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Veröffentlicht am 29.12.2019

Die Wunden der Vergangenheit sind nicht vernarbt

Das Ritual des Wassers
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Mit “Das Ritual des Wassers“ liegt der zweite Band von Eva García Sáenz´ erfolgreicher, in ihrer baskischen Heimat spielenden Trilogie um Inspektor Ayala, genannt Kraken, seine Kollegin Estíbaliz genannt ...

Mit “Das Ritual des Wassers“ liegt der zweite Band von Eva García Sáenz´ erfolgreicher, in ihrer baskischen Heimat spielenden Trilogie um Inspektor Ayala, genannt Kraken, seine Kollegin Estíbaliz genannt Esti und seine Vorgesetzte Alba, mit der er seit einiger Zeit eine Beziehung hat. Wenn man den ersten Band -“ Die Stille des Todes“ - gelesen hat, ist die Thrillerhandlung vor dem Hintergrund eines baskischen Ambientes und keltiberischer Rituale und Opferstätten nicht mehr neu und überraschend. Der Thriller liest sich dennoch sehr gut, auch wenn sich manches wiederholt. Da sind Mythen und Legenden aus einer längst vergangenen Zeit, hier vor allem Fruchtbarkeits- und Bestrafungsrituale, die werdende Eltern betreffen. Wenn diese es nicht wert sind, Eltern zu werden, werden sie getötet. Dann muss das ungeborene Kind der Göttin geopfert werden. Wie schon im ersten Band liegen die Gründe für eine Serie von Morden und Mordversuchen in der Vergangenheit, und Ayala und die schwangere Alba geraten erneut ins Visier eines Täters oder einer Täterin. Bei der Darstellung der komplizierten Zusammenhänge kommt die Autorin oft vom Hundertsten ins Tausendste, worunter die Spannung streckenweise etwas leidet. Die raffiniert konstruierte Handlung ist auch deshalb weitgehend undurchschaubar, weil falsche Identitäten den Leser in die Irre führen. Die Auflösung zeigt, dass die Vergangenheit nicht tot ist und Schuld, die jemand auf sich geladen hat, in der Gegenwart bezahlt werden muss. Insgesamt ist der Thriller so packend und überzeugend, dass ich den dritten Band auf jeden Fall auch noch lesen werde.

Veröffentlicht am 29.12.2019

Kraken und Esti ermitteln in einer skurrilen Mordserie

Die Stille des Todes
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“Die Stille des Todes“ von Eva María Sáenz de Urturi ist der Auftakt einer Serie um den Ermittler und Fallanalytiker Unai López de Ayala, genannt Kraken, ein Spitzname den ihn seine Clique in der Jugend ...

“Die Stille des Todes“ von Eva María Sáenz de Urturi ist der Auftakt einer Serie um den Ermittler und Fallanalytiker Unai López de Ayala, genannt Kraken, ein Spitzname den ihn seine Clique in der Jugend gab. Die Handlung spielt in Vitoria im Baskenland.
In der Kathedrale von Vitoria werden die nackten Leichen eines Mannes und einer Frau gefunden, die sich nicht kannten. Sie sind genauso gestorben und arrangiert wie die Opfer einer Serie von vier Doppelmorden zwanzig Jahre zuvor. Wie kann das sein? Der Mörder sitzt seit 20 Jahren im Gefängnis. Der Polizist Ignacio hat damals seinen Zwillingsbruder Tasio de Ortiz de Zorate, einen renommierten Archäologen, verhaften lassen, weil alle Indizien auf ihn als Täter verwiesen. Hat man einen Unschuldigen bestraft, oder gibt es jetzt einen Nachahmungstäter? Inspektor Ayala und seine Kollegin Esibaliz Ruiz de Gauna, genannt Esti ermitteln fieberhaft und können doch nicht verhindern, dass die Mordserie ausgerechnet während der Fiesta de la Virgen Blanca weitergeht.
Die Handlung ist kompliziert angelegt, zumal es auch Rückblenden in die 70er Jahre und das Jahr 1989 gibt. Eine Frau, die von ihrem brutalen Mann immer wieder verletzt wird, vertraut sich ihrem Arzt an und stirbt 18 Jahre später, ohne dass sie ihre Angelegenheiten abschließend regeln kann. Hier liegt der Schlüssel zu den Ereignissen, die der Leser aber nur zum Teil erraten kann. Wenn man sich erst einmal eingelesen hat, ist das ein sehr spannender Thriller, der ohne oberflächliche, reißerische Spannung auskommt und stattdessen auf das baskische Ambiente setzt. Die Verbrechen geschehen vor dem Hintergrund und in enger Verbindung mit baskischen Mythen und Legenden und religiösem Brauchtum. Das ist kenntnisreich und sehr authentisch umgesetzt. Mich hat der hervorragende Thriller gefesselt und stark beeindruckt.

