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Veröffentlicht am 22.11.2019

Im Dschungel aus Macht und Gewalt

Schwarzer Leopard, roter Wolf
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Der Jäger Sucher zeichnet sich durch seinen besonderen Geruchssinn aus. Hat er einmal einen bestimmten Geruch in der Nase, verliert er ihn auch nicht mehr so schnell und kann dadurch jeden aufspüren. Genau ...

Der Jäger Sucher zeichnet sich durch seinen besonderen Geruchssinn aus. Hat er einmal einen bestimmten Geruch in der Nase, verliert er ihn auch nicht mehr so schnell und kann dadurch jeden aufspüren. Genau diese Fähigkeit bringt ihm eine seiner schwersten Aufgaben ein. Drei Jahre zuvor wurde ein Junge verschleppt, der in der Thronfolge eines phantastischen Afrikas eine wichtige Rolle spielt. Während er die Fährte des Kindes verfolgt, begleiten ihn verschiedene Gefährten. Ein Gestaltwandler, der sich in einen Leoparden verwandeln kann, ein Büffel, eine Mondhexe und auch ein Riese, der nicht gerne Riese genannt wird.

Es ist eine von Gewalt geprägte Welt, die Marlon James in „Schwarzer Leopard, Roter Wolf“ erschafft. Die Gewalt äußert sich dabei nicht nur in der Handlung, in der gemordet, versklavt, erniedrigt und vergewaltigt wird, sondern auch in der Sprache. Neben dem Lieblingsschimpfwort „Fick die Götter“ des Protagonisten ist „ficken“ überhaupt ein nicht nur häufig verwendetes Wort, sondern auch keine seltene Tätigkeit in der Geschichte. Dabei liegt der Fokus allerdings weniger auf dem Geschlechtsverkehr selbst, als auf der Ausübung von Macht dadurch. Die Reduzierung der Sprache auf Kraftausdrücke spiegelt den von Gewalt und rauen Umgangsformen geprägten Alltag der Figuren wieder. Gegenüber den Kindern zeigt Sucher zwar Zuneigung, doch diese wird meist nur vorsichtig und zurückhaltend zum Ausdruck gebracht.

Das „Was“ der Geschichte, also die Handlung an sich, ist es auch, was den Leser in die Geschichte zieht, denn das „Wie“, die von Flüchen und Kraftausdrücken geprägte Sprache, macht es oft schwer Zugang zu den Figuren zu finden. Stellenweise nimmt man dadurch beim Lesen sogar eher eine ablehnende Haltung ein, wodurch es nicht immer einfach ist, den Ereignissen zu folgen. Auch, dass keiner der Charaktere ein echter Sympathieträger ist, macht das Lesen nicht einfacher. Trotz der rauen Umgangsformen ist die Dynamik der Figuren untereinander faszinierend, da vor allem Sucher und den Leopard eine Art Hassliebe mit einander verbindet. Aus literarischer Sicht ist die gegenseitige Spiegelung von Sprache und Handlung durchaus spannend, zum entspannten Lesen lädt „Schwarzer Leopard, roter Wolf“ nur bedingt ein, was schade ist, da in der Erzählung viel Potential steckt.

Veröffentlicht am 18.11.2019

Von Pferden und Menschen

Die Flucht der Trakehner
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Im Winter 1944 wird das Gestüt Trakehnen geräumt. 300 Pferde verlassen ihre Heimat. Angeführt wird der Treck von Jesco von Esten, der als Kriegsinvalide auf dem Vorwerk Bajohrgallen als Gestütsleiter angestellt ...

Im Winter 1944 wird das Gestüt Trakehnen geräumt. 300 Pferde verlassen ihre Heimat. Angeführt wird der Treck von Jesco von Esten, der als Kriegsinvalide auf dem Vorwerk Bajohrgallen als Gestütsleiter angestellt ist. Immer an seiner Seite ist dabei sein Hengst Preußenlied. Auch seine Frau Sophie macht sich mit einem Treck auf, um über das gefrorene Frische Haff in den Westen zu fliehen. An ihrer Seite ist ebenfalls eine Trakehnerin: Ihre Stute Creve Coeur.

„Die Flucht der Trakehner“ von Sibylle Luise Binder ist eine fiktive Geschichte, die auf den wahren historischen Ereignissen basiert. Denn die Trakehner sind im Dezember 1944 tatsächlich über das gefrorene Haff geflohen und die Zahl der Pferde, die es in eine neue Heimat geschafft haben, war tatsächlich so gering, wie im Buch beschrieben. Jesco von Esten und seinen Preußenlied hat es nicht gegeben. Die tatsächlichen Vorbilder dazu aber schon. So basiert Preußenlied auf dem Trakehnerhengst Julmond, der als Gründervater der heutigen Trakehner gilt und auch für Jesco gibt es ein historisches Vorbild. Bei der Beschreibung des Gestüts und der Pferde kommen unweigerlich Fachbegriffe auf, die in Fußnoten allerdings erklärt werden, sodass man beim Lesen nicht ins Stolpern kommt, wenn man nicht weiß, was Linksgalopp bedeutet oder wo beim Pferd die Ganasche ist.

