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Veröffentlicht am 02.08.2020

Ungewöhnlicher, aber packender Page Turner

Verschollen in Palma
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INHALT
Drei Jahre ist es her, dass Tim Blancks sechzehnjährige Tochter Emme während einer Partyreise nach Mallorca verschwand. Die Polizei hat den Fall längst abgeschlossen. Doch Tim hat sich geschworen, ...

INHALT
Drei Jahre ist es her, dass Tim Blancks sechzehnjährige Tochter Emme während einer Partyreise nach Mallorca verschwand. Die Polizei hat den Fall längst abgeschlossen. Doch Tim hat sich geschworen, niemals aufzugeben – ein Versprechen, das seine Ehe zerstörte und ihn alle Zelte in Schweden abbrechen ließ. Mittlerweile arbeitet er in Palma als Privatdetektiv. Für einen Auftrag soll er die untreue Ehefrau eines deutschen Millionärs beschatten. Doch schon bald wird ihr Geliebter ermordet aufgefunden, die junge Frau verschwindet spurlos. Tim beginnt auf eigene Faust zu ermitteln und gerät in die üblen Machenschaften von Mallorcas High Society. Hier, im dunklen Herzen des Urlaubsparadieses, zwischen Gier, Korruption und Gewalt, stößt er plötzlich auf eine Spur seiner Tochter. Was ist mit Emme passiert? Ist sie noch am Leben?
(Quelle: Tropen Verlag)

MEINE MEINUNG
"Verschollen in Palma“ ist ein neuer äußerst packender Krimi des schwedischen Erfolgsautors Mons Kallentoft, der diesmal vor der facettenreichen Kulisse der Balearen-Insel Mallorca angesiedelt ist. Er hat keinen Bezug zu den übrigen Krimi-Reihen des Autors und ist als Standalone lesbar.
Auch ohne Co-Autoren ist Kallentoft erneut ein unglaublich fesselnder, intensiver und nervenaufreibender Page Turner gelungen, der alle wichtigen Komponenten für einen hochkarätigen Spannungsroman in sich vereint, und mich neben der temporeichen, komplexen Handlung auch mit der eindringlichen Darstellung seiner Hauptfigur begeistern konnte.
Erzählt wird die Geschichte über die verzweifelte Suche eines Vaters und ehemaligen Polizisten Tim Blanck nach seiner geliebten Teenager-Tochter Emme, die vor 3 Jahren bei einem Urlaub mit zwei Freundinnen auf Mallorca spurlos verschwand. Seither ist Tims Leben völlig aus den Fugen geraten, seine Ehe zerbrochen und nach seinem Umzug nach Mallorca schlägt er sich als Privatdetektiv durch – stets in der Hoffnung, doch noch Hinweise auf den Verbleib seiner Tochter zu erhalten. Bei einem neuen Auftrag stößt Tim dann ganz unerwartet auf eine neue Spur von Emme, und seine Ermittlungen lassen ihn schließlich immer tiefer in eine Welt aus Korruption, grenzenloser Gier und Perversionen hinabgleiten.
Der Auftakt der Geschichte wirkt zunächst etwas verworren und es dauert einige Zeit, bis man sich auf den sprunghaften Erzählstil und mäandrierenden Gedankenfluss der Hauptfigur einlassen kann. Mit seinem unverwechselbaren, dichten und prägnanten Schreibstil nimmt Kallentoft uns mit auf eine äußerst abwechslungsreiche, turbulente und sehr nervenaufreibende Suche auf dem überaus beliebten und vermeintlich schillernden Urlaubsparadies Mallorca. Die allmählichen Einblicke in die Hintergründe um Emmes Verschwinden haben mich unglaublich aufgerüttelt und beschäftigt. Kallentoft hat diese Rückblenden hervorragend mit der eigentlichen Handlung verwoben, so dass sich schon bald enorme Spannung aufbaut und man das Buch kaum aus der Hand legen mag. Äußerst geschickt hat er ein weit verzweigtes Netz an Spuren, Hinweisen und falschen Fährten angelegt, so dass man erst nach und nach die Zusammenhänge erahnen und einige Geschehnisse zuordnen kann. Sehr gelungen hat Kallentoft die verschiedenen Schauplätze und das besondere Flair der Balearen-Insel eingefangen, die deutlich machen, dass der inzwischen dort ansässige Autor die Begebenheiten vor Ort inzwischen gut kennt. Sehr eindrücklich ist auch der Blick des Protagonisten auf die Schattenseiten des Lebens auf der Sonneninsel eingefangen und die erschreckende Abgründigkeit und Dekadenz, die sich hinter den schönen Verlockungen des Urlaubsparadieses verbergen.
Ein besonderes Highlight ist aber die geniale Darstellung des ziemlich eigenwilligen Protagonisten Tim, den wir als vielschichtigen, psychisch angeschlagenen Charakter und gebrochenen Helden erleben. Die dichte Schilderung seiner inneren Dämonen, seine Verzweiflung, Trauer, Schuldgefühle und besessene Getriebenheit sind absolut authentisch eingefangen und gehen unter die Haut. Unmittelbar haben wir Anteil an seinem ewigen Gedankenkarussell, tauchen ein in seine desolates Innenleben und können hautnah seine Selbstvorwürfe und abgrundtiefe Hoffnungslosigkeit spüren, aber auch seine fieberhafte Besessenheit nachvollziehen, sich an jeden Strohhalm zu klammern und mit der Suche nach Emme niemals aufzugeben.
Sehr gut haben mir auch viele der übrigen Neben-Charaktere gefallen, die mit ihren Ecken und Kanten etwas schräg wirken aber insgesamt glaubhaft ausgearbeitet sind.
Nach einigen unvorhersehbaren Wendungen inklusive riskanter Alleingänge gipfelt Tims besessene Suche in einem rasanten, hochdramatischen Finale. Traurig und bewegt möchte man beinahe die sehr realistische Auflösung als Ende der Geschichte akzeptieren, doch der ungewöhnliche Ausklang mit einem abrupten Ende mitten im Satz lässt einen neugierig werden. Tatsächlich ist die Geschichte um Emmes Verschwinden auf Mallorca noch nicht zu Ende erzählt und es wird eine Fortsetzung geben. Ich bin sehr gespannt, wie es weitergehen wird…

