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Veröffentlicht am 16.11.2023

Highlight

Echtzeitalter
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MEINUNG:
Echtzeitalter ist der diesjährige Gewinner des Deutschen Buchpreises 2023. Ich habe bisher noch nichts von Tonio Schachinger gelesen, aber war entsprechend neugierig auf diesen Gewinner und war ...

MEINUNG:
Echtzeitalter ist der diesjährige Gewinner des Deutschen Buchpreises 2023. Ich habe bisher noch nichts von Tonio Schachinger gelesen, aber war entsprechend neugierig auf diesen Gewinner und war hier relativ erwartungsfrei an die Geschichte.
Ich musste mich bei der Geschichte oft daran erinnern, dass wir uns in der Gegenwart befinden und da ich keinen historischen Roman vor mir habe, denn das Setting des elitären Wiener Internats namens Marinanum, was sicher an reales Beispiel angelehnt ist, und die Unterrichtsmethoden lass dies einfach vermuten. Der Hauptprotagonist Till Kokorda muss unter seinem wirklich sehr herrischen und vor allem sehr antiquierten Lehrer namens Dolinar sehr leiden, auch mehr als im Vergleich zu anderen Klassen. Beruhigend ist, dass alle Schüler und Schülerinnen unter dem Dolinar leiden müssen. Der Ton des Buches ist sehr treffend und unfreiwillig komisch. Ich musste leider wirklich oft lachen bei dem trockenen Humor, den Tonio Schachinger hier vorgelegt hat, obwohl vor allem das Drangsalieren vom Dolinar wirklich oft auch Mobbing und psychische Gewalt. Allerdings sind die Methoden, die SchülerInnen ergreifen, um Strafen zu entkommen, oft in ihrer Verzweiflung sehr lustig.
Tonio Schachinger nimmt uns auch mit in die österreichische Politik und Literaturgeschichte. Er muss wirklich sehr umfangreiches Wissen oder sehr gut recherchiert haben. Er tendiert auch dazu sehr lange Sätze mit vielen Kommas zu machen, die oft noch ein zweites Mal lesen musste, aber das hat sich gelohnt! Der teil sehr ironische Ton hat mich sehr begeistert. Es gelingt ihm vieles auf die Schippe zu nehmen, vor allem die Wiener selbst und ganz deutlich seine Meinung hier kundzutun. Unser Protagonist wird mit der Zeit zum begeisterten und wirklich erfolgreichen Spieler von Age of Empires 2, was mich auch von der altertümlichen Schule immer wieder ins Hier und Jetzt zurück katapultiert hat. Trotzdem ist kein reines Gaming-Buch. Es ist einfach Tills Stütze, um durch die Schulzeit zu kommen und seine wirklich geringe Freizeit mit etwas zu füllen, was ihm Spaß macht.

FAZIT:
Echtzeitalter ist ein Coming-of-Age Roman, den ich sehr gerne gelesen habe. Tonio Schachinger wohl formulierte Sätze haben mich gleichermaßen unterhalten und gebildet. Ich habe mich hier auf keiner Seite gelangweilt. 

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Veröffentlicht am 11.11.2023

Intensive Reflexion zur Mutter-Tochter-Beziehung

Die Wahrheiten meiner Mutter
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MEINUNG:
Mich hat bei Die Wahrheiten meiner Mutter der Titel magisch angezogen, denn ich lese einfach gern Mutter-Tochter-Beziehungen bzw. generell Bücher, in denen es intensiv um die Beziehungen innerhalb ...

