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Veröffentlicht am 29.09.2020

Neuer packender Fall für Kommissar Carl Edson

Spiele
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INHALT
Robert Lindström hütet ein Geheimnis: In einem Wutanfall tötete er seinen besten Freund. Aber war es wirklich so? Als Elfjähriger des Mordes beschuldigt, wurde er angesichts seines Alters nie verurteilt. ...

INHALT
Robert Lindström hütet ein Geheimnis: In einem Wutanfall tötete er seinen besten Freund. Aber war es wirklich so? Als Elfjähriger des Mordes beschuldigt, wurde er angesichts seines Alters nie verurteilt. Als Erwachsener lebt er zurückgezogen. Bis ihn Lexa kontaktiert. Sie ist Journalistin und schreibt ein Buch über den Fall. Ihre Theorie: Robert ist unschuldig.
Zur gleichen Zeit wird die Leiche eines jungen Mädchens gefunden. Im gleichen Stockholmer Vorort, in dem Robert aufwuchs. Und in dem er mit Lexa den Ereignissen von damals nachgeht. Zufall? Hauptkommissar Carl Edson von der Reichsmordkommission leitet die Ermittlungen, und seltsame Zwischenfälle führen ihn immer näher an die Wahrheit über Robert.
(Quelle: Rowohlt Taschenbuch Verlag)
MEINE MEINUNG
Nach seinem gelungenen Auftakt „Opfer“ ist nun mit „Spiele“ der zweite fesselnde Band der viel versprechenden, neuen Thriller-Reihe des schwedischen Autors Bo Svernström herausgekommen. Dieser in sich abgeschlossene Fall lässt sich übrigens problemlos als Stand alone lesen und setzt keine Vorkenntnisse aus dem ersten Teil voraus.
Diesmal muss sich Stockholms Ermittler Carl Edson und sein Team mit der brutalen Ermordung eines 11jährigen Mädchen beschäftigen. Rasch gerät Robert Lindström ins Visier der Polizei, der zur fraglichen Zeit in der Nähe des Tatorts gesehen wurde und vor 28 Jahren als Elfjähriger seinen Schulfreund Max mit einem Betonklotz erschlagen haben soll, aufgrund seines Alters damals aber nicht verurteilt werden konnte. Die junge Journalistin Lexa möchte gemeinsam mit Robert den alten Mordfall neu aufrollen und ein Buch über ihre gemeinsamen Nachforschungen und mit den verschiedenen Beteiligten geführten Interviews verfassen. Hierzu muss sie aber den zurückgezogen lebenden Robert dazu bewegen, seine Gedächtnislücken und verdrängten Erinnerungen an die verhängnisvollen Geschehnisse zu reaktivieren und sich seiner traumatischen Vergangenheit zu stellen
Die clever konstruierte, äußerst fesselnde Handlung ist auf verschiedenen, versetzt laufenden Zeitebenen in der Gegenwart angelegt und enthält immer wieder Einschübe, in denen wir teilweise aus der Ich-Perspektive Roberts immer mehr Details über die fatalen Geschehnisse vor 28 Jahren erfahren und so schrittweise an seinen subjektiven Erinnerungen teilhaben.
Geschickt verwoben mit den akribischen Ermittlungen der Mordkommission inklusiver vieler Irrwege und Trugschlüsse sind die von Lexa geführten Gespräche mit Roberts ehemaligen Mitschülern und Bekannten, der Schwester des Mordopfers oder dem damals ermittelnden Polizisten, die den Verdacht zunehmend verstärken, dass die Ermittlungen sehr eingleisig geführt wurden und sich einiges anders als dargestellt zugetragen haben muss. Bald gibt es mit der verwirrenden Vielzahl der aufgedeckten Verwicklungen zahlreiche Tatverdächtige im aktuellen Mordfall, doch mehren sich auch die Zweifel an der Darstellung der Ereignisse aus der Vergangenheit sowie an Roberts Glaubwürdigkeit. Der hochkomplexe Fall gewinnt zusehends an Spannung und Tiefe, überrascht mit vielen Wendungen und sorgt mit einigen Szenen auch für den notwendigen Thrill. Zudem ist er bestens zum vielfältigen Kombinieren und Miträtseln geeignet.
Die vielschichtigen, lebensnahen Charaktere sind insgesamt sehr überzeugend ausgearbeitet. Gefallen hat mir insbesondere der sympathische Ermittler Carl Edson, dessen Privatleben glücklicherweise nur einen geringen Raum einnimmt, und der mit Besonnenheit, Bauchgefühl und Durchblick den schwierigen Fall löst. Mit viel psychologischem Einfühlungsvermögen hat der Autor seine sehr faszinierende Hauptfigur Robert gezeichnet und als tiefgründige und gebrochene Persönlichkeit mit all seinen Schwächen und Traumata sehr differenziert und glaubwürdig charakterisiert.
Mit seinem mitreißenden Schreibstil und geschickt gesetzten Perspektivwechseln treibt der Autor seine packende Geschichte im letzten Teil rasant voran und lässt sie in einem fesselnden, hochdramatischen Showdown gipfeln. Die Auflösung des verwickelten Falls war zwar einerseits vorhersehbar für mich aber andererseits auch überraschend und ist durchaus nachvollziehbar dargestellt. Ganz zufriedenstellen konnten mich einige Erklärungen für die psychologischen Hintergründe der Motive allerdings nicht.
Ich freue ich schon sehr auf eine Fortsetzung mit dem sympathischen Ermittlungsteam und bin schon sehr gespannt was sich Bo Svernström für seinen nächsten, packenden Fall in Stockholm einfallen lässt!
FAZIT
Eine gelungene Fortsetzung der neuen skandinavischen Thriller-Reihe rund um Kommissar Carl Edson mit einem sehr packenden, hochkomplexen Fall und viel psychologischem Tiefgang! Lesenswert!