FAZIT
Ein ungewöhnlich geschriebener Spannungsroman mit einem gebrochenen Helden und „fiebrigem Sound“– fesselnd, berührend und intensiv. Ein packender Page Turner à la Kallentoft und alles andere als ein seichter Mallorca-Krimi!

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Veröffentlicht am 02.08.2020

Unterhaltsame Zeitreise ins Sylt der Wilden Siebziger

Ozelot und Friesennerz
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INHALT
Die Bundesrepublik gespiegelt auf einer kleinen Insel.
Ein faszinierender Blick hinter die Kulissen von Deutschlands beliebtester Ferieninsel: Sylt - und die Suche nach einer Heimat, die es so nicht ...

INHALT
Die Bundesrepublik gespiegelt auf einer kleinen Insel.
Ein faszinierender Blick hinter die Kulissen von Deutschlands beliebtester Ferieninsel: Sylt - und die Suche nach einer Heimat, die es so nicht mehr gibt
Sonne, Freiheit, Champagner: In den Siebzigerjahren lassen Stars, Politiker und Industriegrößen des Wirtschaftswunderlands, aber auch viele andere Inselurlauber, den Alltag am Strand hinter sich - und findige Sylter Unternehmer legen den Grundstein zu sagenhaftem Reichtum.
(Quelle: Ullstein)

