Profilbild von engineerwife

engineerwife

Lesejury Star
online

engineerwife ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit engineerwife über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.01.2018

Wenn der große graue Hund auftaucht ...

Trümmerkind
0

Nachdem der Buchmarkt ja in letzter Zeit mit Büchern rund um den Zweiten Weltkrieg geradezu überschwemmt wird, fragt man sich, was sich die Autorin da hat einfallen lassen, das ihr Buch einzigartig und ...

Nachdem der Buchmarkt ja in letzter Zeit mit Büchern rund um den Zweiten Weltkrieg geradezu überschwemmt wird, fragt man sich, was sich die Autorin da hat einfallen lassen, das ihr Buch einzigartig und lesenswert macht. Ich weiß allerdings nicht, warum ich mich das frage, denn sie hat mich noch nie enttäuscht. Ihre Bücher haben immer das besondere Etwas, diese leicht bedrückende Stimmung, die sie auch in dieser Geschichte wieder eingefangen hat.
Das Buch besteht aus drei Handlungssträngen, die im ersten Moment total unabhängig voneinander zu existieren scheinen. Nach dem zweiten Drittel dämmerte es mir dann aber, wie sie zusammengehören könnten. Spätestens ab dann habe ich das Buch inhaliert! Mechtild Borrmann verarbeitet vier bis heute ungeklärte Mordfälle, die im Hamburg der Nachkriegsjahre für großes Aufsehen sorgte. Sie scheint die Gräueltaten des Trümmermörders nach all den Jahren dank akribischer Recherche nun endlich gelöst zu haben. Die Geschichte und die Lösung sind so stimmig, dass eigentlich fast kein Zweifel besteht.
Ich habe mit den sehr sympathisch gezeichneten Protagonisten mitgelitten, mitgefroren und mitgehungert. Mit ihnen gemeinsam habe ich den großen grauen Hund der Angst besiegt und die Bösen bestraft.
Vielen Dank, Frau Borrmann für mal wieder wundervolle, wenn auch manchmal traurige, Lesestunden. Ich freue mich schon auf Ihr nächstes Werk!

Veröffentlicht am 15.01.2018

Wenn aus losen Fäden eine runde Geschichte wird ...

Die Oleanderfrauen
0

Ich muss ganz ehrlich gestehen, beim Anblick des Covers hatte ich leichte Kost erwartet. Einen schönen historischen Frauenroman ohne viel Tiefgang. Ich muss euch jedoch sagen, ich hätte falscher nicht ...

Ich muss ganz ehrlich gestehen, beim Anblick des Covers hatte ich leichte Kost erwartet. Einen schönen historischen Frauenroman ohne viel Tiefgang. Ich muss euch jedoch sagen, ich hätte falscher nicht liegen können! Schon die ersten Zeilen des Prologs nahmen mich gefangen und hätte ich nicht immer wieder arbeitsbedingt Pausen einlegen müssen, ich hätte das Buch wohl in einem Rutsch verschlungen, so sehr hat mich die Geschichte gefesselt.
Die mir bis dato unbekannte Autorin hat ihren wunderbaren Roman in zwei Zeitstränge verpackt. Beide spielen in Hamburg, der eine jedoch in den 30er/40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, der andere in der Gegenwart. Während die Protagonistin Jule im Jetzt mit ihrer finanziellen Zukunft und ihrer Einsamkeit kämpft, geht es bei der jungen Sophie im Damals schlichtweg um Leben und Tod. Sie findet sich nach ihrer Jugend gefangen in den Kriegswirren des Zweiten Weltkriegs und verloren in einer Liebe, die so nie hätte stattfinden dürfen.
Wer hier jedoch eine tragisch-kitschige Lovestory erwartet, den muss ich enttäuschen. Geschickt verwebt Teresa Simon die Gegenwart mit der Vergangenheit. Ein Geheimnis nach dem anderen lüftet sie und hält so einen Spannungsbogen aufrecht, den man in manchem Thriller vergebens sucht. Sie schafft es dem Leser wichtige Themen zu übermitteln, wie z. B. Homosexualität im Dritten Reich, Posttraumatische Belastungs-störung nach Kriegseinsätzen und, und, und … Ich fragte mich beim Lesen oft, warum Geschichtsunterricht nie so interessant war. Zudem hat Teresa mit ihrem Buch meine Neugier geweckt, weitere Themen näher zu beleuchten wie den Spanischen Bürgerkrieg und natürlich alles rund um die Wunderwaffe Kaffee.
Der Schreibstil ist flüssig und sehr anschaulich. Alle Charaktere kommen real beim Leser an, und wirken lebendig und zum Anfassen nah. Ich bin begeistert und vergebe die volle, sehr verdiente, Punktzahl.
„Solange ich atme, hoffe ich. “ Dum spiro, spero. Dieses kluge Statement, einst von Cicero niedergeschrieben, wurde zum Credo der Familie Terhoven und wird auch mir noch lange im Gedächtnis bleiben.