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  • Handlung
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Veröffentlicht am 29.09.2020

Gelungenes Krimi-Debüt

Der falsche Preuße
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INHALT

»Im Bier wie im Tod sind in Bayern alle gleich.«

München zur Jahrhundertwende. Es ist die Zeit der pferdegezogenen Trambahnen, der riesigen Bierpaläste und der gebratenen Kapaune. Und es ist ...

INHALT

»Im Bier wie im Tod sind in Bayern alle gleich.«

München zur Jahrhundertwende. Es ist die Zeit der pferdegezogenen Trambahnen, der riesigen Bierpaläste und der gebratenen Kapaune. Und es ist der Beginn einer jungen Wissenschaft namens Kriminalistik. Wilhelm Freiherr von Gryszinski zieht von Preußen nach Bayern, um als Sonderermittler für die Königlich Bayerische Polizeidirektion tätig zu werden und den Beamten Errungenschaften wie den Fingerabdruck und die Spurensicherung am Tatort näherzubringen. Sein erster Fall: Ein stadtbekannter Bierbeschauer wird tot an der Isar gefunden - eingehüllt in einen kostbaren Federumhang, daneben der Abdruck eines Elefantenfußes. Gryszinski kommt bald einer Verschwörung nationalen Ausmaßes auf die Spur, die ihn vor eine unsägliche Wahl stellt: Ist er eher bereit, seine Ehre als bayerischer Beamter zu verletzen oder als preußischer Offizier?

(Quelle: Harper Collins)



MEINE MEINUNG

Der fesselnde, historische Kriminalroman »Der falsche Preuße« ist das äußerst gelungene Debüt der deutschen Autorin Uta Seeburg und stellt den vielversprechenden Auftakt einer neuen Krimi-Reihe um den faszinierenden Ermittler Hauptmann Freiherr Wilhelm von Gryszinski dar.