MEINUNG:
Mich hat bei Die Wahrheiten meiner Mutter der Titel magisch angezogen, denn ich lese einfach gern Mutter-Tochter-Beziehungen bzw. generell Bücher, in denen es intensiv um die Beziehungen innerhalb einer Familie geht und vor allem wenn diese dysfunktional sind. Außerdem habe ich Vigdis Hjorth bei einer Lesung zu diesem Buch kennengelernt und für mich war klar, dass ich das Buch lesen möchte.
Ich-Erzählerin Johanna ist nach dem Tod ihres Mannes von den USA in ihre Heimat Norwegen zurück gekehrt und ihr Ziel ist es, dass sie wieder Kontakt zu ihrer Mutter findet bzw. mit ihr sprechen möchte. Johannas Mutter weigert sich, mit ihr zu sprechen. Die Beziehung zu besagten Mann, war der Grund, weswegen es zum großen Bruch zwischen Johanna und ihrer Familie kam.
Es gibt keine so wirklich stringente Handlung, aber der Roman arbeitet auf das Ziel hin, das Johanna es schafft mit ihrer Mutter zu sprechen. Der ganze Roman ist wie ein großer innerer Monolog, in dem Johanna uns als Leserschaft teilhaben lässt, wie es zu dem Kontaktabbruch kam, wie sie aufgewachsen ist und wie schwierig die Beziehung zur Mutter war. Der Grund des Kontaktabbruch ist im weitesten Sinne der neue Mann, denn Johanna kennengelernt hat, aber am Ende hat sie die Erwartung der Eltern nicht erfüllt. Es schwiegt außerdem schwer, dass sie sich anstatt für das Jura Studium, welches sie begonnen hatte in ihrer Jugend, für die Kunst entschieden hat. 
Im Laufe des Romans entwickelt. sich Johannas Wunsch die Mutter unbedingt zu sehen zu einer Obsession und sie beginnt diese auch zu verfolgen. Da sie schon lange kein Teil mehr der Familie ist, dichtet sich sie sich auch ihrer Mutter, was diese sagen könnte, ein wenig zurecht und stellt sich vor wie eine Begegnung sein könnte. Manchmal empfand ich dieses ewige Gedankenkarussel, aus dem Johanna sich nicht so richtig befreien kann, als etwas ermüdend. Teil von Johannas Reflexion ist auch das Bewerten ihrer eigenen Beziehung zu ihrem Sohn. Spannend dabei ist aber auch, dass sie beginnt Parallelen zu sich und ihrer Mutter festzustellen. Diese Geschichte lehrt einen auch, finde ich, dass Blut eben nicht immer dicker als Wasser ist und dass es trotz aller Bemühungen nicht unbedingt zu einem Happy End kommt. Ganz im Gegenteil, muss man manchmal lernen, loszulassen, sein eigenes Leben ohne bestimmte familiäre Beziehungen zu führen und dass sich Brüche nicht immer kitten lassen. Das muss auch Johanna lernen. 

FAZIT:
Die Wahrheiten meiner Mutter ist ein sehr intensiver, tw. bitterer Roman, um eine Mutter-Tochter-Beziehung. Ich habe selten so einen Roman gelesen, der sich auf schon fast schmerzvolle Weise diesem Thema widmet, welches in der Literatur nicht selten vorkommt. Für mich war es der erste, aber sicher nicht der letzte Roman von Vigdis Hjorth.

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Veröffentlicht am 04.11.2023

Flucht mit Konsequenzen

Gittersee
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MEINUNG:
Gittersee ist mir relativ früh schon in den Vorschauen des Verlages aufgefallen. Ich wollte in diesem Jahr auf jeden Fall mehr von dieser Literatur lesen. Als Gittersee dann für den Deutschen ...

MEINUNG:
Gittersee ist mir relativ früh schon in den Vorschauen des Verlages aufgefallen. Ich wollte in diesem Jahr auf jeden Fall mehr von dieser Literatur lesen. Als Gittersee dann für den Deutschen Buchpreis 2023 nominiert worden ist, ist noch weiter in meinen Fokus gerückt.
Die Geschichte um die 16-jährige Protagonistin startet damit, dass ihr Freund Paul von einem Ausflug nicht mehr zurück kehrt und nun wird von Seiten des Staates auf Karin eingewirkt, ob sie etwas weiß. Vieles hat hier Beklemmungen bei mir ausgelöst. Es ist deutlich spürbar, dass gewissen Meinungen und der Wunsch ein anderes Leben zu führen vom Staat DDR nicht erwünscht sind und dass dies Konsequenzen hat und zwar auch für Angehörige und Freunde. Karins Motivationen waren für mich nicht immer ganz klar. Sie ist natürlich ganz typisch rebellisch, wie alle Teenager. Die Beziehung zu Paul wird von der Autorin nach und nach dargestellt. Was ich anfangs nur als kleine Schwärmerei wahrgenommen hatte, hat viel mehr Tiefe und Verbundenheit als ich angenommen hatte. Karin gerät in "Fänge" des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) und wird zum IM. Der Schluss lässt vermuten, dass Karin alles genau geplant haben könnte. 
Der Schreibstil war für mich zunächst gewöhnungsbedürftig. Er kommt gänzlich ohne wörtliche Rede aus bzw. sind Dialoge nicht speziell gekennzeichnet. Der Stil wirkt zunächst relativ unnahbar, was für mich aber irgendwie zur Geschichte gepasst hat. Mit der Zeit habe ich mich auch dran gewöhnt. Grundsätzlich bin ich immer skeptisch, wenn AutorInnen und Autoren, wie Charlotte Gneuß, nach der Wende und dann auch noch in Westdeutschland geboren worden sind. Allerdings sind ihre Eltern in der DDR geboren. Ich bin selbst 1988 in der DDR geboren und auch wenn es kurz vor der Wende war, habe bin ich trotzdem noch entsprechend sozialisiert und habe viele Dinge wieder erkannt, von denen ich mir bisher gar nicht so bewusst war, dass aus dieser DDR-Sozialisierung stammen. Ob die Geschichte allerdings authentisch ist für die Region um Dresden, wo der Roman angesiedelt ist, kann ich nicht beurteilen, da ich selbst nicht daherkomme.