Veröffentlicht am 29.12.2019

Ein großes Verwirrspiel

Slow Horses
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“Slow Horses“, Mick Herrons im Original bereits 2010 erschienenen Roman ist der Auftakt einer Serie um den in Ungnade gefallenen ehemaligen Spion Jackson Lamb. Er ist der Chef einer ebenfalls ausrangierten ...

“Slow Horses“, Mick Herrons im Original bereits 2010 erschienenen Roman ist der Auftakt einer Serie um den in Ungnade gefallenen ehemaligen Spion Jackson Lamb. Er ist der Chef einer ebenfalls ausrangierten Gruppe von Agenten, die entweder einen Auftrag vermasselt haben oder ehrgeizigen Kollegen bei ihren Karriereplänen im Weg standen. Sie arbeiten im Slough House, einem heruntergekommenen Gebäude, wobei „arbeiten“ nicht ganz der passende Begriff ist. Sie sind nicht mehr im aktiven Dienst, sondern müssen untergeordnete Tätigkeiten ausführen, wie Müll sichten oder Telefonate transkribieren. Die Behörde will Kündigungen vermeiden, die Ex-Agenten stattdessen dazu bringen, dass sie irgendwann frustriert von selbst gehen. Es gibt keine Freundschaften im Slough House, und die von dem übergewichtigen Widerling Jackson Lamb geschaffene Atmosphäre trägt nicht dazu bei, dass sich dort irgendjemand wohlfühlt. Während der junge River Cartwright einen zwielichtigen Journalisten observiert, wird ein junger Engländer mit pakistanischem Hintergrund von einer rechtsnationalen Splittergruppe entführt und soll nach Ablauf von 48 Stunden vor laufender Kamera enthauptet werden. Die Aktion ist als Racheakt für die Bombenanschläge in der Londoner U-Bahn im Juli 2005 gedacht. Werden Polizei und Geheimdienst den jungen Mann rechtzeitig finden?
“Slow Horses“ ist ein raffinierter, nicht leicht zu lesender Roman mit einer Vielzahl von Personen und Schauplätzen und ständig wechselnder Erzählperspektive. Hier gibt es kein Schwarz und Weiß, nur eine Vielzahl von Intrigen. Es ist nicht einmal klar, wer die Guten und wer die Bösen sind. In der Geheimdienstzentrale des M15 - Regent´s Park - verfolgt jeder egoistisch die eigenen Ziele, hat stets den eigenen Aufstieg auf der Karriereleiter im Blick. Geht ein Einsatz schief, wird grundsätzlich ein anderer zum Sündenbock gemacht. Die ausgemusterten Agenten im Slough House sehen diesen Fall als Chance, ins Leben zurückzukehren und endlich wieder das zu tun, wofür sie ausgebildet sind. Jackson Lamb und seine Leute verändern sich unter dem Druck der Ereignisse und handeln solidarisch.
Es ist schade, dass unter der geschilderten Komplexität streckenweise die Spannung leidet. "Slow Horses" ist dennoch ein interessanter, lesenswerter Roman. Spionageromane können zweifellos heutzutage nicht mehr so aussehen wie bei Graham Greene und John le Carré.

Veröffentlicht am 09.11.2019

Wer tötet wen und warum?

Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle
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Stuart Turtons hochgelobter Debütroman ist ein etwas anderer Krimi. Lord und Lady Hardcastle haben zum Maskenball auf ihr heruntergekommenes Anwesen Blackheath eingeladen. Es ist exakt der Tag, an dem ...

