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Veröffentlicht am 03.01.2021

Seichte Agentenstory für Fans von Sex und Kitsch

Sweet Little Lies
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Die australische Autorin Kylie Scottt hat sich bereits mit ihrer „Stage Dive“-Serie in die Herzen der Romantikfans geschrieben. Dass sie auch unterhaltsame Einzelbände schreiben kann, hat sie in der Vergangenheit ...

Die australische Autorin Kylie Scottt hat sich bereits mit ihrer „Stage Dive“-Serie in die Herzen der Romantikfans geschrieben. Dass sie auch unterhaltsame Einzelbände schreiben kann, hat sie in der Vergangenheit mit Romanen wie „Trust“ oder „Perfekt Mistake“ unter Beweis gestellt.
Nach Veröffentlichung der Leseprobe ihres aktuellen Werks „Sweet Little Lies“ war ich Feuer und Flamme, denn diesmal entführt uns die Autorin in die Welt der Agenten. Entsprechend hoch waren meine Erwartungen, dass mich dieses Buch mit einer perfekten Mischung aus Action, Humor und Romantik unterhalten würde. Warum dieses Versprechen nicht eingelöst werden konnte und warum das Buch für euch vielleicht doch interessant ist, möchte ich euch in dieser Rezension verraten.

Worum geht's?
Betty Dawsey hat die Nase voll von ihrem Verlobten Thom Lange – nie ist er zu Hause, nie nimmt er sich Zeit für sie. Doch gerade als sie aus ihrer gemeinsamen Wohnung auszieht, fliegt eben jene in die Luft. Thom, der biedere Versicherungsvertreter, ist nämlich in Wahrheit Thom, der Geheimagent. Nicht ist, wie es zu sein schien - und plötzlich ist Betty mittendrin im Chaos, denn jemand aus den eigenen Reihen trachtet Thom nach dem Leben. Ob es ihnen gelingt, nicht nur ihr Leben, sondern auch ihre Beziehung zu retten?

Mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden, doch so viel sei gesagt: auf unsere Protagonisten wartet jede Menge Action. Allerdings merkt man der Handlung an, dass eine Vielzahl bekannter Agentenfilme für dieses Buch Modell stand. Somit ist jedes vorstellbare Klischee vertreten, was in der Summe für mich leider unglaubwürdig und uninspiriert wirkte. Wer kurzweilige Unterhaltung und übertriebene, klischeehafte Action mag, sollte sich davon aber nicht beirren lassen.

Die Charaktere:
Die Floristin Betty Dawsey ist Erzählerin der Geschichte und glücklicherweise nie um einen Spruch verlegen. Sie hat erkannt, dass sie mehr verdient als einen ignoranten Verlobten und entschließt sich, ihn zu verlassen. Doch diese Pläne werden mit einem Paukenschlag zunichte gemacht und nichts ist mehr so, wie es schien. Anfangs reagiert Betty so, wie es wohl jeder instinktiv tun würde: sie empfindet Wut und Unverständnis, dass ihr Verlobter sie angelogen und als Alibi für ein bürgerliches Leben benutzt hat. Leider ändert sie ihre Meinung nur wenige Seiten später aus nicht nachvollziehbaren Gründen. Mag sein, dass Thom, der sexy Geheimagent, wesentlich attraktiver ist als Thom, der spießige Versicherungsvertreter. Aber warum sie das plötzlich all die Lügen und sogar Seitensprünge vergessen ließ, habe ich enttäuschenderweise nicht nachvollziehen können.

Auch Bettys Entwicklung, die angesichts der geringen Seitenanzahl natürlich überschaubar ausfällt, hat mich nicht überzeugt. Aus der unsportlichen Betty wird binnen weniger Tage eine tödliche Killer Queen, die mit ihren Talenten als Selfmade-Geheimagentin sogar Thom in den Schatten stellt. Glaubwürdigkeit sieht leider anders aus.

Größtes Ärgernis dieses Buches ist jedoch der männliche Protagonist. Wer meine Rezension zu „True North – Wo auch immer du bist“ kennt, weiß, dass ich unemotionalen, frauenverachtenden Narzissten nichts abgewinnen kann. Auch wenn Griffin Shipley weiterhin die „Top 10 der unsympathischsten Protagonisten“ anführt, hat diese Liste mit Thom Lange nun einen würdigen Zweitplatzierten gefunden.

Aber wie kommt er zu dieser unehrenhaften Platzierung? Nun, dass er Betty belogen, betrogen und absichtlich konditioniert hat, damit sie keine Fragen stellt, müsste dafür eigentlich schon ausreichen. Spätestens, als seine Tarnung auffliegt, hatte ich jedoch gehofft, dass sich die beiden Protagonisten auf Augenhöhe begegnen. Doch Thom bleibt unnahbar, füttert Betty nur mit den allernötigsten Informationen und wenn sie doch einmal Zweifel an seiner Unantastbarkeit hegt, setzt er seine Geheimwaffe ein: seine grenzenlose Selbstsicherheit in Bezug auf seine sexuellen Fähigkeiten.

Was vielleicht wie ein schlechter Witz klingt, wird irgendwann zum lästigen Running Gag. Statt zu reden, löst Thom jeden aufkommenden Konflikt mit Sex. Zu allem Überfluss funktioniert diese fragwürdige Taktik auch noch und Betty schmilzt in Thoms Händen dahin. Die sonst so taffe Frau saugt jede noch so kleine Form von Zuneigung auf und himmelt Thom geradezu an. Ich hatte nicht erwartet, dass Emanzipation das Leitmotiv dieses Romans sein würde. Trotzdem schockiert es mich, dass ein an (junge) Frauen gerichteter Roman propagiert, dass sich eine Frau mit ein, zwei Orgasmen gefügig machen lässt. Zumal ich für jemanden, der mich nach Strich und Faden belogen und betrogen hat (und an dessen Händen zu allem Überfluss noch Blut klebt), nur Ekel übrig hätte und ich seinen Sex-Appeal nicht nachvollziehen konnte.

