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Veröffentlicht am 17.12.2017

Ohne Erzähler geht es nicht

Beobachtungen aus der letzten Reihe
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„Der Sternwanderer“, „Coraline“, „Das Graveyard-Buch“ oder das erst kürzlich verfilmte Werk „American Gods“ - Neil Gaiman weiß, wie man fesselnde Geschichten schreibt. Seine „Beobachtungen aus der letzten ...

„Der Sternwanderer“, „Coraline“, „Das Graveyard-Buch“ oder das erst kürzlich verfilmte Werk „American Gods“ - Neil Gaiman weiß, wie man fesselnde Geschichten schreibt. Seine „Beobachtungen aus der letzten Reihe“ dagegen lassen sich eher unter Sachbuch einsortieren und sind trotzdem nicht weniger faszinierend. Das Buch ist eine Sammlung von Vorträgen und Artikeln, sowie Vorworten und Essays, die der Autor gehalten bzw. verfasst hat. Inhaltlich sind die einzelnen Kapitel sehr gehaltvoll und regen durchaus zum Nachdenken über Literatur, Erzählhaltung und das Erzählen an sich an. Bereits der erste Text ist ein Plädoyer für das Lesen, das Medium Buch und hebt vor allem die Bedeutung von Büchereien hervor.

Neben Neil Gaimans offensichtlicher Herzensangelegenheit – die Bedeutung des Erzählens hervorzuheben – gibt es verschiedene Einblicke in die Entstehung einzelner Werke, etwa „American Gods“ und „Coraline“. Außerdem gibt es Anekdoten über die Zusammenarbeit und den Austausch mit anderen Autoren und man erhält Einblicke in verschiedene Eindrücke, die sowohl ihn als auch seine Werke beeinflusst haben. Darüber hinaus widmet sich Neil Gaiman ganz grundlegenden Themen, wie etwa der literarischen Erziehung von Kindern, der Entwicklung der Gesellschaft und der Bedeutung von Freundschaft.

Auch wenn man einiges über Neil Gaiman und seine Werke erfährt ist „Beobachtungen aus der letzten Reihe“ keine Biographie, sondern eine Beschäftigung mit Geschichten, Ereignissen, die Geschichten beeinflussen und der Bedeutung von Autoren und Erzählern. Insofern finden wahrscheinlich nicht nur Fans von Neil Gaimans Geschichten gefallen an dem Buch, sondern auch all diejenigen, die sich mit Literatur beschäftigen wollen.

Veröffentlicht am 17.12.2017

Von Krieg, Frieden und Freundschaft

Mein Freund Pax
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Es ist schön, ein Haustier zu haben. Einen Freund, dem man alles erzählen kann. Peter hat Pax. Obwohl Pax kein gewöhnliches Haustier ist. Pax ist ein Fuchs. Und obwohl sein Name „Frieden“ bedeutet, handelt ...

Es ist schön, ein Haustier zu haben. Einen Freund, dem man alles erzählen kann. Peter hat Pax. Obwohl Pax kein gewöhnliches Haustier ist. Pax ist ein Fuchs. Und obwohl sein Name „Frieden“ bedeutet, handelt die Geschichte vom genauen Gegenteil davon. Denn mit dem Beginn des Krieges ändert sich für die beiden Freund alles.
Peters Vater wird als Soldat eingezogen und Peter muss deshalb zu seinem Großvater ziehen. Da er Pax dorthin nicht mitnehmen kann, bleibt ihm nichts anderes übrig als Pax im Wald auszusetzen.

„Mein Freund Pax“ beginnt mit einer Trennung und im Laufe der Geschichte wird abwechselnd aus Peters und Pax Sicht erzählt. Dabei nimmt eine Soldatenfigur, die Peter bei Pax gelassen hat, immer wieder eine zentrale Rolle ein. Nicht nur als Erinnerungsstück, sondern ebenso als Symbol für den Krieg, als Symbol für die Trennung und als Symbol für Pax Beziehung zu Peter.
Der Krieg ist bei der Suche der Beiden nacheinander im Hintergrund, aber allgegenwärtig. Die angespannte Lage äußert sich immer wieder in ihren Handlungen selbst oder aber in den Handlungen, der Menschen, die ihnen auf ihrem Weg begegnen.

Sara Pennypacker beschönigt wenig und lässt auch erschreckende Szenen nicht außen vor. Es wäre allerdings auch nicht stimmig, ein Handlung vor dem Hintergrund eines Krieges spielen zu lassen und dann eine heile Welt darzustellen. Auch nicht in einem Kinderbuch. Wichtig ist vor allem, dass die Geschichte zu einem versöhnlichen Ende geführt wird und die Autorin die Bedeutung der Freundschaft besonders hervorhebt. „Mein Freund Pax“ regt zum Nachdenken an und ist gerade aufgrund der Thematik eine schöne Gelegenheit für Eltern und Kinder, das Buch gemeinsam zu lesen.

