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Veröffentlicht am 15.11.2020

Super frisch, (super) schnell und super lecker

Super fresh
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MEINE MEINUNG
Mit ihrem jüngsten, bei Gräfe & Unzer erschienenen Kochbuch „Super fresh“ präsentiert uns Australiens führende Kochbuch- und Bestseller-Autorin Donna Hay ihre neuesten Kreationen rund um ...

MEINE MEINUNG
Mit ihrem jüngsten, bei Gräfe & Unzer erschienenen Kochbuch „Super fresh“ präsentiert uns Australiens führende Kochbuch- und Bestseller-Autorin Donna Hay ihre neuesten Kreationen rund um ihr Motto „Simple made special“. Einfachheit kombiniert mit dem gewissen Extra - das klingt wirklich verlockend! Wie der Untertitel „Schnelle und frische Gerichte für jeden Tag“ bereits andeutet, steht Donna Hay für eine gesunde Küche also mit nahrhaften, köstlichen Mahlzeiten steht, die sich schnell und unkompliziert aus einfachen Zutaten zubereiten lassen. Als berufstätige Mutter von zwei Teenagern scheint sich die „Queen of Simple“ auf leckere, alltagstaugliche und stresserprobte Rezepte zu verstehen und möchte uns dabei helfen, gesunden Lifestyle ganz einfach in den hektischen Alltag zu integrieren.
Ein kurzer Blick in das sehr stylisch und eher unkonventionell aufgemachte Buch mit den perfekt fotografierten und äußerst appetitlich präsentierten Gerichten zeigt, dass wir es hier mit einem ungewöhnlichen Kochbuch zu tun haben. Die originellen Kapitel-Überschriften wie „einfach ausgetauscht“, „die big bowl“ oder „quick fix“, machen sehr neugierig auf die hier in Szene gesetzten Themengebiete, die tollen, sich dahinter verbergenden Rezepte und köstlichen Inspirationen. Obwohl viele der Rezepte sicherlich nichts Neues sind, verleihen einige echt innovative Abwandlungen dem Gericht oft das gewisse Etwas. Gut gefallen haben mir auch die vielen asiatischen und mediterranen Einflüsse von Hays Küche, in der neben der Einfachheit stets auch auf eine ausgewogene und gesunde Ernährung geachtet wird.
Eine strikte, traditionelle Sortierung nach Vorspeisen, Hauptgerichten und Süßspeisen bzw. Kuchen sucht man hier vergeblich, so dass man die Gliederung beim ersten Stöbern als etwas unübersichtlich empfindet. Für die Auswahl der Gerichte sollte man sich definitiv etwas Zeit nehmen – bekommt beim Durchblättern aber schnell Lust darauf, sich in die Küche zu begeben, um sofort loszulegen und viele der sehr raffinierte Rezepte auszuprobieren.
Zum schnelleren Auffinden der Rezepte ist am Ende auch ein ausführliches Register angehängt.
Unter den köstlichen Rezepten findet man jede Menge Anregungen für leckere, unkomplizierte Mahlzeiten bis hin zu kreativen und etwas anspruchsvolleren Gerichten.
Ob nun “Supergrüner gebackener Risotto” aus dem Kapitel AUS PFANNE UND OFEN, “Spinat-Souffle-Omlette” unter RUCK-ZUCK-DINNER, die drei Lasagne-Variationen unter EINFACH AUSGETAUSCHT, die Spaghetti-Kürbis-Bowl mit Halloumi-Croutons bei DIE BIG BOWLS oder den Schoko-Fudge-Kuchen unter SÜSSES - die Auswahl ist wirklich sehr kreativ, unglaublich vielseitig und absolut ansprechend, so dass wirklich für jeden Geschmack etwas dabei sein sollte. Auch Vegetarier werden hier einige interessante, fleischlose Gerichten finden, die allerdings nicht speziell gekennzeichnet sind.
Großes Know-how ist für die Zubereitung der Gerichte nicht erforderlich. Die meisten Zutaten hat man als Grundausstattung schon zuhause im Vorratsschrank, es werden allerdings auch viele exotische Zutaten verwendet, die man bei uns sicherlich nicht so einfach besorgen kann.
Alle von mir ausprobierten Rezepte ließen sich problemlos zubereiten; die zubereiteten Wohlfühlgerichte waren äußerst schmackhaft, originell und haben mich wirklich begeistert. Einige darunter waren allerdings nicht ganz so unkompliziert und schnell in der Zubereitung wie versprochen, aber entschädigt wird man hierfür mit einer gesunden, nahrhaften, leckeren und absolut kreativen Bereicherung des Speiseplans.
Der Rezeptteil ist mit hochwertigen, Appetit-anregenden und wirklich aussehenden Fotos äußerst ansprechend aufgemacht. Auch wenn man sich an die weiße Schrift auf dem fast durchgängig grau-schwarzen Hintergrund erst gewöhnen muss – das Styling und Layout mit unterschiedlichen Schrifttypen ist innovativ und definitiv etwas anders. Die Rezepte sind in der Regel für 2 oder 4 Personen ausgelegt, allerdings fehlen die Angaben zu Zubereitungszeit, Nährstoffzusammensetzung und die Kalorienzahl pro Portion, was bei einigen sehr üppigen Gerichten insbesondere bei den köstlichen, „fast“ gesunden Desserts sicher auch von Vorteil ist. Die einzelnen Zubereitungsschritte sind zwar recht knapp, aber verständlich und nachvollziehbar erklärt. Leider wirkt die Gliederung etwas unübersichtlich, so dass man beim Kochen aufpassen muss, nicht etwas zu überlesen.
Bei der sehr ansprechenden Aufmachung und einfach spektakulären Bebilderung der tollen Gerichte nimmt man dieses Kochbuch nicht nur zum Nachkochen, sondern auch gerne einfach nur zum Stöbern in die Hand.