Die Nebencharaktere sind nicht weiter von Belang, sie bleiben leere Hüllen ohne bekannte Hintergründe. Durch die fehlenden Informationen war ich mit jedem Kapitel weniger daran interessiert, wer letztlich der Maulwurf in Thoms Reihen ist. Und auch wenn es kein gutes Licht auf mich wirft, muss ich gestehen, dass ich gleich mehrmals hoffte, dass das Attentat auf Thom doch noch glücken könnte.

Aber wer Kylie Scott kennt, weiß, dass diese Geschichte ein Happy End haben muss. Und genau hier liegt der zweite große Knackpunkt: Kitsch ohne Grenzen. Ich muss gestehen, dass ich kein Freund von „Friede, Freude, Eierkuchen“ bin, denn im wahren Leben gibt es keinen ewigen Sonnenschein und Regenbögen. Zu meiner Enttäuschung bietet dieses Buch nach einem überdramatischen Finale genau das. Wer Fan von klebrig-zuckersüßen Happy Ends ist, wird voll und ganz auf seine Kosten kommen. Für mich war es leider in der Summe einfach viel zu viel.

Der Schreibstil:
Solange sich die Handlung auf Dialoge oder Sexszenen beschränkt, ist Kylie Scotts Schreibstil leicht zu lesen und die Seiten fliegen nur so dahin. In den für einen Agentenroman essentiellen Actionszenen kränkelt er jedoch stark an deren Choreografie, was mich mehrmals den Überblick verlieren ließ. Eine Szene sorgte dabei für besonders großen Frust, da mit endlos aneinandergereihten Sätzen ein komplettes Haus inklusive räumlicher Aufteilung, Möblierung und taktischer Positionen beschrieben wurde. Gerade als ich mir, vom mehrmaligen Lesen der Sätze schon leicht frustriert, eine Skizze anlegen wollte, merkte ich, dass die komplette Szene in Hektik verfiel und am Ende überhaupt nicht handlungsrelevant war, wer sich nun wo positioniert hatte. Viel Wirbel um nichts, der jedoch den Lesespaß deutlich reduziert hat. „Schuster, bleib bei deinen Leisten“ - in diesem Fall möchte ich lieber sagen: „Kylie, schreib bitte nur noch realistische Szenarien!“.

Fazit:
Nachdem die Leseprobe die Erwartungen in die Höhe katapultiert hatte, war ich am Ende doch wirklich enttäuscht. Von der taffen Betty hatte ich mir mehr Biss erhofft, während Thom meine von Anfang an sehr geringen Erwartungen sogar noch unterboten hat. Die fehlende verbale Konfliktbewältigung zugunsten unlogischer Sexszenen und das mehr als fragwürdige Frauenbild sorgten bei mir für Frust. Nun muss man wissen, dass ich mich schon als emanzipiert bezeichnen würde und darauf sehr empfindlich reagiere. Wer damit leben kann und noch dazu Fan von seichten Agentenfilmen und Rom-Coms mit kitschigen Happy Ends ist, sollte dem Buch eine Chance geben. Wer dabei noch über den teilweise hektischen Schreibstil hinwegsehen kann, könnte sogar viel Freude mit diesem Buch haben. Ich für meinen Teil brauche erst einmal eine Pause von Kylie Scott und kann leider nur 2 Sterne vergeben. Ich bedanke mich trozdem ganz herzlich bei der Lesejury und dem LYX-Verlag für die Leserunde und das in diesem Rahmen überreichte Leseexemplar!

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Veröffentlicht am 13.09.2020

Ein Hoch auf die Freundschaft und das Anderssein!

Sophie und die Magie - Bio, Deutsch und Zauberei
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Magie in der Schule? Da denken die meisten LeserInnen bestimmt zuerst an Harry Potter, oder? Dass es aber nicht immer Hogwarts braucht, um eine spannende Geschichte für junge, magiebegeisterte LeserInnen ...

Magie in der Schule? Da denken die meisten LeserInnen bestimmt zuerst an Harry Potter, oder? Dass es aber nicht immer Hogwarts braucht, um eine spannende Geschichte für junge, magiebegeisterte LeserInnen zu zaubern, beweist Katharina Martin mit dem ersten Band der Reihe „Sophie und die Magie“.

Worum geht’s?
Sophie ist gerade in die Klasse 5b der Aurora Fanning-Gesamtschule gekommen – eine Schule, in der Menschen und Magische zusammen unterrichtet werden. Dass sich Sophies Freundin aus der Grundschule mit der Klassenzicke anfreundet und sie nicht mehr beachtet, macht ihr den Start an der neuen Schule nicht gerade leicht. Doch schon bald findet Sophie neue Freunde, die einige besondere Fähigkeiten haben. Gemeinsam gehen sie dem Geheimnis eines verschwundenen Einhorns nach und machen eine wirklich unglaubliche Entdeckung...

Die Charaktere:
Sophie ist gerade für FünftklässlerInnen, die vor Kurzem erst die Schule gewechselt haben, eine tolle Identifikationsfigur. Die Sorgen und Probleme eines Fünftklässlers hat die Autorin wirklich treffend aufgegriffen. Eine neue Schule, neue Mitschüler, neue Lehrer – all das erwartet die Kinder in den ersten Tagen und führt zu einer Flut neuer Eindrücke. Hinzu kommt, dass sich Sophies beste Freundin Fenja plötzlich von ihr abwendet. Doch die Autorin zeigt, wie man am besten mit diesen unangenehmen Gefühlen umgeht! Gegen Mobbing wehrt Sophie sich willensstark und setzt sich für Ihre Mitmenschen ein.

