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Veröffentlicht am 04.07.2022

Mehr Sachlichkeit bei der Klimadiskussion

Der Weg aus der Klimakrise
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Svend Andersen beschäftigt sich in seinem Buch „Der Weg aus der Klimakrise“ mit den Ursachen bzw. der Ursache der Klimakrise und nicht mit den Auswirkungen.

Statt sich auf Nebenkriegsschauplätze zu konzentrieren, ...

Svend Andersen beschäftigt sich in seinem Buch „Der Weg aus der Klimakrise“ mit den Ursachen bzw. der Ursache der Klimakrise und nicht mit den Auswirkungen.

Statt sich auf Nebenkriegsschauplätze zu konzentrieren, sollten wir uns auf diese eine Sache konzentrieren und alles tun, um die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre zu senken, dies ist sein Handlungsvorschlag.

Die auf die Ursache der Klimakrise reduzierte Sichtweise ist mit Sicherheit eine große Hilfe, das Problem Klimakrise auf den Kern zurückzuführen. Hierbei hilft die Mischung aus Erklärungen von Fachtermini und wissenschaftlichen Zusammenhängen und die persönlichen Erfahrungen des Autors.

Gut gefällt mir auch, dass Svend Andersen hier noch einmal sehr dringlich darauf hinweist, wie wichtig es ist, dass die Politik endlich aufhören muss zu reden, sondern etwas tun muss, nämlich die richtigen Regeln aufstellen, um die Unternehmen, Kommunen und Regierungen in die Pflicht zu nehmen. Auch dass es eine unserer wichtigsten Aufgaben ist, hier Einfluss zu nehmen (zusätzlich dazu, z. B. häufiger Rad zu fahren oder den Bus zu nehmen und weniger Fleisch zu essen). Je häufiger wir Fragen an die Politker*innen stellen, in der Kommune nachhaken, wie es denn um eine Strategie zur Bewältigung der Klimakrise bestellt ist, desto eher wird etwas passieren.

Insgesamt fand ich das Buch und die Fokussierung auf die Senkung der Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre sehr einleuchtend und vor allem auch sehr sachlich, was eine Zutat ist, von der wir im Kampf gegen die Klimakrise noch zu wenig haben. Auch die Erklärung, warum wir vom Zertifikatehandel abkehren müssen, ist sehr einleuchtend und gut erklärt und man fragt sich am Ende des Buches, warum denn, verdammte Hacke, nicht endlich gehandelt wird.

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Veröffentlicht am 22.06.2022

Was Besessenheit anrichten kann

Ambivalenz
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Nachdem Claude sich eifrig um Dominique bemüht hat und sie nach Paris ziehen und ihre Tochter auf die Welt kommt, wird er kalt und unnahbar und lehnt sein Kind geradezu ab.
Das Leben der merkwürdig stillen ...

Nachdem Claude sich eifrig um Dominique bemüht hat und sie nach Paris ziehen und ihre Tochter auf die Welt kommt, wird er kalt und unnahbar und lehnt sein Kind geradezu ab.
Das Leben der merkwürdig stillen Familie plätschert so vor sich hin, bis sich plötzlich etwas ändert und die Tochter auf eine andere Schule geht - gegen ihren Willen. So langsam fügt sich ein Puzzleteil zum anderen und als man denkt, es ist vorbei, fängt es erst richtig an. Eine typische Wendung à la Nothomb, irgendwie berechenbar, weil man weiß, dass es noch nicht vorbei ist, wenn man denkt, dass es vorbei ist und gleichzeitig überraschend und auch böse.
Amélie Nothomb gelingt es mal wieder eine besondere Geschichte zu erzählen und schafft es, ihre Figuren noch so sehr auszuschmücken, dass man ihnen zwar nahe kommt, aber nicht an ihren tiefsten Kern gelangt. Es gibt immer noch eine Distanz, auch wenn man ihre Gedanken liest. Ein Mangel an Grautönen sorgt dafür, dass man ihnen nicht zu nahe kommt oder gar ganz tiefe Gefühle für die Personen entwickelt. Die Autorin erzählt das, was für den Fortgang wichtig ist, aber nicht mehr. Es gibt keine unnötigen Ausschmückungen.
Und gleichzeitig fesselt die Geschichte und lässt eine*n nicht aufhören zu lesen. Es sind meist recht kurze Sätze, Handlungen, die selbst ausgemalt werden müssen, um ein wenig Farbe zu bekommen. Ambivalenz liest sich schnell weg und ist ein gelungenes und unterhaltsames Buch, empfehlenswert!

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Veröffentlicht am 26.05.2022

Vision für eine gerechte Mobilitätswende

Autokorrektur – Mobilität für eine lebenswerte Welt
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Verkehrswende, alternative Mobilität, Antriebswende und und und – all dies wird rauf und runter diskutiert und jede Seite listet ihre Argumente auf, warum nur die eine Lösung möglich ist. Katja Diehl hat ...