FAZIT
Ein geniales Kochbuch mit Feelgood Food für jeden Tag, in dem es jede Menge Inspirationen zu entdecken gibt und das eine bunte Vielfalt an schnellen, innovativen und gesunden Rezepten für jede Lebenslage bietet.

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  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.11.2020

Unterhaltsame Fortsetzung und kenntnisreiches Sittengemälde

Fräulein Gold: Scheunenkinder
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INHALT
1923: Die Berliner Hebamme Hulda Gold wird zu einer Geburt ins Scheunenviertel nach Mitte gerufen. Obwohl die jüdische Familie dort nach ihren ganz eigenen, strengen Regeln lebt, gewinnt Hulda ...

INHALT
1923: Die Berliner Hebamme Hulda Gold wird zu einer Geburt ins Scheunenviertel nach Mitte gerufen. Obwohl die jüdische Familie dort nach ihren ganz eigenen, strengen Regeln lebt, gewinnt Hulda das Vertrauen der jungen Mutter. Und als das Neugeborene nach wenigen Tagen verschwindet, wird sie unvermittelt in die rätselhafte Suche nach ihm verstrickt. Wie kann ein Kind in dieser engen Gemeinschaft einfach so verlorengehen? Je hartnäckiger Hulda den Spuren folgt, desto stärker stößt sie auf Widerstand, denn die Bewohner des Viertels haben ihre gut gehüteten Geheimnisse.
Bald zeigt sich, dass die Berliner Polizei zur gleichen Zeit nach Kinderhändlern fahndet, und Hulda ahnt einen Zusammenhang. Kann Kommissar Karl North ihr helfen, das Neugeborene zu finden? Doch dann entlädt sich im Scheunenviertel der Judenhass in einem Pogrom, und Hulda selbst gerät in höchste Gefahr.
(Quelle: Rowohlt)
MEINE MEINUNG
Nach dem gelungenen Auftakt der großartigen historischen Roman-Trilogie rund um die Berliner Hebamme Hulda Gold hat die deutsche Autorin Anne Stern mit „Fräulein Gold-Scheunenkinder“ einen nicht weniger faszinierenden zweiten Teil vorgelegt. Diese spannende und lehrreiche historische Saga, die vor der schillernd ambivalenten Kulisse der 1920er Jahre in Berlin angesiedelt ist, hat mich wieder von Beginn an in ihren Bann gezogen.
Auch wenn es diesmal keinen richtigen Kriminalfall gibt, bei dem Hulda und ihr Freund Kommissar Karl North gemeinsam ermitteln, konnte mich die Autorin mit dem hervorragend recherchierten, zeitgeschichtlichen Hintergrund und ihrer dichten Milieuzeichnung sehr fesseln. Sehr facettenreich kreist die Geschichte um die Thematik Verschwinden und Vergessen und so ist es auch an Hulda sich mit ihrer eigenen Familiengeschichte und ihren jüdischen Wurzeln auseinanderzusetzen.
Die unterhaltsame wie fesselnde Geschichte um die aufgeweckte, selbstbewusste Hauptfigur Hulda Gold, deren Arbeit als Hebamme sie diesmal ins ärmliche Berliner Scheunenviertel führt, hat mir erneut sehr gut gefallen. Das spurlose Verschwinden des von ihr entbundenen Neugeborenen lässt Hulda keine Ruhe und so beginnt sie, eigene Nachforschungen anzustellen. Die streng geheimen Ermittlungen ihres Freunds Kommissar North scheinen sich um skrupellose Kindermakler zu drehen, denen das Verschwinden und die Ermordung zahlreicher Kinder zur Last gelegt wird.
Dank des lebendigen, sehr bildhaften Schreibstils fällt es nicht schwer, in die historische Vergangenheit des für Deutschland sehr dunklen Jahres 1923 einzutauchen. Gekonnt entführt uns Stern in die damalige Hauptstadt der Weimarer Republik Berlin, die sich gerade auf dem Höhepunkt der Inflation in einer gewaltigen Krise befindet. Allgegenwärtig sind die Auswirkungen des gnadenlosen Wertverfalls des Gelds sichtbar, eine aufgeheizte Stimmung herrscht in der Bevölkerung angesichts der Wucherpreise, Mangelversorgung, der immer weiter um sich greifenden Not, bitterer Armut und beständigem Hunger nicht nur bei den armen Leuten.