Hierin entführt sie uns nach München in die Hauptstadt des Königreiches Bayern im Jahre 1894 – eine faszinierende Metropole im Wandel der Zeiten, an der Schwelle zwischen althergebrachten Traditionen und der alles verändernden Moderne. Der Wirtschaftsaufschwung und gesellschaftliche Wandel sorgen jedoch nicht nur für Wohlstand und aufblühende Münchner Bürgerkultur, sondern lassen ebenfalls Armut, Hunger und Kriminalität in der wachsenden Bevölkerung ansteigen. Auch im Königreich Bayern stellt sich vermehrt die soziale Frage.

Lebendig und atmosphärisch dicht portraitiert Seeburg das facettenreiche Alltagsleben Münchens und lässt uns am Leben der Menschen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten teilhaben. Hierbei benutzt sie eine ungewöhnlich anspruchsvolle, herrlich antiquiert wirkende Sprache, die uns auch sprachlich gekonnt ins 19. Jahrhundert zurückversetzt. Die Autorin vermittelt ein sehr stimmiges, authentisches Bild der damaligen Zeit, streut immer wieder historische Fakten ins Geschehen ein und vermittelt uns sogar spannende, sehr authentische Einblicke in die kriminalistische Ermittlungsarbeit. Die Kriminalistik war ebenfalls vom Fortschritt erfasst und die geschickt in die Handlung eingewobenen kriminalistischen Details zeigen, dass auch innovative Methoden bei der alltäglichen Aufklärung von Verbrechen Einzug hielten. So lässt es sich der Protagonist, Sonderermittler und Brigade-Kommandant des Königlich Bayrischen Gendameriekorps Gryszinski nicht nehmen, seinen neuen Tatortkoffer stets zu seinen Einsätzen mitzunehmen. Jedem Kapitel vorangestellt ist ein passendes Zitat aus dem 1893 erschienen “Handbuch für Untersuchungsrichter, Polizeibeamte, Gendarmen usw.“, des berühmten Strafrechtlers, Kriminologen und Begründer der Kriminalistik Hans Groß.

Der Krimi lebt neben den unglaublich anschaulich und lebendig geschilderten Schauplätzen vor allem von seinen teilweise recht skurrilen, vielschichtig angelegten Figuren, die mit viel Liebe zum Detail ausgearbeitet sind. Hervorragend gefallen hat mir der sympathische, erst kürzlich mit Frau und Kind von Berlin nach München übersiedelte Ermittler Wilhelm von Gryszinski, den die Autorin als faszinierenden, tiefgründigen Protagonisten mit interessanter Vergangenheit zeichnet. Geprägt von den preußischen Tugenden Gehorsam, Pünktlichkeit, Ordnung und Fleiß kann er auch der Wirthauskultur seiner neuen Wahlheimat mit bayerischer Gemütlichkeit und Geselligkeit sowie gutem Essen durchaus etwas abgewinnen und findet sich in die besondere bayerische Mentalität gut ein. Als bayerischer Ermittler bei seinem ersten, hochkomplexen Mordfall ist er ganz schön gefordert, doch als er sich ganz unverhofft auch noch als unfreiwilliger preußischer Spion betätigen soll, gerät er in gewaltige Gewissenskonflikte und weiß oft nicht, wem seine Loyalität gelten soll.

Wir begleiten Gryszinski bei seiner rastlosen und in jeglicher Hinsicht herausfordernder Ermittlungsarbeit zu seinem komplizierten Mordfall, bei dem sich erst per Zufall eine heiße Spur auftut. Gemeinsam mit ihm tauchen wir ein in die faszinierende und herrlich skurrile Welt des Hauptverdächtigen Eduard Lemke mit seiner protzigen Fantasievilla in Bogenhausen – seines Zeichens eine sehr suspekte Figur mit dekadentem Lebensstil, ein preußischer Emporkömmling höchst fragwürdigen Charakters, dessen mysteriöse Machenschaften Gryszinski für den Preußischen Gesandten in München aufdecken und ihn des Hochverrats soll. Nur gut, dass er bei seinen Ermittlungen nicht nur auf die tatkräftige Unterstützung seiner beiden aufrechten Wachtmeister und verschiedenen Spezln zurückgreifen kann, sondern auch seine mutige Haushälterin von unschätzbarer Hilfe ist.

