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Veröffentlicht am 22.07.2021

Einfühlsam und eindringlich

In diesen Sommern
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Ob in Italien, auf Opas Weinberg oder auf einem Bauernhof, jeden Sommer unternimmt die vierköpfige Familie was Schönes zusammen. Gehen lecker Essen, planschen im Pool, genießen die Sommerzeit. Doch diese ...

Ob in Italien, auf Opas Weinberg oder auf einem Bauernhof, jeden Sommer unternimmt die vierköpfige Familie was Schönes zusammen. Gehen lecker Essen, planschen im Pool, genießen die Sommerzeit. Doch diese Familienidylle täuscht. Besonders wenn der Vater etwas tief in das Glas guckt, dann brodelt es hinter den Mauern gefährlich. Unbeschwerte Momente werden schnell mit Hilflosigkeit und Angst betrübt. Eine Familie, die Alkoholkonsum und Stimmungsschwankungen des Vaters hilflos ausgeliefert ist...

„Manchmal würde ich gerne einer Version meines Vaters vertrauen. Eine Antwort haben auf die Frage, wer er war. Ich lege die Ereignisse wie Schichten aus Transparentpapier übereinander und versuche zu erkennen, was durchscheint.“

In gerade mal 170 Seiten, mal nüchtern mal mit Wucht erzählt die Janina Hecht mit ihrer einfühlsamen Sprache eine Familiengeschichte, die mich schon von der ersten Seite an seinen Bann gezogen hat. Episodenhaft hat mich die Ich-Erzählerin Teresa 20-Jahre lang mit in die Sommerferien mitgenommen. Ich war mit ihr traurig, hab sorgen gehabt und hatte Angst. Doch meistens Zeit hab ich mit ihr die Sonne und Sommer genossen, denn egal wie viele dunkle Wolken über die Familie geschwebt hatten, waren auch viele schöne Momente in ihrem Leben.

Ein Buch wie ein Puzzle. In jede Kapitel liest man viele kleine Einblicke aus Teresas Leben. Mal sind die Momentaufnahmen, mal die bedeutungsschwere Erinnerungen, welche sie tief in ihr Herz eingegraben hat. Stück für Stück setzt man die Teile zusammen und am Ende blick man auf ein Bild, der einem nachdenklich zurücklässt.

Hinter dieses idyllisches Cover verbirgt eine berührende, hoffnungsvolle Geschichte, welche ich nur weiterempfehlen kann.

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Veröffentlicht am 18.07.2021

Schwebezustand

Raumfahrer
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Der Krankenpfleger Jan, der 1989 nach der Wende geboren ist, kennt die DDR-Zeiten aus dem Geschichtsunterricht, nur die Folgen sind für ihn spürbar. Auf der Einkaufstrasse stehen die Hälfte die Geschäfte ...

Der Krankenpfleger Jan, der 1989 nach der Wende geboren ist, kennt die DDR-Zeiten aus dem Geschichtsunterricht, nur die Folgen sind für ihn spürbar. Auf der Einkaufstrasse stehen die Hälfte die Geschäfte leer, in damaligen Neubauwohnungen wohnt kaum jemand und bald wird es auch Jans Krankenhaus schließen. Er wohnt mit seinem Arbeitslosen Vater zusammen, wo er ihm jeden Abend mit einem warmen Feierabendbier erwartet dafür aber viel schweigt. Trostlosigkeit, Vergangenheitsbewältigung, Armut und Sprachlosigkeit bestimmen Jans Leben. Doch plötzlich taucht ein alter Mann, zeigt ihm ein Foto und macht eine Bemerkung über seine Eltern. Ob Jan will oder nicht, muss er jetzt mit der Vergangenheit konfrontieren....

„Mutter, Vater. Für Jan waren sie Raumfahrer. Schwebten in einer Zwischenwelt, ihrem Ausgangspunkt entrissen. Während sie schwebten, hatte sich die Welt schon ein Dutzendmal weitergedreht.“

Und ich war mittendrin in diesem Schwebezustand! Denn Rietzschel's Erzählstil war für mich sehr sprunghaft. Mal war ich mit Jan hier im Ort, mal reiste ich mit seinen Gedanken in seine Kindheit. Dann kommt der nächste Protagonist und erzählt von Eigenendkindheit, von Nachkriegszeit, Mauerbau, Nachwendezeit und alles im Wechsel in sehr kurzen Kapiteln. An stattdessen solche kurze bruchstückhafte Aufbau, hätte ich mir lange aber strukturierte Handlung gewünscht. Zwischen so abrupt wechselnde Themen und Zeiten sind die Figuren mir ferngeblieben.