FAZIT:
Gittersee  gibt mit seiner fiktiven Geschichte einen Einblick in das Leben in der DDR und was passiert, wenn man sich nicht an deren Spielregeln gehalten hat. Vor allem zeigt er auf, was es auch für Konsequenzen für Angehörige und Freunde hat. Der Schreibstil ist gewöhnungsbedürftig, aber passend.

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Veröffentlicht am 23.10.2023

Leider kein Vergleich zur Millenium Trilogie

Refugium
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MEINUNG:
Refugium ist der Auftakt zu der Stormland-Reihe von John Ajvide Lindqvist. Ich war an diesem schwedischen Thriller interessiert, weil er mit der Millenium Trilogie bzw. Reihe von Stieg Larsson ...

MEINUNG:
Refugium ist der Auftakt zu der Stormland-Reihe von John Ajvide Lindqvist. Ich war an diesem schwedischen Thriller interessiert, weil er mit der Millenium Trilogie bzw. Reihe von Stieg Larsson verglichen wurde. Die Trilogie wurde dann von David Lagercrantz weitergeschrieben. Lindqvist soll auch im Gespräch gewesen sein, wurde dann aber nicht ausgewählt.
Die Kapitel sind sehr kurz. Innerhalb kürzester Zeit bin ich förmlich durch die Seiten geflogen. Was leider nicht aufkommt, dass ist Spannung. Für einen Thriller hätte ich hier deutlich mehr erwartet. Dann haben wir noch das ziemlich ungewöhnliche Duo - Julia und Kim, die vermutlich gewollt an Lisbeth Salander und Mikael Blomqvist erinnern sollen, nur das die Geschlechter getauscht worden sind. Es gibt allerlei Anspielungen zu der Millenium-Reihe. Julia ist selbst Autorin, nachdem sie den Polizeijob gekündigt hat und soll eigentlich die Millenium Reihe weiter schreiben. Dem Verlag gefällt es allerdings nicht und man bitte sie es komplett umzuschreiben, was sie nicht macht. Lindqvist hat hier vielleicht selbst damit abrechnet, dass er auch nicht ausgewählt worden ist. Kim Ribbing lernt Julia kennen über den Verlag, weil sie jemanden mit Hacker-Kenntnissen benötigt, um Lisbeth Salander richtig darzustellen. Zwischen beiden entwickelt sich irgendeine komische Art Liaison.
Generell hat Lindqvist in meinen Augen kein Händchen dafür Charaktere zu gestalten. Kim Ribbing soll sicherlich an Lisbeth Salander angelehnt sein inkl. schwieriger Kindheit etc., wozu es auch kursiv geschrieben Kapitel gibt. Ich habe mir oft gedacht, dass der Autor leider nicht das Prinzip berücksichtigt "Show  and don't tell". Die Dialoge zwischen den Charakteren sind auch kurz und wenig tief gehend. Ich weiß nicht, ob es an der Übersetzung liegt, aber der Schreibstil erschien mir ziemlich flach und einiges war schlecht formuliert. Vieles war einfach viel zu gewollt und kippte für mich dann ins Komische. Ich konnte die Handlung und den Fall kaum ernst nehmen. Parallel zu Julia und Kim gibt es natürlich auch noch "richtige" Ermittler und das ist Julias Ex-Mann, der ebenfalls Polizist ist und seine Partnernin Carmen. Nach richtiger Ermittlungsarbeit hatte es sich aber auch nicht angefühlt. Auch hier hat Lindqvist kein Talent einen Fall im politischen Umfeld zu konstruieren. Möglicherweise war es aber so gewollt, dass hier eine Art Parodie auf die Millenium -Reihe entsteht. ;)

FAZIT:
Refugium konnte ich nicht wirklich ernst nehmen und einem Vergleich mit der Millenium Trilogie hält das Buch auch nicht stand. Ich bin mir nicht sicher, ob das so gewollt war oder ob es an der Übersetzung gelegen, aber vieles war fast schon ungewollt komisch, vor allem die Charaktere. Dazu kommt der eigentlich nicht vorhandene Spannungsbogen. Ich fand es gut zu lesen, aber kann mir nicht vorstellen die Reihe weiterzuverfolgen.

