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Veröffentlicht am 25.10.2020

Vom wilden Leben im Westerwald

Eine Räuberballade
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INHALT
In ihrem dritten großen Westerwald-Roman nimmt Annegret Held uns mit ins späte 18. Jahrhundert, als brutale Räuberbanden die gesamte Region in Angst und Schrecken versetzten. Mitreißend, klug und ...

INHALT
In ihrem dritten großen Westerwald-Roman nimmt Annegret Held uns mit ins späte 18. Jahrhundert, als brutale Räuberbanden die gesamte Region in Angst und Schrecken versetzten. Mitreißend, klug und höchst unterhaltsam erzählt sie von Hannes, einem aufstrebenden Möchtegern-Räuber, von seinem frommen und zunehmend verzweifelten Vater Wilhelm, von der mannstollen Magd Gertraud und von all den anderen Scholmerbachern, die dem harten Dorfleben tapfer die Stirn bieten. Großartige Heimatliteratur!
(Quelle: Eichborn-Verlag)

MEINE MEINUNG
Mit ihrem jüngsten historischen Roman „Eine Räuberballade“ hat die deutsche Autorin Annegret Held den dritten und abschließenden Band ihrer Westerwald-Trilogie vorgelegt, in dem sie nochmals ein weiteres Jahrhundert in der Geschichte zurückgeht. Im Mittelpunkt der faszinierenden, lebensprallen Geschichte steht das fiktive Dorf Scholmerbach im urtümlichen Westerwald zum Ende des 18. Jahrhunderts.
Gekonnt nimmt uns die Autorin mit in eine völlig andere Welt, über der anfangs ein herrlich märchenhafter Flair liegt, und beschwört in großartigen Bilder und Szenen eine vermeintlich heimelige Dorfidylle herauf, die schon bald auch die finsteren Seiten erkennen lässt. Annegret Held lässt eine eher düstere Zeit lebendig werden, in der das dörfliche Leben hart, freudlos und äußerst entbehrungsreich war und umherziehende, brutale Räuberbanden die Bevölkerung im Westerwald das Fürchten lehrten. Und doch zeigt sie in ihrer sehr unterhaltsamen, humorvoll und mitreißend erzählten Geschichte, dass das Leben für die kleinen Leute von Scholmerbach neben Arbeit und Kirche durchaus auch viel Mitmenschlichkeit, etliche amüsante und schöne Momente bereithielt. Es ist ein wundervoller Heimat-Roman, der schon bald seinen ganz eigenen Charme entwickelt, mit interessanten historischen Details und einer spannenden Mischung aus Familiengeschichte, ein wenig Abenteuergeschichte sowie eine Geschichte über Generationskonflikt und Emanzipation.
Der Roman lebt vor allem von seinen wundervoll schrulligen, eigensinnigen und lebendigen Charakteren, die Held sehr differenziert, lebensnah und äußerst warmherzig ausgearbeitet hat. Auch wenn sie oftmals fragwürdige Entscheidungen treffen, ihr Handeln nicht immer klug und moralisch vertretbar erscheint, so haben sie doch alle ihr Herz am rechten Fleck und trotz gemischter Gefühle, muss man diese redlichen Figuren einfach gern haben. Ob nun aufmüpfige Hannes, der sich gegen seinen strengen Vater auflehnt und der dörflichen Enge als aufstrebender Möchtegern-Räuber zu entkommen versucht, sein gottesfürchtiger, verstockter Vater Wilhelm, der mit seiner verwirrten, bettlägerigen Frau und der kleinen Tochter Liesel zunehmend überfordert ist oder schließlich die junge wilde Magd Gertraud, die mit ihrer Tatkraft, ihrer Durchsetzungsfähigkeit und ihrem losen Mundwerk allen die Stirn bietet und ihr kleines Glück woanders zu finden sucht – sie alle sind in einer christlich-traditionellen Welt mit ihren rigiden Moralvorstellungen gefangen, riskieren ein Ausbrechen und lassen schließlich den elementaren, ungezähmten Grundbedürfnissen freien Lauf. Äußerst authentisch und nachvollziehbar hat die Autorin die besonderen Eigenheiten und Schwächen ihrer Romanhelden eingefangen und bringt uns sehr anschaulich ihre besondere Art zu leben und zu denken näher.
Eine große Besonderheit von Annegret Helds Schreibstil sind die mundartlichen Dialoge. Sie lässt ihre Romanhelden nämlich durchgängig in ihrem Westerwälder Platt reden, einer aussterbenden Sprache mit ihrem ganz eigenen Humor und Charme. Hierdurch erhält die großartige Geschichte zusätzlich eine unverwechselbare Lebendigkeit, Eindringlichkeit und Authentizität.