Auch wenn die unglaublich opulente, abwechslungsreiche Geschichte bisweilen etwas bizarre Wendungen aufweist, konnte mich der gut konstruierte, sich immer rasanter entwickelnde Kriminalfall bestens unterhalten und durchgängig fesseln.

Ich freue mich schon sehr auf eine Fortsetzung dieser gelungenen historischen Krimi-Reihe mit einem neuen, fesselnden Fall und hoffe auf ein baldiges Wiedersehen mit Gryszinski und vielen liebgewonnenen Charakteren.

FAZIT

Ein fesselnder, atmosphärisch dichter historischer Kriminalroman mit faszinierenden Charakteren, der uns gekonnt ins München des 19. Jahrhunderts abtauchen lässt.
Sehr lesenswert für Fans von historischen Romanen und Krimis mit viel zeitgeschichtlichem Flair!

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Veröffentlicht am 06.09.2020

Berührender Roman

Kalmann
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INHALT
Er ist der selbsternannte Sheriff von Raufarhöfn. Er hat alles im Griff. Kein Grund zur Sorge. Tag für Tag wandert er über die weiten Ebene um das beinahe ausgestorbene Dorf, jagt Polarfüchse und ...

INHALT
Er ist der selbsternannte Sheriff von Raufarhöfn. Er hat alles im Griff. Kein Grund zur Sorge. Tag für Tag wandert er über die weiten Ebene um das beinahe ausgestorbene Dorf, jagt Polarfüchse und legt Haiköder im Meer aus, um den Fang zu Gammelhai zu verarbeiten. Doch in Kalmanns Kopf laufen die Räder manchmal rückwärts. Als er eines Winters eine Blutlache im Schnee entdeckt, überrollen ihn die Ereignisse. Mit seiner naiven Weisheit und dem Mut des reinen Herzens wendet er alles zum Guten. Kein Grund zur Sorge.



(Quelle: Diogenes – Erscheinungstermin: 26.08.2020 - ISBN: 978-3-257-07138-2)