Stern vermittelt insgesamt ein sehr stimmiges, authentisches und recht düsteres Bild der damaligen Zeit. Atmosphärisch dicht portraitiert Stern das bedrückende Alltagsleben in all seinen Facetten, lässt uns hautnah am Schicksal der Bevölkerung teilhaben und gibt uns darüber hinaus erschreckende Einblicke in die um sich greifende radikale Stimmung, die als Sündenbock die Juden verantwortlich macht. So haben wir unmittelbar Anteil an einem historisch verbürgten Ereignis, das sich im November 1923 im Scheunenviertel ereignete - dem gewalttätigen Pogrom gegen die Ost-Juden dieses Elendsviertels, angezettelt von der rechten Völkischen, unterstützt von Teilen der Polizei sowie von der damaligen Pressen bagatellisiert und verfälscht dargestellt. Sehr eingehend hat Stern auch die chaotischen Zustände im damaligen Berliner Scheunenviertel recherchiert und äußerst lebendig und anschaulich mit ihrer Handlung verwoben. In ihrem ausführlichen Nachwort geht die Autorin auf die bewegte Geschichte des heute weitgehend in Vergessenheit geratenen Scheunenviertels ein. Faszinierend ist insbesondere das bunte Gemisch der unterschiedlichsten, nebeneinander lebenden Kulturen, unter anderem war das Scheunenviertel auch ein Refugium der Ost-Juden, und einzigartig ihr ausgeprägter Gemeinschaftssinn.
Huldas Ermittlungen führen uns zu den abgründigen Seiten der Gesellschaft, dorthin wo Elend, Armut, Prostitution, Alkoholismus und Verbrechen allgegenwärtig sind. Nach einigen unvorhersehbaren Wendungen kommt die Auflösung des Falls fast schon etwas zu unspektakulär daher.
Die Geschichte lebt neben der lebendig eingefangenen, zeitgeschichtlichen Kulisse vor allem von seinen vielschichtig angelegten Figuren. Die verschiedenen Charaktere sind allesamt detailliert und liebevoll ausgearbeitet, so dass sie sehr lebensnah wirken. Hervorragend gefallen hat mir vor allem die sympathische, clevere und selbstbewusste Hulda, die als ledige, berufstätige Hebamme und mit ihren fortschrittlichen Einstellungen ihrer Zeit weit voraus ist. Sie ist eine sehr mitfühlende, hilfsbereite Frau, die sich nicht nur für ihre Freunde einsetzt, sich durchzusetzen weiß und aber sich auch so manches Mal in Schwierigkeiten bringt.
Ihr Freund Kommissar Karl North bleibt weiterhin eine recht rätselhafte und unnahbare Figur. Ein schwieriger Charakter, der oft mit seiner Herkunft und Vergangenheit hadert, aber durchaus sympathisch mit seine Ecken und Kanten ist. Die Beziehung zwischen den beiden hat sich zwar intensiviert, doch gleichen ihre Begegnungen einer emotionalen Achterbahnfahrt mit ungewissem Ausgang. Auch die vielen Nebenfiguren angefangen von Huldas guten Freund Bert, dem liebenswerten Zeitungsverkäufer vom Winterfeldtplatz in Schöneberg über Huldas neugierige, aber erstaunlich patente Vermieterin bis hin zur faszinierenden Apothekerin Jette Langhans – sie alle sind sehr warmherzig und facettenreich ausgearbeitet sind, so dass man sie bald in sein Herz schließt und sich schon auf ein baldiges Wiedersehen freut.
FAZIT
Eine gelungene Fortsetzung der neuen Hebammen-Saga mit einer historisch fundiertem Hintergrund, atmosphärisch dichtem Berliner Lokalkolorit und lebendigen, sympathischen Charakteren!
Eine fesselnde Zeitreise ins Berlin der 1920ger Jahre und lehrreiche Geschichtsstunde!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.11.2020

