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dear_fearn

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.02.2020

Langsames Auftauchen

Marianengraben
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Paula beginnt gerade ihre Doktorarbeit, als ihr kleiner Bruder Tim im Meer ertrinkt. Er, der eigentlich ein kleiner Meeresforscher voller Neugier war, geht einfach unter und lässt seine große Schwester ...

Paula beginnt gerade ihre Doktorarbeit, als ihr kleiner Bruder Tim im Meer ertrinkt. Er, der eigentlich ein kleiner Meeresforscher voller Neugier war, geht einfach unter und lässt seine große Schwester mit Trauer und Schuldgefühlen zurück.

Die ersten Seiten haben mich gleich mit in Paulas Abgrund gerissen. Ich weiß wie das ist, im Marianengraben zu hocken, denn ich war dort selbst schon. Das ist echt beschissen, kann ich niemandem empfehlen. Aber wie sie ihre Geschichte ihrem toten Bruder Tim erzählt, ist einfach schön.

Therapiesitzungen helfen Paula nur bedingt. Sie will sich nicht öffnen, aber wenigstens animiert sie der Therapeut dazu, Tims Grab zu besuchen. Auch wenn es nachts ist, quasi ein Einbruch auf dem Friedhof. An diesem Abend hat noch jemand diese Idee und sie lernt den alten Helmut kennen, der gerade seine Frau Helga ausbuddelt. Paula und Helmut bleiben bis zum Ende des Buchs zusammen und erleben eine absurde Reise miteinander, sodass Paula Stück für Stück aus dem Marianengraben auftauchen kann.

Mir persönlich hat das Buch sehr viel Herzschmerz bereitet. Jasmin Schreiber hat damit Erfahrung, das merkt man, denn sie weiß genau, wie man die schlimmen Gefühle in Worte fasst. Das tut weh! Aber ihr flapsig-lockerer Schreibstil und die frechen Dialoge zwischen Paula und Helmut sind ein wohltuender Gegenpart. Beides zusammen hat mich während des Lesens ständig traurig vor mich hin schmunzeln lassen. Ein fabelhaftes Gefühl!

Paula hat auf den letzten Seiten nochmal eine Menge Verantwortung übergeholfen bekommen und auch wenn das Buch dann doch vorbei war, wünsche ich ihr als fiktivem Charakter trotzdem eine Menge Stärke. Das war toll! Ein verrückter Roadtrip, der sehr viel Herzwärme bereithält.

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Veröffentlicht am 05.02.2020

Das Leben in der Kuppel

Eve of Man (I)
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Seit mehreren Generationen wurden auf der Erde nur noch Jungen geboren. Die Frauen werden älter und bald wird keine mehr Kinder empfangen können. Doch dann geschieht ein Wunder: Eve wird geboren. Sie wächst ...

Seit mehreren Generationen wurden auf der Erde nur noch Jungen geboren. Die Frauen werden älter und bald wird keine mehr Kinder empfangen können. Doch dann geschieht ein Wunder: Eve wird geboren. Sie wächst in der Kuppel eines Turms auf, gut behütet von alten Frauen ("Müttern") und ihrer besten Freundin Holly, die gemeinsam mit ihr aufwächst, aber nur das Hologramm eines Mädchens ist. Als Eve 16 Jahe alt wird, soll sie für sie auserwählte Kandidaten kennenlernen. Die aus dieser Verbindung resultierenden Kinder werden das Überleben der Menschheit sichern. Als eines der Treffen scheitert, muss Eve fliehen und trifft überraschend auf einen Jungen, Bram, dessen Augen sie sofort erkennt. Es sind die ihrer Freundin Holly, die von Bram gesteuert wird.

Die Erzählperspektiven im Buch wechseln zwischen Eve und Bram, den beiden Hauptcharakteren. Dadurch erhält der Leser Einblick in Eves beschütztes, aber trugvolles Leben in der Kuppel, als auch das von Bram, der zwar mehr Einblick in das Geschehen des Turms hat, aber noch lange nicht die ganze Wahrheit hinter allem kennt.

