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Veröffentlicht am 07.08.2020

Kriegsroman und Kriegswirklichkeit

Propaganda
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Als einen "Hans im Glück" kann man den Romanhelden John Glueck wohl nicht bezeichnen. Der Ich-Erzähler aus Steffen Kopetzkys Roman "Propaganda" hat zwar im Zweiten Weltkrieg eine der für die amerikanischen ...

Als einen "Hans im Glück" kann man den Romanhelden John Glueck wohl nicht bezeichnen. Der Ich-Erzähler aus Steffen Kopetzkys Roman "Propaganda" hat zwar im Zweiten Weltkrieg eine der für die amerikanischen Truppen blutigsten Schlachten im Hürtgenwald in der Eifel überlebt, doch ein Einsatz 30 Jahre später in Vietnam hat ihm eine üble Hautkrankheit eingebracht. Er sei zu lange einem Entlaubungsmittel ausgesetzt gewesen, verrät Glueck, der zu Beginn des Romans in einer Gefängniszelle sitzt.

Doch in dieser schuppigen, eiternden, sich schälenden Haut, die er selbst nicht mehr als die eigene erkennt, fühlt er sich ohnehin wie lebendig eingemauert. Was für einen Unterschied macht da schon ein Gefängnis in Missisippi, zumal der liberale Gefängnisdirektor in seinem rätselhaften Gefangenen den verhinderten Schriftsteller erkennt und ihm Papier und Schreibzeug zur Verfügung stellt.

Denn Glueck, als Kind einer deutsch-amerikanischen Familie an der Lower East Side aufgewachsen, voller romantischer Vorstellungen über dads alte Herkunftsland seiner Familie, wollte eigentlich ein Autor werden. Doch es kam anders: Der literarisch ambitionierte Schöngeist wird durch den Zweiten Weltkrieg zum Offizier für psychologische Kriegsführung, sprich, für Propaganda. So leistet Glueck, der als Jugendlicher einen Sommer lang für die begeisterte Nationalsozialistin Grete schwärmte, deren Vater als deutscher Manager in New Yort stationiert war, seinen Beitrag zur Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus. Vom Krieg bekommt er wenig mit - er kämpft mit Worten, von seinem Londoner Schreibtisch aus.

Das ändert sich erst, als Glueck für eine Reportage in der letzten Kriegsphase nach Frankreich kommt. Er soll sich auf die Suche nach Ernest Hemingway machen, Paris steht vor der Befreiung, und Glueck erhofft sich von dem Kontakt mit dem berühmten Schriftsteller auch einen Kick für das Buch, das er nach dem Krieg endlich zu schreiben hofft. Als angeblicher Kumpel von Hemingways Sohn wird Glueck von "Papa" Hemingway mit offenen Armen aufgenommen. Der Marsch auf Paris verschwimmt im exzessiven Alkoholnebel, Hemingway entpuppt sich als Mensch mit großem Herzen und noch größeren Ängsten und Zweifeln, Den großen Kriegsroman muss dann wohl John Glueck schreiben.

Als Glueck sich einer amerikanischen Divison anschließt, bekommt der Schreibtischoffizier mehr vom Krieg mit, als er sich hätte träumen lassen - Im unwegsamen Waldgelände, zwischen Minenfeldern wird die Eroberung des kleines Dorfes Schmidt zum Symbol für die Sinnlosigkeit des Massensterbens, dem "Nichtsmehrsagen.Dem Niewiederetwassagen.Dem Ewigschweigen."

Es sind die Schilderungen von Zusammenhalt und von Angst, von der wilden Tapferkeit des Sergeant Sencea, eines Irokesen, der die getöteten Feinde skalpiert, die unerwartete Menschlichkeit eines deutschen Arztes, der eine kurze Waffenpause erreicht, um Verletzte beider Seiten zu behandeln, die ungemein dicht und plastisch sind. Der Hürtgenwald wird zum Symbol für Mut wie auch für sinnlose Vernichtung von Menschenleben, Für den idealistischen Glueck sind die Erlebnisse auch desillusionierend, angefangen vom Alltagsrassismus auch in der Armee bis hin zu den Ergebnissen schlechter Kommunikation der Militärführung mit dramatischen Auswirkungen für die kämpfenden amerikansichen Soldaten.