Fesselnder, tiefgründiger Krimi

Helvetia 1949
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INHALT

Chur im Visier des Bösen
Chur 1949: Während der Festlichkeiten des Eidgenössischen Schützenfestes wird der Stadtpräsident erschossen aufgefunden. Neben ihm liegt die Leiche der besten Schützin ...

INHALT

Chur im Visier des Bösen
Chur 1949: Während der Festlichkeiten des Eidgenössischen Schützenfestes wird der Stadtpräsident erschossen aufgefunden. Neben ihm liegt die Leiche der besten Schützin der Schweiz. Alles deutet darauf hin, dass sie die Täterin ist, die sich danach selbst gerichtet hat. Doch die Spur führt Landjäger Caminada in die Schlucht am Stadtrand, ins ominöse Quartier Täli, für dessen Bewohner andere Gesetze zu gelten scheinen. Zwischen Altstoffhändlern, Gastarbeitern und Trödlern entdeckt er in einem verruchten Tanzlokal Hinweise, die ihn erschaudern lassen. Dann wird eine weitere Tote im Bergwald der Schlucht gefunden ...

(Quelle: Emons)

MEINE MEINUNG

Der zeitgeschichtliche Kriminalroman „Helvetia“ vom Schweizer Autoren Philipp Gurt ist bereits der zweite Band der Krimi-Reihe rund um die interessante Hauptfigur Landjäger Walter Caminada und seinen jungen Kollegen Erkennungsfunktionär Marugg. Erneut ist Gurt ein äußerst fesselnder Krimi gelungen, der nicht nur durch die spannenden Ermittlungen sondern auch durch die starken Charaktere zu überzeugen vermag.

Angesiedelt ist die packende Handlung, in der es gleich um mehrere aufsehenerregende und rätselhafte Kapitalverbrechen geht, in der Bündner Metropole Chur während des Eidgenössischen Schützenfestes im Jahre 1949.