Verkehrswende, alternative Mobilität, Antriebswende und und und – all dies wird rauf und runter diskutiert und jede Seite listet ihre Argumente auf, warum nur die eine Lösung möglich ist. Katja Diehl hat für ihr Buch „Autokorrektur Mobilität für eine lebenswerte Welt“ einen anderen Ansatz gewählt. Sie hat über 40 Menschen in verschiedenen Lebenssituationen interviewt unter der Leitfrage „Willst du oder musst du Auto fahren?“.

Denn ihr Anliegen ist nicht, die Techniken zur Verkehrswende zu beleuchten. Sie möchte den Menschen ins Zentrum der Verkehrswende stellen und so das System dahingehend ändern, dass es weniger behindertenfeindlich, weniger sexistisch, weniger rassistisch und weniger patriarchal und somit auch weniger abhängig vom Auto ist.

Das Buch „Autokorrektur Mobilität für eine lebenswerte Welt“ kommt gerade zum richtigen Zeitpunkt. Denn es geht bei der zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels nötigen Verkehrswende nicht nur darum, eine Antriebswende durchzuführen, sondern um eine wirklich Mobilitätswende. Wenn wir dies nicht tun, stehen wir statt mit Verbrennerautos mit E-Autos im Stau und wollen wir das wirklich? Oder wollen wir etwas ändern, wo wir sowieso etwas ändern müssen, um etwas zu erreichen?

Hier setzt das Buch der Mobilitätsexpertin an. Sie stellt Fragen, die bislang noch gar nicht in der hauptsächlich auf Technik fokussierten Diskussion gestellt wurden. Und die Kernfrage, die sie im Buch stellt, ist: „Willst du oder musst du Auto fahren?“ Wir (mich eingeschlossen) sind so aufs Autofahren konditioniert, dass diese Frage erst einmal merkwürdig anmutet. Aber sie macht Sinn, denn nicht jeder Mensch, der ein Auto hat, hat es, weil er es möchte, sondern, weil es für ihn keine andere Möglichkeit gibt (kein ÖPNV, es ist ein sicherer Ort, Behinderung u.v.m.).

Diese Frage ist wichtig, denn es möchte nicht jede Person Auto fahren. Auto fahren bedeutet auch, dass es immer wieder überraschende Kosten geben kann, ein ÖPNV Ticket ist planbar. Menschen mit wenig frei verfügbaren Mitteln kann das ein ordentliches Loch in die Haushaltskasse reißen. Ältere Menschen, die mittlerweile unsichere Fahrer*innen sind, fahren weiter Auto, weil es keine Alternative, keine andere Wahl gibt. Die Interviews, die Katja Diehl geführt hat, machen klar, was nicht offensichtlich ist.

Katja Diehl schafft es mit „Autokorrektur Mobilität für eine lebenswerte Mobilität“ zum Nachdenken anzuregen, den Status quo in Frage zu stellen und macht Lust darauf, an einer Mobilität für alle mitzuarbeiten. Sie liefert Beispiele, unterlegt ihre Thesen mit Zahlen und liefert jede Menge Argumente dafür, warum dieser Weg gut ist und nicht nur etwas für die großen Städte, sondern auch und gerade für Städte wie meine Heimatstadt Hagen und die dazugehörigen Randgebiete. Eine Autokorrektur bedeutet auch für solche Städte einen Gewinn an Lebensqualität.

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Veröffentlicht am 20.05.2022

Mehr als ein unterhaltsamer Road Trip

Der längste Tag im Leben des Pedro Fernández García
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Pedro, in dritter Generation Postbote in Yaiza auf Lanzarote, hat dank Internet kaum noch Post, die er zustellen kann. Dann verlässt ihn Carlota, seine große Liebe und nimmt den gemeinsamen Sohn Miguel ...

Pedro, in dritter Generation Postbote in Yaiza auf Lanzarote, hat dank Internet kaum noch Post, die er zustellen kann. Dann verlässt ihn Carlota, seine große Liebe und nimmt den gemeinsamen Sohn Miguel mit aufs Festland, nach Barcelona.

Sein Kumpel Tenaro ist ein arbeitsloser Fischer ohne Boot und dann taucht plötzlich Amado auf, ein Flüchtling aus Afrika, der es bis nach Lanzarote geschafft hat.

Alle drei Männer haben nichts mehr zu verlieren und den Mut der Verzweifelten. Sie schmieden einen unglaublich verrückten Plan. Und vielleicht lösen sie auch noch das Geheimnis um einen marokkanischen Tisch und um einen blauen Ball.

Tja, auch wenn es sich jetzt so anhört wie die Geschichte eines völlig abgedrehten Roadtrips, geht es doch um viel mehr in „Der letzte Tag des Pedro Fernándo García“. Es ist keine Geschichte, die laut ist und vor Spannung nur so platzt und knallt.