„Eine dramatische Geschichte von Menschen und Pferden“ verspricht der Untertitel und hält dies auch. Die Autorin baut zunächst eine Bindung zwischen ihren Charakteren und Lesern auf, was die Ereignisse der Flucht besonders intensiv macht. Weder die Schicksale der Menschen noch der Pferde lassen einen beim Lesen kalt und an der einen oder anderen Stelle ist schon heftiges Schlucken angesagt. Allerdings versucht die Autorin an keiner Stelle durch ihre Figuren Mitleid zu erwecken, da Mensch und Tier ihr Schicksal annehmen und sich mit den Gegebenheiten zu arrangieren zu versuchen. Protagonist Jesco geht bisweilen sogar durch den Kopf, dass sie alle eine Mitschuld am Krieg tragen, da sie zu Anfang alle der Politik Hitlers zugejubelt haben. Mit „Die Flucht der Trakehner“ ist Sibylle Luise Binder eine nachdenkliche, sensible aber auch intensive Geschichte gelungen, die sowohl etwas für Pferdefans als auch für Leser historischer Romane ist.

Veröffentlicht am 08.11.2019

Raus aus der Anarcho-Idylle

Wasteland
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Im Ödland lauern schlimmere Gefahren, als marodierende Banden. Das Wasteland-Virus hat einst die Menschheit beinahe ausgelöscht und lauert nun dort immer noch im Boden und der Luft. Das Betreten der Gegend ...

Im Ödland lauern schlimmere Gefahren, als marodierende Banden. Das Wasteland-Virus hat einst die Menschheit beinahe ausgelöscht und lauert nun dort immer noch im Boden und der Luft. Das Betreten der Gegend ist nur mit Atemmaske möglich. Nicht für Laylay. Aus irgendwelchen Gründen ist sie gegen das Virus immun. Deshalb ist es auch sie, die Zeeto aufspüren soll, als der junge Mann nicht aus dem Ödland zurückkehrt. Da ist er allerdings bereits infiziert und auch Laylay stellt nach ihrer Rückkehr fest, dass irgendwas an ihr anders ist.

Post-apokalyptische Welten wie in „Wasteland“ liefern spannenden Erzählstoff. Gerade, weil die gesellschaftliche Ordnung nicht mehr gilt und die Regeln für das Zusammenleben auf Null gesetzt werden. Mit Laylay und Zeeto haben Judith und Christian Vogt zwei völlig gegensätzliche Charaktere erschaffen, die entsprechend ihres unterschiedlichen Wesens auch mit verschiedenen Erzählstimmen sprechen. Während Laylay ihre Sicht der Ereignisse als typische Ich-Erzählerin vermittelt, wendet sich Zeeto zwischendurch auch direkt an die Leser. Die Sprache der beiden ist von Kraftausdrücken geprägt, was angesichts des Zerfalls der erzählten Welt aber absolut passend ist. Das Schimpfworte wie „verfakkt“ so geschrieben werden, wie man sie spricht, passt ebenfalls in diesen Kontext.

Eine weitere Besonderheit der Sprache sind die gendergerechten Formulierungen. So wird beispielsweise die Anführerin einer Motorradband zu „die Boss“. Am Anfang der Geschichte stolpert man noch ein wenig darüber, allerdings gewöhnt man sich bereits nach ein paar Seiten daran. Ebenso wie die Verwendung von Worten, Namen oder auch Sätzen aus verschiedenen Sprachen. So bekommt ein Baby einen kiswahelischen Namen und Laylay wechselt mit ihrem Vater ab und an Sätze auf Türkisch. Die Multilingualität trägt zusätzlich zu dem Eindruck bei, dass die Menschen aufgrund des Virus zusammengerückt sind. Und dann wiederum auch nicht. Hinten im Buch befindet sich eine Inhaltswarnung, die darauf hinweist, dass in der Geschichte auch sensible Themen bzw. Themen, die als Auslösereize funktionieren können, behandelt werden. Eine raue Welt, die ihrem Kontext in Inhalt und Sprache absolut treu bleibt, dem Leser aber auch was abverlangt.

Veröffentlicht am 04.11.2019

One day more to revolution

Die Rebellion von Laterre
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Als die Menschen einst nach Laterre kamen, hatten sie die Hoffnung auf ein besseres Leben. Davon ist mittlerweile nicht mehr viel übrig geblieben. Das Leben wird von einer Drei-Klassen-Gesellschaft aus ...

Als die Menschen einst nach Laterre kamen, hatten sie die Hoffnung auf ein besseres Leben. Davon ist mittlerweile nicht mehr viel übrig geblieben. Das Leben wird von einer Drei-Klassen-Gesellschaft aus herrschender Elite, arbeitender Bevölkerung und denen, die in bitterer Armut leben geprägt. Wer sich gegen diese Ordnung auflehnt, wird hart bestraft. Allerdings brodelt es in der Gesellschaft und die Revolution kündigt sich langsam aber unaufhaltsam an. Inmitten dieser unruhigen Zeit leben die Diebin Chatine, der junge Offizier Marcellus und die behütete Alouette. Ihre Wünsche nach Liebe, Freiheit und Gerechtigkeit binden die drei schon bald stärker ans Geschehen, als sie es selbst je geahnt hätten.