Veröffentlicht am 17.12.2017

Was du auch tust ...

Lady Midnight
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Emma Carstairs war zwölf als ihre Eltern starben. Mittlerweile ist Emma siebzehn Jahre alt, eine nahezu fertig ausgebildete Schattenjägerin und glaubt fest daran, dass ihre Eltern nicht im Kampf gegen ...

Emma Carstairs war zwölf als ihre Eltern starben. Mittlerweile ist Emma siebzehn Jahre alt, eine nahezu fertig ausgebildete Schattenjägerin und glaubt fest daran, dass ihre Eltern nicht im Kampf gegen Dämonen ums Leben gekommen sind, sondern dass etwas oder jemand anderes hinter ihrem Tod steckt. Zusammen mit ihrem besten Freund Julian Blackthorn lebt sie im Schattenjägerinstitut in Los Angeles. Als weitere Leichen gefunden werden, die, wie Emmas Eltern, alte Schriftzeichen auf der Haut tragen, will Emma verständlicherweise herausfinden, wer dahintersteckt. Nicht nur, um den Mörder ihrer Eltern zur Rechenschaft zu ziehen, sondern auch um mit der Vergangenheit abschließen zu können.

Neben Emma ist auch Julian ein nicht unwichtiger Charakter. Auch er hat keine Eltern mehr, im Gegensatz zu Emma aber jüngere Geschwister für die er nun die Verantwortung trägt. Keine leichte Aufgabe für einen Teenager.

Fans von „Die Chroniken der Unterwelt“ sind Emma und Julian schon aus „City of Heavenly Fire“ bekannt. „Lady Midnight“ spielt nun fünf Jahre später. Emma und Julian sind mittlerweile Schattenjäger und Parabatai und auch in der Schattenwelt und in Idris ist die Zeit nicht stehen geblieben.

Wie bereits in „Die Chroniken der Unterwelt“ stellt Cassandra Clare auch in ihrer neuen Reihe wieder die Probleme und Sorgen ihrer Protagonisten einer Bedrohung von außen gegenüber. Emma und Julian stehen auf der Schwelle zum Erwachsensein und natürlich stehen Liebe, Freundschaft und das Ärgernis nicht Ernst genommen zu werden im Vordergrund. „Lady Midnight“ ist aber keinesfalls eine Coming-Of-Age Geschichte. Emmas Nachforschungen zum Tod ihrer Eltern beinhalten Elemente aus dem Kriminalroman und dann ist da ja noch die Sache mit den Schattenweltlern, die die Geschichte ins Fanatsygenre rückt.

„Lady Midnight“ ist ein gelungener Genremix, der sich zudem flüssig runterlesen lässt. Wie gewohnt werden zwischendurch immer ein paar popkulturelle Verweise eingeworfen, die die Geschichte in der außertextuellen Welt verankern.

Veröffentlicht am 17.12.2017

Einen (Schienen-)Netz von Interessen

Underground Railroad
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Die „Underground Railroad“, um die es in Colson Whiteheads Buch geht, gab es tatsächlich. Genau wie bei der U-Bahn handelt es sich um ein unterirdisches Schienennetzwerk. Züge im klassischen Sinne fuhren ...

Die „Underground Railroad“, um die es in Colson Whiteheads Buch geht, gab es tatsächlich. Genau wie bei der U-Bahn handelt es sich um ein unterirdisches Schienennetzwerk. Züge im klassischen Sinne fuhren hier allerdings keine. Sklaven, die durch die „Underground Railroad“ flohen, benutzten bei ihrer Flucht Lorenwagen und anders als bei einer U-Bahn Linie, war auch das Ziel oft ungewiss. Dennoch zogen viele eine Flucht ins Ungewisse einem Leben in der Sklaverei vor. Aber auch außerhalb der Sklaverei hatten Schwarze keinen leichten Stand.

Colson Whitehead beschreibt die Flucht mit der „Underground Railroad“ anhand von Cora und Caesar. Cora ist bereits Sklavin in dritter Generation. Ihre Großmutter Ajarry wurde frei geboren und als junges Mädchen mit allen anderen Bewohnern ihres Dorfes versklavt, Coras Mutter Mabel wurde bereits in der Sklaverei geboren. Parallel zu Coras Familiengeschichte erfährt man vom Alltag der Sklaven, von der Brutalität der Plantagenbesitzer und Sklavenfänger. Whitehead schreibt eindrücklich, die Schicksale gehen nahe und berühren. Und auch wenn einem bereits vor der Lektüre des Buches klar war, warum Menschen aus der Sklaverei flohen, macht Whiteheads eindringlicher Schreibstil dem Leser die Verzweiflung der Menschen umso bewusster. Ebenso wird deutlich, dass nicht alle Weißen im Amerika der Gründerzeit Befürworter der Sklaverei waren. Eine Tatsache, die man vielleicht außer Acht lässt, wenn man an das Amerika damals denkt. Möglicherweise genau so wie die Gewalt und Grausamkeiten der Sklaven untereinander. Dabei wird auch vor der Beschreibung von Brutalitäten nicht zurückgeschreckt, was beim Lesen manchmal schwer zu ertragen ist. Dennoch übt der Text eine ungeheure Faszination aus.

