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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.12.2019

Spannend und raffiniert

Manchmal lüge ich
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Amber Reynolds liegt mit schweren Verletzungen im Koma, kann trotzdem Stimmen und Gespräche der Menschen wahrnehmen, die sie im Krankenhaus besuchen. Nach und nach kommt dadurch die Erinnerung daran, was ...

Amber Reynolds liegt mit schweren Verletzungen im Koma, kann trotzdem Stimmen und Gespräche der Menschen wahrnehmen, die sie im Krankenhaus besuchen. Nach und nach kommt dadurch die Erinnerung daran, was mit ihr passiert ist. Bald weiß sie, dass es kein üblicher Autounfall war. Und sie begreift, dass sie sich in einer großen Gefahr befindet. Doch wie holt man Hilfe, wenn man im eigenen Körper gefangen ist?

Ich bin auf das Buch durch die interessante Covergestaltung aufmerksam geworden. Das unvollständige Bild einer offenbar schlafenden Frau, die roten, ins Auge springenden Titelbuchstaben und die zwei Sätze "Ich liege im Koma". Mein Mann liebt mich nicht mehr" haben sofort meine Neugier geweckt. Ich habe auf eine spannende Untehaltung gehofft und wurde nicht enttäuscht. Alice Feeney ist es gelungen, ein wahres Alptraum-Szenario originell und fesselnd zu Papier zu bringen. In zahlreichen Rückblenden erfährt der Leser häppchenweise die Geschichte Ambers und ihrer Schwester Claire und dann, wenn man schon denkt, dass alles klar ist, stellt es sich heraus, dass es ganz anders war. Diese überraschenden Wendungen, die interessante Idee, die dem Roman zugrunde liegt und komplexe, psychologisch stimmige Figuren, allen voran die beiden Schwestern, machen das Buch zu einer faszinierenden Lektüre, die man kaum aus der Hand legen kann.

Mein Fazit: Etwas verwirrend, trotzdem packend und originell - für Liebhaber raffinierter Psychothriller definitiv zu empfehlen!

Veröffentlicht am 22.09.2019

Verzeihen, aber nicht vergessen

Vergesst unsere Namen nicht
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An einem Wintermorgen 1942 erhält Hirsch Komissar, der jüdische Besitzer eines Modegeschäfts in der norwegischen Stadt Trondheim, einen Anruf, der sein bisheriges Leben auf den Kopf stellen und dazu führen ...

An einem Wintermorgen 1942 erhält Hirsch Komissar, der jüdische Besitzer eines Modegeschäfts in der norwegischen Stadt Trondheim, einen Anruf, der sein bisheriges Leben auf den Kopf stellen und dazu führen wird, dass dieses vorzeitig endet. Er bekommt eine Vorladung von der Gestapo, wird nach einem kurzen Verhör festgenommen und anschließend in das Gefangenenlager Falstad gebracht, wo er neun Monate später von den Nazis ermordet wird.

So sachlich und lapidar könnte man die letzten Monate im Leben eines Menschen zusammenfassen. Sich damit abfinden, dass er – wie so viele andere, deren Existenz im Holocaust ausgelöscht wurde – von jetzt auf gleich alles verlassen musste, was ihm lieb und teuer war. Dass man ihn seines Besitzes, seiner Familie, seiner Freiheit und seiner Würde beraubte. Und dass er am Ende einen sinnlosen Tod sterben musste, nur weil die grausame Diktatur und die rücksichtslose Willkür einer vergleichsweise kleinen Gruppe von Menschen das so entschieden haben. Es wäre vermutlich für viele einfacher, dieses dunkle Kapitel der Geschichte zu vergessen, die unzähligen Opfer auf Zahlen in einer trockenen Statistik zu reduzieren und sich ausschließlich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Man hat ja genug Sorgen und Probleme. Und es sind doch 80 Jahre vergangen, es wird Zeit, dass man die alten Geschichten hinter sich und die Toten ruhen lässt.