FAZIT
Ein gelungener Abschluss der historischen Westerwald-Trilogie – eine unterhaltsame, lebenspralle und mitreißend erzählte Geschichte mit viel Humor, echtem Westerwälder Platt und herrlich schrägen Charakteren! Ein lesenswerter Heimatroman!

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Veröffentlicht am 18.10.2020

Beeindruckender Debütroman

Jahresringe
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INHALT
Heimat, das ist für Leonore Klimkeit vor allem der Wald nahe des kleinen Dorfes, in dem die aus Ostpreußen Vertriebene Zuflucht gefunden hat. Zwischen den hohen Bäumen findet sie Trost und neuen ...

INHALT
Heimat, das ist für Leonore Klimkeit vor allem der Wald nahe des kleinen Dorfes, in dem die aus Ostpreußen Vertriebene Zuflucht gefunden hat. Zwischen den hohen Bäumen findet sie Trost und neuen Lebensmut.
Doch als Leonores Sohn Paul zwölf Jahre alt ist, muss der Wald dem Braunkohle-Tagebau weichen, das Dorf wird umgesiedelt. In einer Neubausiedlung am Rand der Kreisstadt versucht Leonore, für Paul und später die Enkel Jan und Sarah eine neue Heimat zu schaffen. Die immer weiter fortschreitende Rodung des Waldes treibt jedoch einen tiefen Keil in die Familie – bis sich die Geschwister schließlich als Gegner gegenüberstehen: Denn während Jan einen der gigantischen Schaufelradbagger des Braunkohle-Konzerns steuert, schließt sich seine Schwester Sarah den Wald-Besetzern im Hambacher Forst an.

(Quelle: Droemer)