Stuart Turtons hochgelobter Debütroman ist ein etwas anderer Krimi. Lord und Lady Hardcastle haben zum Maskenball auf ihr heruntergekommenes Anwesen Blackheath eingeladen. Es ist exakt der Tag, an dem 19 Jahre zuvor ihr kleiner Sohn Thomas ermordet wurde. Während des Fests wird die erst kürzlich aus Paris zurückgekommene Tochter Evelyn ermordet. Unter den Gästen ist Aiden Bishop, der als Einziger nicht zu den damals Anwesenden gehört. Was es mit ihm auf sich hat, wird erst allmählich enthüllt. Zu Beginn der Geschichte wacht er orientierungslos und ohne Erinnerung im Wald auf und ruft „Anna“ – eine Figur, die ebenfalls eine wichtige Rolle spielt. Er wird in der Folge acht Mal denselben Tag erleben, jedes Mal im Körper eines anderen Gastes, dessen Aussehen und Verhaltensweisen er übernimmt, obwohl einige Figuren so unsympathisch sind, dass er sie verabscheut. Ihm wird zunehmend bewusst, dass er eigentlich Aiden Bishop ist. Er muss bis zu einem bestimmten Zeitpunkt Evelyns Mörder nennen können, sonst beginnt alles von vorn wie schon Hunderte oder sogar Tausende von Malen zuvor, und er kann Blackheath nicht verlassen. Hinzukommt das Dilemma, dass er Evelyn sympathisch findet und eigentlich retten möchte, was seinen eigenen Interessen zuwiderläuft. Er hat zwei Rivalen, aber nur einer der drei kann Blackheath verlassen. Ein maskierter Psychopath bedroht ihn immer wieder mit einem Messer und gefährdet zusätzlich seine Mission.
Die Handlung ist bis zur unvorhersehbaren Auflösung außerordentlich verworren. Das liegt nicht nur an den ständigen Perspektivwechseln und den Zeitschleifen, sondern auch daran, dass irgendwann auch der Mord an dem Kind neu aufgerollt wird. Am Ende dürfte es den meisten Lesern unmöglich sein, die Handlung korrekt zusammenzufassen und Täter und Motiv der zahlreichen Morde zu nennen. Besonders spannend fand ich den Roman in seiner epischen Breite nicht. Auch die Charakterisierung der Figuren leidet unter dem Fehlen einer stringenten Handlung. Streckenweise erinnert das Buch an häufig ebenfalls in Landhäusern spielende Romane der 20er Jahre oder an die Gothic Novels des 19. Jahrhunderts. Mich hat Turtons Roman mit seinen Fantasy- und Horrorelementen enttäuscht. Ein bisschen mehr Realismus darf es schon sein.

Veröffentlicht am 03.11.2019

Wahrheiten verändern sich mit der Zeit

Der Verein der Linkshänder
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In “Der Verein der Linkshänder, Hakan Nessers neuem Roman, bereitet sich Van Veeteren mit seiner Frau Ulrike auf seinen 75. Geburtstag vor. Es ist das Jahr 2012. Er trifft seinen alten Kollegen Münster, ...

In “Der Verein der Linkshänder, Hakan Nessers neuem Roman, bereitet sich Van Veeteren mit seiner Frau Ulrike auf seinen 75. Geburtstag vor. Es ist das Jahr 2012. Er trifft seinen alten Kollegen Münster, mit dem er an einem Fall gearbeitet hat, bei dem sie vorschnell die Ermittlungen eingestellt und sich offensichtlich auf den falschen Täter geeinigt hatten. 1991 wurden in einer Pension in Oosterby in der Nähe von Maardam vier Männer beim Brand des Hauses getötet, die alle zu dem in den 60er Jahren von Schülern gegründeten Verein der Linkshänder gehörten. Das fünfte bekannte Mitglied ist seit dem Tag spurlos verschwunden und wurde deshalb für den Täter gehalten. Jetzt wurde seine in einem Wald vergrabene Leiche gefunden. Er scheint zur selben Zeit gestorben zu sein wie die anderen. Van Veeteren und seine Frau beteiligen sich an den neuen Ermittlungen, wobei Ulrike Fremdli viele gute Ansätze und Ideen beisteuert, obwohl sie nicht vom Fach ist. Dann passiert in Schweden ein weiterer Mord. Er scheint mit den Ereignissen in Holland zusammenzuhängen. Auf diese Weise ist es möglich, dass Van Veeteren dem Kommissar Barbarotti aus einer anderen Serie von Nesser begegnet und sie gemeinsam an den aktuellen und alten Fällen arbeiten.
Ich habe den neuen Roman von Hakan Nesser gern gelesen und fand ihn auch überwiegend spannend, trotz der komplizierten Zeitstruktur und der wechselnden Erzählperspektiven. Allerdings habe ich den Täter sehr frühzeitig erraten, was das Lesevergnügen nicht geschmälert hat. Der Roman besticht durch seine hervorragende sprachliche Qualität und überzeugt durch viel Wortwitz, vor allem in den Dialogen zwischen Van Veeteren und seiner Frau, und den erfreulichen Verzicht auf Gewaltdarstellungen. Ein sehr empfehlenswertes Buch.