So ist es wenig verwunderlich, dass sie unter den Magischen - den vermeintlich sonderbaren Kindern - neue Freunde findet. Sophies Freunde sind nämlich Fabelwesen, zu ihnen zählen zum Beispiel die auf dem Cover erkennbare Meerjungfrau oder der Werwolf, aber auch einige weitere Geschöpfe, über die ich jedoch nichts verraten möchte. Natürlich haben die Menschen viele Vorurteile gegenüber diesen Wesen, aber das hält Sophie nicht davon ab, sich mit ihren neuen Freunden in ein Abenteuer zu stürzen. Kinder lernen so spielerisch, welchen Stellenwert Toleranz in einer Klasse hat. Das Besondere an diesem Buch ist, dass jedes Kind seine eigenen Stärken und Fähigkeiten hat, die es für die Gruppe sinnvoll einsetzen kann. Sieht man darüber hinweg, dass diese Kinder Fabelwesen sind, ließen sich ihre Eigenschaften auch auf besondere Kinder unserer Realität übertragen. Eine Meerjungfrau, die in einer Badewanne durch die Schule geschoben wird, steht dabei vor denselben Problemen, denen sich ein Kind im Rollstuhl Tag für Tag stellen muss. Dieses Buch kann dabei helfen, Kinder über diese „Besonderheiten“ hinwegsehen zu lassen und sich hilfsbereit für MitschülerInnen einzusetzen.

Die Handlung:
In der ersten Hälfte vergeht viel Zeit damit, die Welt der Magischen und der darin lebenden Wesen zu erklären. Darunter leidet leider anfangs auch die Handlung, sodass wir Sophie zuerst nur zur Schule begleiten. In der zweiten Hälfte nimmt die Suche nach dem verschwundenen Einhorn jedoch Fahrt auf und die Kinder beginnen zu ermitteln, wer dafür verantwortlich sein könnte. LeserInnen können hier nach Herzenslust mitraten, wobei der Kreis der Verdächtigen zugegebenermaßen sehr klein gehalten ist. Die Auflösung gelingt schließlich, weil die Kinder im Team arbeiten und sich füreinander einsetzen. Die Kernbotschaft ist und bleibt daher die Freundschaft, die jedes Abenteuer übersteht!

Der Schreibstil:
Grundsätzlich gib sich die Autorin Mühe, dass der Schreibstil für Selbstleser verständlich und leicht zu lesen ist. Ab und zu schleicht sich ein komplizierteres Wort ein, was jedoch nicht störend wahrgenommen wurde. Einige Sätze sind jedoch sehr lang geraten, sodass der Sinn etwas verloren gehen kann. Ein geübter Leser wird sich daran nicht stören, aber wer vielleicht nur wenige eigene Leseerfahrungen gesammelt hat, sollte sich das Buch lieber vorlesen lassen.

Was gerade beim Vorlesen jedoch auffällt, ist die stark schwankende Kapitellänge. Bei uns wurde beispielsweise damit begonnen, an jedem Abend zwei Kapitel zu lesen. Gerade am Anfang sind die Kapitel jedoch sehr lang, obwohl es mit der Handlung kaum vorangeht. In der zweiten Hälfte reihen sich mehrere kurze Kapitel aneinander, was vermutlich dem Spannungsaufbau geschuldet ist. Hier fällt es schwer, nach nur zwei Kapiteln das Buch wirklich aus der Hand zu legen. Für den nächsten Band, der unsere Freunde diesmal auf ihrer ersten gemeinsamen Klassenfahrt begleitet, wünsche ich mir etwas einheitlichere Kapitellängen und weniger Erklärungen.

Fazit:
„Sophie und die Magie – Bio, Deutsch und Zauberei“ ist ein wundervolles Plädoyer für Freundschaft und Toleranz, das ich jungen LeserInnen vorbehaltlos empfehlen kann. Neben einer tollen Protagonistin geben auch ihre magischen Freunde viele Identifikationsmöglichkeiten und ermutigen LeserInnen, zu ihren Besonderheiten zu stehen und stärken so ihr Selbstbewusstsein. Der größtenteils kindgerechte Schreibstil ermöglicht es, die Geschichte auch als Selbstleser zu erfahren. Wer über anfängliche Längen hinwegsieht, wird mit einem spannenden Kinderkrimi zum Miträtseln belohnt. Ich bedanke mich bei der Lesejury und dem Boje Verlag für das Bereitstellen des Rezensionsexemplars und spreche eine klare Leseempfehlung für alle aus, die sich für Magie begeistern können!

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Veröffentlicht am 16.08.2020

Katastrophaler Frauenporno: platt, emotionslos und moralisch höchst bedenklich!

True North - Wo auch immer du bist
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Früher dachte ich immer, dass man durch das Lesen von Büchern nur klüger werden kann. Dass das Genre und die schriftstellerischen Fähigkeiten dabei eine entscheidende Rolle spielen, weiß ich spätestens, ...

Früher dachte ich immer, dass man durch das Lesen von Büchern nur klüger werden kann. Dass das Genre und die schriftstellerischen Fähigkeiten dabei eine entscheidende Rolle spielen, weiß ich spätestens, seit Bücher wie „Shades of Grey“ mit minimaler Handlung und maximaler Erotik die Bestsellerlisten stürmen. Ich bin bestimmt nicht prüde und hatte schon befürchtet, dass es auch in „True North“ nicht unschuldig zugehen würde. Was mich allerdings schockierte, war meine Reaktion auf dieses Hörbuch: der sukzessive Verlust jedweder Denktätigkeit. Es fühlte sich an, als würde mit jeder Hörminute eine weitere Gehirnzelle eines qualvollen Todes sterben. Woran das liegt, möchte ich euch in dieser (um Sachlichkeit bemühten!) Rezension erläutern.