MEINE MEINUNG
In ihrem sehr unterhaltsamen Roman „Ozelot und Friesennerz“ widmet sich die deutsche Journalistin und Schriftstellerin Susanne Matthiessen den Erinnerungen an ihre bewegte Kindheit und Jugend auf Deutschlands beliebtester Ferieninsel Sylt.
Der Schreibstil der Autorin ist angenehm leicht, humorvoll und lebendig, so dass man sich mühelos auf diese Zeitreise der ganz besonderen Art nach Sylt begibt. In acht Kapiteln gewährt sie uns aufschlussreiche Einblicke in nachhaltig prägende Erlebnisse und teilweise sehr witzige Anekdoten aus ihrer außergewöhnlichen Sylter Kindheit während der wilden Siebziger Jahre. Auch wenn die geschilderten Episoden für Außenstehende bisweilen alles andere als „normal“ sondern eher verrückt und skurril wirken, basieren sie dennoch allesamt auf wahren Begebenheiten und waren teilweise für die damaligen Sylter Verhältnisse sehr charakteristisch. Teils humorvoll und teils sehr nachdenklich stimmend ist der facettenreiche Blick hinter die Kulissen, der auch sehr anschaulich die Schattenseiten der unter den Insulanern um sich greifenden Goldgräberstimmung und die Kehrseite des Wohlstands aufzeigt. Alljährlich im Sommer verwandelte sich die beschauliche Inselwelt unter dem gigantischen Ansturm der erholungssuchenden und vergnügungssüchtigen Touristen zum Nabel der Welt und das Leben der Sylter wurde ausnahmslos auf den Tourismus ausgerichtet.
Sehr authentisch und anschaulich bringt die Autorin uns das besondere Flair dieser Insel, das Alltagsleben auf Sylt während der 1970er Jahren und die einzigartige damalige Atmosphäre näher.
Gekonnt zeichnet Susanne Matthiessen das schillernde Portrait einer Insel, die für viele als der Sehnsuchtsort schlechthin galt – ein idyllisches Natur- und Ferienparadies an der Nordsee, ein angesagter Treff für die Haute-Volée, Stars und Sternchen, Politiker sowie den dekadenten Jetset aber auch florierende Hochburg für geschäftstüchtige Investoren.
In den unabhängig voneinander zu lesenden Geschichten kommt auch immer wieder das renomierte elterliche Pelzgeschäft in Westerland mit ihrem Vater Peida als leidenschaftlichem Kürschner, ihrer Mutter Telse als geniales Verkaufsgenie und Oma Ally als sich in alles einmischende Seniorchefin vor, weshalb jedes Kapitel schon im Titel Bezug auf eine besondere Pelzart nimmt, um die sich die geschilderten Ereignisse ranken.
In den Geschichten begegnet uns ein Panoptikum bemerkenswerter Menschen – neben vielen Prominenten lernen wir auch Sylter Unikate, zahlreiche Weggefährten der Autorin und natürlich auch ihre Familie und Verwandten kennen.
So erzählt die Autorin nicht nur eine sehr persönliche Geschichte, sondern lässt uns auch teilhaben an der wundervollen Illusion von grenzenlosem Reichtum und legendärem Wirtschaftswunder, die schließlich in dem gnadenlosen Ausverkauf und den schrittweisen, sehr schmerzlichen Verlust der geliebten Heimat mündete.
Ausgesprochen gut haben mir auch Prolog und Epilog gefallen, die als eine Art Rahmen fungieren, zwischen den ihre unterhaltsamen Sylter-Geschichten eingebettet sind und dem Ganzen noch eine besondere Note verleihen. Hierin wirft die Autorin einen aktuellen und sehr kritischen Blick auf die (Fehl-)Entwicklungen auf ihrer geliebten Insel, übt Kritik an der gegenwärtigen Sylter Lokalpolitik und führt uns den überaus schmerzhaften Verlust ihrer Heimat vor Augen.

FAZIT
Eine gelungene Zusammenstellung von höchst unterhaltsamen, aber auch sehr nachdenklich stimmenden Geschichten über eine „ganz normal verrückte“ Kindheit in den Siebzigern auf der Insel Sylt! Humorvoll, kurzweilig, authentisch, mit einem faszinierend scharfsichtigen Blick hinter die Kulissen! Eine sehr lesenswerte Geschichtsstunde und  aufschlussreiche Zeitreise!