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Veröffentlicht am 19.10.2023

Lügen zerstören

Nur eine Lüge – Zwei Familien, eine tödliche Verbindung
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MEINUNG:
Von Malin Stehn habe ich bereits Happy New Year gelesen und war recht angetan von der Art, wie sie Geschichten aufbaut und den zwischenmenschlichen Beziehungen und auch Abgründen. Es war für mich ...

MEINUNG:
Von Malin Stehn habe ich bereits Happy New Year gelesen und war recht angetan von der Art, wie sie Geschichten aufbaut und den zwischenmenschlichen Beziehungen und auch Abgründen. Es war für mich klar, dass ich auch Nur eine Lüge lesen möchte.
Die Geschichte ist eigentlich relativ schnell erzählt. Emily Brandt möchte William Nihlzén heiraten. Die Familien Brandt und Nihlzén waren einst sehr gut befreundet. Allerdings gab es vor 8 Jahren einen Autounfall, bei dem William und Erik beteiligt waren. Dieser Unfall hat beide Familie entzweit. Deswegen sieht vor allem Familie Brandt der Hochzeit mit sehr gemischten Gefühlen entgegen. Es eskaliert als dann plötzlich noch eine Leiche gefunden wird, wo klar ist, dass dies kein natürlicher Tod ist.
Ich fand alle Charaktere unterschiedlich stark ausgearbeitet. Am meisten konnte ich mich in Annika rein fühlen, vor allem als man erfährt, dass Erik nach dem Unfall sein Leben nicht mehr so führen konnte, wie er es gewohnt war. Annika ist daran verzweifelt, dass scheinbar niemand auf Aufklärung interessiert war. Sie rutscht in den Alkoholismus und die Ehe zerbricht. Erik leidet natürlich selbst auch an dem, was geschehen ist, aber vor allem leidet er an dem Geheimnis, welches es noch gibt. Mats ist ebenfalls beteiligt daran. Ich fand diese beiden männlichen Stimmen eher untergeordnet. Spannend ist noch Emily, die von allem nichts weiß. Nach dem Unfall ihres Bruders hat sie versucht sich unterzuordnen, auch mit dem unterschwelligen Gefühl, dass ihre Mutter Erik wohl immer ein bisschen mehr geliebt als sie. Dieser Mutter-Tochter-Konflikt schwelt durch die ganze Erzählung. Es kristallisiert sich erst so langsam heraus. Ich konnte auch Emily gut verstehen, die einfach enttäuscht von ihrer Mutter ist und sich nicht so richtig geliebt fühlt. Für sie bedeutet die Hochzeit und die Beziehung mit William das größte Glück, welches nicht zerstört werden soll.
Die Erzählung wechselt immer zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Das sind immer kleine Blöcke von maximal 40 Seiten. Die Kapitel sind generell recht kurz, so dass ich schnell durch die Geschichte geflogen bin. Der Schreibstil ist relativ einfach gehalten und dialog-lastig. Wie auch schon in Happy New Year gibt es viele Erzählstimmen. Ich hatte dieses Mal etwas Mühe alle auseinanderzuhalten. Denn die ErzählerInnen sind Emily, ihre Mutter Annika, ihr Bruder Erik und ihr Vater Mats. Leider niemand von der Familie Nihlzén, was ich richtig gut und auch interessant gefunden hätte, besonders die Sicht von William. Insgesamt war der Spannungsbogen für mich wieder hoch, aber ich hatte ein paar mehr spannendere Wendungen erwartet. Es wurde dann doch klar, was damals passiert ist. 

FAZIT:
Malin Stehn hat mit Nur eine Lüge gut heraus gearbeitet, was es mit den Menschen macht, wenn Geheimnisse nicht verraten werden dürfen, wie sehr darunter gelitten wird und wie Familie dadurch zerstört werden. Ich hätte gerne noch ein paar mehr spannende Wendungen gehabt, wie in Happy New Year und mir fehlte auch die Sicht von jemanden aus der Familie Nihlzén.

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