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