Colson Whitehead zeichnet in „Underground Railroad“ kein schwarz-weiß Bild. Weder wörtlich, noch im übertragenen Sinne. Dafür beschreibt er menschliche Beweggründe und zieht die Linie nicht zwischen gut und böse, sondern zwischen menschlich und grausam. Denn auch Protagonistin Cora ist nicht ohne Fehler. Bereits zu Beginn der Geschichte gibt es eine Situation, in der sie aus Rache und Wut handelt. Dennoch distanziert man sich in dieser Szene nicht von ihr, sondern kann, im Gegenteil, genau nachvollziehen, warum sie so handelt. Auch die Beweggründe der Menschen, denen Cora auf ihrer Flucht begegnet, werden erläutert, so dass sich ein komplexes Bild verschiedener Interessen und Motivationen ergibt.

Die Verknüpfung von historischen Tatsachen mit einem auf wahren Begebenheiten beruhendem und hier doch fiktivem Einzelschicksal ergibt eine spannende Mischung, die man trotz der beschriebenen Grausamkeiten nicht aus der Hand legen möchte. Schon deshalb nicht, weil man Cora so sehr wünscht, dass ihre Flucht in die Freiheit erfolgreich ist.

Veröffentlicht am 17.12.2017

Ein undurchsichtiges Spiel

Der Preis, den man zahlt
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Fálco. Lorenzo Fálco. Oder auch Rafael oder auf welchen Namen auch immer er gerade so hört. Fálco ist spanischer Spion. Es ist das Jahr 1936. In Spanien stehen sich Faschisten und Kommunisten gegenüber. ...

Fálco. Lorenzo Fálco. Oder auch Rafael oder auf welchen Namen auch immer er gerade so hört. Fálco ist spanischer Spion. Es ist das Jahr 1936. In Spanien stehen sich Faschisten und Kommunisten gegenüber. Und je nachdem welche Interessen Fálco gerade verfolgt, wechselt er munter die Seiten. Auf welcher Seite Fálco politisch steht, bleibt dabei offen. Meistens steht er lediglich auf seiner eigenen. Als er den Auftrag erhält einen politischen Gefangenen aus dem Gefängnis von Alicante zu befreien, muss er gezwungenermaßen mit den Geschwistern Cari und Ginés Montero, sowie der Spionin Eva Rengel zusammenarbeiten. Während eindeutig ist, welches Ziel die drei verfolgen, die Befreiung des Gefangenen, bleibt unklar, was sich Fálco von dem Unternehmen verspricht.

Arturo Pérez-Reverte erzählt Fálcos Mission schnörkellos und geradlinig, dafür aber mit der einen oder anderen überraschenden Wendung. Sein Erzähltempo ist hoch, die Ereignisse folgen direkt aufeinander, was es schwer macht, das Buch aus der Hand zu legen. Die Dialoge zwischen den Charakteren erwecken den Eindruck, kein Wort zu viel zu enthalten. Die Beschränkung auf das Wesentliche betont die Schwierigkeit der Mission und die Ausweglosigkeit der Situation insgesamt. Die Welt, in der die Geschichte angesiedelt ist, gleicht einem Pulverfass. Der kleinste Funke kann die Explosion bedeuten. Fálcos Verhalten zeugt ebenfalls davon. Dadurch, dass er sich der Gelegenheit entsprechend anpasst, sichert er sich sein Überleben. Der Leser folgt Fálco dabei und erfährt einiges über dessen Vergangenheit und Beziehungen, sowohl politische als auch sexuelle. Und auch wenn Fálco nichts anbrennen lässt und jede Beziehung für seine Zwecke nutzt, ist er ein Einzelgänger. Und bei Weitem nicht der Einzige, der sich anzupassen und Situationen für sich zu nutzen weiß. Das macht es interessant zu beobachten, mit welchen Charakteren der Spion in zukünftigen Geschichten zusammenarbeiten oder konfrontiert werden wird.

„Der Preis, den man zahlt“ ist der Auftakt zu einer Reihe um Lorenzo Fálco. Genug Erzählstoff, an den Pérez-Reverte in weiteren Bänden anknüpfen kann, gibt es jedenfalls. Dadurch, dass einiges, durchaus bewusst, ausgelassen wird, wird der Handlung aber auch nichts vorweggenommen und die Spannung bleibt erhalten.