Veröffentlicht am 04.01.2018

Wie man sich bettet, so liegt man ... leider!

Mudbound – Die Tränen von Mississippi
0

So hat Laura sich das sicher nicht vorgestellt, als sie den schmucken Henry McAllan kennenlernt zu einem Zeitpunkt in ihrem Leben als ihre Familie dachte, sie würde wohl als alte Jungfer enden. Doch Henry, ...

So hat Laura sich das sicher nicht vorgestellt, als sie den schmucken Henry McAllan kennenlernt zu einem Zeitpunkt in ihrem Leben als ihre Familie dachte, sie würde wohl als alte Jungfer enden. Doch Henry, derzeit als Ingenieur beim Army Corps of Engineers beschäftigt, hält um ihre Hand an. Er möchte im Süden, genauer gesagt im Staat Mississippi, ein gemeinsames Leben für sich und Laura aufbauen und eine Familie gründen. Während es mit dem Kindersegen nicht lange auf sich warten lässt, klappt es mit den Lebensbedingungen und vor allem mit dem sturen alten Vater unter einem Dach immer weniger. Schließlich bricht hervor, was schon immer schwelend an der Oberfläche lauerte, der schwarz-weiße Rassenkonflikt. Die beiden Kriegsheimkehrer Ronsel und Jamie – beide noch hochgradig traumatisiert - verlieren langsam aber sicher ihren Verstand und den Glauben an die Menschlichkeit …

Während ich zu Anfang noch dachte: „Gut, das hätte sich ähnlich auch z. B. auf der Schwäbischen Alp in den 40er Jahren zutragen können.“ merkte ich doch bald, dass hier noch die gefährliche Komponente „Weißer Mensch, schwarzer Nigger“ dazu kam. Ich weiß natürlich, dass dieses Wort heute politisch unkorrekt ist und würde es auch selbst nie in den Mund nehmen, doch im Mississippi Delta in den 40er Jahren glaubte man sich als weißer Mann noch im Recht. Wunderbar einfühlsam schaffen es die verschiedenen Sprecher der Geschichte Leben einzuhauchen und den Hörer ins Mississippi Delta gleich nach dem Zweiten Weltkrieg zu versetzen. Ich ertappte mich beim Hören dabei mit den Charakteren mitzuleiden und mitzufühlen. Ein tragisches Event im letzten Drittel verhindert zwar ein komplettes Happy End, dennoch bleibt man als Hörer nicht traurig zurück. Man hat wieder was dazu gelernt und kann hoffen, dass es in der heutigen Zeit für alle ein bisschen leichter geworden ist.

Veröffentlicht am 04.01.2018

Das Meer kennt keine Gnade ...

Die Hummerkönige
0

Schon nach den ersten gelesenen Zeilen konnte ich sie riechen, die Meeresluft, die, oft gepaart mit rauen Winden, über die Insel pfeift. In Gedanken konnte ich die Möwen kreischen hören, die auf der Suche ...

