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Veröffentlicht am 12.02.2024

Brandstiftung auf der Vulkaninsel

Verborgen
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Mit "Verborgen" lässt die isländische Kriminalschriftstellerin Eva Björg Aegisdottir ihre Polizistin Elma bereits zum dritten Mal in der Kleinstadt Akranes ermitteln. Diesmal geht es um einen Brand, bei ...

Mit "Verborgen" lässt die isländische Kriminalschriftstellerin Eva Björg Aegisdottir ihre Polizistin Elma bereits zum dritten Mal in der Kleinstadt Akranes ermitteln. Diesmal geht es um einen Brand, bei dem ein junger Mann ums Leben kommt. Wie sich herausstellt, war er zum Zeitpunkt des Feuers bereits tot - und sein Laptop weist einen Suchverlauf auf, der Fragen aufwirft: Gibt es noch ein weiteres Verbrechen? Und war der junge Mann darin verwickelt, war er Mitwisser oder hat er etwas gesehen, was ihn das Leben kostete?

Während in den Vorgängerbänden das soziale Umfeld Elmas und ihre Kollegen eine größere Rolle spielten, bleiben sie in diesem Buch eher blass, nur Elmas Eltern und ihre Schwester tauchen wieder regelmäßig auf. Einmal mehr entpuppt sich die scheinbar heile Welt in der Kleinstadt als falsches Idyll - so mancher hat was zu verbergen.

Im Vergleich zu den vorangegangenen Bänden fällt "Verborgen" ab und kommt erst nach und nach in Gang. Dennoch sorgt Aegisdottir im letzten Drittel des Buches für manche Überraschung. Auch kann Elma wieder einmal nicht von ihrer Gewohnheit ab, auf eigene Faust zu ermitteln, ohne ihren Kollegen etwas über ihre Pläne mitzuteilen. Wundert es da, dass sie einmal mehr in eine gefährliche Lage gerät? Besonders viel Lernfähigkeit billigt Aegisdottir ihrer Figur offenbar nicht zu.

Auch mit wechselnden Erzählperspektiven und Zeitsprüngen bleibt die Autorin ihrem Stil treu und gibt mehr Wissen an die Leser*innen weiter als ihre Ermittlerin hat. Insgesamt spannende Unterhaltung, aber Aegisdottir hat schon besser geschrieben.

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Veröffentlicht am 11.02.2024

Geheimnis um Baby Mia

Trust Me – Ein Kind. Eine unmögliche Entscheidung. Wem traust du?
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Es ist eine Zufallsbegegnung, die das Leben der ehemaligenn Navy-Offizierin Ellen in T.M. Logans Thriller "Trust me" auf den Kopf stellt. Eine unbekannte junge Frau bittet sie, kurz auf ihr Baby, die drei ...

Es ist eine Zufallsbegegnung, die das Leben der ehemaligenn Navy-Offizierin Ellen in T.M. Logans Thriller "Trust me" auf den Kopf stellt. Eine unbekannte junge Frau bittet sie, kurz auf ihr Baby, die drei Monate alte Mia, aufzupassen, während sie ein Telefongespräch führen muss. Für Ellen, die gerade in einer Fruchtbarkeitsklinik erfahren hat, dass sich ihr eigener Kinderwunsch nicht erfüllen lässt, eine bittersüße Aufgabe. Doch dann sieht sie, dass die junge Mutter bei einem Halt auf dem Bahnsteig steht und verschwindet. Im Rucksack der Frau findet Ellen Babysachen und ein kurzes Schreiben mit der Bitte, sich um die Kleine zu kümmern und niemandem zu trauen, auch nicht der Polizei.

Ellen ist verunsichert - wer ist die Kleine, und warum könnte sie in Gefahr stecken? Warum hat ein Mitreisender ein Foto mit seinem Handy gemacht und scheint sie beim Ausstieg in London zu verfolgen? Schon allein dieses Verhalten scheint Ellen so merkwürdig, dass sie das kleine Mädchen zum nächsten Polizeirevier bringen will, doch ehe sie dazu kommt, lauert ihr ein bewaffneter Fremder auf....

Ellen gerät nicht nur vorübergehend in Verdacht, Mia entführt zu haben, sondern fühlt sich mit dem kleinen Mädchen, um das sie sich einige Stunden gekümmert hat, tief verbunden. Wo ist Mia jetzt, und ist sie womöglich in Gefahr? Wer sind die gefährlich wirkenden Männer, die so ein Interesse an der Kleinen zu haben scheinen? Und was hatte die Warnung vor der Polizei zu bedeuten?

