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Veröffentlicht am 18.09.2019

Das literarische Reinheitsgebot

Bier mit Schuss
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Das Reinheitsgebot von 1516 ist eindeutig: In Deutschland darf zur Herstellung von Bier nur Malz, Hopfen, Wasser und Hefe verwendet werden. Da sich die Herstellung von Bier seit 1516 aber etwas verändert ...

Das Reinheitsgebot von 1516 ist eindeutig: In Deutschland darf zur Herstellung von Bier nur Malz, Hopfen, Wasser und Hefe verwendet werden. Da sich die Herstellung von Bier seit 1516 aber etwas verändert hat, ist auch das Reinheitsgebot entsprechend angepasst worden. Und auch ein Bier mit Schuss ist immer noch ein Bier, auch, wenn es etwas mehr Alkohol enthält als üblich. Aber was ist, wenn man den Schuss nicht auf einen alkoholischen Zusatz bezieht? Dann wird es wohl kriminell. So wie in den Geschichten der Autoren, die in der Anthologie „Bier mit Schuss“ ihre Bierleichen munter in der Weltgeschichte verteilen.

Sitzen ein paar Autoren beim Glühbier zusammen… Kein Witz, sondern Realität. Nach einer Lesung saßen Krimiautor Joachim H. Peters und ein paar seiner Kollegen anschließend beim Glühbier zusammen und fragten sich, warum Bier in Krimis eigentlich so selten vorkommt. „Eigentlich müsste man da mal eine Geschichte darüber schreiben“, meinte Joachim H. Peters damals. Verleger Rolf Wagner vom Prolibris Verlag war schnell ins Boot geholt. Einzige Bedingung: Joachim H. Peters sollte Herausgeber der kriminellen Biergeschichten „Bier mit Schuss“ werden. Dreizehn weitere Bier- und Krimibegeisterte Autorenkollegen waren schnell gefunden, wobei die Aufgabe lediglich lautete eine kriminelle Geschichte rund um das Thema Bier und Mord zu schreiben. Zeitliche und regionale Beschränkungen gab es nicht, weshalb manche Leichen eben in Paderborn liegen und andere im georgianischen London. Den Klappentext für „Bier mit Schuss“ hat übrigens Bernds Stelter geschrieben, auch wenn er nur acht Stunden Zeit dafür hatte und lediglich bis Seite 112 gekommen ist.

„Bier mit Schuss“ macht deutlich, dass der Genuss des hopfenhaltigen Getränks krimineller und literarischer sein kann, als man eigentlich denkt. Dabei muss das Bier nicht immer eine zentrale Rolle im Rahmen des fiktiven Verbrechens einnehmen, sondern kann auch nur eine Randerscheinung innerhalb der Geschichte sein. Das Besondere am Buch: Brauereien können sich das Cover personalisieren lassen, also einen Teil der Auflage kaufen und ihr Logo auf den vorne abgebildeten Bierkrug setzen und es dann in ihren Shops und Präsentkörben anbieten. Allerdings ist das Buch nicht nur etwas für Bierfans, sondern vor allem für Krimifreunde. Die Geschichten sind mal ein Ausflug Richtung Thriller, mal eher humorvoll oder auch historisch angehaucht, sodass „geschmacklich“ für jeden etwas dabei ist.

Veröffentlicht am 08.09.2019

Bücher sind nichts für Feiglinge

Südlichter
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Monsieur Perdus literarische Reiseapotheke beinhaltet so einige vielseitige Heilmittel. Unter anderem auch „Südlichter“ von Sanary. Der Roman, der Monsieur Perdu besonders am Herzen liegt. Jetzt lässt ...