Der norwegische Schriftsteller Simon Stranger sieht das zum Glück anders. Mit seinem Roman greift er die Idee auf, die auch dem künstlerischen Projekt der sogenannten „Stolpersteine“ des Künstlers Gunter Demnig zugrunde liegt: Wir sollten uns an das Schicksal der ermordeten Menschen erinnern, ihrer Namen gedenken und den Opfern dadurch zumindest ein kleines Stückchen ihrer Identität und ihrer Würde zurückgeben. Indem wir ihre Namen in Erinnerung behalten, lassen wir sie ganz im Sinne der jüdischen Tradition nicht das zweite Mal sterben. Genau das scheint die Schreibmotivation von Simon Stranger zu sein. Sein Buch ist ein Versuch, die Geschichte seiner angeheirateten Familie zu rekonstruieren, ausgehend von dem tragischen Tod Hirsch Komissars, dem Urgroßvater seiner Ehefrau. Es ist allerdings keine Biographie, sondern eine Verbindung aus historischen Fakten, die der Autor im Zuge seiner Recherchen erfahren hat und der dichterischen Vorstellungskraft, die Stranger gekonnt und sehr einfühlsam einsetzt, um die fehlenden Details im Leben des Betroffenen zu ergänzen. Indem er in mehreren Passagen die „Du“- Form anwendet, versucht er, die Ereignisse, die sich vermutlich so oder ähnlich zugetragen haben, aus der Sicht von Hirsch Komissar zu sehen, seine Perspektive anzunehmen. Sein Protagonist wird dadurch präsenter und dessen Geschichte persönlicher, ergreifender. Auch wir Leser können ihn uns besser vorstellen und uns vielleicht sogar ein Stück mit ihm identifizieren. Zumindest mir ging es so: Ich konnte die Angst von Hirsch Komissar nach seinem Telefongespräch mit der Gestapo fast körperlich spüren. Seine wachsende Unruhe, seine schlimme Vorahnung... Wie schrecklich ist die Vorstellung, dass es unzähligen Menschen damals so gegangen sein musste! Dass sie ähnlich plötzlich aus ihrem Leben herausgerissen wurden, mitten im Alltag...

Strangers Aufmerksamkeit gilt aber nicht nur den Opfern. Im Fokus seines Romans steht auch einer der Täter: Henry Oliver Rinnan, ein berüchtigter norwegischer Nazi-Kollaborateur. Ähnlich wie bei Komissar schildert der Schriftsteller in einer Mischung aus Fakten und Fiktion den Werdegang Rinnans und zeigt auf, wie ein unscheinbarer, an Komplexen leidender und oft gemobbter Junge nach und nach zu einem skrupellosen Mörder wird, der vor kaum etwas zurückschreckt. Dabei versucht Stranger nicht, Rinnan zu rechtfertigen. Die Darstellung von ihm und seiner Gräueltaten ist eher nüchtern, sachlich und ging mir bei der Lektüre vielleicht gerade deshalb enorm unter die Haut. Manche Passagen verlangen dem Leser wirklich viel ab.

Genauso wenig wie er Rinnans Verhalten rechtfertigt, stellt Stranger ihn an den Pranger. Er verurteilt nicht und fordert auch keine Rache. Statt dessen wird am Beispiel der Figur Julius Paltiel aufgezeigt, dass man trotz der schlimmen Holocaust-Vergangenheit nicht zwingend als gebrochener und verbitterter, Hass auf die Täter schürender Mensch leben muss. Verzeihung und Versöhnung ist der bessere Weg. Die gleiche Haltung vertritt Strangers Frau Rikke und er selbst. „ Nicht zu verurteilen, zu verfolgen und anzuklagen, sondern zu vergeben, nach vorn zu schauen“ (Zitat S. 320), aber dabei auch nicht zu vergessen ist die Botschaft des Romans.

Ich möchte noch kurz auf die interessante und originelle Erzählweise eingehen, die mir in dieser Form noch nicht begegnet ist. Die einzelnen Kapitel werden nicht mit Zahlen, sondern mit Buchstaben in alphabetischer Reihenfolge überschrieben. Diese sind in jedem Kapitel die Anfangsbuchstaben von Stichwörtern, mit deren Hilfe der Autor seine Geschichte erzählt. Es sind streng genommen mehrere Geschichten, die sich wie Puzzle-Teile wunderbar zusammenfügen. Zugegeben, der häufige Wechsel von Handlungssträngen, Zeitebenen und Erzählperspektiven mag am Anfang der Lektüre verwirrend sein, stört aber bald nicht mehr, im Gegenteil: Der Autor verleiht damit dem Roman eine ganz besondere Atmosphäre und erzeugt beim Leser in kürzester Zeit unterschiedliche Stimmungen.

Nun zwei Punkte Kritik:

Zum einen ist die graphische Gestaltung des Buches aus meiner Sicht nicht wirklich gelungen. Zwar ist das Kinderbild auf dem Cover sehr schön und passt symbolisch sehr gut zu der Idee, nach vorne zu schauen und aus der Zerstörung etwas Neues aufzubauen, ich persönlich fände es aber passender – gerade im Hinblick auf den deutschen Romantitel – wenn dort ein Foto einer jüdischen Familie zu sehen wäre, quasi stellvertretend für alle Opfer, die nicht vergessen werden dürfen.

