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dear_fearn

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.10.2019

Wunderschön geheimnisvoll

Das Geheimnis von Shadowbrook
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Clara Waterfield leidet an der seltenen Glasknochenkrankheit "Osteogenesis imperfecta" - ein schöner Name für ein ungeheuerliches Leiden, bei dem selbst kleine Erschütterungen Knochenbrüche auslösen können. ...

Clara Waterfield leidet an der seltenen Glasknochenkrankheit "Osteogenesis imperfecta" - ein schöner Name für ein ungeheuerliches Leiden, bei dem selbst kleine Erschütterungen Knochenbrüche auslösen können. Claras Mutter und ihr Ziehvater polsterten deshalb das Haus, um zu verhindern, dass sie sich stieß. Rausgehen durfte sie nie, stattdessen verbrachte sie die langen Tage mit Lesen und Lernen und entdeckte für sich Anatomie und Geografie. Ihre Mutter erzählte ihr außerdem von ihren Reisen und Erlebnissen, wie es sich anfühlt im Regen zu stehen oder barfuß im frühmorgendlich taunassen Gras. Die Beschreibungen könnten schöner und bildlicher kaum sein.
Als Clara volljährig wird, erlaubt der Arzt ihr Ausgänge, da ihre Knochen inzwischen kräftiger und widerstandsfähiger geworden sind. Die sind allerdings geprägt von Unsicherheit, da ihr Körper durch falsch zusammengewachsene Knochenbrüche entstellt ist und ihr das Wort "Krüppel" überallhin folgt. Ihre Besuche im Tropenhaus eines Botanischen Gartens wecken ihr Interesse an Botanik und bescheren ihr den Auftrag, ein Gewächshaus auf Shadowbrook zu bepflanzen. Angekommen in Shadowbrook begegnet sie einer verängstigten Haushälterin, da es im Haus offenbar spukt. Daran glaubt die tapfere und durch Wissenschaft geprägte Clara nicht - oder doch?

Das Buch besticht bereits in der Optik, denn das Coverdesign und die Veredelung sind wirklich atemberaubend umgesetzt. Anfangs konnte ich mich kaum sattsehen. Wer dieses Buch einmal zur Hand nimmt, wird es nicht wieder weglegen können. Ich habe es in einem Rutsch durchgelesen, am Sonntag, unter einer Decke versteckt.

Die Erzählweise ist gemächlich, fordert zwischendurch immer mal etwas Geduld, ist aber dabei gut strukturiert. Die Sprache ist der Zeit entsprechend, sehr bildhaft und bei Beschreibungen exakt. Susan Fletcher hat meiner Meinung nach ein unglaubliches Erzähltalent. Sie lässt den Leser zu Anfang Claras Gefängnis, Sehnsüchte und Schmerzen spüren, später ihr Aufblühen in der neuen Tätigkeit. Die Beschreibungen von Shadowbrooks Gärten sind unfassbar gut gelungen und die von Claras Beobachtungen in den Spuknächten im Haus sogar noch besser. Ein ums andre Mal habe ich beim Lesen die Decke ein Stück höher gezogen und vor Spannung Gänsehaut im Nacken kribbeln gespürt - stark! Selbst die schnellen Handlungsszenen, die für den Leser oft unübersichtlich werden können, hat Susan Fletcher fabelhaft geschildert. Am Ende des Buches hat man als Leser das Haus und die Gartenanlage so gut vor Augen wie das eigene Heim. Dabei wird es nicht eine Minute langweilig, denn die Geschichte bedient sich sehr vieler Themen, die perfekt zusammenspielen, unter anderem das damalige Frauenbild, den Ausbruch des 1. Weltkrieges, dörfliche Atmosphäre voller Vorurteile und Familienzwist.

"Das Geheimnis von Shadowbrook" ist für mich eins der Lesehighlights 2019. Klare Empfehlung!

Veröffentlicht am 18.10.2019

Schmackhaftes im Schnee

Ernte mich im Winter
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Optik und Haptik dieses Buchs haben mich gleich von Anfang an gefangen genommen. Tolles Naturpapier, hochwertige Prägungen, großflächige Fotografien von fröhlichen Menschen im Winterwunderland mit buntem ...

Optik und Haptik dieses Buchs haben mich gleich von Anfang an gefangen genommen. Tolles Naturpapier, hochwertige Prägungen, großflächige Fotografien von fröhlichen Menschen im Winterwunderland mit buntem Gemüse, das aus dem Schnee herausguckt, dazu verspielte Typo und niedliche Illustrationen - einfach schön anzusehen und zu fühlen!