MEINE MEINUNG
Mit »Jahresringe« ist dem aus dem Rheinland stammenden Realsschullehrer und Debüt-Autor Andreas Wagner eine beeindruckender, tiefgründiger und emotionaler Roman gelungen, der mich rasch in seinen Bann ziehen konnte.
Eindringlich und einfühlsam erzählt Wagner eine bewegende und nachdenklich stimmende Familiengeschichte über Heimat, Heimatverbundenheit, der Suche nach Identität, Vertreibung, Verlusten und Entwurzelung. Zugleich führt er uns die erschreckenden Folgen des Braunkohletagebaus am Hambacher Forst und die beispiellose Zerstörung von einzigartiger Natur und Lebensraum vor Augen und lässt und an den menschlichen Schicksalen teilhaben.
Andreas Wagner hat seine berührende Familiengeschichte, die sich über 3 Generationen hinweg von 1946 bis hinein ins Jahr 2018 erstreckt, in drei Teilen und auf drei unterschiedlichen Zeitebenen angelegt.
Angesiedelt ist die tiefgründige Geschichte in einem kleinen niederrheinischen Dorf Lich-Steinstraß, das am Rande des alten Bürgewalds (Hambacher Forst) im Schatten des sich durch die Landschaft fressenden Braunkohletagebaus liegt.
Ein allwissender Erzähler führt uns durch die atmosphärisch sehr unterschiedlich angelegten Teile der Geschichte, in deren Mittelpunkt verschiedene Mitglieder der Familie Klimheit stehen – beginnend mit Leonore, über seinen Sohn Paul bis hin zu seinen Kindern Jan und Sarah.
Im ersten Teil begleiten wir die junge Kriegswaise Leonore, ein zum Ende des 2. Weltkriegs allein aus Ostpreußen geflohenes Mädchen, das nach langer Odyssee schließlich im äußersten Westen Deutschlands Zuflucht in einem kleinen Dorf zwischen Aachen und Köln findet und bei einer Bäckersfamilie aufgenommen wird. Obwohl sie in den Augen der Dorfgemeinschaft als „Flüchtlingskind” und „Evangelische aus dem Osten“ stets eine Fremde und Außenseiterin bleibt, wird dieser Zufluchtsort mit seinem tröstlichen Wald eine zweite Heimat für sie. Mit einem gut portionierten, sehr ansprechenden Hauch Mystik, einiger märchenhafter Erzählelemente und vieler bedeutungsschwangerer, nicht auserzählter Leerstellen verbreitet Leonores Geschichte eine ganz eigentümliche, oft mysteriöse Atmosphäre, die mich sofort fesseln konnte.
Der zweite Teil hat Paul, Leonores unehelichen Sohn, zur Hauptfigur. Es ist eine nostalgisch stimmende Coming-of Age Geschichte, die mitten hinein in die Siebziger Jahre führt. Paul muss sich schmerzlichen Verlusten und harten Herausforderungen stellen sowie eine schwierige Entscheidung für ihre Zukunft treffen. Der herannahende Braunkohle-Abbau bedeutet nicht nur eine unwiederbringliche Zerstörung des angrenzenden Walds und der Landschaft, sondern bedroht auch ihre Heimat und ihr geliebtes Dorf am Rand des Hambacher Forstes. Sehr eindrücklich und beispielhaft fängt Wagner die konträren Einstellungen in der Dorfgemeinschaft ein gegenüber den Zwangsumsiedlungen und den Rodungsarbeiten im des RWE Wald ein. Von Aufbruchsstimmung über Fatalismus bis hin zu offener Feindseligkeit und Kampfbereitschaft reicht die Bandbreite – doch das unausweichliche Ende lässt auch Paul nach langem Widerstand schließlich kapitulieren.
Auch im letzten Teil, der uns schließlich in die Gegenwart führt, beschäftigt sich Wagner mit den vielfältigen Auswirkungen des gigantischen Braunkohletagebaus, der gnadenlosen Zerstörung von Natur und dem Verlust von Heimat. Eindringlich führt er uns die menschlichen Schicksale und Tragödien vor Augen, die bitteren Opfer und Niederlagen. Zugleich lässt er uns aber auch am erbitterten Widerstand gegen die Rodungen im Hambacher Forst teilhaben, der mit seinem einzigartigen Biotop bereits nur noch 1/10 seiner ursprünglichen Fläche besitzt. So treffen wir schließlich auf Leonores Enkel Jan und Sarah, die in ihren Lebenskonzepten nicht gegensätzlicher sein könnten und sich als erbitterte Gegner gegenüberstehen. Während Jan für den Braunkohle-Riesen am Raubbau und der Umweltzerstörung beteiligt ist, engagiert sich Sarah als Aktivistin für den Erhalt des Hambacher Forsts und beteiligt sich an der Besetzung des Walds. Hautnah lässt uns Wagner an den heftig geführten Protestaktionen teilhaben, dem unermüdlichen Kampf der Aktivisten im besetzten Wald und der brutalen Räumung ihres Camps.
Mit Leonore hat der Autor eine überaus vielschichtige, sehr authentische Hauptfigur geschaffen, die mich sehr beeindruckt hat und deren Schicksal sehr berührt und zu Herzen geht.
Sehr differenziert und glaubwürdig hat er auch seine übrigen Figuren und ihre Entwicklung im Laufe der Geschichte ausgearbeitet. Andreas Wagner versteht es hervorragend, die Gefühls- und Gedankenwelt seiner Charaktere einzufangen und glaubhaft darzustellen. Gerne hätte ich einige interessante Charaktere noch weiter begleitet und sie auf ihrem Lebensweg begleitet.

FAZIT
Eine tiefgründige und berührende Familiengeschichte über Entwurzelung den Verlust von Heimat vor dem Hintergrund des Braunkohletagebaus am Hambacher Forst. Sehr lesenswert!

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Veröffentlicht am 18.10.2020

Fesselnder, tiefgründiger Roman

Schwarzer Jasmin
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INHALT

Der Journalist Jakob und die Sozialarbeiterin Julia haben sich ein Ultimatum gestellt: Ihre Beziehung steht am Scheideweg. Der tunesische Flüchtling Eymen schwankt zwischen den Verlockungen des ...