Monsieur Perdus literarische Reiseapotheke beinhaltet so einige vielseitige Heilmittel. Unter anderem auch „Südlichter“ von Sanary. Der Roman, der Monsieur Perdu besonders am Herzen liegt. Jetzt lässt Nina George den erfundenen Roman Wirklichkeit werden. Der Roman im Roman beginnt dabei mit einer unvorhergesehenen und nicht geplanten Begebenheit. Die Liebe wird für das kleine Mädchen Marie-Jeanne sichtbar. Warum gerade Marie-Jeanne? Vielleicht hat es mit einer besonderen Konstellation von Begebenheiten zu tun, jedenfalls kann sie von da auch erkennen, welche Menschen füreinander bestimmt sind.

Markus Zusak hat uns beigebracht, dass auch der Tod erzählen kann, Nina George lässt die Liebe oder besser der Liebe erzählen. Darüber hinaus ist der Tod bei ihr weiblich – eine Todin also. So, wie es in der französischen Sprache eben üblich ist. Die Geschichte, die Nina George Sanary in die Feder legt, hat einen unglaublich poetischen Ton und liest sich dadurch umso intensiver. Dabei war bereits die Wahl des Pseudonyms Sanary für „Das Lavendelzimmer“ ein sprechender Autorenname. Schließlich nimmt Nina George damit auf den Ort Sanary-sur-Mer in der Provence Bezug, der vielen Schriftstellern im Zweiten Weltkrieg als Exil diente. Dadurch kommt Sanary in „Südlichter“ eine doppelte Bedeutung zu. Einmal als Ort der Zuflucht und einmal als Autor, der das Buch geschrieben hat, das Monsieur Perdu Zuflucht und Inspiration, eine literarische Reiseapotheke einzurichten, bietet.

Während Nordlichter vorrangig mit Kälte und Dunkelheit verbunden werden, denkt man bei Südlichtern eher an das gelb-goldene Licht der untergehenden Sonne, etwa über einem Lavendelfeld in der Provence. Diese Wärme, die das Licht verströmt, findet sich auch im Text wieder und man versteht beim Lesen, warum Monsieur Perdu diese Geschichte so sehr schätzt. Zwischendurch gibt es immer wieder Einschübe, die durch Fingerzeige gekennzeichnet sind und die Erläuterungen und Hintergrundinformationen zum gerade Erzählten enthalten. Obwohl auf diese Weise die eigentliche Geschichte unterbrochen wird, wird der Lesefluss allerdings trotzdem nicht gestört. Im Gegenteil: Dadurch, dass der Erzählton so ruhig und poetisch ist, entsteht somit eher eine lebendige Erzählsituation, bei der die Liebe dem Leser genau gegenüber sitzt und „Südlichter“ erzählt.

Veröffentlicht am 01.09.2019

Magiergangs of New York

Der letzte Magier von Manhattan
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Im Jahr 1901 war New York noch anders, als man es heute kennt. Ganz abgesehen von den offensichtlichen Veränderungen, die auch dem technischen Fortschritt geschuldet sind, war New York vor allem magischer. ...

Im Jahr 1901 war New York noch anders, als man es heute kennt. Ganz abgesehen von den offensichtlichen Veränderungen, die auch dem technischen Fortschritt geschuldet sind, war New York vor allem magischer. Zwar gibt es auch heute noch Zauberer, aber die Magie im New York zu Beginn des 20. Jahrhunderts war deutlich intensiver. Das muss auch Esta, ihres Zeichens eine Diebin und der Magie fähig, feststellen, als ihr Mentor sie von der Gegenwart aus über 100 Jahre in der Zeit zurückversetzt. Dort soll sie ein Buch stehlen, dass den Magiern helfen kann, den Kampf gegen den Orden zu gewinnen, um endlich frei und in Frieden leben zu können. Allerdings muss Esta dafür wahrscheinlich jeden in der Vergangenheit verraten, der ihr helfen kann, das Buch zu finden.