Schon der Auftakt mit dem schockierenden Prolog, in dem der Leser hautnah Zeuge des kaltblütigen und dramatischen Mordes an einer jungen Frau wird, lässt rasch Spannung aufkommen. Der sehr bildhafte und lebendige Schreibstil des Autors liest sich sehr angenehm. Aufgrund der vielen Schwyzerdütschen Ausdrücke und Redewendungen und der oftmals im Dialekt geführten Dialoge dauerte es anfangs etwas, mich in die Geschichte hineinzufinden, dann wurde ich aber vollkommen von dem besonderen Charme der Sprache und dem authentischen Flair gefangengenommen.

Gekonnt lässt der Autor den Leser ins Graubünden der Nachkriegszeit eintauchen und sorgt mit seinen bildhaften Beschreibungen für ein interessantes Lokalkolorit. Sehr eindrucksvoll portraitiert er die Stadt Chur an der Plessur mit den verschiedenen Schauplätzen und seinem Quartier Täli, in dem ganz eigene Gesetzmäßigkeiten herrschen. Der hervorragend eingefangene Zeitgeist und das interessante Gesellschaftsportrait sind anschaulich in die Handlung eingebunden, so dass man ein stimmiges, authentisches Bild der damaligen Zustände vor Augen hat. Insbesondere die lebendigen und sehr stimmigen Schilderungen zur mühseligen Ermittlungsarbeit der Landfeldjäger und die Anfänge der kriminaltechnischen Ermittlungen und der damals noch sehr rückständigen Ausstattung der Polizei, bei der Einsatzfahrzeuge, Telefone oder Schreibmaschinen noch nicht verbreitet waren, konnten mich begeistern. Kaum zu glauben, dass Fingerabdrücke damals erst als Beweismittel zugelassen wurden und ihnen mit großer Skepsis begegnet wurde.

Trotz der zunächst recht ruhig verlaufenden Kriminal-Ermittlungen gelingt es Gurt hervorragend, einen subtilen Spannungsbogen aufzubauen, der zum Ende hin immer mehr gespannt wird. Der Autor hält einige überraschende Wendungen und unvorhersehbare Verwicklungen für uns bereit, so dass man gebannt der Aufklärung der Mordfälle entgegensieht.

Philipp Gurt versteht es, seine Hauptfiguren Caminada und Marugg sehr facettenreich, individuell und lebensnah zu zeichnen. Auch ohne den Vorgängerband zu kennen, wird man recht schnell mit den Charakteren vertraut. Mit den Hintergrundgeschichten und ihrer faszinierenden Persönlichkeit mit so manchen Ecken und Kanten wirken sie sehr authentisch und lebendig, so dass man sehr schnell ein Bild von ihnen vor Augen hat. Auch die übrigen Nabenfiguren sind entsprechend ihrer Rollen sehr glaubwürdig und interessant angelegt. Insbesondere die zwielichtigen Figuren konnten mich mit ihrer sehr differenzierten Ausarbeitung überzeugen. Ein absolutes Highlight ist für mich die ambivalente und tiefgründige Figur des Diakon Anselmo Veranzze, dessen tragischer Lebensweg mich sehr berührt hat. Sein religiöser Fanatismus, seine zunehmende geistige Umnachtung – das alles geht unter die Haut und ist unglaublich eindringlich geschildert.

Ich würde mich sehr freuen, wenn es bald einen neuen spannenden Fall für Landjäger Caminada und seinen Kollegen Marugg im Chur der Nachkriegszeit gäbe.


FAZIT
Ein tiefgründiger, überaus spannender Kriminalroman vor dem fesselnden zeitgeschichtlichen Hintergrund der Churer Nachkriegszeit - mit einem fesselnden Fall, stimmig eingefangenem Lokalkolorit und überzeugenden Charakteren!