MEINE MEINUNG
Mit «Kalmann» hat der in Island lebende Schweizer Autor Joachim B. Schmidt einen fesselnden und zugleich herzerwärmenden Roman vorgelegt, der mich sehr begeistern konnte.
Obwohl die Entdeckung einer großen Blutlache im Schnee und ein mysteriöser Vermisstenfall den Ausgangspunkt für polizeiliche Ermittlungen bilden in dessen weiteren Verlauf es zu allerlei spannenden Verwicklungen kommt, handelt es sich nicht um einen typischen Kriminalroman. Der Roman lebt vielmehr von seinem grandiosen Protagonisten Kalmann, der als Ich-Erzähler im Mittelpunkt der Ereignisse steht und vom Autor sehr liebevoll und facettenreich gezeichnet wird.
Angesiedelt ist die Geschichte in dem kleinen, schon etwas heruntergekommenen Fischerdorf Raufarhövn im Nordosten Islands gelegen. Da nach der ungünstigen Verteilung der Fangquoten der einst florierende Ort endgültig dem Niedergang geweiht ist, hofft man wenigstens noch Touristen anlocken zu können. Ohne Existenzgrundlage sind die meisten Jüngeren abgewandert und zurück bleiben schließlich nur noch die Alten. Das faszinierende winterliche Setting mit der einzigartigen, kargen isländischen Landschaft und seinem unwirtlichen wie unberechenbaren Wetter ist von Joachim B. Schmidt sehr stimmungsvoll eingefangen worden und bildet eine phantastische, atmosphärisch dichte Kulisse für diesen Roman. An den lebendigen Beschreibungen der verschiedenen Schauplätze merkt man deutlich, dass der Autor diese Gegend gut kennt und Land und Leute sehr schätzt.
Mit seinem recht einfach gehaltenen, aber abwechslungsreichen Schreibstil, einigen schönen poetischen Passagen und der außergewöhnlichen Erzählstimme des Ich-Erzählers ist es dem Autor gelungen, mich von Beginn an zu fesseln. Der knapp 34-jährige Außenseiter Kalmann ist eine wundervolle, sehr vielschichtig angelegte Figur, die einem rasch ans Herz wächst. Der grundehrlich, gutmütige, eigenbrötlerische und geistig etwas zurückgebliebene Kalmann wird zwar von einigen als „Dorftrottel“ verspottet, dennoch wird er als letzter Haifischfänger des Orts und bester Gammelhaiproduzent Islands von vielen geschätzt und ist in die Dorfgemeinschaft gut integriert. Allzu sehr in die Enge getrieben neigt er allerdings manchmal zu Blackouts und unkontrollierbaren Wutausbrüchen, die aber meist in selbstverletzendem Verhalten münden. Es macht großen Spaß, den selbsternannten Sheriff mit seinem Sheriffstern, Cowboyhut und der alten Mauser bei der Polarfuchsjagd, auf hoher See oder seinen Ausflügen zu seinem dementen Großvater zu begleiten. Die Handlung verfolgen wir stets ungefiltert durch seine Perspektive und lernen so auch seine ungewöhnliche Sicht der Dinge kennen. Kalmann sorgt so manches Mal mit seinem unkonventionellen, verschrobenen Verhalten für so manche humorvolle Episode. Zugleich konnte er mich mit seiner kindlichen Naivität, seiner Abgeklärtheit, guten Beobachtungsgabe und vor allem einer faszinierend scharfsinnigen Sicht auf das Leben beeindrucken. Der Autor versteht es hervorragend, den Spannungsbogen immer weiter anzuziehen. Inzwischen beginnt man zu ahnen, dass Kalmann in die ganze Sache doch mehr involviert ist, als es anfangs scheint und doch einige Details in der verwickelten Geschichte unbewusst zurückhält.
Zum Ende hin überschlagen sich die Ereignisse regelrecht und die fesselnde Handlung gipfelt in einem überraschenden und packenden Showdown, bei dem Kalmann schließlich doch noch zum verdienten und gefeierten Helden von Raufarhövn wird. Die in sich schlüssige, sehr erschütternde Auflösung des Vermisstenfalls geht unter die Haut und stimmt nachdenklich.

FAZIT
Ein herzerwärmender Roman mit einer fesselnden Geschichte vor einem grandiosen isländischen Setting und einem wundervollen Protagonisten! Sehr lesenswert!

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Veröffentlicht am 01.09.2020

Beklemmendes Portrait einer "Wahnsinnigen"

Die Wahnsinnige
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INHALT
Spanien, 1503: In der Festung La Mota soll Johanna von Kastilien endlich zur Vernunft kommen. Zu viel steht für ihre Mutter, Isabella die Katholische, auf dem Spiel. Die Königin regiert das Land ...