Doch "Propaganda" ist weit mehr als ein Kriegsroman, Es geht um die Tragweite individueller Entscheidungen, um Verantwortung, um Postionen und natürlich um Literatur. Ähnlich wie einst "Forest Gump" kreuzt auch Glueck die Wege bekannter Persönlichkeiten - angefangen von einem Universitätskurs für kreatives Schreiben, als unter seinen Mitstudenten ein gewisser Bukowski und ein Nachwuchsautor namens Salinger sind. Anders als der reine Tor Forest Gump ist Glueck allerdings ein Berufsmilitär, der sich als kritischer Geist erfolgreich der Hexenjagd McCarthys entziehen konnte und als Deutschlandexperte Präsident John F. Kennedy vor dessen Berlin-Besuch einen deutschen Satz in Lautschrift aufschreibt, der zu einem der ikonischen Zitate der Ära des Kalten Krieges wird, Selbst in der Auseinandersetzung um die Rechte der freien Presse im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der "Pentagon Papers" ist Glueck eine Randfigur.

Glueck, der Mann, dessen Job die Propaganda war, kämpft gegen Lügen in Kriegs- wie in Friedenszeiten. Wobei die Wahrheit wohl immer eine persönliche ist. Kopetzky hat mit "Propaganda" einen Roman voll spannender Wucht, mit mancher Überraschung und voll erzählerischer Farbe geschrieben,

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Veröffentlicht am 06.08.2020

Viel mehr als nur ein Krimi

Darktown (Darktown 1)
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Eine junge Frau wird tot, ermordet, auf einem vermüllten Grundstück gesehen, Die Polizisten, die zum Tatort gerufen werden, erkennen die Tote - erst kurz zuvor hatten sie sie, offensichtlich misshandelt, ...

Eine junge Frau wird tot, ermordet, auf einem vermüllten Grundstück gesehen, Die Polizisten, die zum Tatort gerufen werden, erkennen die Tote - erst kurz zuvor hatten sie sie, offensichtlich misshandelt, im Wagen eines Mannes sitzen sehen, den sie bei einem Umfall kontrollierten. So weit klingt vieles nach einem ganz normalen Detektivroman, in dem nun die Ermittlungen ihren Anfang nehmen müssen und der Leser zur zusätzlichen Spannung auf ein paar falsche Spuren geführt wird.

Doch "Darktown" von Thomas Mullen spielt im Atlanta des Jahres 1948, und die Polizisten gehören der kleinen, erst vor kuzem gegründeten Gruppe der sogenenannten "Negro Polizisten" an, die in den von Schwarzen bewohnten Stadtvierteln, eben in Darktown, Dienst tun - unter der Führung eines weißen Offiziers. Segregation ist noch höchst lebendig und Rassismus ist Alltag. Die acht schwarzen Polizisten wissen - auf ihnen ruhen die Augen der gesamten Community, teils argwöhnisch, teils voller Hoffnung. Und auch innerhalb des Polizeipräsidiums - das die schwarzen Polizisten nicht betreten dürfen - hoffen viele, dass das Experiment scheitert. Einige Beamte versuchen, die ungeliebten schwarzen Kollegen in Diskredit zu bringen, ganz besonders der korrupte Polizist Dunlow.

Lucius Boggs, einer der "Negro Cops" und Sohn eines Geistlichen, ist sicher, dass Dunlow den Mann kennt und deckt, in dessen Auto die später ermordete Frau saß. Dieser Mann, so findet er heraus, war selbst einmal Polizist, der nach einem Skandal gefeuert wurde. Auch Dunlows Partner Rake, der nach seinem Militärdienst zur Polizei gekommen ist und dem der Schmiergeld kassierende Kollege ein Dorn im Auge ist, stößt auf einige Merkwürdigkeiten. Rake und Boggs, der gar keine Detektivaufgaben wahrnehmen darf, ermitteln heimlich und auf eigene Faust - erst jeder für sich, dann im Rahmen einer zunächst von Misstrauen und Skepsis bestimmten Zusammenarbeit.