Worum geht’s?
Das Setting klang durchaus vielversprechend: die Nachwuchsköchin Audrey Kidder wird von ihrem skrupellosen Firmenchef nach Vermont geschickt, um für ein Nobelrestaurant in Boston exklusive Bioprodukte einzukaufen. Dort trifft sie auf den jungen Farmer Griffin Shipley, der sie einst auf dem College abblitzen ließ. Bei dem Versuch, ihm unter anderem seinen selbst hergestellten Cider abzukaufen, kommen sich die beiden wieder näher...

Leider waren das auch schon alle handlungsrelevanten Eckpunkte – und das schreibe ich nicht, um eventuelle Spoiler zu vermeiden. Neben einigen kleineren Dramen drumherum hat die Handlung keine Überraschungen zu bieten. Sie ist zu jedem Zeitpunkt vorhersehbar und die Autorin scheint sich gar nicht erst die Mühe gemacht zu haben, eventuelle Nebenhandlungsstränge einfließen zu lassen. Spannungsbogen? Fehlanzeige.

Die Charaktere:
Mit Audrey kann ich mich in etwa so gut identifizieren wie mit einem Kühlschrank. Außer Kochen und Griffin zu begaffen scheint sie keine Hobbies zu haben, zumindest werden diese im Buch nicht genannt. Was wohl von der Autorin als Tollpatschigkeit gedacht war, vermittelte mir leider den Eindruck, dass Audrey absolut unselbständig, ja, zuweilen sogar dumm ist. Aber dafür - und Audrey wird nicht müde das zu betonen! - kann sie selbstverständlich nichts. Natürlich ist sie nicht Schuld daran, dass sie beinahe ihren Job verliert. Schuld ist ihr Mitbewohner, dessen Haschbrownies sie unerlaubterweise an unschuldige Arbeitskollegen verköstigt hat. Natürlich trifft sie auch keine Schuld daran, dass sie mit Mitte 20 finanziell mittellos ist. Schuld ist ihre Mutter, die ihr angesichts wiederholter Kündigungen den Geldhahn zudreht. Wo wir gerade bei ihrer Mutter sind: passend ambivalent zum „Dummchen“-Typus wird Audreys Mutter als klischeehafte „Business-Diva“ präsentiert. Da sind Konflikte selbstverständlich vorprogrammiert. Die Gründe für dieses angespannte Verhältnis kann ich jedoch als überzogen, den Verlauf und insbesondere das Ende dieser Mutter-Tochter-Beziehung nur als lachhaft bezeichnen.

Griffin ist jedoch auch nicht viel besser. Er hat eine Vorzeigefamilie, besitzt eine wirtschaftlich ertragreiche Farm und umfangreichen Grundbesitz – er lebt den „American Dream“. Das Einzige, was ihm zu seinem persönlichen Glück fehlt, ist eine Frau, die ihn nach Herzenslust bekocht und ihm selbstverständlich zu jeder Gelegenheit für Sex zur Verfügung steht. Da kommt Audrey gerade recht, und an dieser Stelle hat sich die Autorin nicht einmal Mühe gegeben, in irgendeiner Form für „Knistern“ oder Chemie zwischen den beiden zu sorgen. Nur wenige Stunden nach Audreys Ankunft wird gerammelt was das Zeug hält. Entschuldigt bitte meine Wortwahl, ich dachte, ich bereite euch schon einmal auf den Wortschatz des Buches vor. Stumpf und hirnrissig wird immer dasselbe Vokabular rauf- und runter gebetet. Geschmackvolle Begrifflichkeiten sucht man hier vergebens!

Und bei einem Schäferstündchen bleibt es selbstverständlich nicht, denn offenbar geht die Autorin davon aus, dass Frauen sich nichts Schöneres vorstellen können, als einem Mann für die Auslebung seiner sexuellen Bedürfnisse zur Verfügung zu stehen. Man fühlt sich als Hörer gefangen in einer nervtötenden Aneinanderreihung von Sexszenen – und dazwischen geschieht absolut nichts, was in irgendeiner Form zur Handlung beitragen könnte. Schlimmer noch: an vielen Stellen wirkte die übertriebene Sexualisierung sogar unangemessen und abstoßend. So entartet zum Beispiel die Schlachtung eines Schweins (Trigger-Warnung!) zur menschlichen Fleischbeschauung und ein Cider-Tasting zum verbalen Quickie. Im letzten Viertel startet die Autorin schließlich den halbherzigen Versuch, der ausufernden Sexualität durch das Zusammenreimen einer Liebesgeschichte noch irgendeinen Sinn zu verleihen – und scheitert dabei kläglich.

So ist es wenig verwunderlich, dass nicht nur die Hauptfiguren, sondern auch die Nebenfiguren erschreckend blass bleiben und wie Abziehbildchen aus einem Panini-Heft wirken. Griffins Mutter Ruth ist das Vorzeigemütterchen, die Tag und Nacht schuftet und die Kinder bekocht, während Audreys Mutter die Karrierefrau mimt. Väter gibt es zu den beiden natürlich nicht (tot bzw. unbekannt) – sonst hätte man sich sicherlich weitere Klischees ausgraben müssen, um das hinterwäldlerische Frauenbild, das hier gezeichnet wird, noch zu übertreffen.