INHALT
Spanien, 1503: In der Festung La Mota soll Johanna von Kastilien endlich zur Vernunft kommen. Zu viel steht für ihre Mutter, Isabella die Katholische, auf dem Spiel. Die Königin regiert das Land mit unerbittlicher Härte, sie hat die Mauren vertrieben und lässt Tausende als Ungläubige auf den Scheiterhaufen der Inquisition verbrennen. Sie kann ihr Reich nicht in die Hände einer Tochter geben, die nicht betet, nicht beichtet und der Macht nichts bedeutet. Johanna will nicht über andere herrschen. Alles, was sie will, ist, über sich selbst zu bestimmen. Aber das scheint eine Freiheit zu sein, die nur Männern vorbehalten ist. Als sie mit Philipp dem Schönen ins ferne Flandern verheiratet wird, sieht es für einen Moment so aus, als sei das Unwahrscheinliche möglich: ein Leben in Liebe in einer Welt aus Verrat. Doch auch als sich diese Hoffnung nicht erfüllt, hält Johanna unbeirrbar an dem fest, was alle um sie herum für Wahnsinn halten – dem unerhörten Wunsch, dass die Welt anders sein könnte als sie ist. 

(Quelle: DuMont Buchverlag - Erscheinungsdatum: 18.08.2020 - ISBN: 978-3-8321-8127-7)

MEINE MEINUNG
In „Die Wahnsinnige“, dem neuesten Werk der deutschen Autorin Alexa Hennig von Lange, steht mit Johanna I. Königin von Kastilien (1497-1555) eine faszinierend-ambivalente historische Persönlichkeit im Mittelpunkt. Eine starke Frau und eine mächtige Herrscherin hätte sie werden können, aber im gnadenlosen Spiel um die Liebe und Macht wurde sie zur tragischen Verliererin. Denn im Kampf um die Herrschaft in Kastilien wurde sie von ihrem Vater König Ferdinand II., und Ehemann verraten, stürzte nach dem plötzlichen Tod ihres Ehemanns in tiefe Trauer, unfähig sich um die Staatsgeschäfte zu kümmern und verbrachte schließlich die letzten 45 Jahre ihres Lebens in Tordesillas weggesperrt als Gefangene – veranlasst zunächst von ihrem Vater und später von ihrem eigenen Sohn Karl V.. Schon der Auftakt des Romans mit dem fiktiven Brief, den Johanna aus ihrer langjährigen Gefangenschaft an ihre Tochter verfasst hat, lässt erahnen, wie übel dieser Frau mitgespielt wurde und welch unvorstellbares Leid sie über sich ergehen lassen musste.
Inspiriert von der überaus beklemmenden wie berührenden Lebensgeschichte hat die Autorin jedoch keinen klassischen historischen Roman oder historische Biographie verfasst, sondern präsentiert uns ein facettenreiches Portrait und einfühlsames Psychogramm dieser außergewöhnlichen Königin, die mit dem wenig schmeichelhaften Beinamen „Die Wahnsinnige“ in die Geschichtsschreibung einging. Mit 16 wurde sie aus machtpolitischem Kalkül mit Philipp dem Schönen verheiratet, mit dem sie sechs Kinder hatte. Für sie war es die große Liebe, doch Philipp nahm es wie damals unter Herrschern üblich mit der ehelichen Treue nicht allzu ernst. Überliefert sind Johannas dramatische Wutausbrüche und Eifersuchtsszenen. Schon früh galt sie als psychisch labil, wobei es unklar ist, um welche Art Erkrankung es sich handelte, da sich viele Legenden um das Ausmaß ihres 'Wahnsinns' ranken.
Vor dem historischen Hintergrund beleuchtet die Autorin durchaus aktuell gebliebene, feministische Themen, die in damaligen wie heutigen Zeiten gesellschaftlich Bestand haben. Gekonnt zeigt sie uns das Schicksal einer um Selbstbestimmung und Anerkennung ringenden jungen Frau auf, die in starren patriarchalen Machtverhältnissen gefangen ist, und deren verzweifelte Versuche aus der ihr zugedachten Rolle auszubrechen und sich Freiheiten herauszunehmen, von ihrem Umfeld vehement unterbunden werden. Geschickt lässt die Autorin viele sorgsam recherchierte, historisch verbürgte Details aus Johannas Leben in Handlung ihres Romans einfließen und gibt uns aufschlussreiche Einblicke in höfische Leben insbesondere die zahlreichen Intrigen rund um die spanische Krone, die soziale Stellung der Frau und die große Macht der Religion Anfang des 16. Jahrhunderts.