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Veröffentlicht am 14.11.2020

Fesselnder, brandaktueller Fall für Privatermittler Dengler

Kreuzberg Blues
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INHALT
Georg Dengler fühlt sich in Stuttgart so wohl wie schon lange nicht mehr, und auch mit Olga läuft es besser denn je. Trotz der aufziehenden Corona-Pandemie lässt er sich von ihr überreden, in Berlin ...

INHALT
Georg Dengler fühlt sich in Stuttgart so wohl wie schon lange nicht mehr, und auch mit Olga läuft es besser denn je. Trotz der aufziehenden Corona-Pandemie lässt er sich von ihr überreden, in Berlin zu ermitteln. Der Immobilienhai Sebastian Kröger scheint seine Mieter mit kriminellen Methoden rauszuekeln. Doch Dengler muss erkennen, dass die Sache größer ist, viel größer. Das gibt es nirgendwo sonst auf der Welt: In einem Radius von wenigen hundert Metern vereinen sich in Kreuzberg Plattenbauten, schicke Townhouses, die türkische Community und der Schwarze Block. Ausgerechnet hier will der Bauunternehmer Kröger zwei Häuser »entmieten«, den danebenstehenden Kindergarten abreißen und ein neues Townhouse bauen. Dazu ist ihm jedes Mittel recht. Die Mieter*innen wehren sich. Eine von ihnen bittet ihre Freundin Olga um Hilfe. Plötzlich stehen sie und Georg Dengler mitten im modernen Berliner Häuserkampf um das Recht auf Wohnen. Dann fällt ein Spekulant vom Dach eines der umkämpften Häuser – und die Lage eskaliert.
(Quelle: KiWi)
MEINE MEINUNG
Mit seinem neusten Krimi „Kreuzberg Blues“ lässt der deutsche Krimi-Autor Wolfgang Schorlau seinen toughen Stuttgarter Privatermittler und Ex-BKA-Fahnder Georg Dengler bei seinem bereits 10. Fall antreten, der ihn diesmal mit seiner cleveren Freundin Olga nach Berlin verschlägt.
Bekannt für seine scharfsinnigen, politischen Krimis hat Wolfgang Schorlau seinen brisanten Fall in der gewissenlosen, geldgierigen Immobilienbranche angesiedelt. Hierin widmet er sich der erschreckenden Verflechtung von Finanzindustrie und Immobilienwirtschaft sowie den rüden Methoden ihrer Handlager. In Zeiten des immer knapper werdenden Wohnraumes in deutschen Großstädten boomt das lukrative Geschäft mit kostbarem Wohnraum mehr denn je. Kein Wunder, dass in den letzten Jahren mächtige Immobilienkonzerne entstanden sind, die nun Hunderttausende von Wohnungen mit dem Ziel der Gewinnmaximierung verwalten und die Objekte nach Luxusrenovierungen deutlich über dem Marktpreis anbieten – darunter ehemals bezahlbarer Wohnraum, der einst als Sozialwohnungen in öffentlicher Hand war. Sehr vielschichtig hat Schorlau die sorgsam recherchierten Hintergründe zu einer packenden Story verwoben. Äußerst anschaulich führt er uns die skrupellose Vorgehensweise der Entmieter vor Augen, die neben Einschüchterung und Drangsalierung auch vor kriminellen Machenschaften nicht haltmachen, um unliebsame Mieter aus den Wohnungen herauszubekommen. Zugleich gibt uns auch Einblicke ins das Leben der Betroffenen und ihre verzweifelten Versuche sich zur Wehr zu setzen.
Schorlaus sehr lebendiger Schreibstil und die sehr filmische Umsetzung lassen uns schnell in die spannende Handlung eintauchen. Es gelingt ihm mit seinen flotten Dialogen und bildhaften Beschreibungen des Kreuzberger Milieus sehr gut, für eine authentische Atmosphäre zu sorgen und das besondere Ambiente einzufangen, so dass das Kopfkino schon bald anspringt. Neben diesem an sich schon sehr spannenden Plot hat Schorlau sich entschlossen, auch noch die Corona-Pandemie als brandaktuelles Thema in seine Geschichte mit einzuflechten und hat daher noch einen interessanten Nebenhandlungsstrang rund um die Corona-Leugner, Verschwörungstheoretiker und Impfgegner angelegt.
Die Handlung ist mehrgleisig angelegt und wechselt beständig zwischen unterschiedlichen Schauplätzen, Zeitebenen und Perspektiven hin und her. Denglers neuer, heikler Auftrag für die Kröger Immobilien AG in Berlin, den er eher zufällig bekommen hat, ist ein recht ungewöhnlicher Fall und entpuppt sich schon bald als ganz schön heikel. Mit welchen übermächtigen Gegnern Dengler hier zu tun hat, wird ihm erst spät bewusst. Bei ihren hartnäckigen Ermittlungen in der Immobilienbranche decken Dengler und Olga erschütternde Hintergründe und skrupellose Machenschaften auf, die nur allzu sehr der deutschen Realität entsprechen. Durch die extrem raschen Perspektivwechsel und oft sehr kurzen Szenen treibt der Autor seine Handlung mit einem hohen Tempo voran und sorgt für viel Spannung. Eine vielschichtige Figurenzeichnung bleibt hier allerdings weitgehend aus. Erst nach und nach ahnt man, wie die ganzen Geschehnisse und zwielichtigen Akteure zusammenpassen könnten, und fiebert der Zusammenführung der verschiedenen Handlungsstränge sowie der abschließenden Auflösung regelrecht entgegen.
Der unheilvolle Ausklang des Bands macht auf jeden Fall neugierig auf eine Fortsetzung. Ich bin sehr gespannt, in welchem brisanten neuen Fall Dengler das nächste Mal ermitteln wird.
Sehr interessant und lesenswert ist übrigens auch Schorlaus Nachwort „Finden und Erfinden“, in dem er seine umfangreichen Recherchen erläutert und nochmals auf einige bestürzende Entwicklungen und Fakten zu Deutschlands Immobilienlandschaft aufmerksam macht.
FAZIT
Ein spannender, temporeich erzählter Krimi mit einem brisanten Fall, der zwar etwas konstruiert wirkt, mit seiner Aktualität und Gesellschaftskritik aber dennoch sehr lesenswert ist.