Natürlich hat die Autorin die Gelegenheit genutzt und die beiden Erntehelfer, Zach und Jude, als Protagonisten der Folgebände ausgekoppelt, wobei ich darauf auch sehr gut hätte verzichten können. Zugegeben, die beiden machten auf mich einen deutlich sympathischeren Eindruck als Griffin. Aber ein weiteres Buch dieser Reihe würde ich nicht einmal gegen Zahlung von Schmerzensgeld über mich ergehen lassen.

Der Schreibstil:
Ebenso plump und simpel wie die immer gleichen Umschreibungen des Geschlechtsakts ist auch der übrige Schreibstil geraten. Wer einen abwechslungsreichen und komplexen Satzbau schätzt, wird leider grenzenlos enttäuscht.

Die Sprecher:
Leider können auch zwei talentierte Sprecher die hanebüchene Geschichte nicht retten. Zugegebenermaßen taten sie mir einfach nur leid, da man sich vermutlich bei Vertragsschluss nicht darüber im Klaren war, dass man sein Talent an einen drittklassigen Porno verschwenden würde. Zumindest anfangs geben sich die beiden redlich Mühe, die albern konzipierten Figuren mit Leben zu füllen. Irgendwann weicht angesichts der übertriebenen Anzahl an Sexszenen die Ernsthaftigkeit einem gewissen „Overacting“ - man kann es ihnen nicht einmal verübeln, mir wäre das ständige Stöhnen auch irgendwann gehörig auf die Nerven gegangen.

Fazit:
Auf einem Seminar habe ich gelernt, dass man Kritik immer positiv beginnen soll, und zugegeben, anfangs war ich aufgrund des Settings optimistisch. Leider entwickelt sich „True North“ schon nach wenigen Minuten zum literarischen Totalausfall. Erschreckend schlichte Charaktere, platte Dialoge und eine mehr als vorhersehbare Handlung sollen mit Erotikszenen kompensiert werden, die das Ganze aber nur noch schlimmer machen. Dass konsequent ein meiner Meinung nach katastrophales Frauenbild propagiert wird, macht diesen Roman zum schlechtesten, den ich je gelesen habe. Ich finde es sehr fragwürdig, dass ein Verlag heutzutage noch einen auf insgesamt 6 Bände ausgewalzten Porno mit höchst bedenklichen Frauenbildern unter Vertrag nimmt und ihn als Roman für junge Frauen vermarktet. Gerade diese Zielgruppe sollte man dazu animieren, sich nicht nur auf Sex reduzieren zu lassen.

Auf dem bereits genannten Seminar habe ich auch gelernt, dass man zum Schluss einer Kritik auch immer etwas Positives nennen soll. Es fällt mir schwer zu sagen, was mir an diesem Roman überhaupt gefallen hat. Vermutlich ist es die verhältnismäßig kurze Dauer, denn nach 301 Minuten verschwendeter Lebenszeit hat der Irrsinn endlich sein Ende gefunden. Zum Glück waren zu diesem Zeitpunkt noch einige Gehirnzellen übrig. Diese werden hoffentlich in den kommenden Tagen damit beschäftigt sein, die Erinnerung an dieses Buch zu löschen.

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Veröffentlicht am 13.10.2019

New Adult auf Französisch – humorvoll, frech und traumhaft schön!

Never Too Close
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Normalerweise fällt es mir leicht, eine unverfängliche Einleitung für meine Rezensionen zu finden. Ein kontroverses Zitat hier, eine Anekdote aus dem aktuellen Tagesgeschehen dort. Hier könnte ich bestimmt ...

Normalerweise fällt es mir leicht, eine unverfängliche Einleitung für meine Rezensionen zu finden. Ein kontroverses Zitat hier, eine Anekdote aus dem aktuellen Tagesgeschehen dort. Hier könnte ich bestimmt auch darüber sinnieren, ob eine innige Freundschaft zwischen Mann und Frau überhaupt möglich ist, ohne langfristig in eine Beziehung überzugehen. Bei diesem Buch erscheint mir diese Vorgehensweise aber zu banal, denn ironischerweise hat mir meine eigene Erfahrung ganz plötzlich und unerwartet eine Antwort auf diese Frage gegeben. Ich habe mich in meinen besten Freund verliebt und war somit in einer ähnlichen Situation wie die Hauptfiguren in „Never Too Close“. Ich bin der Meinung, dass es für meine Gefühlslage kein besseres Buch geben konnte. Warum dieses Buch so wertvoll für mich war und mich trotz einiger Schwächen überzeugen konnte, möchte ich euch nachfolgend erzählen.

Worum geht’s?
Nach einer Silvesternacht, die Violette und Loan unfreiwilligerweise gemeinsam im Fahrstuhl verbrachten, sind die beiden unzertrennlich. Ihre Freundschaft kennt keine Grenzen und kann für Fremde schon mal zu Kopfschütteln führen – sehr zur Verärgerung von Loans Freundin Lucie. Doch ihre Liebe ist rein platonisch, da ist sich Violette sicher. Als sie eines Tages Clement kennen lernt, ist sie sicher, dass er der Richtige für sie ist. Nur wäre da ein kleines Problem: Violette ist noch Jungfrau und schämt sich, diese Schwäche vor ihrem Freund preiszugeben. Der einzige Mann, dem sie sich anvertrauen kann, ist Loan. Aber wird ihre Freundschaft danach wieder so sein wie früher?