FAZIT
Ein einfühlsam erzählter, berührender Roman über eine außergewöhnliche Frau und ihren verzweifelten Kampf um Selbstbestimmung.
Ein starker Roman über ein bewundernswerte Frau - sehr lesenswert!

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Veröffentlicht am 29.08.2020

Faszinierende, clever komponierte Spionage-Geschichte

American Spy
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INHALT
Ein Geräusch. Der Schatten eines Mannes. Ein Schuss.

Als Marie Mitchell eines Nachts in ihrem Haus von einem bewaffneten Mann angegriffen wird und ihm nur knapp entkommt, weiß sie, dass ihre Vergangenheit ...

INHALT
Ein Geräusch. Der Schatten eines Mannes. Ein Schuss.

Als Marie Mitchell eines Nachts in ihrem Haus von einem bewaffneten Mann angegriffen wird und ihm nur knapp entkommt, weiß sie, dass ihre Vergangenheit als amerikanische Spionin sie eingeholt hat. Und dass sie in den USA nicht länger sicher ist.
1986: Der Kalte Krieg ist noch nicht vorbei. Marie Mitchell arbeitet als Geheimagentin beim FBI. Sie ist außerordentlich gut in ihrem Job, und sie ist die einzige schwarze Frau in einem Club weißer Männer. Statt endlich ins Feld geschickt zu werden, muss sie sich Tag für Tag mit Papierkram herumschlagen. Dann wird ihr plötzlich doch die Teilnahme an einer Geheimoperation angeboten. Sie soll Thomas Sankara ausspionieren, den charismatischen sozialistischen Präsidenten von Burkina Faso.

Was Marie nicht ahnt: Dieser Einsatz wird nicht nur alles ändern, was sie über Spione, die Liebe und ihr Land zu wissen glaubte, er wird sie auch direkt ins Fadenkreuz des Geheimdienstes führen.

(Quelle: Tropen bei Klett-Cotta)

