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Veröffentlicht am 05.03.2024

Rasiermessermuschel

Revanche
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Wie jeden Tag nimmt die Fähre über die Gironde frühmorgens die ersten Passagiere auf, um sie von Blaye nach Lamarque oder umgekehrt zu bringen. Diesmal aber ist etwas anders: in Blaye angekommen, blockiert ...

Wie jeden Tag nimmt die Fähre über die Gironde frühmorgens die ersten Passagiere auf, um sie von Blaye nach Lamarque oder umgekehrt zu bringen. Diesmal aber ist etwas anders: in Blaye angekommen, blockiert das Fahrzeug von Malermeister Benjamin Forestier die Ausfahrt, vom beliebten Mann aus Pauillac fehlt jede Spur. Hatte er irgendwo am Schiff einen Herzinfarkt oder ist er gar über Bord gefallen? Luc Verlain und Anouk Filipetti stehen vor einem Rätsel.

Atmosphärisch, mit einem phantastischen Tagesanbruch an Bord der Fähre Sébastien Vauban, beginnt dieser siebente Band der Krimireihe Luc Verlain in der Aquitaine: ein öliger, dunkler Fluss, die Lichter des Hafens, Stammkunden aus dem Médoc, bevor lärmende Touristen übersetzen wollen. Mitten in diese Idylle platzt die mysteriöse Leere im Fiat Fiorino von Benjamin Forestier. Die Passagiere der Fähre dürfen diese nicht verlassen und müssen sich einer nach dem anderen einer Befragung von Luc Verlain unterziehen, während Anouk die Ehefrau des Vermissten aufsucht. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, weshalb der sympathische Maler plötzlich wie vom Erdboden – oder gar vom Fluss? – verschluckt worden ist, bis er tot aufgefunden wird, markiert mit einer sogenannten Rasiermessermuschel. Ein ähnlicher Fall wird aus Paris bekannt, nach einem möglichen Zusammenhang wird fieberhaft gesucht. Flott geht es dahin mit Mutmaßungen und ersten Verdächtigen, neben den wunderbaren landschaftlichen Szenen in der Aquitaine geht es kurz auch nach Paris, wo wir Yacine wiedersehen, der auch sofort in die Ermittlungen mit einbezogen wird. Kurz wird Wesentliches wiederholt, sodass treue Leser ebenso wie Neueinsteiger rasch auf aktuellem Stand sind, ohne dass es zu irgendwelchen Verzögerungen kommt. Der Mix aus privaten Einblicken und einem spannenden, rätselhaften Fall ist wiederum sehr gut gelungen, sodass auch dieses Buch abermals kurzweilige Unterhaltung bietet.

Fazit: ein flüssiger Schreibstil, gut skizzierte Charaktere und ein bizarrer, aber logisch durchdachter Kriminalfall vor traumhafter Urlaubskulisse begeistert wohl jeden Freund von guten Regiokrimis. Ich empfehle diese Reihe sehr gerne weiter und freue mich schon auf weitere Fälle.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.02.2024

Flutnacht

Als der Sturm kam
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Am 16. Februar 1962 braut sich über Hamburg ein Sturm zusammen, gleichzeitig steigt das Wasser im Elbstrom immer weiter an. Obwohl Stürme und kabbelige See hier nichts Ungewöhnliches sind, schlagen die ...

Am 16. Februar 1962 braut sich über Hamburg ein Sturm zusammen, gleichzeitig steigt das Wasser im Elbstrom immer weiter an. Obwohl Stürme und kabbelige See hier nichts Ungewöhnliches sind, schlagen die Einsatzkräfte Alarm – und tatsächlich brechen mitten in der Nacht die ersten Dämme. Realitätsnah und erschütternd erzählt Anja Marschall, was sich bei der größten Katastrophe im Hamburg der Nachkriegszeit zugetragen hat oder so ähnlich geschehen sein könnte.

Beklemmende Szenen auf einem Feuerschiff stimmen den Leser auf unheilvolle Lesestunden ein, denn diese Geschichte basiert auf einer wahren Begebenheit. Viele Figuren sind erdacht, aber auch historische Personen finden Eingang in das blendend erzählte Szenario. Alles beginnt mit dem 16. Februar 1962, man lernt verschiedene Figuren kennen, Bewohner einer Laubensiedlung, einen ehrgeizigen Piloten, Hafenarbeiter, kunterbunt gemischt darf man einen Blicken werfen auf deren ganz normales Leben, aus dem sie in der folgenden Nacht abrupt herausgerissen werden. Aufgrund detaillierter Recherchen kann Marschall die Ereignisse extrem realistisch und glaubwürdig darstellen, das Leid, wenn ein geliebter Mensch einfach von den Fluten mitgerissen wird, die Freude, wenn der Hubschrauber auf das Dach zuhält, auf das man sich geflüchtet hat und einen in waghalsigen Manövern an Bord hieven kann. Egal, ob Mann oder Frau, alt oder jung, das reißende, kalte Wasser stürzt über alle herein, nimmt Bäume und Autos mit, lässt Wohnungen in den Laubenkolonien zusammenknicken wie Streichhölzer. Dramatische Rettungsszenen darf man als Leser mitverfolgen, nicht immer nehmen diese einen glücklichen Ausgang, hat doch auch in der Realität die Flut dreihundertfünfzehn Todesopfer gefordert. Schwierigkeiten bei der Befehligung der Einsatzkräfte (politische Hintergründe sowie andere wissenswerte Informationen sind im Anhang detailliert erklärt) werden ebenso angesprochen wie die Seuchengefahr aufgrund der toten Tiere im überfluteten Gebiet. Familien werden auseinandergerissen, Menschen stehen von einem Moment auf den anderen ohne Hab und Gut da, die Hilfsbereitschaft ist zum Glück groß.