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Veröffentlicht am 01.08.2020

Unterhaltsamer historischer Roman über drei starke Frauen und ihr Kampf um mehr Gleichberechtigung

Unter den Linden 6
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INHALT

Berlin, 1907: Die junge Wissenschaftlerin Lise kommt nach ihrer Promotion an die Friedrich-Wilhelms-Universität Unter den Linden, um bei Max Planck zu forschen. Dass Frauen in Preußen offiziell ...

INHALT

Berlin, 1907: Die junge Wissenschaftlerin Lise kommt nach ihrer Promotion an die Friedrich-Wilhelms-Universität Unter den Linden, um bei Max Planck zu forschen. Dass Frauen in Preußen offiziell noch nicht an Universitäten zugelassen sind, kann sie nicht aufhalten. Schon bald arbeitet sie neben Otto Hahn. Das Schicksal führt sie mit zwei Frauen zusammen: Hedwig musste die Unterschrift ihres Mannes fälschen, um die Uni besuchen zu können – denn ohne die Zustimmung des Ehemannes geht nichts. Anni arbeitet als Dienstmädchen beim berühmten Friedrich Althoff und liest sich heimlich durch dessen Bücherregal. Die drei unterschiedlichen Frauen werden zu engen Verbündeten, die gemeinsam um ihr Glück, die Liebe und das Recht auf Wissen und Bildung kämpfen. Denn die Widerstände in der männlichen dominierten Universitätswelt sind hoch.

Die Figur Lise erinnert an Lise Meitner (1878–1968), eine der bekanntesten Physikerinnen des 20. Jahrhunderts. Sie war die erste deutsche Physik-Professorin und entdeckte die Kernspaltung.

(Quelle: Ullstein)

MEINE MEINUNG

Mit „Unter den Linden 6“ hat die deutsche Autorin Ann-Sophie Kaiser einen unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, in dem sie über drei starke Frauenfiguren von sehr unterschiedlicher sozialer Herkunft in einer Zeit des Umbruchs erzählt, ihrem gemeinsamen Kampf um mehr Bildung und mehr Rechte in der Gesellschaft und und vielfältigen Schwierigkeiten als Frau den eigenen Weg zu gehen.
Die mitreißende Handlung, die in der Zeit zwischen 1907 und 1915 spielt, ist in Berlin vor der Kulisse des bildungspolitischen Wandels in Preußen zu Beginn des 20. Jahrhunderts angesiedelt. Durch den lebendigen und bildhaften Schreibstil der Autorin taucht man rasch in die Handlung und ins Berlin der damaligen Zeit ab, in der eigentliche Rolle der Frau dem ideologischen Bild der „guten deutschen Hausfrau“ entsprach, die viele Kinder bekommen und voll und ganz für ihren Mann da sein sollte. Auch blieben den Frauen in der Kaiserzeit das Wahlrecht und das Recht auf Bildung lange Zeit untersagt. Gekonnt lässt die Autorin viele sorgsam recherchierte, zeitgeschichtliche Details in die Handlung einfließen, wie beispielsweise die Preußische Mädchenschulreform von 1908 und die Errungenschaften der Frauenbewegung in Deutschland.