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Veröffentlicht am 12.11.2020

Unterhaltsamer Regionalkrimi mit tollem 70ger-Jahre-Flair

Still ruft der See - Kettling und Larisch, 3. Fall
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INHALT

War es Mord oder Selbstmord?

Theo Kettling will eigentlich nur seine Frührente genießen – Mordermittlungen stehen dabei nicht auf dem Plan. Doch als er die sauerländische Amateurband „Hill Cats“ ...

INHALT

War es Mord oder Selbstmord?

Theo Kettling will eigentlich nur seine Frührente genießen – Mordermittlungen stehen dabei nicht auf dem Plan. Doch als er die sauerländische Amateurband „Hill Cats“ auf ein Rockkonzert am Chiemsee begleitet, kommt alles anders als gedacht. Eine Frau verschwindet spurlos und wird schließlich tot in einem Fluss gefunden. Hat ihre Depression sie in den Selbstmord getrieben, wie ihr Mann behauptet? Oder liegt ein viel größeres Geheimnis dahinter?

Wieder zu Hause in Lüdenscheid erzählt Theo seiner Bekannten Lieselotte Larisch von dem schrecklichen Erlebnis. Die Hobbydetektivin ist sich sicher, dass mehr hinter diesem Todesfall steckt. Gemeinsam nimmt das ungewöhnliche Ermittlerteam die Spur auf. Was hat das versunkene Dorf Listernohl in den Tiefen des Biggesees mit all dem zu tun?
(Quelle: Landwirtschaftsverlag Münster)

MEINE MEINUNG

Mit „Still ruft der See“ ist dem deutschen Autor Michael Wagner ein kurzweiliger und amüsanter Wohlfühlkrimi mit viel Lokalkolorit und tollem Retro-Flair gelungen.
Es ist bereits der dritte Band der Kettling & Larisch Krimi -Reihe um das selbsternannte, liebenswert skurrile Hobby-Ermittlerteam Lieselotte Larisch und Theo Kettling - ergänzt von Sabine, die junge Studentin und Sängerin der Rockband Hill Cats.

