Profilbild von bootedkat

bootedkat

Lesejury Profi
offline

bootedkat ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit bootedkat über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.12.2017

Den Teufel im Nacken

Als der Teufel aus dem Badezimmer kam
0

Sophie ist Mitte dreißig und arbeitslos. Ein Schicksal, das sie mit vielen Menschen teilt. Doch Sophie hat den festen Entschluss gefasst, ein Buch zu veröffentlichen. Ein Plan, der bisher aber noch nicht ...

Sophie ist Mitte dreißig und arbeitslos. Ein Schicksal, das sie mit vielen Menschen teilt. Doch Sophie hat den festen Entschluss gefasst, ein Buch zu veröffentlichen. Ein Plan, der bisher aber noch nicht so ganz funktioniert hat. Hinzu kommt, dass ein Berg an Bürokratie den Bezug von Sozialhilfe ziemlich erschwert. Als nur noch 17,70 Euro auf dem Konto sind, muss Sophie handeln. Und zu dem Zeitpunkt kommt dann auch der Teufel aus dem Badezimmer. Dabei ist nicht so ganz eindeutig, ob Hector das Teufelchen auf der Schulter ist oder eine, von Sophie erdachte, fiktive Figur in ihrem Roman.

Genau diese Ungewissheit ist der Kern von Sophie Divrys Roman „Als der Teufel aus dem Badezimmer kam“. Eindeutig einordnen lässt sich der Text nämlich nicht. Ist er teilweise autobiographisch (der Name der Protagonistin)? Ist er reine Fiktion mit Wirklichkeitsbezügen (das Prozedere mit der Sozialhilfe)? Auf jeden Fall verschwimmen die Grenzen zwischen der Lebenswirklichkeit der Protagonistin und der von ihr verfassten Fiktion, sodass man durch diese Metaebene am Ende nicht einmal mehr weiß, ob die Situation von Heldin Sophie tatsächlich so verfahren ist. Trotz der Orientierungslosigkeit ist der Roman aber nicht verwirrend. Das Rätselspiel, was fiktive Realität ist und was der Fiktion der Protagonistin entspringt, macht den Text unglaublich unterhaltsam. Sophie Divrys lockerer und humorvoller, wenn auch manchmal etwas schwarzhumoriger, Schreibstil sorgt dafür, dass sich der „Als der Teufel aus dem Badezimmer kam“ gut runterlesen lässt, ohne dabei platt und oberflächlich zu wirken. Experimente mit Schriftarten und Satz, die man so eher aus der Lyrik kennt, runden den Roman ab. „Als der Teufel aus dem Badezimmer kam“ ist trotz Humor und literarischen Experimenten aber auch nachdenklich und mitunter auch gesellschaftskritisch.

Alles in allem kommt dabei ein experimenteller und ungewöhnlicher Roman heraus. Und wenn Sophie (oder ist es die Autorin selbst?) am Ende resümiert, dass es nicht die Arbeitslosigkeit sei, die lustig ist, sondern es die Feste wären, die die Literatur einem immer wieder bereiten kann, dann ist damit eigentlich alles gesagt.

Veröffentlicht am 17.12.2017

Was nicht gesagt wird

Ich treffe dich zwischen den Zeilen
0

Loveday mag Bücher. Mit Menschen hapert es dagegen schon mal. Als sie einen Gedichtband auf dem Gehweg findet und, wie bei einer zugelaufenen Katze, mit einem Aushang nach dem Besitzer des Buches sucht, ...

Loveday mag Bücher. Mit Menschen hapert es dagegen schon mal. Als sie einen Gedichtband auf dem Gehweg findet und, wie bei einer zugelaufenen Katze, mit einem Aushang nach dem Besitzer des Buches sucht, lernt sie Nathan kennen. Man ahnt es bereits, da haben sich zwei Literaturfans gefunden. Nathan geht mit Loveday zu Poetry Slams und über geschriebene und gesprochene Texte nähern sich die beiden immer weiter an. Allerdings gibt es Dinge in ihrer Vergangenheit, die Loveday lieber für sich behalten will. Schließlich kommt sie aber an einen Punkt, an dem sie sich ihren Geheimnissen stellen muss und es ist wenig verwunderlich, dass die Konfrontation mit ihrer Vergangenheit durch ein Buch ausgelöst wird.

"Ich treffe dich zwischen den Zeilen" beginnt bereits mit einer Liebeserklärung an Bücher. Und es ist schön, dass durch die gemeinsame Liebe für Bücher eine Liebesbeziehung entstehen kann. Stephanie Butland erzählt detailliert, allerdings ohne sich dabei in Einzelheiten zu verlieren, und schafft so eine starke Bildlichkeit. Bereits auf der ersten Seite wird zudem die Liebe zum Buch und zur Literatur deutlich gemacht. Diese Liebe lässt sich auch am Text festmachen. Wann immer über buchbasierte Themen oder über Bücher selbst gesprochen wird, wird der Schreibstil etwas poetischer.