Esta hat es nicht so einfach. Im New York im Jahre 1901 auf sich gestellt, gerät sie schneller als ihr lieb ist zwischen die Fronten sich rivalisierender magischer Gangs. Um in der Vergangenheit nicht unterzugehen, findet Esta sich bald inmitten einer dieser Gangs. Und obwohl Lisa Maxwell verschiedene Handlungsstränge innerhalb ihrer Geschichte aufbaut, kommt sie immer wieder auf Esta als Protagonistin und Schlüsselfigur zurück. Aber auch die anderen Charaktere erhalten genug Hintergrund und Tiefe, um die Handlung ebenso mit zu tragen. Auch, wenn die einzelnen Figuren alle eine Hintergrundgeschichte haben, gerät die eigentliche Handlung nie aus dem Fokus.

„Der letzte Magier von Manhattan“ braucht am Anfang erst etwas Anlauf, was allerdings auch gut ist, da man sich ansonsten leicht zwischen den Zeiten und Charakteren verlieren würde. Die kleinen Hinweise auf Diversität fallen meist in Nebensätzen und zeigen, wie leicht es sein, diese in eine Geschichte einfließen zu lassen, selbst wenn diese in der Vergangenheit spielt und beispielsweise gleichgeschlechtliche Beziehungen damals noch verboten waren. Multikulturalität hingegen scheint im New York der Vergangenheit deutlich selbstverständlicher zu sein, als es heute der Fall ist. Vielleicht hängt dies auch damit zusammen, dass die Menschen sich damals ihres Siedlerstatus deutlich bewusster waren. Mit dem ersten Teil der Dilogie „Die Rätsel des Ars Arcana“ erschafft Lisa Maxwell keinesfalls eine beliebige Fantasywelt, sondern überzeugt mit durchdachten Strukturen, die genug Tiefe und Erzählstoff für eine Fortsetzung liefern.

Veröffentlicht am 27.08.2019

Kenne dich selbst

Die Spiegelreisende 2 - Die Verschwundenen vom Mondscheinpalast
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Wem kann Ophelia noch vertrauen? Ihr Kennenlernen mit dem Hausgeist des Pols, Faruk, ist gründlich schief gegangen. Nicht, weil Ophelia sich tollpatschig angestellt hätte, sondern einfach, weil Faruk an ...

Wem kann Ophelia noch vertrauen? Ihr Kennenlernen mit dem Hausgeist des Pols, Faruk, ist gründlich schief gegangen. Nicht, weil Ophelia sich tollpatschig angestellt hätte, sondern einfach, weil Faruk an Exzentrik kaum zu überbieten ist. Und so ernennt er sie – die Leserin – zur Vize-Erzählerin des Hofes. Solange sie ihn gut unterhält, sei sie sicher, wird ihr ihr gesagt. Doch als nach und nach immer mehr hochrangige Mitglieder der Himmelsburg verschwinden und Ophelia die gleichen Drohbriefe wie die Verschwundenen erhält, beginnt sie an ihrer Sicherheit zu zweifeln. Und wer ist dieser Gott, der offensichtlich verhindern will, dass Thorn und Ophelia heiraten?

Christelle Dabos knüpft mit dem zweiten Band „Die Verschwundenen vom Mondscheinpalast“ genau da an, wo „Die Verlobten des Winters“ endete. Ophelia ist als Verlobte von Thorn enttarnt, allerdings heißt das noch lange nicht, dass es ab jetzt einfacher für sie wird oder, dass man sie akzeptiert. Hinzu kommt, dass Christelle Dabos ganz individuelle, teils etwas eigenwillige Charaktere geschaffen hat, die alle ihre individuelle Entwicklung innerhalb der Geschichte erfahren. Auch, wenn Ophelia als Hauptfigur im Mittelpunkt steht, heißt das noch lange nicht, dass alle anderen Figuren nur Beiwerk sind. Genauso erfährt man immer mehr über die erzählte Welt und hat stellenweise sogar das Gefühl, nah an der Wahrheit über den Gott zu sein, der in den Drohbriefen immer wieder genannt wird.