Meine Meinung:
Natürlich ist das grobe Konzept von Anfang an sehr vorhersehbar – das Prinzip „Friends to Lovers“ ist schnell erklärt und gehört wohl zum Standardrepertoire des New Adult-Genres. Ich denke, dass man als Leser in Bezug auf den Ausgang wohl kaum große Überraschungen erwartet. Das Interessante ist hier allerdings weniger das „Was“, sondern das „Wie“. Und an dieser Stelle muss ich der Autorin ein großes Kompliment aussprechen, denn trotz der offensichtlichen Figurenkonstellation gelingt ihr ein in vielerlei Hinsicht unterhaltsamer Roman!

Die Figuren:
Violette und Loan sind nicht nur die zentralen Figuren des Buches, sondern gleichzeitig auch Erzähler, die jeweils abwechselnd zu Wort kommen.

Anfangs hatte ich in Bezug auf Violette schlimme Befürchtungen: sie studiert Mode (was auch sonst in einer Stadt wie Paris), hat ein schlechtes Verhältnis zu ihrer Mutter und leidet unter Panikattacken (was offenbar zur Zeit auch ein beliebtes Thema in New Adult-Romanen zu sein scheint). Insoweit war ich skeptisch, ob ihr erfrischend ungekünstelter Auftritt in der Leseprobe vielleicht zu viel versprochen hatte. Glücklicherweise bot Violette viele Möglichkeiten, mich mit ihr zu identifizieren. Sie redet ohne vorher großartig nachzudenken und nimmt dabei selten ein Blatt vor den Mund. Noch dazu ist sie etwas tollpatschig und braucht eigentlich keinen Glanz und Glamour, um glücklich zu sein – ein Abend vor dem Fernseher mit einem Vorrat Schokolade reicht völlig aus.

Loan hingegen ist ein Idealist, für den sein Job als Feuerwehrmann eine Lebensaufgabe ist. Auch als Violettes bester Freund ist er äußerst fürsorglich und kümmert sich rührend um sie. Natürlich trägt er ein für New Adult-Romane typisches Geheimnis mit sich herum, das erst am Ende des Buches vollständig offenbart wird. Allerdings bleibt er insgesamt im Vergleich zu Violette deutlich blasser und zu „aalglatt“, hier hätte die Autorin ruhig noch mehr schrullige Angewohnheiten einarbeiten dürfen. Trotzdem war er mir von Anfang an sympathisch - was man von Clement, Violettes Freund, nicht gerade behaupten kann.

Von Anfang an steht fest, dass Violette und Loan ein harmonisches Pärchen abgeben würden, was die beiden aber zunächst nicht bemerken bzw. sich nicht eingestehen wollen. Damit die beiden aber nicht auf gewöhnliche Weise zueinander finden, braucht es Clement, dessen Rolle ebenfalls von Anfang an feststeht. Er ist deutlich kühler, distanzierter und vor allem elitärer als der bodenständige Loan. Trotzdem geht Violette eine Beziehung mit ihm ein, auch wenn ich dies nicht wirklich nachvollziehen konnte. Dass sie sich Clement gegenüber keine Blöße geben möchte, ist aufgrund seines Verhaltens hingegen zumindest einigermaßen nachvollziehbar.

Auf Jason und Zoe, Loans Freund und Violettes Mitbewohnerin, möchte ich nicht allzu sehr eingehen. Die beiden haben eine sehr interessante (weil im Vergleich zu Violette und Loan komplett gegensätzliche) Dynamik, von der wir bald im Folgeband „Never Too Late“ mehr erfahren dürfen. Ich bin jedenfalls sehr gespannt!

Die Handlung:
Dass Violettes und Loans gemeinsame Nacht ihre Freundschaft nachhaltig verändern würde, hätte den beiden trotz vieler Überlegungen klar sein müssen. Aber aus eigener Erfahrung kann ich nun berichten, dass man sich leicht etwas vormacht, wenn man etwas fühlt, das man eigentlich nicht fühlen sollte... Und so nimmt das Gefühlschaos seinen Lauf, für welches ich persönlich der Autorin nicht nur ein großes Lob, sondern auch ein Dankeschön aussprechen möchte. Denn sie geht mit großer Einfühlsamkeit nicht nur auf die Gefühle der Protagonisten ein, sondern auch auf ihre Gedanken, Befürchtungen und Ängste für die Zukunft. Ich habe mehrmals beim Lesen meine eignen Sorgen in ihren Zeilen wiedererkannt und war schockiert, wie sehr ich mich mit Violette identifizieren konnte. Die Angst, dass Gefühle die Freundschaft nachhaltig verändern könnten und ein Geständnis binnen Sekunden alles zunichte machen könnte, beschäftigte mich auch jeden Tag. Es war sehr heilsam, ein Buch wie dieses zu lesen, denn egal wie vielen Freunden man sich anzuvertrauen versucht: nichts vermag ein aufgewühltes Herz so zu stoppen wie ein geschriebenes Wort. Allein für die nachvollziehbare Darstellung des Gefühlschaos würde ich dieses Buch jedem empfehlen, der in einer ähnlichen Lage steckt!

Gerade im letzten Drittel überschlagen sich jedoch die Ereignisse, denn zu den familiären Problemen der beiden Protagonisten gesellt sich auch noch weiterer Besuch aus der Vergangenheit und ein schwerer Schicksalsschlag. Wer es eher weniger dramatisch mag, wird hier wohl überfordert sein, wer aber mit der genretypischen Portion Drama keine Probleme hat, wird hier voll auf seine Kosten kommen. Das Ende war allerdings auch mir ein wenig zu kitschig und klischeehaft, auf den Epilog hätte ich aus diesem Grund am liebsten vollständig verzichtet.