Es ist mehr eine Reise ins Innenleben des Pedro Fernándo García und seiner ungleichen Freunde. Auch ist es eine Reise in die Familiengeschichte zu einem dunklen Geheimnis. All dies wird erst nach und nach klar. Zunächst werden in aller Ruhe Pedro, Carlota und der Sohn Miguel vorgestellt. Pedro, der mangels Post die meiste Zeit damit verbringt, Cafe con leche am Hafen zu trinken. Carlota, die gaaanz viel arbeitet und Miguel, das ein und alles von Pedro.

Und plötzlich bricht die heile Welt auseinander. Der Schmerz Pedros ist ganz deutlich spürbar, wie großartig Moritz Rinke diese Gefühle ausdrücken kann. Als Leser*in erlebt man die verschiedenen Traurigkeitsphasen der Hauptfigur mit und lernt dann auch Tenaro und irgendwann den sehr gebildeten Amado kennen.

Im Laufe der Geschichte werden einige Personen und Ereignisse vorgestellt, was mich zunächst ein wenig schwindelig gemacht hat. Man lernt die liebenswerten und weniger liebenswerten Macken der Menschen in Pedros Umfeld kennen. Zum Schluss wird aber aus all den kleinen Nebenschauplätzen und Erzählfäden, die gesponnen werden, etwas Ganzes. Es gibt Beschreibungen der Insel, Menschen, die ganz detailliert umrissen werden und was mich sehr berührt hat, ist die Liebe Pedros zu seinem Sohn. Dies wird mit jeder Handlung, jedes Gedanken Pedros klar und so erscheint dann am Ende auch der Plan einfach logisch und gar nicht so völlig verrückt.

Auch die beiden anderen wichtigen Figuren des Buches, Tenaro und Amado, bringt der Autor näher. Es wird klar, was ihre Ambitionen, ihre Sorgen und Hoffnungen sind. Und gleichzeitig schafft es Moritz Rinke, aktuelle Themen wie das Verdrängen der kleinen Fischer durch große Fischfangflotten und die Flüchtlingsströme aus Afrika mit in das Buch einzubringen. So beschreibt er, was Amado auf sich genommen hat, um nach Spanien zu kommen. Eine lebensgefährliche Reise durch die Sahara und über das Meer und den Aufenthalt im Lager. Dadurch kommt neben der eigentlichen Geschichte um Pedro noch eine politische Komponente hinein.

Es ist mal wieder ein ganz feines, leises Buch, dass seinen Zauber erst so nach und nach außen kehrt. Ich hatte etwas anderes erwartet aufgrund des Klappentextes, habe aber eine ganz bezaubernde Geschichte stattdessen gefunden. Ein Buch für diejenigen, die die leisen Töne mögen, aber auch eine Vorliebe für leicht schräge Typen und schräge Plots haben, denn zwischendurch wird es schon ein wenig verrückt und ich musste ein paar Mal laut lachen. Und es wird dann auch klar, warum das Buch „Der längste Tag im Leben des Pedro Fernández García“ heißt.

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Veröffentlicht am 14.05.2022

Freunde fürs Leben und darüber hinaus

Unerhörte Stimmen
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Schon auf den ersten Seiten hat mich die Geschichte oder vielmehr Elif Shafaks Sprache und ihre Art, eine Geschichte zu erzählen, in den Bann gezogen. Sie schreibt so herrlich ausufernd fantasievoll und ...

Schon auf den ersten Seiten hat mich die Geschichte oder vielmehr Elif Shafaks Sprache und ihre Art, eine Geschichte zu erzählen, in den Bann gezogen. Sie schreibt so herrlich ausufernd fantasievoll und gleichzeitig mit einem leicht ironischen Unterton, so dass es eine Freude ist, in die Erzählung einzutauchen.

Eine Leiche, die noch etwas mehr als zehn Minuten hat, um sich an ihr Leben zu erinnern und wie es passieren konnte, dass sie ermordet wurde. Jedes Kapitel beginnt mit einer Erinnerung Leilas, einem Geruch oder einem Geschmack und dann erzählt sie über einen wichtigen Abschnitt in ihrem Leben. Gleichzeitig beschreibt sie das Leben in der Türkei zu Leilas Lebzeiten. Man erfährt ganz viel über den zu dieser Zeit verbreiteten Aberglauben.

Leila musste einiges aushalten in ihrem Leben und wurde nicht gerade von Wärme umhüllt. Für die Wärme in ihrem Leben waren ihre fünf Freunde zuständig. Und das ist ein weiterer Punkt, der die Geschichte so lesenswert macht, diese besondere Freundschaft, die diese Menschen verbindet. Sie sind alle außerhalb der gesellschaftlichen Norm, ein erstes Band, dass sie miteinander verknüpft. Und ihre Freundschaft zu Leila ist ein weiteres Band ihrer Beziehung. Sie bilden eine Art Familie und geben Leila, aber auch einander Halt.

Sie versuchen mit allem, was ihnen zur Verfügung steht, Leila angemessen die letzte Ehre zu erweisen. Und der Teil des Buches, in dem dies beschrieben wird, ist natürlich ernst, aber auch so abstrus, dass ich einige Male laut lachen musste.

Ein ganz wunderbares Buch!

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