Ellen stellt eigene Nachforschungen an und muss feststellen, dass plötzlich auch ihre eigene Sicherheit in Gefahr zu sein scheint. Ist Mia der Schlüssel zur Aufklärung eines Verbrechens ? Mit Hilfe ihrer besten Freundin, einer Journalistin in Elternzeit, versucht Ellen mehr heraus zu finden und sicher zu stellen, dass Mia keine Gefahr droht. Doch bald weiß sie nicht, wem sie noch vertrauen kann....

"Trust me" ist ein Suspense Thriller, der ein bißchen an die Thriller von Alfred Hitchcock erinnert - eine ganz normale Bürgerin, die aus ihrem Alltag heraus in eine Situation gerät, in der es plötzlich um Leben und Tod gehen könnte. Ellen ist eine glaubwürdige Protagonistin, keine Superfrau, sondern eine Frau in mittleren Jahren, deren Leben gerade durch Umstände aus der Bahn geworfen wurde, die sie nicht zu verantworten hat und die in einer schwierigen Situation über sich hinauswächst. Gleichzeitig präsentiert der Autor gleich mehrere glaubwürdige Verdächtige und lässt die Spannung bis zu einem dramatischen Countdown anwachsen. Ein Buch für Freunde des klassischen Kriminalthrillers.

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Veröffentlicht am 10.02.2024

Psychothriller an der Küste von Cornwell

You Let Me In
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Cornwall, das kann der Hintergrund zu romantischer Unterhaltung a la Rosemary Pilcher sein. Wenn die Autorin Lucy Clarke heißt, dann lässt sich allerdings erwarten, dass sich leises Grauen in die wildzerklüftete ...

Cornwall, das kann der Hintergrund zu romantischer Unterhaltung a la Rosemary Pilcher sein. Wenn die Autorin Lucy Clarke heißt, dann lässt sich allerdings erwarten, dass sich leises Grauen in die wildzerklüftete Landschaft ausbreitet - und im Fall von "You let me in" werden diese Erwartungen nicht enttäuscht. Schriftstellerin Elle hat sich ihr Traumhaus an der Küste von Cornwall geschaffen - einsam gelegen, hoch auf den Felsen mit Blick über das Meer.

Die scheinbar perfekte Welt hat allerdings auch ein paar Schattenseiten: Elles Ehe ist zerbrochen, das Haus ist nicht abbezahlt, die Mahnungen häufen sich. Und obendrein leidet sie unter einer Schreibblockade, obwohl sie bald ihren zweiten Roman abliefern muss. Nur dann kann sie hoffen, ihrer finanziellen Misere zu entkommen.

Doch seit Elle von einem Autorenworkshop in Frankreich zurück ist, ist die Arbeit am Roman noch schwieriger geworden. Sie hat ihr Haus in dieser Zeit als Airbnb vermietet - doch plötzlich hat sie das Gefühl, dass eine fremde Präsenz in ihr Haus eingedrungen ist. Merkwürdige Vorkommnisse häufen sich, für die es scheinbar harmlose Erklärungen gibt, doch Elle ist sicher - jemand ist in ihr Haus eingedrungen, jemand beobachtet sie, ist immer noch da. Oder bildet sie sich das alles nur ein, wie ihr Umfeld zu glauben scheint?

Clarke baut geschickt Suspense-Momente auf, lässt die Leser*innen mit Elle zweifeln und hinterfragen. Dass Elle zudem ganz in einer Social Media-Welt lebt, in der sie wie unter Zwang ihren Alltag und ihr Leben mit ihren Followern teilt, hinterfragt sie viel zu lange nicht. Wie viele Informationen hat sie geteilt, die für einen Stalker Gold wert sind?

Neben der Haupthandlung gibt es Rückblenden in Elles Vergangenheit als Studentin, in der es ein traumatisches Vorkommnis gab. Hat die Vergangenheit sie eingeholt? Und wer ist der oder die Unbekannte, deren Perspektive in weiteren eingeschobenen Kapiteln zu lesen ist, jemand, der nun mit Elles Ängsten spielt wie eine Katze mit einer gefangenen Maus?