Stephanie Butland erzählt ihre Geschichte ausschließlich aus Lovedays Sicht, wodurch eine Nähe zwischen Leser und Protagonistin aufgebaut wird, da man Einblick in deren Gedanken- und Gefühlswelt erhält. Auch die Auseinandersetzung mit Lovedays Vergangenheit wird dadurch nachvollziehbarer. Zwischendurch finden sich immer wieder Poetry-Slam Texte von Nathan (später auch von Loveday) mit Vortragsdatum und -ort, die den Lesefluss unterbrechen und somit zum kurzzeitigen Innehalten anregen. Zusätzlich erfährt man so auch etwas aus Nathans Sicht, ohne, dass hierbei die Sichtweise gewechselt werden muss.

Victor Hugo hat einmal gesagt, dass die Musik das ausdrückt, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist. In „Ich treffe dich zwischen den Zeilen“ wird dieser Satz so umgedeutet, dass es vielmehr die Poesie, und damit in gewissem Sinne auch Rhythmus und Klang, sind, die Ungesagtes zum Ausdruck bringen können.

Veröffentlicht am 17.12.2017

Als das Wünschen noch geholfen hat

Nalia, Tochter der Elemente - Der Jadedolch
0

Nalia ist eine Dschinn. Allerdings keine gewöhnliche ihrer Art, denn Nalia ist die Thronfolgerin von Ardjinna, der Heimat der Dschinn. Durch einen Putsch aus ihrer Heimat vertrieben, lebt sie nun auf der ...

Nalia ist eine Dschinn. Allerdings keine gewöhnliche ihrer Art, denn Nalia ist die Thronfolgerin von Ardjinna, der Heimat der Dschinn. Durch einen Putsch aus ihrer Heimat vertrieben, lebt sie nun auf der Erde bei ihrem Meister Malek Alzahabi. Zwei Wünsche hat er schon verbraucht und Nalia hofft sehnlichst, dass er bald seinen dritten Wunsch äußert und sie eine freie Dschinn wird. Allerdings rückt Malek mit seinem dritten Wunsch nicht heraus und Nalia beginnt sich nach anderen Wegen umzusehen, wie sie sich von ihrem Meister lösen kann. Schließlich trifft sie auf Raif, einen Rebellen aus ihrem Heimatland Ardjinna, der eine Möglichkeit weiß, ihr zu helfen. Allerdings hat Nalia noch ein ganz anderes Problem: Die Ifrit, die nach dem Sturz der Herrscherfamilie, die Geschicke in Ardjinna übernommen haben, sind ganz und gar nicht damit einverstanden, dass Nalia den Putsch überlebt habt.

Heather Demetrios verknüpft in „Nalia, Tochter der Elemente – Der Jadedolch“ zwei verschiedene Handlungsstränge miteinander. Die Haupthandlung dreht sich klar um Protagonistin Nalia und um ihr Leben bei ihrem Meister. Im zweiten Handlungsstrang folgt der Leser Nalias Widersacher Haran rund um die ganze Welt. Dadurch, dass die Geschehnisse um Nalia im Präteritum erzählt werden, die von Haran aber im Präsens, wird die von ihm ausgehende Gefahr umso deutlicher. Im Gegensatz zum Leser ahnt Nalia jedoch nicht, wie nah ihr Verfolger ihr schon gekommen ist, was den Wettlauf gegen die Zeit noch stärker hervorhebt.

In Rückblenden erfährt der Leser außerdem etwas über Nalias Vergangenheit und über ihre Ausbildung durch andere Dschinn. Und obwohl man versucht hat, sie auf jegliche Eventualitäten vorzubereiten, benimmt sich Nalia oft wie ein gewöhnliches achtzehnjähriges Mädchen. Mitunter führt das zu naiven und leichtsinnigen Entscheidungen. Für den Leser ist das frustrierend, da man weiß, dass Nalia sich ihrer bedrohlichen Lage bewusst ist. Die zahlreichen Verweise auf ihre Ausbildung suggerieren außerdem, dass sie es eigentlich besser wissen müsste.

Heather Demetrios weiß Spannung zu schaffen. Das hilft auch über manche Schwächen der Handlung und der Charaktere hinweg. Der lockere Sprachstil sorgt zudem dafür, dass sich „Nalia, Tochter der Elemente – Der Jadedolch“ flüssig lesen lässt, wobei hier natürlich auch die Leistung der Übersetzerin gewürdigt werden muss, diese Leichtigkeit zu übertragen.

Veröffentlicht am 17.12.2017

Schwieriges Erbe

Das Vermächtnis der Spione
0

Schon im ersten Satz wird John le Carrés Roman seinem Titel gerecht, denn der Ich-Erzähler erklärt, seine Geschichte nach bestem Wissen und Gewissen verfasst zu haben. Das erinnert vom Ton her an eine ...