INHALT

Der Journalist Jakob und die Sozialarbeiterin Julia haben sich ein Ultimatum gestellt: Ihre Beziehung steht am Scheideweg. Der tunesische Flüchtling Eymen schwankt zwischen den Verlockungen des westlichen Lebens und seiner religiösen Überzeugung. Und der Polizist Frank übernimmt einen letzten großen Fall vor seiner Rente. Er und sein Team müssen sich gegen ihre opportunistische Vorgesetzte und für die Sicherheit entscheiden: Sie stoßen auf Eymen, der in Julias Beratungsstelle aufgetaucht ist, als möglichen Gefährder, den es zu fassen gilt, bevor er zuschlägt. Die Wege dieser so unterschiedlichen Figuren scheinen schicksalhaft verwoben und alles läuft auf ein dramatisches Finale hinaus …
Zwischen der tunesischen Jasminrevolution, die den kurzen Arabischen Frühling auslöste, und der Fluchtbewegung nach Europa siedelt Manfred Rumpl seinen spannenden und vielschichtigen Roman an.
(Quelle: Picus Verlag)

MEINE MEINUNG
Mit „Schwarzer Jasmin“ ist dem österreichischen Schriftsteller Manfred Rumpl ist ein fesselnder und vielschichtiger Roman gelungen, der hochaktuelle Themen aufgreift und die Problematik von Migration, Integration, islamistischem Fanatismus und Terrorismusbekämpfung geschickt aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet.
Seine komplexe, tiefgründige Geschichte kreist um die Schicksale sehr unterschiedlicher Menschen, die an einem Scheideweg in ihrem Leben stehen, mit inneren Konflikten zu kämpfen haben oder in persönlichen oder beruflichen Problemen gefangen sind. Ob nun der Weinjournalist Jakob und seine Freundin, die Sozialarbeiterin Julia, mitten in ihrer Beziehungskrise, Kriminalhauptkommissar Frank Konopke und sein Team der AG Gefährdungsbewertung, deren Arbeit zur Terrorismusabwehr durch undurchsichtige Vorgaben und suspekte Aktionen von ganz oben behindert werden oder schließlich die beiden tunesischen Flüchtlinge Eymen und Ahmed, deren Leben in Deutschland eine ganz unterschiedliche Richtung nimmt - ein jeder von ihnen wird vor folgenschwere Entscheidungen gestellt, deren Tragweite sie kaum abschätzen können, und bei denen es keinen optimalen Ausweg zu geben scheint.
Manfred Rumpl hat seinen Roman in verschiedenen Handlungssträngen, auf unterschiedlichen Zeitebenen und mit wechselnden Schauplätzen in Tunesien und Berlin angelegt. Die raschen Perspektivwechsel und die verschachtelte Erzählweise fordern dem Leser daher auch einiges an Aufmerksamkeit und Mitdenken ab, bauen aber auch rasch Spannung auf.
Im geschickt verwobenen Handlungsgeflecht begleiten wir die unterschiedlichen Charaktere, die meist völlig unabhängig voneinander agieren und deren Wege sich oftmals zufällig kreuzen. Sehr fesselnd ist es, aus den sich abwechselnden Perspektiven mitzuverfolgen, wie sich die Handlung immer mehr verdichtet, das Schicksal seinen Lauf nimmt und schließlich an einem verhängnisvollen Tag im Dezember 2016 in einem hochdramatischen Finale gipfelt.
Sehr anschaulich zeigt Rumpl am Beispiel der beiden jungen tunesischen Migranten auf, wie unterschiedlich die Lebenswege verlaufen können. Während Ahmed seinen Traum verwirklichen kann und sich um Integration bemüht, erleben wir beim streitlustigen, gewaltbereiten, zutiefst gespaltenen und labilen Eymen mit, wie leicht er in die Fänge ominöser religiöser Prediger gerät, sich manipulieren und radikalisieren lässt. Schon bald fallen im Roman deutliche Parallelen zur Realität auf, die Erinnerungen an den Fall des Attentäters Anis Amri, wecken, seinen brutalen Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin im Jahr 2016, das fatale Versagen der Ermittlungsbehörden und den später aufgedeckten, fragwürdigen Umgang mit Informanten aus dem salafistischen Milieu. Mit diesem beklemmenden Hintergrund gewinnt der Roman noch an Tiefe und Nachdruck.
Sehr vielschichtig und lebensecht zeichnet Rumpl seine unterschiedlichen Charaktere. Einfühlsam umreißt er ihre persönlichen Geschichten und gibt uns aufschlussreiche Einblicke in ihre Gefühls- und Gedankenwelt, so dass man sich gut in ihre Beweggründe hineinversetzen und ihr Handeln nachvollziehen kann.
Der ruhige, angenehme Schreibstil des Autors und seine anspruchsvolle Handlungsführung haben mir sehr gut gefallen. Rumpl gelingt es hervorragend, Geschehnisse auch ohne viele Worte zu umreißen und Stimmungen mit viel Feingefühl einzufangen, so dass man die Szenerie sich gut vorstellen kann.
Das dramatische, offene Ende des Romans kommt zunächst sehr überraschend, bildet aber einen für meinen Geschmack passenden Ausklang der Geschichte und regt zum Nachdenken an.