Nach dem Prolog hatte ich große Hoffnungen an das Buch, war schon richtig kribbelig vor Vorfreude, weil ich den im Sommer erworbenen Garten über den Winter nicht brach liegen lassen, sondern üppig bepflanzen wollte, also habe ich einfach alles gekauft, was ab Mitte September noch ausgesät werden kann. Vieles davon kann man im Buch wiederfinden, also erstmal alles richtig gemacht, puh! Meine Erwartungen ans Buch waren nun nützliche Tipps, sinnvolle Übersichten, was man wann auf welchen Boden und mit welchen Voraussetzungen pflanzen / stecken / säen kann, Pflegehinweise, Erntezeiten, Bodenvor- / -nachbereitung und mehr.

Hier wurde ich enttäuscht. Zwar gibt es viel zu lernen, z.B. dass gefrorenes Gemüse besser nicht angefasst werden sollte, sondern erst nach dem Auftauen durch die Sonne, damit die Eiskristalle nicht die Zellen beschädigen, aber wirklich praktische Tipps gab es wenige bzw. wenn, dann nur im Text versteckt.

Eine Auswahl an Wintergemüse stellt sich im Buch in Steckbriefform quasi selbst vor, das ist ein bisschen albern, aber insgesamt ganz niedlich und aufschlussreich, leider aber unübersichtlich. Rezepte gibt es auch noch zu entdecken, wirklich lecker, werde ich ausprobieren.

Gesamtfazit ist, dass das Buch wirklich inspiriert und Lust auf eine Nachsaison macht. Eigener Mangold zu Weihnachten? Das klingt ja auch wirklich toll. Die Bilder führen allerdings in die Irre, denn schon jetzt im Oktober sehe ich meinen Garten nach der Arbeit nur noch im Dunklen mit Stirnlampe, auch haben wir weniger Schnee als Regenmatsch. Aber gut, wird ausprobiert.

Der Schreibstil des Buchs ist bisschen für Dummies, sehr kindlich, aber immerhin ausgesprochen gut verständlich. Schade, dass nun doch so viele Fragen offen bleiben und mein Wunsch nach einer Übersicht, wann welche Gemüse gesät werden müssen, um sie im Winter ernten zu können, nicht erfüllt wurde. Die werde ich mir wohl selbst mal erstellen. Schön anzuschauen ist es aber allemal - eben mehr ein Inspirations- / Einführungs- und weniger Praxisbuch.

Veröffentlicht am 16.10.2019

Düster-fantastischer Krimi

Die Ewigkeit in einem Glas
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Bridie Devine ist im viktorianischen London aufgewachsen und hatte schon mit einigen zwielichtigen Typen zu tun. Sie wurde in ihrer Kindheit von einem Vormund zum nächsten gereicht und arbeitet nun, inzwischen ...

Bridie Devine ist im viktorianischen London aufgewachsen und hatte schon mit einigen zwielichtigen Typen zu tun. Sie wurde in ihrer Kindheit von einem Vormund zum nächsten gereicht und arbeitet nun, inzwischen erwachsen, als unabhängige Privatermittlerin, zusammen mit ihrem zwei Meter großen Hausmädchen Cora und dem Geist des Boxers Ruby, der ihr seit einem Besuch auf dem Friedhof auf Schritt und Tritt folgt. Im Buch wird ein ganz spezieller Kriminalfall behandelt: Das Verschwinden der Tochter des Baronets. Bei Bridies Ermittlungen stößt sie auf Hinweise, dass die kleine Christabel kein gewöhnliches Mädchen ist und man wohl weniger von Verschwinden als von Raub sprechen muss. Als dann noch ihr totgeglaubter Feind aus Kindheitstagen wieder auftaucht, wird die Sache ernst.

Der Erzählstil im Buch ist sehr wechselhaft. Zwar zieht sich als Erzählform Präsens durch, jedoch gibt es mehrere Zeitsprünge zwischen Bridies Kindheit und dem Jetzt und zusätzlich auch noch Perspektivwechsel. Jess Kidds Schreibstil lebt von Beschreibungen, Vergleichen und noch mehr Beschreibungen. Meiner Meinung nach macht es das Lesen insgesamt zäh und auch verwirrend.

Die Story an sich ist durchaus interessant, sehr düster, herrlich fantasievoll und spannend, auch der Bezug zum Titel ist toll, allerdings finde ich, dass hier das Potential nicht in Gänze ausgeschöpft wurde. Der Erzählstil hat oftmals spannende Passagen einfach verpuffen lassen und die Charaktere sind mir auch seltsam unnahbar vorgekommen, vielleicht fehlten mir da tiefere Betrachtungen der Gefühlswelt. Insgesamt sind mir für einen runden Abschluss zu viele Fragen offen geblieben, u.a. warum Ruby nun eigentlich da war und woher die beiden sich kannten.