Ein Roman der mich trotzt seiner starken Sprache nicht erreicht hat aber sicher seine Leserschaft finden wird.

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Veröffentlicht am 15.07.2021

Ein Roman wie ein Urlaub

Sehnsucht in Aquamarin
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Zwei Schwestern, die nicht unterschiedliche sein können. Wo die Weltbummlerin Jette ihre Freiheit genießt, sich fast jeden Monat in einen neuen Mann verliebt, zieht sich ihre kleine Schwester Polly in ...

Zwei Schwestern, die nicht unterschiedliche sein können. Wo die Weltbummlerin Jette ihre Freiheit genießt, sich fast jeden Monat in einen neuen Mann verliebt, zieht sich ihre kleine Schwester Polly in ihre Dachgeschosswohnung in Stuttgart zurück, lässt niemanden an sich heran und übersetzt Erotikromane aus Englisch auf Deutsch. Die beiden haben ihre Mutter Eva nicht wirklich kennenlernen dürften, denn als Eva ihre Familie kopfüber verlassen hat waren die Mädchen 2 und 5 Jahre alt. Die Schwestern gehen mit der Mutterlosigkeit zwar auf eigene Art und Weise gut um, aber tief in ihre inneren tragen die Narben. Als Jette zufällig auf einem Foto ihre Mutter entdeckt, folgen die beiden der Spur bis an der Küste des Maines in Bar Harbor. Dabei ahnen die Schwestern eins nicht: Diese Reise wird die Beiden für immer ändern...

Seit vier Jahren ein Sommer ohne Miriam Covis Sommerroman gibt es für mich nicht. Mal habe ich die Bücher in den Urlaub mitgenommen, mal im Garten oder auf der Couch damit gemütlich gemacht und egal wo ich die gelesen habe, ihre Romane waren für mich Urlaub für die Sinne.

Auch diesmal hat sie mich mit ihrer leichten, Gefühl und Humorvollen Sprache auf eine Reise entführt. Bar Harbor... Ein Fleckchen auf der Welt, wo ich nie da war aber dank ihrer atmosphärischen Erzählung glasklar vor den Augen hatte. Ich habe auf ein Andirondack Stuhl gesessen, salzige Atlantikluft geatmet, auf ein Campingplatz übernachtet. Viel gestritten, lecker gegessen, ein Glas mehr getrunken und ins Meer gestürzt. Obwohl das Thema des Buches sehr ernst war, hab ich viel gelacht, geliebt und einfach genossen. Von Anfang bis zum Ende ist es eine fesselnde Story und vielschichtige, realitätsnahe Charaktere runden diesen stimmungsvollen Sommerroman hervorragend ab.

Wer auf der Suche nach Urlaubs/Sommerromanen ist, kann ich dieses wunderbare Buch nur weiterempfehlen.

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Veröffentlicht am 12.07.2021

Tiefgründig und spannend

Von hier bis zum Anfang
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„Du kannst die Luft atmen und für frisch halten, aber ich hole kein einziges Mal Luft, ohne den Stich zu spüren“

Cape Haven, Kalifornien
Duchsess ist dreizehn Jahre alt. Sie wächst Vaterlos, nicht nur ...

„Du kannst die Luft atmen und für frisch halten, aber ich hole kein einziges Mal Luft, ohne den Stich zu spüren“

Cape Haven, Kalifornien
Duchsess ist dreizehn Jahre alt. Sie wächst Vaterlos, nicht nur in ärmlichen, sondern erbärmlichen Verhältnissen auf, die sie vorzeitig Erwachsen werden lässt. Sie hat eine Mutter, die Tod ihre Schwester seit 30 Jahren nicht überwunden scheint, depressiv, abwesend und drogenabhängig. Sie bringt nicht nur ihren 5-jährigen Bruder ins Bett, sondern auch Ihre Mutter. Blaulichter vor der Haustür ist eine Routine für sie. Doch fast täglich kommt das Polizeiauto auch ohne Blaulicht, denn der Polizist in der Ortschaft ist der alte und beste Freund von ihrer Mutter, der einziger Mensch die kleine Familie bedingungslos schützt und hilft. Als der Mörder ihrer Tante aus der Haft entlassen wurde, droht es von 13-Jährigen mühsam auf den Beinen gehaltenen Familienleben zusammenzubrechen. Denn egal wie viele Jahre die vergehen, der Vergangenheit, die Tragödie und dadurch entstandenen Schmerz folgt die Familie bis heute...