Die Parallelen zu „Les Misérables“ sind unübersehbar. Sowohl in den Figuren, als auch in der Struktur der Handlung. Wer den, auch liebevoll als Backstein bezeichneten, Klassiker von Victor Hugo kennt, der findet sofort die Gemeinsamkeiten und wird auch die eine oder andere Wendung vorausahnen können. Hinzu kommen Begriffe wie „flic“ (ugs. Bulle), die der französischen Umgangssprache entnommen sind oder Worte wie „vangarde“, die vom englischen „vanguarde“ (Vorreiter) ins Französische übertragen wurden, und den französischsprachigen Kontext unterstützen. Trotzdem ist „Die Rebellion von Laterre“ kein zweites „Les Misérables“ in einem Science-Fiction Setting, sodass auch diejenigen, die mit Victor Hugos Roman nicht vertraut sind, sich problemlos in der Geschichte zurechtfinden. Zusätzlich bietet die gesellschaftskritische Ebene einigen Stoff zum Nachdenken.

„Laterre“ oder besser „la terre“? Dass der Planet auf dem die Geschichte spielt, nach dem französischen Wort für „die Erde“ benannt ist, kann man wohl kaum als zufällig bezeichnen. Genau wie Victor Hugo sich nicht mit Gesellschaftskritik zurückgehalten hat, findet sich auch einiges davon in dem Roman von Jessica Brody und Joanne Rendell. Dadurch, dass die beiden Autorinnen das Paris von 1832 auf einen fernen Planeten versetzen und die Ereignisse in einen Science-Fiction Kontext verpacken, ändert nichts an den menschenunwürdigen Bedingungen innerhalb der Erzählung. Die Drei-Klassen-Gesellschaft in der Geschichte kennt weder Mitleid noch Mitgefühl. Jeder ist sich selbst der Nächste. In Anbetracht der Tatsache, dass Laterre der Menschheit einmal Hoffnung gegeben hat und als Zufluchtsort gedacht war, eine traurige Entwicklung. Auch wenn Fantasy dazu beiträgt, Ereignisse vom Alltag zu entfremden, steht hier der Wunsch nach einer menschlicheren Welt klar im Mittelpunkt.

Veröffentlicht am 02.11.2019

Out of the frying pan and into the forest

Alba - Im Schatten der Welten
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Für Cate sieht es gerade alles andere als positiv aus, denn der abtrünnige Feenkrieger Goll hält sie in einer alten Burgruine gefangen. Doch Cate wäre nicht Cate, wenn sie nicht mit allen Mitteln nach ...

Für Cate sieht es gerade alles andere als positiv aus, denn der abtrünnige Feenkrieger Goll hält sie in einer alten Burgruine gefangen. Doch Cate wäre nicht Cate, wenn sie nicht mit allen Mitteln nach einem Ausweg suchen würde. Dabei macht sie allerdings eine Entdeckung, die für die anderen Feen fatale Auswirkungen haben könnte, falls es zum Kampf zwischen Goll und den Feenkriegern käme. Um Carrick, Nairn und die anderen zu warnen, muss sie sich aber erst mal aus Golls Gefangenschaft befreien. Und dann ist da ja auch noch diese immer noch unausgesprochene Sache zwischen ihr und Carrick.
Carina Schnell entführt in "Alba - Im Schatten der Welten" zum zweiten Mal in das schottische Feenreich. Nachdem sich Cate im ersten Teil erst mal in der Parallelwelt zurechtfinden musste, ist sie diesmal richtig gefordert - und findet sich problemlos in der Welt der Feen zurecht. Diese bewegt sich zwischen Vergangenheit und Gegenwart, wirkt aber an keiner Stelle unglaubwürdig. So sprechen die Feen sowohl Gälisch als auch modernes Englisch (inklusive Schimpfwörter), sind mit den Annehmlichkeiten der Menschenwelt durchaus vertraut, nutzen aber selbst keine Elektrizität. Diese wird in vielen Lebensbereichen durch ihre Magie ersetzt.
Was widersprüchlich erscheint, fügt sich aber nahtlos in die erzählte Welt ein. Ebenso wie Cate in die Feenwelt, wo sie sich erst selbst befreit (sonst hätte das Buch nicht fast 400 Seiten) und sich dann durch einen Wald schlägt, der dem Düsterwald in Mittelerde nicht unähnlich ist. Oder andersherum, schließlich hat sich Tolkien von alten Sagen und Mythen inspirieren lassen. Aber auch im zweiten Alba-Band finden sich Parallelen zur Mythologie, die sich vor allem im Weltenbau zeigen. Etwa, wenn Carrick die Struktur von Alba erklärt und man unweigerlich an die neun Welten von Yggdrasil denken muss. Auch, wenn sich Anklänge zu anderen Geschichten finden lassen, ist Alba dennoch eine eigenständige Welt, die man in diesem zweiten Teil noch deutlich besser kennenlernt.