Zum anderen hatte ich bei der Lektüre den Eindruck, dass der Autor dem Nazi-Schergen Rinnan, der so viel Leid verursacht und so viele Opfer auf dem Gewissen hatte, deutlich mehr Aufmerksamkeit schenkt als den Opfern selbst. Rinnans Vorgeschichte, seine Gedanken und Taten werden sehr ausführlich dargestellt (was an sich nicht schlimm ist, weil sein Fall durchaus wichtig und seine Entwicklung psychologisch betrachtet sehr interessant ist), während die Gestalt von Hirsch Komissar fast schon am Rande behandelt wird. Das finde ich schade. Es hat mir aber gut gefallen, dass der Schluss des Romans ihm und anderen Menschen gilt, die von den Nazis ermordet wurden. Es ist ein sehr schönes und bewegendes Ende.

Alles in allem ist „Vergesst unsere Namen nicht“ ein originell geschriebener und ergreifender Roman mit einer wichtiger Botschaft. Ich hoffe, dass dieses in Norwegen bereits preisgekrönte Buch trotz des schwierigen Themas auch in Deutschland zahlreiche Leser finden und positiv aufgenommen wird.







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  • Geschichte
Veröffentlicht am 20.09.2019

Matthew Corbett als Verfechter der Wahrheit

MATTHEW CORBETT und die Hexe von Fount Royal - Band 2
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Der junge Gerichtsdiener Matthew Corbett ist überzeugt von der Unschuld der schönen Rachel Howarth, die von den meisten Einwohnern des Städtchens Fount Royal für eine Hexe gehalten wird. Auch der Richter ...

Der junge Gerichtsdiener Matthew Corbett ist überzeugt von der Unschuld der schönen Rachel Howarth, die von den meisten Einwohnern des Städtchens Fount Royal für eine Hexe gehalten wird. Auch der Richter Woodward befindet die Frau schließlich für schuldig und verurteilt sie zum Tod auf dem Scheiterhaufen. Matthew bleiben nur wenige Tage Zeit, um den wahren Übeltäter zu entlarven und die Urteilsvollstreckung zu verhindern. Er findet tatsächlich vielversprechende Hinweise. Aber dann wird das Städtchen von einem weiteren grausigen Mordfall erschüttert...

Ich fand den ersten Band zwar recht spannend, war aber nicht übermäßig begeistert und so hatte ich keine allzu hohen Erwartungen an Teil zwei. Doch – ich gebe es gerne zu – bin ich eines Besseren belehrt worden. Die Geschichte um die angebliche Hexe wird aus meiner Sicht zunehmend interessanter und hat einige überraschende Wendungen zu bieten. Der Schreibstil von Robert Mc Cammon bleibt weiterhin angenehm und originell und auch in diesem Band fand ich trotz der anhaltenden Spannung urkomische Szenen, bei denen ich mir ein Grinsen kaum verkneifen konnte. Der Titelheld ist mir inzwischen richtig sympathisch geworden und als ich am Ende des Buches angelangt bin, wurde ich fast schon etwas wehmütig. Die Chancen, dass ich irgendwann demnächst nach den weiteren Büchern der Reihe greife, ist also groß

Ähnlich wie Teil eins punktet auch dieses Buch mit einer toller Aufmachung. Das Cover ist ähnlich düster und geheimnisvoll, trägt zur Spannungserzeugung bei und macht neugierig auf den Inhalt.

Mein Fazit: Eine sehr gelungene Fortsetzung der Geschichte aus dem ersten Band, spannend und unterhaltsam, durchaus zu empfehlen!

Veröffentlicht am 20.05.2019

In der digitalen Welt ist die Kontrolle über eigenes Leben nur eine Illusion

ZERO - Sie wissen, was du tust
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Bei einem harmlosen Spaziergang durch London identifiziert eine Clique junger Menschen dank einer ausgeliehenen Datenbrille einen polizeilich gesuchten Verbrecher. Es kommt zu einer Verfolgungsjagd, die ...