Mit seiner klaren, angenehmen und emotional vollgeladenen Sprache nimmt Whitaker seine Leser auf eine Welt, die mit Traurigkeit getränkt ist. Seine Figuren sind vielschichtig, mal authentisch mal ungewöhnlich und es ist auch gut so, denn die gesamte Geschichte ist auf den Charakteren gebaut.

Erzählt wird die Geschichte aus Duchsess' und Chief Walkers Sicht: Wo Duchess heute und jetzt fürs Überleben kämpft, ermittelt Walk einige Geschehnisse und erzählt auch aus der Vergangenheit. Dadurch hält der Autor den Spannungsbogen bis zum Ende aufrecht. Doch für mich war es zwischen durch etwas zu viel Krimi.

Es ist eine atmosphärische, berührende, spannende Familiengeschichte, stellenweise unter die Haut geht.

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Veröffentlicht am 09.07.2021

Großartige Sprache, mehr aber auch nicht

Schicksal
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In Zeruya Shalevs neuen Roman stehen zwei völlig verschiedene Frauen im Mittelpunkt, deren Lebenswege schicksalhaft miteinander verbunden sind. Eine davon ist die 90-jährige Rachel. In ihrer Jugend war ...

In Zeruya Shalevs neuen Roman stehen zwei völlig verschiedene Frauen im Mittelpunkt, deren Lebenswege schicksalhaft miteinander verbunden sind. Eine davon ist die 90-jährige Rachel. In ihrer Jugend war sie in der Untergrundbewegung Lechi betätigt und kämpfte sie mit ihrer Jugendliebe, ihr erster Ehemann Meno gegen die britischen Besatzer. Heute ist sie zweifache Mutter, die keine innige Beziehung mit ihren Söhnen hat, lebt verwitwet, verbittert alleine und denkt immer wieder an die damaligen Kameraden an. Nur nicht an Meno, denn sie hat das Kapitel vor 70 Jahren als er sie verlassen hat, abgeschlossen. Bis eines Tages sie eine Frau im Theater anspricht.

Shalevs zweite Protagonistin ist 49-jährige Architektin Atara, die unbeliebte Tochter aus Menos zweite Ehe. Auch Atara in zweite Ehe verheiratet, hat eine Tochter von erste Ehe, die in den USA studiert, einen Stiefsohn und einen gemeinsamen Sohn mit Ehemann Alex. Sie war glücklich und zufrieden bis Ataras Vater sie auf dem Sterbebett liebevoll Rachel nennt. Da wusste sie, dass sie seine erste Frau suchen muss, um einige Fragen zu klären.

Mit ihren Figuren erzählt die israelische Autorin aus zwei Perspektiven eine Geschichte, die aus vorstaatliche Israel bis heute erreicht. Doch für mich war es einfach zu wenig Israel. Dafür habe ich zwischen viel zu viele, die nicht wirklich zusammenpassende Themen wie Eheprobleme, Religion, Architektur, Enttäuschungen, Muttersein, Trauma etc. gehüpft. Ja, wortwörtlich gehüpft, denn ich konnte die Themen nicht zusammen verbinden. Sie fängt mit einem wichtigen Thema an aber folgt sie nicht bis zum Ende. Israels Kultur, die Land und die Leute sind hier nur nebenbei erwähnt, was ich sehr schade fand. Auch mit den Protagonistinnen war ich enttäuscht. Persönlich fand ich Rachel und ihre Kapitel, wo sie aus den alten Zeiten erzählt hat, sehr interessant, doch je ich weiter gelesen hab, desto kürze und Bedeutungsarme sind die geworden. Und Vorgang auf für Atara! Eine schwer ichbezogene Frau, die mir nur Kopfschütteln verursacht hat. Für meinem Geschmack widmet sich die Autorin sehr detailreich an ihre Eheprobleme und an ihre Trauer.

Zeruya Shalev ist eine großartige Erzählerin doch allein ihre wortgewaltige Sprache hat es hier nicht gereicht. Das Buch ist extrem Geschmackssache und definitiv kein Schmöker zum Entspannen.

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