Die Geschichte der beiden wird sehr langsam erzählt und obwohl durchaus Gefühle und emotionale Beobachtungen im Spiel sind, kommen diese nicht so richtig raus. Der Schreibstil hat tatsächlich etwas von einer unbeholfenen Jugenderzählung, wodurch viel Spannung verloren geht. Die ersten Kapitel sind eher träge. Ab der zweiten Hälfte des Buches kommt die Handlung richtig in Fahrt und es kommt etwas Spannung auf. Die Gefühlswelt des eingesperrten Mädchens wurde meiner Meinung nach nicht tiefgreifend genug erzählt. Bram ist viel greifbarer, da seine jugendlichen Emotionen und der Konflikt mit seinem Vater intensiver beschrieben sind.

Insgesamt haben sich mir beim Lesen auch viele Lücken in der Logik ergeben, zum Beispiel... Wie konnte Eve beim Kuss Brams Wärme spüren, wenn er als Holly nur aus Licht besteht? Wie konnte Bram Eve spüren, wenn sie sich doch quasi durch ihn hindurch bewegt? Wieso werden die Augen nicht auch projiziert? Holly hat dann ja immer kurze Männerwimpern und unterschiedliche Augenfarben und -formen... Die von Eve geborenen Mädchen werden es sicher auch nicht leicht haben, denn ihre potentiellen Partner werden alle um die 16 Jahre älter als sie sein.

Trotz allem fand ich die Story aber interessant und lesenswert! Ich bin auch schon gespannt auf Teil 2 und hoffe auf viel mehr Informationen zum Leben "draußen", inwieweit die AFM die Welt unterjocht, wie es außerhalb Londons überhaupt aussieht, wie es zu den unwirtlichen Bedingungen auf der Erde kam und natürlich wie es mit Bram und Eve weitergehen wird.

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Veröffentlicht am 05.02.2020

Leichte Sommerlektüre

Im Freibad
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Rosemary ist über 80 und verbindet ihr ganzes Leben und die Liebe zu ihrem verstorbenen Mann George mit dem Brixtoner Schwimmbad. Als das Bad geschlossen werden soll, um anderen Bauprojekten Platz zu machen, ...

Rosemary ist über 80 und verbindet ihr ganzes Leben und die Liebe zu ihrem verstorbenen Mann George mit dem Brixtoner Schwimmbad. Als das Bad geschlossen werden soll, um anderen Bauprojekten Platz zu machen, kommt Kate als Mitarbeiterin einer Zeitung ins Spiel, die einen Artikel schreiben soll. Dabei kommt sie mit Rosemary in Kontakt, die sich nur unterhalten möchte, wenn Kate selbst einmal das Bad besucht. Nach einer Weile überwindet sich Kate und lernt das Schwimmen und Rosemary zu schätzen und liebzugewinnen. Die Frauen fassen den Entschluss, das Bad zu retten und erhalten mehr und mehr Unterstützung weiterer Menschen des Stadtteils.

Die Erzählperspektive wechselt zwischen den beiden Hauptpersonen, aber gibt auch anderen, außenstehenden Personen die Möglichkeit, ihren Bezug zum Schwimmbad zu präsentieren. Dadurch erhält man Einblick in die Menschen und was ihnen das Bad bedeutet.

Cathlen Gawlich als Sprecherin hat mir leider nicht so gut gefallen, aber das ist eine ganz persönliche Empfindung, weil ich ihre Stimme zu hoch und etwas künstlich fand. Sie hat jedoch Rosemarys Sprechparts stimmlich etwas verändert, sodass in Dialogen immer klar war, wer dran ist.

Durch die beiden Frauen ist der Sprachstil sehr zart und gemächlich, es werden oft normale Tätigkeiten sehr genau beschrieben, um Atmosphäre zu schaffen. Auch die Liebe zwischen George und Rosemary ist sehr oft Thema. Dazu wird auch Kate noch in eine Liebesgeschichte verwickelt, die ich etwas überflüssig finde. Alles in allem ist es ein Sommer- / Feelgood-Roman, der vergnügliche Hör- bzw. Lesestunden ohne allzu viel Tiefgang verspricht.

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Veröffentlicht am 15.01.2020

Wiener Walzer durch die Zeit

Rückwärtswalzer
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Los geht's mit Lorenz. Er ist arbeitsloser Schauspieler, pleite, verzweifelt. Als sich auch noch seine Freundin von ihm trennt, bricht er völlig zusammen. Er gibt seine teure Wiener Wohnung auf und zieht ...