FAZIT
Ein fesselnder Roman mit einer tiefgründigen und vielschichtigen Geschichte, die sehr nachdenklich stimmt und noch lange nachklingt!

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Veröffentlicht am 15.10.2020

Zweiter Fall für Helle Jespers

Helle und die kalte Hand
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INHALT
Der Herbst hält Einzug in Skagen und vertreibt die letzten Sommergäste. Helle Jespers, Leiterin der örtlichen Polizeistation, sehnt sich nach mehr Zeit und weniger Trubel. Doch die Ruhe währt nur ...

INHALT
Der Herbst hält Einzug in Skagen und vertreibt die letzten Sommergäste. Helle Jespers, Leiterin der örtlichen Polizeistation, sehnt sich nach mehr Zeit und weniger Trubel. Doch die Ruhe währt nur kurz, denn in der Nähe der beliebten Wanderdüne Rabjerg Mile wird die Leiche einer jungen Frau gefunden. Laut Obduktion stammt sie offenbar aus dem südostasiatischen Raum. Doch niemand scheint sie zu vermissen. Die Vermutung liegt nahe, dass sie sich illegal in Dänemark aufhielt. Helle Jespers ist fest entschlossen, den ersten Mordfall in ihrer Gemeinde aufzuklären, und stößt dabei auf die Schattenseiten der scheinbar so offenen dänischen Gesellschaft.
(Quelle: Atlantis Verlag)