Veröffentlicht am 29.09.2019

Mir fehlt Historie

Jane Austen
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Die Idee der Buchreihe finde ich richtig toll - Kindern die Leben der ganz großen Persönlichkeiten näher bringen. Mir gefällt auch die Gestaltung und die generelle Aufmachung des Ganzen. Über Jane Austen ...

Die Idee der Buchreihe finde ich richtig toll - Kindern die Leben der ganz großen Persönlichkeiten näher bringen. Mir gefällt auch die Gestaltung und die generelle Aufmachung des Ganzen. Über Jane Austen wusste ich vorher nichts, fand es daher erhellend über ihr Leben zu lesen und sogar herauszufinden, dass Stolz und Vorurteil ein Stück weit ihre eigene Geschichte zugrunde liegt. Das wissenswertere ist aber auf der letzten Seite in einem Textblock verfasst. Teilweise finde ich es für Kinder auch schwierig zu verstehen, hier muss man als Elternteil noch einige Erklärungsarbeit leisten und über unterschiedliche Stände und Verheiratungen sprechen, denn die Kinder kennen ihre Romane sicher nicht und auch nicht den geschichtlichen Hintergrund. Natürlich geht es um das Leben von Jane, aber etwas mehr historischer Hintergrund wäre nicht verkehrt gewesen.

Veröffentlicht am 29.09.2019

Fünf Begegnungen

Wer im Himmel auf dich wartet
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Als Annie ihre Jugendliebe Paulo an diesem Tag heiratet, ahnt sie nicht, dass ihnen bald ein Unglück widerfahren wird. Auf dem Weg in ihre Flitterwochen halten sie am Straßenrand, um dem Ballonfahrer Tolbert ...

Als Annie ihre Jugendliebe Paulo an diesem Tag heiratet, ahnt sie nicht, dass ihnen bald ein Unglück widerfahren wird. Auf dem Weg in ihre Flitterwochen halten sie am Straßenrand, um dem Ballonfahrer Tolbert mit seinem geplatzten Reifen zu helfen. Er steckt Paulo seine Visitenkarte zu und damit nehmen einige unheilvolle Entscheidungen ihren Lauf. Voll Überschwang arrangieren sie mit Tolberts jungem, unerfahrenen Kollegen bei aufziehendem Wind eine Ballonfahrt, die in einem Absturz endet, der die Leben der drei Insassen für immer verändert. Annie will im Krankenhaus Gutes tun, erwacht aber nun selbst im Himmel.

Ich wusste vorher nicht, dass es eine Vorgeschichte zu diesem Buch gibt und kann allen künftigen Lesern versichern, dass es diese nicht braucht, um das Buch zu genießen.

Als Annie im Himmel erwacht, stehen ihr fünf Begegnungen bevor, die sie bestimmte Dinge lehren und ihre Ankunft im Himmel verstehen lassen sollen. Sie begegnet Personen, an die sie sich teilweise nicht erinnert oder nur schwer erkennt. Sie alle halten Lektionen für sie bereit.

Annies Geschichte im Himmel wechselt sich mit Abschnitten zu ihren "Fehlern", Rückblicken in ihr bisheriges, recht trauriges Leben und Tolberts Geschichte in der Gegenwart ab, in der er erfährt, was geschehen ist und der Leser auf dem aktuellen Stand in der realen Zeit gehalten wird. Alles endet in einer herzbrechenden Wendungen, die man als Leser nicht kommen sieht.

Mitch Albom bedient sich einer leichten Sprache, mit vielen Dialogen, der Ausschmückung der Gefühlswelt der Charaktere und zahlreichen, sehr schönen Beschreibungen, die die Bilder vor dem inneren Auge nur so vorbei rauschen lassen. Selbst die abstrakten Passagen im Himmel werden von ihm bildhaft beschrieben, sodass sich der Leser zu keiner Zeit orientierungslos fühlt.

Die grafische Gestaltung lässt alles ein wenig kitschig wirken, Sternchen unterteilen die Kapitel, immer wieder taucht das tanzende Paar auf. Das wird der Tiefgründigkeit der Story m.E. nicht ganz gerecht. Aber was im Nachhinein von der Geschichte bleibt, ist die Gewissheit, dass alles seinen Grund hat und wir alle miteinander verbunden sind und aufeinander aufbauen.