MEINE MEINUNG
„American Spy“ heißt der hochspannende Debüt-Roman der US-amerikanischen Autorin Lauren Wilkinson, der in den USA hochgelobt wird.
In ihrem Spionageroman zeichnet sie ein faszinierendes, facettenreiches und entlarvendes Portrait  einer von Rassismus geprägten Gesellschaft und des arroganten Selbstverständnisses der USA, das auch seine Außenpolitik bis heute prägt. Gekonnt nimmt Wilkinson sich verschiedener brisanter gesellschaftspolitischer Themen an, greift die Hysterie während des Kalten Kriegs auf, geht auf das keineswegs selbstlose Engagement der USA in afrikanischen Staaten ein und widmet sich zudem der Bürgerrechtsbewegungen während der 50er und 60er Jahre und der Schwarzen Emanzipation.
Trotz des packenden, actiongeladenen Auftakts handelt es sich bei dem Roman nicht um einen typischen Agenten-Thriller mit hohem Tempo und jeder Menge Thrill. Rasch schaltet die Autorin nach dem brutalen Überfall auf die Protagonistin und Ich- Erzählerin Marie Mitchell und ihrer überstürzten Flucht zu ihrer Mutter nach Martinique einige Gänge zurück, so dass sich der Spannungsaufbau sehr gemächlich anlässt.
Die clever komponierte und recht komplexe Spionagegeschichte, deren Haupthandlung Mitte der 1980ger Jahre angesiedelt ist, ist sehr ungewöhnlich angelegt. Die Autorin lässt die Protagonistin ihre Geschichte als Tagebuch verfassen, in dem sie ihren 4jährigen Zwillingssöhnen für den „Fall der Fälle“, dass ihre letzte Mission scheitert, ein Art Vermächtnis hinterlässt, damit sie später einmal die Hintergründe ihres Handelns nachvollziehen können.
Rückblickend erzählt Marie sehr ausschweifend und keineswegs chronologisch über ihre komplizierte Familiengeschichte, ihre Erlebnisse in Kindheit und Jugend, schildert in ihrem Bericht die vielfältigen Erinnerungen an ihre Agententätigkeit beim FBI, zeichnet aber auch die Geschehnisse rund um ihren letzten, alles verändernden Job auf, der sie für die CIA auf eine Auslandsmission nach Afrika brachte.
In den verschiedenen, geschickt miteinander verwobenen Erzählsträngen tauchen wir ab in eine undurchsichtige  Welt der Außenpolitik, der strenggeheimen Missionen und ominöser diplomatischer Verwicklungen und Intrigen der Geheimdienste. In dem Gewirr von Informationen aus verschiedenen Zeitebenen und den vielen Verwicklungen dauert es lange, bis man zu ahnen beginnt, worauf die Geschichte um Maries geheimdienstlichen Einsatz hinauslaufen könnte. Erst im letzten Drittel nimmt die Handlung dann wieder enorm an Fahrt auf.
Lauren Wilkinson hat mit Marie eine interessante, facettenreiche Protagonistin geschaffen und deren privates und berufliches Umfeld, ihre moralischen Prinzipien und Beweggründe sehr anschaulich und nachvollziehbar ausgearbeitet. Wir lernen sie als eine clevere, ehrgeizige Afroamerikanerin kennen, die zu Zeiten der Reagan-Administration allein aufgrund ihrer Hautfarbe und ihres Geschlechts im männerdominierten Geheimdienst FBI kaum Aufstiegschancen hat. Als sie endlich die herausfordernde Mission angeboten bekommt, den als integer und bescheiden geltenden kommunistischen Präsidenten von Burkina Faso, Thomas Sankara, als „Honey trap“ zu kompromittieren, hinterfragt sie zunächst die Hintergründe ihres Geheimdienstauftrags kaum. So wird sie schließlich selbst zum Spielball einer fatalen Intrige.
Schade, dass einige der Nebenfiguren etwas vage gezeichnet und wenig greifbar sind, auch ihre Motive und Rolle in der Geschichte bleiben leider bis zum Ende recht undurchsichtig.
Sehr gut hat mir hingegen der Handlungsstrang mit der historischen Persönlichkeit Thomas Sankara gefallen, einer Ikone des afrikanischen Befreiungskampfs, den die Autorin als einen redegewandten, charismatischen und sympathischen Volkshelden darstellt.
Sankara war von 1983- 1987 Präsident des afrikanischen Staates und wurde bei einem Putsch erschossen. Die Autorin hat viele gut recherchierte Hintergrundinformationen zu seinem Leben und seinen Überzeugungen als marxistischen Revolutionär in die fesselnde Handlung einfließen lassen. Mit seinem sozialistischen Kurs wollte er die Zustände seines Landes verbessern und wandte sich gegen die koloniale Ausbeutung. Er setzte sich für eine Stärkung der Landbevölkerung, einen Ausbau des Gesundheitssystems und die Gleichberechtigung der Frau ein.
So hat Lauren Wilkinson mit ihrer Geschichte zugleich eine gelungene Hommage an den inspirierenden Visionär und Revolutionär verfasst, der auch als "Che Guevara Afrikas" in die Geschichtsbücher einging.
Insgesamt ist der komplex angelegte Spionageroman mit seinem steten Wechsel der Zeitebenen und Handlungsstränge sehr abwechslungsreich und lebendig geschrieben und konnte mich mit seinen gesellschaftskritischen und politischen Einlassungen sehr fesseln.

FAZIT
“American Spy” ist ein fesselnder, vielschichtig angelegter und unterhaltsamer Spionageroman vor interessantem politischen Hintergrund.

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