MEINE MEINUNG
Mit dem Krimi „Helle und die kalte Hand“ hat die deutsche, unter dem Pseudonym Judith Arendt schreibende Autorin eine gelungene Fortsetzung ihrer Dänemark-Krimi-Reihe vorgelegt. Erneut konnte sie mich mit einem sehr fesselnden zweiten Fall für ihre sympathische Ermittlerin Helle Jespers und tollem skandinavischen Flair begeistern. Diesen Band kann man übrigens auch ohne Vorkenntnisse problemlos lesen, denn das Wichtigste zur Vorgeschichte erfährt man in Einschüben.
Sehr lebendig und stimmungsvoll fängt die Autorin die besondere, etwas bedrückende Atmosphäre der herbstlich-verregneten Gegend um Skagen ein und entführt uns mit ihren anschaulichen Schilderungen gekonnt zu den verschiedenen Schauplätzen rund um die nördlichste Stadt Dänemarks an der Nordspitze von Jütland. Genau das richtige Setting für diesen etwas düsteren, atmosphärisch dichten Regionalkrimi!
Nach einem äußerst beklemmenden Einstieg folgt man gebannt den Ermittlungen der Sonderkommission um Helle Jespers zum unbekannten Leichenfund in der Wanderdüne von Skagen. Die Autorin hat einen sehr angenehmen, abwechslungsreichen Schreibstil, so dass man rasch mitten hinein in die Handlung gezogen wird. Für ihren Kriminalfall hat sich Judith Arendt eine hochaktuelle, beklemmende und sehr tiefgründige Hintergrundstory ausgedacht, die sich recht kritisch mit unserer toleranten Gesellschaft, Rechtsradikalismus und Immigration auseinandersetzt. Schonungslos führt sie uns die skrupellosen Machenschaften von Schleuserbanden, die aus reiner Geldgier die Notlage von Flüchtlingen ausnutzen, und gibt uns schockierende Einblicke in die menschlichen Abgründe.
Mit einem häufigen Wechsel der verschiedenen Erzählstränge und Schauplätze gelingt es der Autorin, rasch Tempo und Spannung in die sehr vielschichtig angelegte Handlung zu bringen. Durch geschickt gelegte falsche Fährten, immer neue Entwicklungen und so manche unerwartete Wendung ist der Krimi ideal zum Mitermitteln. Doch den wahren Hintergründen des perfiden Falls kommt man sehr lange nicht auf die Spur, auch wenn man allmählich einige Zusammenhänge zu ahnen beginnt.
Ihre verschiedenen Charaktere hat die Autorin vielschichtig und lebensnah angelegt, so dass auch ihre Handlungsweisen gut nachzuvollziehen sind Sehr ausführlich sind die interessanten Einblicke in das Privatleben der sympathischen Ermittlerin Helle Jespers geschildert, die die lebendige und plastische Charakterzeichnung dieser lebenserfahrenen Frau und äußerst engagierten Polizistin perfekt abrunden. Es macht großen Spaß ihre Persönlichkeit besser kennenzulernen, ihre ambivalente Beziehung zu ihren flügge gewordenen Kindern mitzuverfolgen und auch die ganz normale, harmonische Zweisamkeit mit ihrem Mann Bengt erleben. Die zahlreichen Nebenfiguren sind ebenfalls durchweg gelungen und abhängig von ihrer Rolle glaubhaft und interessant ausgearbeitet. Gut gefallen haben mir auch die Kollegen von Helle, allen voran die liebenswerte, patente Amira, die einen Migrationshintergrund hat und als Computerspezialistin in der örtlichen Polizeidirektion aushilft.
Zum Ende hin verdichten sich die verschiedenen Handlungsstränge immer mehr. Die erschreckende Auflösung des Kriminalfalls und die Aufklärung der weiteren Geschehnisse sind insgesamt in sich schlüssig und glaubhaft. Sehr interessant ist auch der ungewöhnliche Ausgang für zwei der Beteiligten gewählt – ein hoffnungsvoller Ausklang.
Ich bin schon sehr gespannt auf den dritten Band und einen neuen Kriminalfall für die sympathische dänische Ermittlerin Helle Jespers und ihr Team.
FAZIT
Ein fesselnder Dänemark-Krimi - mit einem komplexen Kriminalfall mit hochaktuellem Bezug, gut platzierter Gesellschaftskritik und tollem Lokalkolorit. Ein sehr lesenswerter Regionalkrimi!

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Veröffentlicht am 15.10.2020

Beeindruckender Dänemark-Krimi 

Helle und der falsche Prophet
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INHALT
Es ist Oktober und Helle Jespers ist im Urlaub. Doch selbst Pastis, Zigaretten und südfranzösische 18 Grad Lufttemperatur können die dänische Polizeikommissarin nicht davon ablenken, dass es zu ...

INHALT
Es ist Oktober und Helle Jespers ist im Urlaub. Doch selbst Pastis, Zigaretten und südfranzösische 18 Grad Lufttemperatur können die dänische Polizeikommissarin nicht davon ablenken, dass es zu still in ihrem Leben zugeht.

Hätte sie nach Fredrikshavn zur Polizeibehörde gehen sollen?

Zur Mordkommission nach Kopenhagen?

Stattdessen hat sie es sich in Skagen zwischen den Dünen in ihrer kleinen Polizeistation gemütlich gemacht. Plötzlich klingelt aber mitten im Urlaub Helles Handy. Ihr Kollege Ole hat eine erschütternde Nachricht: Eine enge Freundin ihres Sohnes wurde tot am Strand aufgefunden. Steht die Leiche in Zusammenhang mit einem jungen Paar auf der Flucht in Zusammenhang, das eine Schneise der Verwüstung bis nach Kopenhagen zieht?

Helle ist klar: Diesen Fall übernimmt sie selbst. Sie steigt in den nächsten Flieger zurück nach Dänemark und beginnt mit den Ermittlungen.