Bewegend, beklemmend, aber absolut lesenswert, denn es gibt durchaus auch freudige Momente - so wird mir dieses großartige Buch noch lange in Erinnerung bleiben.

Veröffentlicht am 29.02.2024

Dem Herzen folgen

Nordseesterne
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Luisa ist brav und angepasst, um ihrer alleinerziehenden Mutter zu gefallen. Allerdings ist sie inzwischen erwachsen und hat ihr BWL-Studium abgeschlossen, um bald die Geschicke der Kosmetikfirma zu übernehmen, ...

Luisa ist brav und angepasst, um ihrer alleinerziehenden Mutter zu gefallen. Allerdings ist sie inzwischen erwachsen und hat ihr BWL-Studium abgeschlossen, um bald die Geschicke der Kosmetikfirma zu übernehmen, allein, ihr Herz hängt voller Leidenschaft am Kochen, was wiederum der Mutter sehr missfällt. Als diese eine niederschmetternde Diagnose erhält, packt sie sofort das Nötigste zusammen und fährt mit Luisa Richtung Ostfriesland. Was sie dort wohl vorhat?

Es dauert geraume Zeit, bis sich die Handlung von Hamburg, witzigen Kochvideos und der Naturkosmetikfirma von Marianne Steinbeck Richtung Greestsiel verlagert. So kann man Luisa und ihre Mutter erst einmal gut kennenlernen, nach und nach werden mittels Einträgen in ein „Buch der Erinnerungen“ auch weitere Geheimnisse gelüftet, und man kann als Leser gut nachvollziehen, wie sich die Figuren entwickeln. Wunderbar fängt Marie Merburg die Atmosphäre in diesem ostfriesischen Dorf ein mit reetgedeckten Häuschen und pittoresken Windmühlen, frischen Krabbenbrötchen und Queller, einer Art Meeresspargel. Dazu gesellen sich muntere Figuren, die meist gar nicht so griesgrämig und in sich gekehrt sind, wie man es den Ostfriesen nachsagt. Wunderbar erzählt Merburg über die ostfriesische Teezeremonie, man hat fast das Gefühl, die Kluntjes am Tassenboden klimpern zu hören, mit dem Löffel umzurühren ist aber völlig verpönt! Ein Knistern spürt man auch zwischen Luise und Holger, als sich eine sanfte Liebesgeschichte entspinnt, die ganz und gar ohne detaillierte Bettszenen auskommt. Die Autorin versteht es auf raffinierte Art und Weise, Lebendigkeit und Freiheit am Meer zu vermitteln, ohne jemals plump zu werden.

Die Zutaten sind perfekt für einen gelungenen Roman, der unterhaltsame Stunden bietet und ganz unaufdringlich auch schwierigere Themen behandelt. Ein ausgezeichneter Mix, der mir überaus gut gefallen hat, sodass ich Nordseesterne sehr gerne weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 26.02.2024

Nationalpark Sarek

Der Ausflug - Nur einer kehrt zurück
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Anwältin Anna, ihr Verlobter Henrik, Vortragender am Juridicum, und deren gemeinsame Freundin seit Studientagen, Melina, planen – wie jedes Jahr – eine erholsame Wanderwoche in Schwedens einsamer Bergwelt. ...

Anwältin Anna, ihr Verlobter Henrik, Vortragender am Juridicum, und deren gemeinsame Freundin seit Studientagen, Melina, planen – wie jedes Jahr – eine erholsame Wanderwoche in Schwedens einsamer Bergwelt. Kurzfristig stößt Melinas neuer Freund Jacob zu dem eingespielten Team und kommt auch gleich mit einer abgeänderten Route daher, nämlich quer durch den wunderschönen Nationalpark Sarek. Die Wanderwege sind bisweilen recht anspruchsvoll, die Stimmung unter den Vieren wird durch Meinungsverschiedenheiten und Missverständnisse immer schlechter. Wie werden sie diese Woche durchstehen, wer wird überhaupt zurückkehren?