Sehr anschaulich erzählt die Autorin in ihrer Geschichte über die ersten Studentinnen der Berliner Friedrich-Wilhelm-Universität, die sich ihre Zulassung an die Universitäten hart erkämpfen mussten und viele Demütigungen hinnehmen mussten. Geschickt hat die Autorin die Erlebnisse der historischen Persönlichkeit und berühmten Physikerin Lise Meitner (1878–1968) im Berlin Anfang des letzten Jahrhunderts mit ihren zwei fiktiven Frauenfiguren – der gebildeten Bürgerstochter Hedwig und dem einfachen Dienstmädchen Anni - zu einer abwechslungsreichen und unterhaltsamen Geschichte verwoben. Im Laufe der Handlung, die abwechselnd aus der Perspektiver der drei Frauen Lise, Hedwig und Anni erzählt wird, lernen wir drei sehr unterschiedliche Frauenschicksale und zugleich drei faszinierende Charaktere kennen - mit ihrem Forschergeist, ihrem Wissensdurst und ihrer Entschlossenheit die Welt zu entdecken für damalige Verhältnisse etwas Besonderes. Trotz ihrer unterschiedlichen gesellschaftlichen Stellung erwachsen aus ihrer Zufallsbekanntschaft allmählich ein solidarischer Zusammenhalt und eine freundschaftliche Beziehung.

In zahlreichen Episoden erzählt Ann-Sophie Kaiser einfühlsam und anschaulich von der permanenten Diskriminierung, Ausbeutung aber auch den unzähligen Beschränkungen der Frauen im Lebensalltag in einer von Männern dominierten Welt. Die Autorin hat ihre Charaktere sorgfältig und vielschichtig ausgearbeitet. Alle Figuren sind sehr lebendig mit ihren Stärken und Schwächen dargestellt und wirken authentisch, so dass man ihre Handlungen gut nachvollziehen kann und ihre Entwicklung mit Interesse und Anteilnahme verfolgt. Insbesondere die Darstellung der historischen Figur der promovierten Physikerin Lise Meitner, die als "deutsche Marie Curie" in die Geschichte einging, aber auch die informativen Erläuterungen ihrer Grundlagenforschung im Bereich der Kernphysik und Strahlenforschung sowie zu ihrer Arbeit an Seite ihres Forschungspartners Otto Hahn haben mir hervorragend gefallen. Die Einblicke in die vielen herabwürdigenden Benachteiligungen und Demütigungen, die die Ausnahmewissenschaftlerin trotz ihrer großen fachlichen Kompetenz erdulden musste, sind äußerst aufschlussreich und zudem größtenteils historisch verbürgt.

Weniger gut haben mir einige Entwicklungen im zweiten Teil des Romans gefallen, der auf mich insgesamt weniger informativ und zeitweise etwas langatmig wirkte. Hier hätte ich mir den Fokus der Geschichte noch mehr auf den Aktivitäten und Einflüssen der deutschen Frauenbewegung gewünscht.

Abschließend erläutert Ann-Sophie Kaiser in ihrem Nachwort „Drei starke Frauen zwischen Historie und Fiktion“ sehr ausführlich, was in ihrem Roman auf wahren Begebenheiten und Fakten beruht und was fiktionalen Ursprungs ist. Auch viele weitere interessante historische Hintergrundinformationen z.B. zum damaligen Kampf um Bildung und die Berliner Frauenbewegung. Zeigen deutlich, wie viel Rechercheleistung in dem Roman steckt. Zudem umreißt die Autorin die Biographie Lise Meitners und gibt einen kurzen Einblick in ihren weiteren Lebensweg, denn das wechselvolle Leben dieser herausragenden Physikerin des 20. Jahrhunderts zeigt exemplarisch die Benachteiligung von Frauen in Wissenschaft und Forschung auf – eine adäquate Anerkennung ihrer wissenschaftlichen Leistungen zu Lebzeiten und die wohlverdiente höchste Würdigung für die Entdeckung der Kernspaltung blieben ihr verwehrt!

FAZIT

Ein interessanter historischer Roman über die junge Physikerin Lise Meitner in Berlin, die Geschichte der heutigen Humboldt-Universität und den Kampf der Frauen um ihr Recht auf Bildung und um mehr Gleichberechtigung - sehr informativ, abwechslungsreich und unterhaltsam geschrieben!