Was sie nicht ahnt: dieser Mord war erst der Anfang, und er wird das Leben ihrer Familie betreffen…

(Quelle: Atlantis-Verlag)

MEINE MEINUNG
Mit „Helle und der falsche Prophet“ ist der deutschen, unter dem Pseudonym Judith Arendt publizierenden Krimi-Autorin eine spannende Fortsetzung ihrer Dänemark-Krimi-Reihe rund um die sympathische dänische Kommissarin Helle Jespers gelungen.
Auch Neueinsteiger können diesen bereits dritten Band der Reihe problemlos ohne Vorkenntnisse lesen, denn ganz nebenbei sind die wenigen zum Verständnis notwendigen Informationen zu Helle und ihren Kollegen eingestreut.
Wer eher ruhige Krimis mit stimmungsvoller Atmosphäre und besonderen Schauplätzen mag und nicht unbedingt atemberaubende Action und blutrünstige Details zur Unterhaltung braucht, wird bei Helle und der falsche Prophet voll auf seine Kosten kommen. Angesiedelt ist der Krimi in der nördlichsten Region Dänemarks rund um das ländlich geprägte Skagen und sein weiteres Umland. Äußerst stimmig ist das Setting mit den sehr bildhaften, atmosphärischen Beschreibungen der kargen, von Wind und Wetter geprägten Landschaft und das düstere, stürmische Herbstwetter eingefangen. Zur besseren Orientierung ist auf den vorderen Innenklappen eine Übersichtskarte von der Region Jütland mit den eingezeichneten Schauplätzen zu finden.
In ihrem jüngsten Fall beleuchtet die Autorin ein sehr interessantes Thema, denn im Mittelpunkt der Ermittlungen stehen eine geheimnisvolle, zurückgezogen lebende Sekte und ihr unheilvoller, charismatischer Sektenführer Hiob.
Schon der mysteriöse und unheilvolle Einstieg in die Handlung und der lebendige und mitreißende Schreibstil der Autorin konnten mich auf Anhieb fesseln.
Beim neuen Fall, der die eigenwillige, aber sympathische Ermittlerin Helle Jespers aus ihrem wohlverdienten Südfrankreich-Urlaub in die Skagener Dienstelle zurückholt, will sie unbedingt selbst die Ermittlungen leiten. Die junge Tote ist Merle, eine Tochter der Nachbarn und Freundin ihres Sohns, die Helle persönlich kannte. Völlig unklar ist allerdings, in welchem Zusammenhang das seltsame junge Pärchen mit dem tragischen Todesfall steht, das sich nach einer Begegnung mit Merle nun auf der Flucht quer durch Dänemark befindet. Schon bald ist Helle gezwungen mit der Mordkommission in Kopenhagen zusammenzuarbeiten.
Äußerst clever ist die vielschichtige Handlung angelegt, die aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird. Schrittweise tauchen wir immer tiefer in die fesselnden Geschehnisse um den höchst komplexen Fall ein, der schließlich auch ganz unmittelbar das Leben ihrer Familie betreffen wird, und verfolgen gebannt die Ermittlungen, die verwirrende Hintergründe aufdecken. Mit immer neuen Verwicklungen und Wendungen steigt die Spannung zunehmend. Gekonnt lässt die Autorin ihren Krimi in einem unglaublich packenden, nervenaufreibenden Finale gipfeln.
Recht großen Raum nimmt auch das interessante Privatleben der sehr sympathischen Kommissarin Helle Jaspers in der Handlung ein. Sie ist ein vielschichtiger, sehr lebensecht gezeichneter Charakter mit Ecken und Kanten, sehr einfühlsam, lebenserfahren und eigensinnig. Durch ihre toughe, oftmals kompromisslose Art und ihre Neigung zu Alleingängen eckt sie bisweilen bei ihren Vorgesetzten an, doch bringt sie mit ihrem Bauchgefühl die Ermittlungen wesentlich voran.
Auch die vielen Nebenfiguren sind entsprechend ihrer Rollen sehr plastisch und lebendig ausgearbeitet, vor allem einige von Helles Kollegen gewinnen während des Falls immer mehr an Profil.
Ich bin schon sehr gespannt, auf einen neuen Fall für die interessante Ermittlerin in Skagen, Kommissarin Helle Jespers.

FAZIT   
Eine gelungene, spannende Fortsetzung der Dänemark-Krimireihe mit einem vielschichtigen, fesselnden Fall und tollem Lokalkolorit. 
Lesenswert für alle, die sehr atmosphärische, ruhigere Ermittlerkrimis mögen!

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