Trotzdem konnte mich das Buch zu jeder Zeit gut unterhalten. Es gab keine merklichen „Füllkapitel“ zwischen wichtigen Szenen, auch auf verwirrende Nebenschauplätze wurde gänzlich verzichtet. Das frische, unverbrauchte Pariser Setting lädt zusätzlich zum Träumen ein – eine nette Abwechslung im ansonsten sehr amerikanisch geprägten Genre!

Der Schreibstil:
Am Ende möchte ich noch kurz auf den Schreibstil eingehen, der sich tatsächlich den beiden Charakteren anpasste. Meiner Meinung nach kommt es leider häufig vor, dass zwischen zwei „Erzählern“ keine stilistischen Unterschiede erkennbar sind. In diesem Fall merkt man allerdings zu jedem Zeitpunkt, ob gerade die freche, aufgedrehte Violette oder der eher introvertierte Loan erzählt. Beide haben jedoch gemein, dass sie humorvoll und flüssig erzählen und, wie bereits angemerkt, nachvollziehbare Einblicke in ihre Gefühls- und Gedankenwelt gewähren.

Fazit:
„Never Too Close“ ist der beste Beweis, dass New Adult auch auf Französisch bestens funktioniert. Die relativ vorhersehbare Handlung wirkt dank der authentischen Protagonistin und ihrer Unverblümtheit niemals platt und weiß durch realistische Einblicke in die Gefühlswelt der Figuren zu überzeugen. Schließlich sorgen auch der freche, temporeiche Schreibstil und die Kulisse der Hauptstadt Frankreichs dafür, dass man über das klischeehafte Ende mit übersprudelnder Dramatik hinwegsieht. Für mich ist dieses Buch ein neuer Stern am New-Adult-Himmel und ich werde den Nachfolger, „Never Too Late“, mit Sicherheit auch lesen. Was meine persönliche Situation angeht, werde ich wohl kein Happy End mit meinem besten Freund erleben, dies trübt jedoch nicht den positiven Gesamteindruck des Buches. Ein herzliches Dankeschön an die Lesejury und den LYX-Verlag für die Bereitstellung des Leseexemplars!

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Veröffentlicht am 11.08.2019

Eine Sports Romance ohne Sport, die bis auf den feinfühligen Umgang mit häuslicher Gewalt nichts Neues zu bieten hat

Chicago Devils - Die Einzige für mich
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Worum geht’s?
Anton Petrov, der Kapitän der Eishockey-Mannschaft „Chicago Devils“, ist eigentlich ein „Good Guy“, wie er im Buche steht. Anders als seine Mannschaftskameraden steht er nicht gern im Mittelpunkt ...

Worum geht’s?
Anton Petrov, der Kapitän der Eishockey-Mannschaft „Chicago Devils“, ist eigentlich ein „Good Guy“, wie er im Buche steht. Anders als seine Mannschaftskameraden steht er nicht gern im Mittelpunkt der medialen Aufmerksamkeit. Er lebt diszipliniert und vor allem enthaltsam, denn sein Herz gehört Mia, der Frau seines Mannschaftskameraden. Doch seine Zurückhaltung gerät ins Wanken, als er feststellen muss, dass Mia nicht nur unglücklich verheiratet ist, sondern zu allem Überfluss auch häusliche Gewalt erfährt. Von nun an kennt Anton nur noch ein Ziel: Mia die Kraft zu schenken, die sie braucht, um sich selbst aus dieser Ehe zu befreien und endlich glücklich zu sein.

Man mag es mir übel nehmen, dass ich in meiner Zusammenfassung der Handlung mehr verrate als der Klappentext. Mir persönlich ist es aber wichtig, auf das Vorkommen häuslicher Gewalt in körperlicher wie seelischer Form hinzuweisen, damit jeder selbst entscheiden kann, ob er sich dadurch getriggert fühlt oder nicht. Auf die Frage, ob der Autorin die Umsetzung dieses Themas gelungen ist, möchte ich später eingehen.

Die Charaktere:
Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht der beiden Protagonisten erzählt, sodass die unterschiedlichen Persönlichkeiten zur Geltung kommen, wobei die handlungsrelevanten Szenen aber auffällig häufig aus Antons Sicht erzählt werden. Entgegen dem anhaltenden „Bad Boy“-Trend ist Anton ein sensibler Idealist, der sich zu seinem eigenen Leidwesen ausgerechnet in die Frau seines Mannschaftskameraden verliebt hat. Eigentlich hatte er sich geschworen, sich niemals dieser verbotenen Anziehung zu ihr hinzugeben. Doch dann trifft er sie eines Abends in einer Bar wieder und weiß, dass er nicht länger nur zusehen kann.

Denn Mia, die sonst so selbstbewusst durchs Leben ging, ist nur noch ein Schatten ihrer Selbst. Ihre Ehe hat sich zum absoluten Albtraum entwickelt und Mia kämpft sich Stück für Stück zurück in ihre Unabhängigkeit. Das verlangt ihr im Laufe der Handlung viel Kraft ab, die sie bei Anton findet. Er erkennt ihre traumatischen Erfahrungen, die aus physischer wie psychischer Misshandlung bestehen und hilft ihr – zunächst nur als Freund – damit umzugehen. Was die sich anbahnende Liebesbeziehung angeht, war es wirklich erfrischend, dass Anton seine eigenen Bedürfnisse zurückstellt, um Mia zu helfen. Dadurch kommt die Annäherung ohne unnötige Konflikte aus und sorgt für einen flüssigen, reibungslosen Handlungsablauf. Andererseits ist es genau das, was ich irgendwie vermisst habe – ist ein Streit nicht auch eine Chance, sich gemeinsam weiterzuentwickeln?