Dieser Psychothriller kommt ohne Gewalt aus, es ist vielmehr das leise Grauen einer Frau, die sich fragen muss, ob sie sich etwas einbildet oder tatsächlich jemanden in ihrem Haus hat. Die Atmosphäre von Angst und Paranoia verdichtet sich und sorgt für reichlich Spannung. Dabei hält die Autorin die eine oder andere Überraschung parat.

Für spannende Unterhaltung ist Lucy Clarke mal wieder eine Garantie. Das Konzept ist auch in diesem Psychothriller wieder aufgegangen.

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Veröffentlicht am 09.02.2024

Ein Geist auf Mördersuche

Die sieben Monde des Maali Almeida
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Es gibt Bücher - leider nicht so oft, wie ich es gerne hätte - die sind von Anfang an eine Entdeckungsreise voller Überraschungen, Offenbarungen und neuer Einsichten. "Die sieben Monde des Maali Almeida" ...

Es gibt Bücher - leider nicht so oft, wie ich es gerne hätte - die sind von Anfang an eine Entdeckungsreise voller Überraschungen, Offenbarungen und neuer Einsichten. "Die sieben Monde des Maali Almeida" von Shehan Karunatilaka ist so ein Buch. Ich kannte bisher überhaupt keine Literatur aus Sri Lanka, die Jahre des Bürgerkriegs, der Kampf der Tamil Tigers und die grottenschlechte Menschenrechtsbilanz des Inselstaates sind mir schon eher ein Begriff. Und jetzt dieser kraftvolle, farbige Roman voller Mythen, Poesie und zugleich sarkastisch-realistischer Beschreibungen der Zu- und Missstände!

Der Autor verbindet Mystik, Spannung und Phantasie, während die Leser*innen die Reise von Maali Almeida auf der Suche nach einem Mörder verfolgen. Das Problem dabei: Almeida ist tot, gewaltsam umgekommen, vermutlich ein Opfer der Todesschwadronen in den späten 1980-er Jahren. An die letzten Momente vor dem Ableben kann er sich nicht mehr erinnern, statt dessen steht er vor einer Reihe von Entscheidungen: Sieben Monde hat der Geist des Toten Zeit im "Dazwischen", wo die Geister der Toten noch im Diesseits unterwegs sind, dann muss er entweder in die Ewigkeit einchecken oder ist frei Beute für die Dämonen, die unter den Seelen der Toten ihren Nachwuchs rekrutieren.

Schon allein die Erzählperspektive ist interessant, denn der Geist als Ich-Erzähler ist schon abgespalten von seinem alten, körperlichen Selbst, das als "du" betitelt wird, während es Maali Almeidas Leben erzählt: Als Kriegsfotograf ein Zeuge des Grauens, der Verbindungen zu allen Seiten hatte, als versteckt lebender, aber nicht ganz so diskreter Homosexueller hin und her gerissen zwischen DD, seiner großen Liebe und den vielen hübschen Männern, denen er einfach nicht widerstehen kann, als bester Freund der Rundfunkjournalistin Jaki, Cousine von DD, Mitbewohnerin und Pseudo-Freundin, die ihm den Anschein von Heterosexualität verleihen kann.

DD, Jaki und Almeidas Mutter sind auf der Suche nach dem Vermissten, fürchten das Schlimmste. Ein ermordeter Kommunist will Almeida für einen Rachefeldzug an den Verantwortlichen der Todesschwadronen gewinnen, eine ermordete Universitätsdozentin will ihn bewegen, die Chance zum Eingang in die Ewigkeit nicht verstreichen zu lassen. Im Diesseits sind unterdessen viele Menschen aus ganz unterschiedlichen Motiven auf der Suche nach Almeidas ungedruckten Bildern, die durchaus Sprengkraft haben, verbinden sie doch einen hohen Politiker mit Massakern und zeigen Allianzen, die es eigentlich nicht geben dürfte. Währenddessen reist Almeidas Geist mit dem Wind überall dorthin, wo er seinen Namen hört und versucht verzweifelt, mit denen zu kommunizieren, denen er noch letzte Botschaften zukommen lassen will. Doch der Preis, den er dafür zahlen muss, könnte hoch sein.