Die Entwicklung der Handlung kann man nicht anders als konsequente Fortsetzung beschreiben. Nicht nur, weil sie nahtlos anknüpft, sondern auch, weil die Autorin ihrem Erzählton und Erzählstil treu bleibt und trotz der Vielschichtigkeit jeden Erzählstrang mühelos wieder aufgreift und weiterführt. Zwischendrin tauchen immer wieder Fragmente bzw. Erinnerungen auf, die sich erst nach und nach einem Charakter zuordnen lassen. Trotz aller Konsequenz der Erzählung schafft es Christelle Dabos zum Ende hin, doch noch die eine oder andere überraschende Wendung einzubauen. Obwohl am Ende natürlich eine Auflösung steht, nimmt die Autorin die Neugier auf den folgenden Band keinesfalls vorweg, sondern baut stattdessen einen Cliffhanger ein, der die Wartezeit nun ein wenig länger erscheinen lässt.

Veröffentlicht am 12.08.2019

Ich hätte da gerne ein Buch, es ist blau...

Tagebuch eines Buchhändlers
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„The Bookshop“ in Wigtown in Schottland ist die größte Second-Hand-Buchhandlung des Landes und Shaun Bythell ist der Besitzer dieses Paradieses für Bücherfreunde. Manche Kunden bezeichnen den Laden als ...

„The Bookshop“ in Wigtown in Schottland ist die größte Second-Hand-Buchhandlung des Landes und Shaun Bythell ist der Besitzer dieses Paradieses für Bücherfreunde. Manche Kunden bezeichnen den Laden als Labyrinth, weil die Regale so verwinkelt stehen, aber genau das macht den Charme der Buchhandlung irgendwie auch aus. Und natürlich prägen die Menschen den Laden. Ob exzentrische Kunden oder sehr spezielle Mitarbeiter, Shaun Bythell kennt sie alle. Zusätzlich gibt es einen Blick hinter die Kulissen, der Einblicke gewährt, die man als Buchkäufer so nicht kennt.

Eines vorweg: Jedes Wort ist war. Glaube ich zumindest. Denn so kauzig kann man sich Büchermenschen nicht ausdenken. Der Titel „Tagebuch eines Buchhändlers“ verspricht bereits urige Geschichten, allerdings rechnet man nicht unbedingt mit einem richtigen Tagebuch. Über das Jahr 2014 hinweg nimmt Shaun Bythell den Leser Tag für Tag mit in seine Welt. Dabei sind die einzelnen kurzen Kapitel, die sich jeweils um die Werktage drehen, weniger von Spannung, als durch feinfühliges Erzählen gekennzeichnet. Etwa, wenn er von Nachlässen verstorbener Personen erzählt, deren Bibliothek viel von der Persönlichkeit des jeweiligen Menschen preisgibt. Allerdings erfährt man nicht nur verschiedene Aspekte aus dem Alltag eines Buchhändlers, sondern auch von den Problemen, mit denen inhabergeführte Buchhandlungen zu kämpfen haben. Anders als man vielleicht vermuten würde, ist das nicht nur der wachsende Internethandel, sondern auch ganz handfeste Schwierigkeiten, wie undichte Schaufensterscheiben.

Hinter jedem Satz von Shaun Bythell steckt großer Idealismus und viel Herzblut für seinen Beruf. Trotz aller Unwägbarkeiten, kleinerer und größerer Probleme, Unstimmigkeiten mit Mitarbeitern oder unhöflichen Kunden, erzählt der Autor und Buchhändler mit sehr viel positiver Stimmung. Und obwohl es oft nur alltägliche Begebenheiten sind, ist es vor allem seine Begeisterung für seinen Beruf, die die meist recht kurzen Kapitel so faszinierend machen. Dadurch, dass die einzelnen Tage in sich abgeschlossen sind, ist ein kontinuierlicher Erzählstrang nicht vorhanden. Dennoch bauen viele Ereignisse, wie es im Leben nun einmal so ist, aufeinander auf und werden in einem späteren Kapitel wieder aufgegriffen oder fortgeführt.