Los geht's mit Lorenz. Er ist arbeitsloser Schauspieler, pleite, verzweifelt. Als sich auch noch seine Freundin von ihm trennt, bricht er völlig zusammen. Er gibt seine teure Wiener Wohnung auf und zieht in seiner Not bei Onkel und Tante ein, ins Kinderzimmer seiner Cousine. Die Familie Prischinger besteht aus den Geschwistern Hedi, Wetti und Mirl (drei quirlige alte Damen, denen besonders gutes Essen am Herzen liegt), Lorenz' Vater Sepp und dem angeheirateten Onkel Willi. Als eines Morgens Onkel Willis vertrautes Schnarchen fehlt, gerät die Familie in Schockstarre. Willi stammt aus Montenegro und sein Wunsch war es, dort bestattet zu werden. Die Kosten für die Überführung würde allerdings mehrere tausend Euro kosten, weshalb die quirligen Tanten die Sache selbst in die Hand nehmen und mit Lorenz als Fahrer von Wien aus eine skurrile Reise beginnen.

Lorenz' Geschichte spielt in der Gegenwart und er zieht den roten Faden durch das Buch. Nebenher werden auch die Lebensgeschichten von Willi und den Prischinger-Geschwistern beschrieben, deren jeweilige Kindheit und das Band, das alle eng miteinander verbindet. Jeder hat auf seine Weise mit Schicksalsschlägen, Ehe, Kindern und Liebesgeschichten zu tun, die alle sehr unterhaltsam sind und trotz Ablenkung von der Haupthandlung gelungene Ausflüge sind. Am Ende des Buchs erlangt der Leser dadurch ein Gesamtbild der Familie und kann die Tanten und Onkel Willi besser verstehen.

Der Sprachstil ist leicht österreichisch geprägt, was mir persönlich zwar fremd ist, aber dem ganzen einen sehr familiären Charme gibt. Die Tanten haben alle ihre gewissen Eigenarten, die die Autorin sehr liebevoll ausarbeitet, obwohl ich trotzdem am Ende immer noch die Namen durcheinander bringe. Denn alle haben eins gemeinsam: Sie kochen gern, sitzen gern beisammen und essen. Ein wirklich einmaliges Leseerlebnis, das mich vollkommen in die Handlung eingesogen hat und mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird.

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Veröffentlicht am 07.01.2020

Ausbruch aus dem Alltag mit teils gewagten Methoden

Im Freien – Abenteuer vor der Tür
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Björn Kern nimmt den Leser mit in seinen Alltag und seine Nachbarschaft. Er beschreibt seine Heimarbeit am PC mit Abgabefristen im Nacken, das Leben mit Freundin und Sohn, die Arbeit an Haus und Hof, seinen ...

Björn Kern nimmt den Leser mit in seinen Alltag und seine Nachbarschaft. Er beschreibt seine Heimarbeit am PC mit Abgabefristen im Nacken, das Leben mit Freundin und Sohn, die Arbeit an Haus und Hof, seinen eigentümlichen aber liebenswerten Nachbarn und die Natur des Oderbruchs, in dem er wohnt. Das alles gehört zum täglichen Leben, das oft Stress verursacht und einschränkt. Björn Kern dagegen will ausbrechen und schafft sich Ausgleich in der Natur.

Man merkt dem Autor seine Schreiberfahrung an. Die Naturbeobachtungen sind berauschend und an manchen Stellen so wunderschön, dass ich die Passagen mehrfach lesen musste. Der fabelhafte Schreibstil ist gut verständlich und kann auch die teilweise eigentümlichen Gedankengänge und Gefühlsregungen des Autors gut zum Ausdruck bringen. Begegnungen mit Tieren sind beispielsweise so fesselnd beschrieben, dass man beim Lesen Herzklopfen bekommt und alles ganz exakt vor sich sehen kann.

Björn Kern will echtes Abenteuer, mit Herzrasen und Extremsituationen, direkt vor der Haustür. In seinen Anekdoten beschreibt er viele davon und zeigt, wie die Natur auch hier bei uns sein kann, weshalb man für solche Erfahrungen nicht in den Himalaya oder nach Patagonien muss.

Klare Empfehlung für Abenteuersuchende, Empfehlung auch für Naturliebhaber. Auch für mich als Harmoniesuchende war es eine interessante Leseerfahrung, auch wenn ich für mein Leben nicht ganz so viel daraus mitnehmen kann.

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