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Veröffentlicht am 31.07.2020

Ergreifende Familiengeschichte

Nebelkinder
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INHALT
München, 1945:
Zusammen mit ihrer Mutter Käthe ist Ana aus Breslau geflohen. Käthe ist traumatisiert, und so ist es an Ana, für ihre Familie zu sorgen. Als sie ihre eigene Familie gründet, scheint ...

INHALT
München, 1945:
Zusammen mit ihrer Mutter Käthe ist Ana aus Breslau geflohen. Käthe ist traumatisiert, und so ist es an Ana, für ihre Familie zu sorgen. Als sie ihre eigene Familie gründet, scheint der Krieg verwunden, doch ihre Tochter Lilith bleibt ihr seltsam fremd. Viele Jahre später steht Lilith vor einer großen Entscheidung: Ausgerechnet sie, die doch immer unter ihrer distanzierten Mutter gelitten hat, soll den Sohn ihrer besten Freundin bei sich aufnehmen. Da fährt Ana mit ihr nach Breslau und erzählt ihr endlich, was damals wirklich geschehen ist.

(Quelle: Ullstein)

MEINE MEINUNG

Mit ihrem neuen Buch „Nebelkinder“ ist der deutschen Autorin Stefanie Gregg aus Ottobrunn ein sehr eindringlicher historischer Roman und ein bewegender Familienroman gelungen, der von der eigenen Familiengeschichte der Autorin inspiriert wurde und ihr ganz besonders am Herzen liegt. Ihre berührende Geschichte umspannt drei Generationen -beginnend mit der Vorkriegszeit in Breslau, über die Flucht nach Bayern, die Nachkriegszeit in München und bis schließlich in die Gegenwart.
In ihrem Roman beschäftigt sich die Autorin mit dem faszinierenden wie traurigen Themengebiet der „Nebelkinder“, wie die Enkel der Kriegsgeneration in der modernen Psychologie bezeichnet werden. Jene Generation, die gar nicht unmittelbar den Zweiten Weltkrieg und die vielfältigen Traumata miterlebt hat, aber deren Leben dennoch bewusst oder zumeist unbewusst von den grauenvollen Erlebnissen der Kriegsgeneration sowie ihrer Eltern, den Kriegskindern, bis heute beeinflusst wird und die im Nebel des Verdrängten, Verschwiegenen und Nichterzählten gefangen ist. Im Anhang ihres Romans geht die Autorin nochmals detaillierter auf diese Thematik ein.

Sehr anschaulich und nachvollziehbar hat Gregg viele dieser Aspekte in ihre lebendig erzählte Geschichte eingearbeitet und führt uns eindrücklich die vielfältigen Auswirkungen auf die Nebelkinder vor Augen, die sie daran hindern mit ihrem Leben zurechtzukommen. Beim Lesen merkt man deutlich, wie stark die schicksalhaften Lebenswege ihrer drei Frauenfiguren über die Generationen hinweg miteinander verbunden sind, verstrickt in der unheilvollen Vergangenheit und stets umwölkt von unverarbeiteten und weitergegebenen Traumata. Erst allmählich setzt sich aus den vielen Puzzlesteinchen ein Gesamtbild zusammen und man erkennt schließlich das erschütternde Ausmaß, das ihr aller Leben beeinflusst.

Greg erzählt die bewegende Geschichte von drei Frauen, drei Töchtern, einem schrecklichen, folgenreichen Krieg und ihrem gemeinsamen Schicksal – und zugleich eine tragische Familiengeschichte, die sich in der einen oder anderen Form vielfach ereignet hat und noch heute zahlreiche Familien betrifft. Es dauerte nicht lange bis mich die Geschichte, die in mehreren Handlungssträngen und auf verschiedenen Zeitebenen angelegt ist, völlig ihren Bann zog.

Aus den wechselnden Perspektiven der drei Hauptfiguren Käthe, ihrer Tochter Anastasia und Enkelin Lilith tauchen wir ein in die Geschehnisse aus der Vergangenheit. Schrittweise erfahren im Handlungsstrang der Gegenwart auch viel über die schwierige Beziehung zwischen Ana und ihrer Tochter Lilith und ihren Bemühungen, während ihrer Reise in Anas Heimat Licht in die Vergangenheit zu bringen und endlich die Schatten hinter sich zu lassen.