Wie diese Reise verläuft, das soll hier nicht verraten werden, nur so viel: Hinduistische und buddhistische Mythen spielen ebenso eine Rolle wie existenzielle Fragen zu Leben, Tod und Wiedergeburt. Karunatilaka schreibt farbenprächtig und bildstark, lässt Bilder, Geräusche und Gerüche beim Lesen aufsteigen. Ein buchstäblich phantastischer Roman, an dessen Ende nicht nur Almeida eine große Überraschung erlebt, trotz der schweren Themen nicht ohne Humor. Ob "Die sieben Monde des Maali Almeida" auch ein queerer Roman ist, darüber lässt sich vermutlich streiten. Der Autor selbst sagte in einem Interview, es sei ihm nicht darum gegangen, einen LGBTQ-Roman zu schreiben, doch das verkappte Leben in einer repressiven Gesellschaft, die heimliche Subkultur und die Suche nach Asudrucksmöglichkeiten sind ein ganz wesentlicher und wichtiger Teil dieses Buches, für das ich eine unbedingte Leseempfehlung gebe.

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Veröffentlicht am 08.02.2024

Zwischen Wokeness und bürgerlichem Idyll

Weiße Wolken
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Die beiden Schwestern Dieo und Zazie sind altersmäßig sieben Jahre auseinander, doch trotz schwesterlicher Liebe trennen sie Welten: Psychologin Dieo ist verheiratet mit drei Kindern, Zazie hat gerade ...

Die beiden Schwestern Dieo und Zazie sind altersmäßig sieben Jahre auseinander, doch trotz schwesterlicher Liebe trennen sie Welten: Psychologin Dieo ist verheiratet mit drei Kindern, Zazie hat gerade ihren Master gemacht und jobbt in einem Jugendzentrum. Dieo lebt mit ihrer Familie im bürgerlichen Frankfurter Nordend, Zazie ist aus dem Bahnhofsviertel nach Offenbach gezogen und ein Inbegriff von Wokeness. Muss sie sich als Schwarze Frau schuldig fühlen, weil sie einen weißen Freund hat (der von ihren Freundinnen und Freunden denn auch nur als "white boy" belächelt wird)? Sie hat sogat gegoogelt, welche Schwarzen Frauen weiße Männer daten, sozusagen um sicher zu gehen, dass sie das machen kann.

Die Schwestern haben eine weiße deutsche Mutter und einen senegalesischen Vater, der in der Kindheit der Schwestern keine große Rolle gespielt haben zu scheint. Was Zazie nicht daran hindert, ihre afrikanische Identität stets heraushängen zu lassen und völlig zu verdrängen, dass sie biodeutsch-weiß sozialisiert ist. Einige ihrer Freunde, offenbar "echte" Afrikaner, nennen sie denn auch Bounty - außen braun, innen weiß.

Wie die beiden Schwestern mit Identität, Zugehörigkeit und Lebensidealen umgehen, das steht im Mittelpunkt von Yandé Secks Roman "Weiße Wolken", der im Frankfurt der Gegenwart spielt. Für alle aus Rhein-Main gibt es ordentlich Lokalkolorit, was beim Lesen einen zusätzlichen Reiz ausmacht. Allerdings habe ich mich mit den Charakteren schwer getan, weder mit Dieos Ablehnung, einmal ihre senegalesische Großmutter zu besuchen noch mit Zazies Dauerempörung und ständigen Inszenierung von Seelenschmerz konnte ich mich identifizieren.

Für mich ist Zazie eine nicht unprivilegierte Akademikertochter, die sich gerne als Ghettokind sehen möchte und mit ihrer Clique Menschen grundsätzlich nach dem Melaningehalt ihrer Haut und ihrer ethnischen Zugehörigkeit einordnet, beurteilt, verurteilt. Da frage ich mich: wer ist hier rassistisch? Als eine, die sieben Jahre im Frankfurter Gallus gewohnt hat, wo ethnische Vielfalt selbstverständlich ist und Zugehörigkeitsdebatten ziemlich weit von der Lebenswirklichkeit entfernt sind, finde ich Zazie ziemlich nervig.

So richtig entscheiden konnte ich mich nicht - hat Seck eine Persiflage geschrieben, oder geht es ihr um eine Auseinandersetzung mit afrodeutschen Identitäten? Sollte letzteres der Fall sein, hat mich das Buch nicht überzeugt. Im Sinne eines ironischen Auseinanderpflückens von über-wokeness ähnlich wie bei Identitty ist es schon eher gelungen. Die Reise der beiden Schwestern in die Heimat ihres Vaters blieb letztlich blass und zeigte lediglich: Auch Braids machen aus Afrodeutschen noch keine Afrikanerinnen, Senegal und seine Menschen bleiben ähnlich wie das Nordend-Biotop Klischee. Schade.

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