Bei einem harmlosen Spaziergang durch London identifiziert eine Clique junger Menschen dank einer ausgeliehenen Datenbrille einen polizeilich gesuchten Verbrecher. Es kommt zu einer Verfolgungsjagd, die tragisch endet: Einer der jugendlichen Verfolger wird erschossen. Der Fall erregt Aufsehen und bringt die Journalistin Cynthia Bonsant dazu, über die angesagte Internetplattform Freemee zu recherchieren, deren Nutzer der tote Junge war. Freemee wirbt damit, ihren Kunden mit maßgeschneiderten ActApps zum Erfolg und besserem Leben zu verhelfen. Dafür braucht sie allerdings ihre Daten, die gespeichert und analysiert werden. Doch verfolgt Freemee nicht heimlich ganz andere Ziele? Womöglich missbraucht sie nicht nur das Vertrauen ihrer Nutzer, sondern bringt sie sogar in Gefahr? Auch Zero, die weltweit gesuchte Gruppe von Aktivisten, die gegen Datenhändler vorgehen und mit seinen kritischen Videos bereits in den Schlagzeilen steht, warnt vor Freemee. Cynthia deckt bei ihren Recherchen tatsächlich dunkle Machenschaften auf und muss bald um ihr Leben fürchten...

Marc Elsberg gelang mit diesem Buch nicht nur ein spannender Thriller, der mit einem guten Plot, schnellen Tempo, überraschenden Wendungen und einem filmreifen Finale eine solide Unterhaltung bietet. „Zero“ ist auch ein Buch, das den Leser dazu bringt, nachzudenken, sich Fragen zu stellen, die Strategien der mächtigen Netzwerke und Unternehmen und auch sein eigenes Verhalten im Netz kritisch zu hinterfragen. Es wirft wichtige Fragen auf, die sich aus meiner Sicht jeder stellen müsste. Werden wir wirklich permanent kontrolliert und beeinflusst? Geben wir selbst freiwillig die Kontrolle über unser Leben ab, weil wir alles immer leichter, schneller, bequemer haben wollen? Ich fürchte, wir sind in der Tat oft allzu bereit, einfach nur die Vorzüge der modernen Zivilisation zu genießen und verschließen die Augen vor den Gefahren, die mit dem Einsatz der modernen Technologien einhergehen. Dabei sollen die uns alles andere als egal sein, denn spätestens aus dem Nachwort erfährt man, dass es sich bei den im Buch beschriebenen Vorgehen und Werkzeugen keineswegs um Science- Fiction handelt...

Fazit: Ein rasanter Actionthriller, packend, mit einer brisanten Thematik und zum Nachdenken anregend, sehr empfehlenswert!

Veröffentlicht am 25.04.2019

Toll geschriebener Krimi, der unter die Haut geht

Morgen ist der Tag nach gestern
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In einer Sommernacht brennt das Ferienhaus des wohlhabenden Gustav Horstmanns nieder. Als die Spurensicherung in den Trümmern zwei Leichen findet, ist es schnell klar, dass es kein Unfall war. Das Ermittlungsteam ...

In einer Sommernacht brennt das Ferienhaus des wohlhabenden Gustav Horstmanns nieder. Als die Spurensicherung in den Trümmern zwei Leichen findet, ist es schnell klar, dass es kein Unfall war. Das Ermittlungsteam aus Kleve stellt fest, dass die beiden Toten Mordopfer sind und dass ihr Tod mit einem weiteren grauenhaften Verbrechen im Zusammenhang steht...

Ich bin ein großer Fan von Mechtild Borrmann und so habe mich schon sehr auf dieses Buch gefreut. Auch wenn mir ihre anderen Romane, wie etwa das „Trümmerkind“ oder „Der Geiger“ mehr gefallen haben, so hat mich auch dieses schmale Buch nicht enttäuscht. In gewohnt knappen, schnörkellosen Sätzen erzählt die Autorin einmal mehr von tragischen menschlichen Schicksalen und schafft es, diese ergreifend und packend zu schildern. Wiederholt demonstriert sie ihre große Beobachtungsgabe und das Talent, ihren Protagonisten Leben einzuhauchen, sie einfühlsam und facettenreich darzustellen. Besonders eindrucksvoll fand ich die Schilderung von Frank Zech, Horstmanns Nachbarn, die für mich eine meisterhafte psychologische Studie ist. Wir Leser werden zu Zeugen seines fortschreitenden Wahnsinns. Der Einblick in die Gedankenwelt eines Geisteskranken, den uns Mechtild Borrmann hier gewährt, lässt uns schaudern und ich muss gestehen, bei der Lektüre bekam ich mehr als einmal eine Gänsehaut. Auch die Figur des trauernden Vaters, der rastlos nach seiner vermissten Tochter sucht, hat es in sich – man spürt förmlich seinen Schmerz, man bangt und und leidet mit...

Fazit: Ein weiterer interessanter Kriminalroman von Mechtild Borrmann, einfühlsam und packend erzählt – ich kann ihn nur empfehlen!