Schon nach den ersten gelesenen Zeilen konnte ich sie riechen, die Meeresluft, die, oft gepaart mit rauen Winden, über die Insel pfeift. In Gedanken konnte ich die Möwen kreischen hören, die auf der Suche nach Nahrung die Oberfläche des Meeres absuchen. Aber vor allem sieht man Eines, die Hummerfischer und ihre Bojen. Allen voran natürlich der König der Insel mit seinem Gefolge, Mr. Woody Kings, der Nachfahre des berühmt berüchtigten Brumfitt Kings. Wie schon im Klappentext beschrieben, versucht die Familie sich zu behaupten, in erster Linie natürlich gegen die Natur aber auch gegen Konkurrenten und den Gevatter Tod.
Ich kann sie gar nicht richtig beschreiben, die wunderbare Atmosphäre, die in diesem Roman vorherrscht. Mir kamen sofort Bilder aus einem meiner Lieblingsfilme in den Kopf – „The Perfect Storm“ mit George Clooney. Es scheint ein besonderes Blut durch die Adern dieser Fischer zu fließen, das man als stiller Zuschauer wohl nicht nachvollziehen kann. Sehr gut beschreibt der Autor das, wenn er von den Touristen spricht, die jeden Sommer wieder auf die Insel pilgern, angezogen vom Abenteuer aber auch von den Bildern, die Brumfitt Kings vor vielen Jahren hinterlassen hat. Diese Bilder begleiteten mich als Leserin wie ein roter Faden durch das Buch und erlaubten es mir, die Familie Kings durch seine Augen zu sehen.
Besonders im letzten Drittel nahm der Roman so rasant an Fahrt auf, dass ich regelrecht mitgelitten und – gefiebert habe und das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen konnte. Eine wunderbare Story, die vielleicht nicht jeden so begeistern wird wie mich, die aber auf jeden Fall meine absolute Empfehlung hat.
Übrigens lernt man so ganz nebenbei auch noch eine Menge über Hummer. Ich hatte ja keine Ahnung, dass die zwischendurch immer mal wieder ihren Panzer abwerfen!

Veröffentlicht am 30.12.2017

Stupor Mundi … eine geniale Idee!

Der gute Mensch von Assuan
0

Schon der Klappentext machte mich unheimlich neugierig, denn hier schien es sich um ein mehr als brisantes Thema zu handeln, das uns inzwischen alle angeht. Der mir bis dahin unbekannte Journalist und ...

Schon der Klappentext machte mich unheimlich neugierig, denn hier schien es sich um ein mehr als brisantes Thema zu handeln, das uns inzwischen alle angeht. Der mir bis dahin unbekannte Journalist und Autor Peter S. Kaspar hatte es sich zur Aufgabe gemacht, genau dieses Thema zu einem spannenden Roman zu verarbeiten, den ich gegen Schluss fast nicht aus der Hand legen konnte. Er muss eine sehr ausführliche Recherche betrieben haben, denn ich konnte aus diesem Buch unheimlich viel zur Flüchtlingspolitik lernen und mitnehmen. Er beleuchtet diese aus verschiedenen Blickwinkeln, nämlich aus der der Flüchtlinge selbst, aus der der Politiker, aus der der Neonaziszene und natürlich aus Sicht des Milliardärs Mansur Ghali, dem der tatsächlich lebende reiche Ägypter Samih Sawiris Modell gestanden hat. Mansur schert sich wenig um Regeln und Gesetze und möchte mit seinem Geld Gutes tun um den lernwilligen und wissbegierigen Flüchtlingen Hoffnung und Aussicht auf ein neues erfülltes Leben zu geben. Die Grundidee ist phantastisch und scheint auch nach anfänglichen Schwierigkeiten zu funktionieren. Jedoch machen sich von außen schnell Neid, Hass und Missgunst breit, an denen das Projekt zu scheitern droht. Während sich Beide, Neonazis und Refugees zu arrangieren scheinen, können die Politiker schwer über ihren Schatten springen …
Die recht lockere Art zu schreiben, macht den Roman zum reinen Lesevergnügen mit einem tollen Lerneffekt. Er macht aber gleichzeitig auch betroffen, dass so viele Unternehmungen zum Thema Flüchtlinge schlichtweg an der Politik und den hiesigen Regeln und Gesetzen scheitern. Für mich ist dieses Buch Pflichtlektüre für alle, die hierzu Entscheidungen fällen, seien sie offizieller oder privater Natur. Hier wird oft vorschnell ge- und verurteilt. Dieses Buch könnte so manchem die Augen öffnen. Von mir bekommt es eine absolute Leseempfehlung. Ein Jeder bilde sich nach gelesener Lektüre seine eigene Meinung.