Schon im ersten Satz wird John le Carrés Roman seinem Titel gerecht, denn der Ich-Erzähler erklärt, seine Geschichte nach bestem Wissen und Gewissen verfasst zu haben. Das erinnert vom Ton her an eine Testamentseröffnung, inhaltlich an eine Zeugenaussage vor Gericht. Eigentlich nimmt die Eröffnung der Geschichte den Ausgang der Handlung schon vorweg, doch wird dadurch, dass der Ich-Erzähler für seine Geschichte weit ausholt, deutlich, dass es vorrangig um die Ereignisse geht, die zu diesem Ausgang führen.
Der Eindruck der Zeugenaussage verstärkt sich im Laufe, denn der Erzähler rechtfertigt sich sich zwischendurch immer wieder oder erklärt bestimmte Beweggründe. Dabei wird nicht direkt ersichtlich, wem diese Rechtfertigungen gelten. Dem Leser? Einem Richter? Einem unbekannten Zuhörer? Vielmehr scheint der Erzähler sich vor sich selbst rechtfertigen zu müssen. Wozu es auch passt, dass er nicht nur die direkten Ereignisse wiedergibt, sondern eine detaillierte Vorgeschichte dazu erzählt.

Ich-Erzähler Peter Guilliam, der ehemalige Assistent von le Carrés Held George Smiley führt den Leser dabei zurück in das Jahr 1961. Das Jahr, in dem die Berliner Mauer gebaut wurde und in dem der britische Agent Alec Leamas zusammen mit seiner Freundin dort ums Leben kam. Zunächst deutet alles daraufhin, dass Leamas zu Unrecht gestorben ist, doch wie so oft in Romanen, in denen es um den Geheimdienst geht, ist die Erkenntnislage nicht so einfach.
Und noch bevor der eigentliche Held George Smiley überhaupt auftaucht, ist der Leser gefangen von der Faszination und der Gefahr, die von der Geheimdienstarbeit ausgeht. Ein weiteres zentrales Element ist die Aufarbeitung der Vergangenheit. Hierbei steht die Frage im Raum, ob damals begangene bzw. ausgeführte Handlungen heutzutage neu bewertet werden müssen, wenn man neue Erkenntnisse dazu gewinnt. Die Diskussion dieser Frage begleitet den Leser ebenfalls durch den Roman und trägt auch dazu bei, dass man gebannt Seite für Seite weiterliest.

John le Carré versteht es meisterhaft, seine Geschichten vermeintlich harmlos zu beginnen. So auch “Das Vermächtnis der Spione”. Ähnlich wie die Protagonisten, die ebenfalls noch nicht wissen, was sie im Laufe der Handlung erwartet, tastet sich auch der Leser Stück für Stück voran und findet sich unversehens mitten im Geschehen wieder. Zu spät, um sich dem Sog der Handlung zu entziehen.

Veröffentlicht am 17.12.2017

Eine Reihe außergewöhnlicher Ereignisse

His Dark Materials 0: Über den wilden Fluss
0

Malcolm Polstead lebt in Oxford und ist elf Jahre alt, als im Gasthaus seiner Eltern drei Männer einkehren, die sich irgendwie ungewöhnlich verhalten. Kurz darauf nehmen die Nonnen im benachbarten Kloster ...

Malcolm Polstead lebt in Oxford und ist elf Jahre alt, als im Gasthaus seiner Eltern drei Männer einkehren, die sich irgendwie ungewöhnlich verhalten. Kurz darauf nehmen die Nonnen im benachbarten Kloster ein sechs Monate altes Mädchen auf und Malcolm erfährt das erste Mal vom Staub. Gemeinsam mit seinem Dæmon Asta spürt Malcolm den Ereignissen nach, denn er ist fest davon überzeugt, dass zwischen den Ereignissen ein Zusammenhang besteht. Und er soll recht behalten, denn das kleine Mädchen im Kloster ist Lyra Belacqua.

„Über den wilden Fluss“ von Philip Pullman spielt etwa zehn Jahre vor den Ereignissen von „His Dark Materials“. Obwohl die Geschichte von Malcolm handelt, sind die Bezüge aber schon auf den ersten Seiten eindeutig. Kenner von „His Dark Materials“ erkennen Anspielungen und Namen auf Anhieb. Diejenigen, die mit der Trilogie nicht oder noch nicht vertraut sind, finden sich aber ebenfalls ohne Probleme zurecht. Bestimmte Dinge werden im Laufe der Handlung erklärt, ohne der Geschichte einen belehrenden Ton zu verleihen. Philip Pullman erzählt detailliert, langweilt den Leser aber nicht mit überflüssigen Einzelheiten und schafft so einen Textfluss, bei dem man gerne mal übersieht, wie viele Seiten man gerade tatsächlich gelesen hat.

Im englischen Original trägt das Buch den Titel „La Belle Sauvage“ und tatsächlich spielt das gleichnamige Boot Malcolms eine nicht ganz unwichtige Rolle. Der deutsche Titel „Über den wilden Fluss“ ist insofern gut gewählt, da sich viele entscheidende Ereignisse auf oder an der, durch Oxford fließenden, Themse abspielen.
Der Roman bildet den Auftakt zu der neuen Trilogie „The Book of Dust“. Nachdem „His Dark Materials“ weltweit viele Leser begeistert hat, bleibt abzuwarten, ob die nun folgende Trilogie an den Erfolg anknüpfen kann. Die Voraussetzungen dafür stehen ganz gut.