Aber genau da liegt das Problem: insgesamt sind die Charaktere von Anfang an stereotyp angelegt. Wie sollte sich Anton, der makellose, harmoniebedürftige „Good Guy“, denn weiterentwickeln, wenn es in seinem Leben keine Ecken und Kanten gibt? Mias Entwicklung ist leider auch relativ früh absehbar, auf Überraschungen wird vollständig verzichtet. Ein kleiner Twist, den die Autorin bereits zu Beginn der zweiten Hälfte verpulvert, hätte meiner Meinung nach auch nichts Neues zur Handlung beigetragen.

Sehr positiv sind mir hingegen die liebenswerten Nebenfiguren in Erinnerung geblieben. Sei es Antons pflegebedürftiger „Onkel“ Dix, der hinter seiner rauen Fassade ein butterweiches Herz verbirgt, oder Anita, Mias alleinerziehende Mitbewohnerin – die Nebenfiguren sorgen für die Abwechslung, die ich bei den Protagonisten vermisse. Mit ihnen habe ich gelacht, gebangt und getrauert – neben ihnen wirkte die vordergründige Liebesbeziehung beinahe langweilig.

Die Handlung:
Prinzipiell weiß man bereits durch den Klappentext, dass unter diesen Voraussetzungen Ärger vorprogrammiert ist. Mias Ehemann ist gleichzeitig Antons Mannschaftskamerad, die Rivalität gießt zusätzliches Öl ins Feuer und sorgt für Spannung auch abseits des Spielfelds.

Apropos Spielfeld: der Roman wird zwar als „Sports Romance“ beworben, kann aber auch von einem absoluten Sportmuffel gelesen werden. Grund dafür ist schlichtweg der Umstand, dass der Sport kaum Erwähnung findet. Bis auf ein, zwei kurze Spielszenen, die noch dazu ohne verwirrende Fachtermini auskommen, ist von Sportfeeling nichts zu spüren. Das ist vermutlich Geschmackssache, ich habe das Spielgeschehen und vor allem die Interaktion zwischen Anton und seinem Bruder Alexei auf dem Feld vermisst.

Aber der Sport ist nicht das Einzige, was in diesem Roman zu kurz kommt. Die Liebesgeschichte, die durch die Abwesenheit der sportlichen Komponente eigentlich besonders überzeugen sollte, entwickelt sich für meinen Geschmack viel zu schnell. Dass Mia nach ihren verstörenden Erfahrungen nach ca. 50% des Buches bereits von Liebe spricht, obwohl Anton nicht mehr getan hat als für sie da zu sein, kam mir doch etwas unrealistisch vor. Zwar besteht von Anfang an eine gewisse Anziehungskraft zwischen den beiden, allerdings hatte ich erwartet, dass Mia etwas mehr Zeit braucht, um sich vollständig auf eine neue Beziehung einzulassen.

Neben der Liebesgeschichte werden immer wieder Nebenschauplätze eröffnet, die die liebenswerten Nebenfiguren in den Mittelpunkt gerückt und das Potenzial gehabt hätten, die Handlung immer wieder aufzulockern. Leider werden diese Handlungsstränge sofort wieder fallen gelassen, was die fehlende Charakterentwicklung der Protagonisten noch mehr in den Fokus rückt.

Der Schreibstil:
Über den Schreibstil kann meiner Meinung nach nur gesagt werden, dass er sich ins Gesamtbild einfügt und den Erwartungen entspricht, die man an einen derart angelegten Roman haben könnte: keine prosaische Meisterleistung, dafür aber ohne lange oder verschachtelte Sätze und daher umso leichter zu lesen. Im Rahmen der Leserunde wurde die unreife Übersetzung der Liebesszenen kritisiert, was aber momentan ein allgemeines Problem der Lokalisierung von Romanen mit Liebes-/Erotikszenen zu sein scheint. Mich hat es nicht wirklich gestört, es sollte aber trotzdem erwähnt werden, da es doch die grundsätzliche Wahrnehmung der Szenen stark beeinflussen kann.

Das Besondere:
Die unverblümte, realistische Beschreibung körperlicher und seelischer Krankheiten gelingt der Autorin unerwartet gut. Bemerkenswert ist auch der feinfühlige Umgang Antons mit Mias Erlebnissen und dem Vorschlag, ihr Trauma im Rahmen einer Therapie zu bewältigen. Er signalisiert damit, dass er ihr vielleicht zuhören kann, aber nur ein Arzt oder Psychologe ihr beibringen kann, auf Dauer damit umzugehen. Ich denke, dass es der Autorin gelungen ist, betroffenen Frauen mehr Mut zu machen und offen über häusliche Gewalt zu sprechen. Allein diese Sensibilität hat dafür sorgen können, dass ich über einige Punkte hinwegsehen konnte, die ich sonst als störend empfunden hätte. Toll, dass psychische Krankheiten auch in Romanen nicht länger als Tabuthema behandelt werden!

Fazit:
Der Auftakt der „Chicago Devils“-Reihe bietet eine Liebesgeschichte, deren Konstellation erfrischend anders beginnt, sich aber nicht wie erwartet weiterentwickelt. Wäre da nicht der sensible Umgang mit psychischen Erkrankungen und häuslicher Gewalt, würden die Vernachlässigung der Nebencharaktere, das nicht ausgeschöpfte Potenzial einiger Handlungsstränge und das Fehlen der Sportszenen eher negativ ins Gewicht fallen. Insgesamt wird ein Vielleser von Liebesromanen nicht viel Neues entdecken, wer aber einen Roman mit nicht allzu viel Tiefe für Zwischendurch sucht, könnte hier voll auf seine Kosten kommen. Vielen Dank an den LYX-Verlag und die Lesejury, die mir die Teilnahme an einer Vorableserunde ermöglicht haben!

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