Die einfühlsame, detailreiche Figurenzeichnung der verschiedenen Figuren bis hin zu den verschiedenen Nebenfiguren ist der Autorin gut gelungen. Sie werden sehr lebensecht mit all ihren Charaktereigenschaften beschrieben und auch ihre Entwicklung angesichts ihrer Erlebnisse wirkt glaubhaft und wirklichkeitsnah. Ob nun die stolze Käthe aus feinem Breslauer Hause, die ihren schönen Ludwig unter großen Opfern heiratet und ihn bald schon an den Krieg verliert, ihre verhängnisvolle strapaziöse Flucht mit ihren zwei Töchtern Ana und Leni vor der russischen Armee in einem der letzten Züge ins Reich, die sie für immer zerbrechen ließ. Oder ihre Tochter Anastasia, die mit knapp 13 Jahren die Rolle der Mutter übernehmen, ihre Emotionen unterdrückt und stets funktionieren muss, so dass sie vor lauter Verantwortungsgefühl ihre eigenen Wünsche und Träume auf der Strecke bleiben. Oder schließlich Anas Tochter Lilith, die unter der Distanziertheit ihrer Mutter gelitten hat und sich stets ungeliebt fühlte – sie alle haben unter den Folgen der im Krieg erlittenen Traumata zu leiden.

Schade finde ich nur, dass zeitweise einige bedeutsame Nebenfiguren vor allem Käthes Schwester Selma aus der Handlung ausgeblendet wurden, so dass man ihr Schicksal und ihren Einfluss auf die Hauptfiguren nicht mitverfolgen konnte. Dies ist wohl der Tatsache geschuldet, dass die Autorin eine Fortsetzung ihres Romans plant, in der weitere Figuren in den Mittelpunkt rücken werden.
In einem Nachwort die Autorin schließlich noch eingehender auf ihre Familiengeschichte ein und erläutert, was in ihrem Roman Fakt und Fiktion ist.

FAZIT

Ein bewegender Roman zu einem wichtigen Thema, eine mitreißende Familiengeschichte und ein schockierendes Zeitdokument! Sehr lesenswert!

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Veröffentlicht am 28.07.2020

Fesselnder, sehr beklemmender Krimi

Ich bin dein Tod (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi 9)
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INHALT
Ich bin dein Tod. Mich hast du verdient.

Ein Mörder schickt seinen Opfern Nachrichten, bevor er sie tötet. Die Suche nach ihm wird für Kommissar Dühnfort zur besonderen Herausforderung. Er hat ...

INHALT
Ich bin dein Tod. Mich hast du verdient.

Ein Mörder schickt seinen Opfern Nachrichten, bevor er sie tötet. Die Suche nach ihm wird für Kommissar Dühnfort zur besonderen Herausforderung. Er hat gerade seine neue Stelle in der Abteilung Operative Fallanalyse angetreten und muss sich bewähren. Als das Team der Profiler im Laufe mehrerer Wochen zu verschiedenen Tatorten gerufen wird, erkennt er als Erster den Zusammenhang. Doch sein Vorgesetzter glaubt nicht an einen Serienmörder. Ein fataler Fehler.
(Quelle: Ullstein – Erscheinungsdatum: 29.06.2020 – ISBN: 978-3-548-29096-6)