Vom ersten Satz weg vermag Ulf Kvensler den Leser zu fesseln und ein hohes Tempo vorzugeben. Überwiegend wird diese durchgehend spannende Geschichte aus Annas Sicht in der Ich-Form erzählt, unterbrochen bisweilen durch Protokolle aus Zeugenbefragungen und Rückblenden in frühere Jahre. Diese Herangehensweise ist großartig, da nie zu viel an Information preisgegeben wird, sondern immer nur eine eingeschränkte Sichtweise vorherrscht. Erst gegen Ende dieses hervorragenden Thrillers wird der Blickwinkel gewechselt, um neue, aufregende Erkenntnisse darzulegen.

Wenige, sehr lebendige Figuren und eine wunderbare – aber durchaus gefährliche – Landschaft als Kulisse lassen eine traumhafte Atmosphäre entstehen, welcher man sich kaum entziehen kann. Atemberaubende Aussichten über Lappland, grandiose Höhen, die mir schon beim Lesen die Sinne schwinden lassen, Sonne, Regen und Schnee begleiten uns durch flott dahinfließende Kapitel. Ganz unterschiedliche Charaktere in karger Umgebung, verschiedene Ziele, zahlreiche Herangehensweisen an ein Problem – schon bildet sich eine ungute Dynamik in der Gruppe heraus, die kaum zu bremsen ist. Lange weiß man als Leser nicht, wohin die Reise gehen soll, subtile Andeutungen verwirren nicht nur die Gedanken der Tourengeher, sondern auch jene des Lesers. Kann man hier überhaupt jemandem vertrauen, und wenn ja, wem? Erst nach und nach wird aufgerollt, welche Vergangenheit jeden Einzelnen begleitet, welche Geschehnisse früherer Tage sie heute beeinflussen. Das Ende ist überaus gelungen und lässt durchaus Spielraum für Fantasie – eine perfekte Lösung, die mir ausgesprochen gut gefällt!

Mehr oder weniger in einem Schwung habe ich dieses faszinierende Buch durchgelesen und bin immer noch ganz berauscht von dieser wahnwitzigen Wanderung. Ich kann diesen „Ausflug“ allen Freunden von psychologischer Spannung nur wärmstens empfehlen!

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Veröffentlicht am 22.02.2024

Statisten

Mord im Filmstudio
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Für Statistenrollen hat Ernestine sich selbst und ihren Lebensgefährten Anton angemeldet, denn den Rosenkavalier im Schönbrunner Schlosstheater mit Musik von Richard Strauss und einem Libretto von Hugo ...

Für Statistenrollen hat Ernestine sich selbst und ihren Lebensgefährten Anton angemeldet, denn den Rosenkavalier im Schönbrunner Schlosstheater mit Musik von Richard Strauss und einem Libretto von Hugo von Hofmannsthal möchte sie sich keinesfalls entgehen lassen. Und wer weiß, ob es jemals sonst möglich ist, den Stars und Sternchen so nah zu sein wie bei den aufregenden Aufnahmen? Während das Filmgeschäft aber in Wahrheit recht langeilig und eintönig ist, taucht am zweiten Drehtag die Kriminalpolizei auf. Stimmen etwa die Gerüchte, dass die Hauptdarstellerin erdrosselt in ihrer Garderobe aufgefunden worden ist? Natürlich kann Ernestine nicht stillhalten, sondern stellt ihre eigenen Nachforschungen an.

Flüssig im Schreibstil, exakt in der Recherche, präsentiert Beate Maly diesen bereits achten Fall für Ernestine Kirsch und Anton Böck. Immer wieder schaffen es die ehemalige Lehrerin für Latein und der pensionierte Apotheker, in ein aufregendes Abenteuer hineinzuschlittern. Bereits seit ihrem Tangotanzkurs am Semmering begleite ich diese beiden liebenswerten Menschen und fiebere mit bei ihren oft nicht ganz ungefährlichen Ermittlungen. Neben ihrem Spürsinn für mörderische Zusammenhänge und Hintergründe ist Ernestine auch eine liebevolle Oma für Antons Enkelin Rosa, die langsame Annäherung der beiden Hauptfiguren bildet einen wunderbaren Rahmen für diverse Hobbydetektivgeschichten. Auch wenn jeder Band für sich abgeschlossen ist und unabhängig von den anderen gelesen werden kann, so bereitet mir doch auch die persönliche Entwicklung der Figuren großen Spaß, eine optimale Abstimmung zwischen Privatem, Krimi und politischem Hintergrund gelingt Beate Maly stets aufs Neue.

Diesmal geht es also ums Filmgeschäft, viele Darsteller und Teammitglieder sorgen für ein wenig Verwirrung, insbesondere deshalb, weil mitunter auch Künstlernamen gewählt worden sind und dadurch eine Vielzahl an Namen durch die Seiten schwirrt. Auch Verdächtige mit Motiv und Möglichkeiten zum Mord gibt es genug, sodass das Rätselraten bis zuletzt spannend bleibt, ja sogar höchst gefährliche Szenen bietet. Wie kann es anders sein – Beate Maly bietet nicht nur beste Unterhaltung mit Humor und Augenzwinkern, nein auch genauestens recherchierte gesellschaftspolitische Details lassen das Jahr 1925 mehr als lebendig werden. Eine wunderbare Krimireihe, die ich sehr gerne weiterempfehle.

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