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Veröffentlicht am 14.03.2019

Reise zu sich selbst

Der Atlas der besonderen Kinder
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Eines vorweg: Jacob Portman ist nicht verrückt, sondern nur besonders. Auch, wenn es seinen Eltern schwerfällt, das einzusehen und sie ihn eine psychiatrische Anstalt bringen wollen. Daraus wird allerdings ...

Eines vorweg: Jacob Portman ist nicht verrückt, sondern nur besonders. Auch, wenn es seinen Eltern schwerfällt, das einzusehen und sie ihn eine psychiatrische Anstalt bringen wollen. Daraus wird allerdings nichts, weil Miss Peregrine und die anderen besonderen Kinder plötzlich bei Jacob auftauchen. Erst einmal davor sicher in eine Psychiatrie gebracht zu werden, hilft Jacob seinen Freunden nicht nur sich in der heutigen, modernen Welt zurechtzufinden, sondern begibt sich auf Spurensuche, um hinter die Geheimnisse seines Großvaters zu kommen. Diese Suche führt ihn auf einen Roadtrip durch Amerika bei dem er schnell feststellen muss, dass nicht nur andere Länder andere Sitten haben, sondern auch andere Zeiten.

Nachdem in den bisherigen Bänden der Fokus eher auf der Vergangenheit lag, spielt „Der Atlas der besonderen Kinder“ zu großen Teilen in der Gegenwart. Hauptcharakter Jacob hat ein sehr persönliches Handlungsmotiv: Die Geheimnisse seines Großvaters zu entschlüsseln, um herauszufinden, wer Abe Portman eigentlich wirklich war. Der Roadtrip auf den Spuren des Großvaters wird für Jacob aber auch zu einer Reise zu sich selbst und man hat den Eindruck, dass er am Ende der Geschichte ein ganzes Stück erwachsener und verantwortungsbewusster geworden ist.

Ransom Riggs schafft auch hier wieder sehr facettenreiche und differenzierte Charaktere. Zu den bereits Bekannten kommen neue hinzu, die wiederum sehr individuell agieren. Stilistisch bleibt er sich treu, sodass der vierte Band, obwohl er Beginn einer neuen Trilogie ist, nahtlos an die anderen anknüpft. Die Erzählstränge werden logisch miteinander verknüpft und auch, wenn die Reise im Mittelpunkt steht, bleibt immer noch genug Raum für Interaktionen der Freunde untereinander und neue Bekanntschaften mit anderen Besonderen. Zwischendurch hat die Geschichte allerdings ein paar Längen, was vermutlich auch dem Roadtrip selbst geschuldet ist. Auf langen Autofahrten kann man auch schon mal im Stau stehen. In der Summe ist der Auftakt zur neuen Trilogie aber sehr gelungen und schürt definitiv die Erwartungen auf die Folgebände.

Veröffentlicht am 03.03.2019

Silber zu Gold

Das kalte Reich des Silbers
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Mirjems Familie leidet bittere Armut. Und das nur weil ihr Vater, ein Pfandleiher, es nicht übers Herz bringt, sich das verliehene Geld auch wieder zurückzuholen. Als ihre Mutter schwer erkrankt, beschließt ...

Mirjems Familie leidet bittere Armut. Und das nur weil ihr Vater, ein Pfandleiher, es nicht übers Herz bringt, sich das verliehene Geld auch wieder zurückzuholen. Als ihre Mutter schwer erkrankt, beschließt Mirjem die Schulden einzutreiben, um damit Medizin bezahlen zu können. Ihre Unnachgiebigkeit und ihr Geschäftssinn tragen ihr bald den Ruf ein, Silber in Gold verwandeln zu können. Als der König des magischen Volks der Staryk davon hört, stellt er Mirjem zunächst auf die Probe, bevor er sie in sein Reich entführt, damit sie dort wahrhaftig Silber in Gold verwandelt.

Mit „Das kalte Reich des Silbers“ erzählt Naomi Novik die Geschichte vom Rumpelstilzchen neu. Nur, dass es in dieser Geschichte, streng genommen, kein Rumpelstilzchen gibt. Niemand backt heute, braut morgen oder holt übermorgen der Königin ihr Kind. Allerdings spielen zentrale Elemente des Märchens eine nicht unwichtige Rolle. So sind Habgier, Macht und Prahlerei starke Handlungsmotive, aber auch das dreimalige Auf-die-Probe-Stellen, das Böse in Gestalt eines Dämons und das Geheimhalten von Namen kennzeichnen die Erzählung. Ein ebenfalls nicht unwichtiger Aspekt, der meiner Ansicht nach durchaus etwas Sozialkritik in die Geschichte bringt, ist die Tatsache, dass Mirjems Familie jüdisch ist. Die Antipathie, die Mirjems Familie von den anderen Dorfbewohnern erfährt, ist zwar vorwiegend darauf begründet, dass Mirjem so hartnäckig die Schulden zurückfordert, allerdings wird man beim Lesen das Gefühl nicht los, dass Naomi Novik auch gegen Antisemitismus schreibt.

Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, wobei man mitunter überlegen muss, wer gerade spricht. Da Sprecherwechsel allerdings immer durch Absätze gekennzeichnet sind, verliert man beim Lesen aber trotzdem nicht den Faden. Die wechselnden Perspektiven sorgen dafür, dass man auch die Sichtweise der vermeintlich Bösen erlebt und dadurch einen besseren Einblick in ihre Motive erfährt. Und auch die eigentlich Guten handeln nicht immer durchweg einwandfrei. Auch, wenn „Das kalte Reich des Silbers“ eine Version des Märchens vom Rumpelstilzchen ist, finden sich hier deutlich mehr Grauzonen innerhalb der Handlung, wodurch auch die Ursprungsgeschichte eine andere Perspektive bekommt.

Veröffentlicht am 03.03.2019

Als Held wird man nicht geboren. Als Held stirbt man.

Die Helden von Midgard
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Ein goldener Faden ist im Schicksalsteppich der Nornen aufgetaucht, ein sicherer Hinweis auf einen neuen Helden. Alle Zeichen scheinen auf Erik, einen jungen Mann, hinzuweisen. Als die Walküre Kára und ...

Ein goldener Faden ist im Schicksalsteppich der Nornen aufgetaucht, ein sicherer Hinweis auf einen neuen Helden. Alle Zeichen scheinen auf Erik, einen jungen Mann, hinzuweisen. Als die Walküre Kára und der Gott Tyr Erik dabei helfen wollen, sein Heldenschicksal zu erfüllen, damit er nach Walhalla gelangen kann, kann Loki nicht anders als auch mitzumischen. Allerdings ist Kára, die sich mittlerweile in Erik verliebt hat, wild entschlossen, den jungen Mann nach Walhalla zu bringen, um für immer mit ihm zusammen sein zu können.

In „Die Helden von Midgard“ von Liza Grimm geht es einerseits natürlich um die Göttersagen und darum, dass Loki viel zu gerne in den Plänen anderer herumpfuscht. Andererseits handelt der Roman aber auch von Wünschen, Sehnsüchten, Liebe und Schicksal. Im Laufe der Geschichte muss Kára erfahren, dass man zwar in das Schicksal eingreifen, es aber nicht ändern kann. Zusätzlich wirft die Geschichte Fragen auf, die nicht nur Kára zum Nachdenken bringen, sondern auch den Leser gerichtet sind. Ist ein (nahezu) unsterbliches Leben tatsächlich lebenswert? Und sind die Helden, die in Walhalla ein niemals endendes Festgelage feiern, wirklich alle so glücklich?

Liza Grimm schafft mit der Vorgeschichte zu „Die Götter von Asgard“ eine Erzählung, die sich leicht weglesen lässt und trotzdem ein paar Fragen aufwirft. Wie auch in „Die Götter von Asgard“ geht es um einen menschlichen Helden und Kára, Tyr und Loki, die man bereits kennt, spielen auch hier wieder eine wichtige Rolle. Allerdings ist die Situation eine völlig andere. Einige Vermutungen, die sich beim Lesen an dem einen oder anderen Punkt einschleichen, bestätigen sich am Ende nicht, was die Geschichte einigermaßen unvorhersehbar macht. Zum Ende hin hatte ich allerdings den Eindruck, dass eine Figur zu einer Art Bauernopfer wurde, was jedoch letztendlich wieder in die Gesamthandlung passte, mir aber nicht wie die beste Lösung der Situation erschien. Die Freude an der Geschichte hat mir das aber trotzdem nicht verdorben. „Die Helden von Midgard“ spielt zwar vor „Die Götter von Asgard“, beide Bücher können aber unabhängig voneinander gelesen werden.

Veröffentlicht am 16.02.2019

Wie klingen Träume?

Lieder von Morgen
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Lenia Barrett ist gerade mal Anfang zwanzig, eine begeisterte Musikerin und an Leukämie erkrankt. Zeit ist etwas, dass sie nicht hat. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb möchte sie Gitarre spielen ...

Lenia Barrett ist gerade mal Anfang zwanzig, eine begeisterte Musikerin und an Leukämie erkrankt. Zeit ist etwas, dass sie nicht hat. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb möchte sie Gitarre spielen lernen. Ihr Gitarrenlehrer Jonathan Benson ist genauso musikbegeistert wie sie, allerdings dem Leben lange nicht aufgeschlossen wie Lenia. Die Musik wird zu einer Art Brücke zwischen den beiden so gegensätzlichen Menschen und bringt sie die dazu, im Laufe der Zeit nicht nur musikalisch, sondern auch menschlich voneinander zu lernen.
„Lieder von Morgen“ ist eine fiktive Geschichte, basierend auf wahren Erlebnissen der Autorin und anderen jungen Krebsbetroffenen. Offiziell unterstützt von der Deutschen Stiftung für Junge Erwachsene mit Krebs.