MEINE MEINUNG
Der spannende Krimi „Ich bin dein Tod“ von Inge Löhnig ist bereits der neunte Band ihrer Krimi-Reihe um den sympathischen Münchener Kommissar Konstantin Dühnfort, der nach Ende der Elternzeit eine neue Stelle in der Abteilung Operative Fallanalyse angetreten hat und sich erst noch in seine Aufgabe als Profiler und die Zusammenarbeit mit den neuen Kollegen einfinden muss.
Als in sich abgeschlossener Fall kann dieser Krimi aber auch ohne Vorkenntnisse aus den vorangehenden Bänden problemlos gelesen werden.
Gleich sein erster Fall mit seinem Profiling-Team stellt für Tino eine große Herausforderung und Bewährungsprobe dar. Er erkennt als Erster Parallelen zu anderen Fällen in Bayern, die auf einen Serienmörder hindeuten, doch erhält er zunächst keine Unterstützung aus seiner neuen Abteilung. So begleiten wir Tino bei den Ermittlungen zu den mysteriösen Mordfällen, bei denen ihm als Profiler immer wieder die Hände gebunden sind, und rätseln über die Hintergründe für die geheimnisvollen Botschaften und das Motiv für die Taten.
Dank Löhnigs fesselnden und abwechslungsreichen Erzählstils findet man sehr schnell in die Handlung hinein, die sehr komplex und mit großer psychologischer Raffinesse angelegt ist.
Für ihren neuesten Kriminalroman hat die Autorin eine interessante, hochaktuelle Hintergrundgeschichte gewählt, die sich mit der beklemmenden und wenig bekannten Problematik von Loverboys und ihren Opfer befasst. Die hierzu recherchierten Hintergründe hat Ilse Löhnig sehr nachdrücklich und authentisch in den packenden Fall eingearbeitet. In eingeschobenen Passagen aus einem Videotagebuch erhalten wir schrittweise Einblicke in das tragische Schicksal der jungen Lea mit schockierenden Details, die äußerst eindringlich geschildert sind und unter die Haut gehen. Auch die eingestreuten Kapitel, die uns sehr unmittelbar an der Gedankenwelt und den zunehmend nachvollziehbaren Beweggründen des Täters teilhaben lassen, sind fesselnd und lassen neben großer Abscheu angesichts der großenBrutalität seiner Taten auch gewisse Sympathien für ihn aufkommen. Auch wenn man durch die unterschiedlichen Perspektiven den Ermittlungen der Polizei stets einen Schritt voraus ist, versteht es Löhing hervorragend, den Spannungsbogen durch die clevere, mitreißende Handlungsführung, vielen falschen Fährten und unerwarteten Wendungen kontinuierlich zu steigern. Immer tiefer taucht man in die verhängnisvolle Geschichte ab und verfolgt gespannt die sich zuspitzenden Ereignisse.
Durchweg facettenreich und lebensnah sind die Charaktere in diesem Krimi gezeichnet. Mit ihren Ecken und Kanten sowie Einblicken in ihre Gefühls- und Gedankenwelt wirken sie sehr authentisch und glaubwürdig. Sehr interessant ist es vor allem mitzuerleben, wie sich Dühnfort als sympathischer und charismatischer Protagonist in seinem neuen Job als Profiler und in das Team einzufügen versucht, aber auch mit zunehmender Frustration gegen Missgunst, Kompetenzgerangel und verordneter Untätigkeit ankämpfen muss.
Auch die ausführlichen Einblicke in Tinos Privatleben und sein kleines Familienglück mit Gina und ihrer kleinen, behinderten Tochter Chiara und ihre alltäglichen Sorgen und Nöten, fügen sich hervorragend in die Krimihandlung ein und sorgen für Abwechslung. Sehr feinfühlig thematisiert die Autorin ganz nebenbei die vielfältigen Probleme und alltäglichen Anfeindungen von Menschen mit geistigen Behinderungen.
Die Auflösung und Hintergründe des beklemmenden Falles sind in sich schlüssig und nachvollziehbar dargelegt.
Mit „Ich bin dein Tod“ ist Inge Löhnig erneut eine aufwühlende und sehr nachdenklich stimmende Geschichte gelungen, die einen mit seinen eindringlichen Szenen noch länger beschäftigt!

FAZIT
Ein fesselnder Krimi, der ohne rasante Action auskommt – beklemmend, wirklichkeitsnah und clever konstruiert!

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