Angesiedelt ist die Handlung im Hochsommer des Jahres 1975, die uns zum einen ins beschauliche Bayern an den idyllischen Chiemsee und zum anderen ins Sauerland entführt.

Der neue Kriminalfall dreht sich um den mysteriösen Todesfall einer depressiven, ebenfalls aus dem Sauerland stammenden Frau, die Theo und Sabine in ihrer Pension im Chiemsee erst am Abend zuvor kennengelernt haben. Obwohl alles auf einen Suizid hindeutet, erscheinen ihnen die Umstände suspekt und veranlassen sie schließlich, im Umfeld der Toten und ihrer Vergangenheit Nachforschungen anzustellen. Natürlich fühlt sich Lieselotte Larisch, die Miss Marple aus dem Sauerland, mit ihrem messerscharfen Verstand und überschäumender Energie dazu berufen, ihre Schnüffelnase überall reinzustecken und die Ermittlungen voller Elan voranzutreiben. Es macht großen Spaß, den drei Hobby-Spürnasen beim Kriminalisieren über die Schulter zu schauen und sie bei ihrer recht abenteuerlichen Aufklärung des ganz schön verzwickten Verbrechens zu begleiten.

Mit seinem angenehmen, anschaulichen Schreibstil und einer ordentlichen Portion Humor konnte mich der Autor von Beginn an gut unterhalten. Hervorragend ist es Wagner gelungen, uns mit auf eine spannende Zeitreise in die wilden, knallbunten Siebziger Jahre zu nehmen und den damaligen Alltag geschickt mit zahlreichen, akribisch recherchierten Details zum Leben zu erwecken. Ob nun kultige Autos, angesagte Musiktitel oder kulinarische „Genüsse“ – es ist eine vergnügliche, nostalgische und abwechslungsreiche Entdeckungsreise angereichert mit vielen erstaunlichen Kultprodukten jener Zeit.

Der Krimi lebt neben dem tollen Retro-Flair vor allem von seinen originellen, liebenswerten und etwas schrulligen Charakteren, die man einfach ins Herz schließen muss. Die pensionierte Schulleiterin Lieselotte mit all ihren Schrullen ist ein richtiges Original und mit ihren Schnüfflerinstinkten kaum zu bremsen, während der etwas zaudernde, sympathisch verschrobene Theo als Hobbydetektiv lieber mit seinem neuerworbenen Lamborghini-Oldtimer-Traktor auf Verbrecherjagd geht.

Auch wenn man atemlose Spannung vergeblich sucht, und der Fall sehr gemächlich voranschreitet, gibt es ein paar unerwartete Wendungen und viel Raum zum gemütlichen Miträtseln und Kombinieren, bis schließlich die dunklen Geschehnisse rund um das Familiendrama ans Licht kommen. Im letzten Drittel läuft das „Dream Team“ aus dem Sauerland trotz einiger Fehlleistungen bei ihren Nachforschungen zu Bestform auf. So es gelingt ihnen schließlich in einem spannenden Showdown den Fall und längst begraben geglaubte Geheimnisse aufzuklären.

Schön, dass der Fall in sich abgeschlossen ist und man sich auf eine Fortsetzung der Krimi-Reihe mit den drei liebgewonnenen Hobbyermittlern aus dem Sauerland freuen darf!

FAZIT
Ein gelungener, kurzweiliger Wohlfühl-Krimi mit tollem Siebziger Jahre-Flair, schönem Lokalkolorit und einer ordentlichen Portion Humor. Empfehlenswert für alle, die es etwas gemütlicher lieben und sich gerne auf eine nostalgische Zeitreise begeben wollen!

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