Schon zu Beginn des Buches musste ich an ein Zitat von Victor Hugo denken, der einmal gesagt hat: „Die Musik drückt aus, was nicht gesagt werden kann und worüber es unmöglich ist, zu schweigen.“ Der Titel „Lieder von Morgen“ ist nicht ohne Grund gewählt, Musik spielt tatsächlich eine große Rolle innerhalb der Erzählung. Für Lenia ist sie nicht nur Ausdruck verschiedener Gefühle, sondern auch etwas, dass ihr Kraft gibt. Für Jonathan ist Musik alles, allerdings sieht er in der Musik keine dauerhafte berufliche Perspektive. Außerhalb der Musik können sich Lehrer und Schülerin nur schwer zu einer Meinung durchringen, in der Musik und im Musizieren selbst harmonieren sie nicht nur perfekt, sondern wachsen auch über sich hinaus. Um Lenia und Jonathan, den sie konsequent Mr Benson nennt, herum, nehmen die Nebencharaktere nicht unwichtige Positionen ein. Da sind die verzweifelten Eltern, die sich in womöglich nicht allzu ferner Zukunft, von ihrem Kind verabschieden müssen, die beste Freundin, die durch alle Höhen und Tiefen mitgeht und die Freunde, die es gut meinen, sich aber nicht einfühlen können. Die verschiedenen Typen finden alle ihren Platz, ohne klischeehaft, beladen oder überflüssig zu erscheinen.

Rune L. Greens Geschichte lebt von der Gegensätzlichkeit der beiden Protagonisten, die sich durch ihre völlig unterschiedliche Art wiederum aber gut ergänzen. Der Aufbau ist stark an der Musik orientiert. So sind die einzelnen Kapitel nach Songs benannt, die extra für das Buch geschrieben wurden und im Anhang zu finden sind. Da „Lieder von Morgen“ in London spielt, sind die Songs alle auf Englisch und geben in gewisser Weise den Inhalt des Kapitels, zu dem sie gehören, wieder. In gewisser Weise ist somit auch die Geschichte eine Komposition, die durch Rune L. Greens einfühlsamen und gleichzeitig sehr schonungslos ehrlichen Schreibstil den Leser fesselt. Die Autorin nimmt einen dabei mit auf eine Reise durch Höhen und Tiefen, bei der man weint, bei der aber auch die humorvollen Momente und vor allem die Menschlichkeit nicht zu kurz kommen.

Veröffentlicht am 12.02.2019

Die fünf Söhne der Penny Dunbar

Nichts weniger als ein Wunder
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Sie sind schon ein etwas merkwürdiger Haufen, die fünf Dunbar Brüder Matthew, Rory, Henry, Clayton und Thomas. Ohne ihre Eltern, dafür mit einigen ungewöhnlichen Haustieren, leben sie auf dem Hinterhof ...

Sie sind schon ein etwas merkwürdiger Haufen, die fünf Dunbar Brüder Matthew, Rory, Henry, Clayton und Thomas. Ohne ihre Eltern, dafür mit einigen ungewöhnlichen Haustieren, leben sie auf dem Hinterhof einer Pferderennbahn. Manche bezeichnen sie als Rabauken, was die Sache vielleicht am besten trifft. Dabei stecken hinter der rauen Schale vor allem fünf Jungen, die ihren Vater vermissen, der sie nach dem Tod der Mutter allein gelassen hat. Eines Tages wird es dem vierten Dunbar-Bruder Clay zu viel und er beginnt eine Brücke zu bauen. Physisch und metaphorisch.

Man könnte es sich leicht machen und „Nichts weniger als ein Wunder“ typisch Markus Zusak nennen. Das würde der Geschichte aber nicht gerecht. Schon allein deshalb nicht, weil Zusak selbst sagt mehr als acht Jahre an dem Werk gearbeitet zu haben. Die Erzählung ist geschickt konstruiert. In zehn Abschnitten mit verschiedenen Unterkapiteln setzt sich die Handlung aus verschiedenen Episoden zusammen. Die Erzählerstimme gehört dabei zum ältesten Bruder Matthew, der rückblickend zwei Vergangenheiten erzählt: Zum einen von der Zeit als Clay beschließt eine Brücke zu bauen, zum anderen aus dem Leben der Mutter, bevor sie geheiratet hat.

Tod und Verlust sind (wieder einmal) die zentralen Themen in Markus Zusaks Roman. Demgegenüber stehen Themen wie Familie, Zuhause und Geborgenheit. Der Autor macht deutlich, wie eng die Dunbar-Brüder aufgrund ihrer Erlebnisse miteinander verbunden sind, auch wenn ihr Umgang miteinander oft rau ist. Die Geschichte ist dabei auch stilistisch etwas anspruchsvoller, die Wechsel zwischen den Ereignissen um Clay und der Vorgeschichte der Mutter sind fließend. Die Satzkonstruktionen sorgen vor allem zu Beginn der Erzählung dafür, dass man ein wenig genauer hinschauen muss. Wer sich darauf allerdings einlässt, der wird mit einer einfühlsamen Geschichte belohnt, bei der das eine oder andere auch mal zwischen den Zeilen steht.