Ein wenig erinnert "Darktown" an das Genre Noir, mit hartgesottenen Polizisten, die auch mal kräftig zuschlagen und Dienstvorschriften eher lax auslegen. Gleichzeitig ist dies ein historischer Roman, der in den Zeiten von #Blacklifesmatter nichts an Brisanz eingebüßt hat. Ja, es gibt ein paar Klischees von der schwüle des Südens, den Predigern und den Damen der Gesellschaft, aber Jahre vor der Bürgerrechtsbewegung (ein gewisser Referend King gehört übrigens zu den Geistlichen, mit denen Boggs über seinen Vater bekannt ist) bestimmt die Hautfarbe , wo Menschen wohnen und welche Chancen sie haben - und schwarz zu sein, kann sich unter bestimmten Voraussetzungen als tödlich erweisen.

Thomas Mullen hat ein atmosphärisch dichtes und spannendes Buch geschrieben und greift dabei auf ein Vokabular zurück, dass heute nicht mehr als politisch korrekt gelten würde - das N-Wort zum Beispiel! Im historischen Kontext und um den damaligen Zeitgeist zu spiegeln dürfte das allerdings unumgänglich sein - und vielleicht trägt es bei manchem Leser ja auch dazu bei, mehr Sensibilität im Umgang zur Sprache zu entwickeln.

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Veröffentlicht am 04.08.2020

Eine Anklage gegen das Nichts Tun

Terror gegen Juden
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Das vielleicht schlimmste an den Anschlägen von Halle und Hanau, außer dem Verlust von Menschenleben, war vielleicht: Keiner, der schon eine Weile mit dem Problem rechtsextremistischer Gewalt zu tun hatte, ...

Das vielleicht schlimmste an den Anschlägen von Halle und Hanau, außer dem Verlust von Menschenleben, war vielleicht: Keiner, der schon eine Weile mit dem Problem rechtsextremistischer Gewalt zu tun hatte, war überrascht. Die Gewalt, der Terror - sie kamen nicht unerwartet, nicht für viele jüdische oder muslimische Gemeinden, nicht für Migrantenorganisationen, nicht für die Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer oder antisemiticher Gewalt. Sie hatten sich schon seit langem die Frage gestellt, ob solche Taten in Deutschland möglich seien, sondern wo und wann. Dass sie nicht aus dem Nichts kamen, das macht auch Ronen Steinkes Buch "Terror gegen Juden" deutlich, das im Untertitel deutlich macht, was es ist: Eine Anklage.

Denn an den Text schließt sich eine rund 100-seitige Chronik antisemitischer Gewalttaten zwischen 1945 und Anfang 2020 an. Wohlgemerkt - hier geht es um Gewalttaten, um Angriffe auf Menscheb, Synagogen, Gemeindezentrum, nicht um Beleidigungen, Hetze, antisemitische Witze. Dann wäre das Buch deutlich umfangreicher und ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit geraten. Doch selbst der Vergleich über die Jahre zeigt: Es ist mehr geworden, und es ist schlimmer geworden, das verdeutlicht die Zahl körperlicher Angriffe in den vergangenen Jahren.

Für seine Recherchen hat Steinke mit Juristen gesprochen, mit Rabbinern, mit Staatsschützern, mit jüdischen Menschen, die teils im öffentlichen Leben stehen, teils ihr Judentum bewusst "diskret" behandeln.

Anklagend ist der Ton gerade, wenn es um den Anschlag von Halle geht: Wäre die Tür nicht so massiv gewesen, nichts hätte den Täter an dem beabsichtigten Blutbad ausgerechnet an Yom Kippur, also dem höchsten jüdischen Feiertag, verhindert. Einem Tag also, an dem die Synagoge voller ist als sonst, ähnlich wie christliche Kirchen an Weihnachten oder Moscheen zum Ende des Ramadan. Und trotzdem war keine Polizei vor Ort. Und auch vorher hatte es keinen Polizeischutz gegeben, mangels Staatsvertrag zwischen dem Land und den jüdischen Gemeinden. Die Tür war eine Spende einer Organisation aus Israel gewesen.

Wer in Berlin, Frankfurt oder München lebt, kennt die schwer bewaffneten Polizeiposten, die rund um die Uhr Synagogen und Gemeindezentren bewachen, die israelischen Wachleute, die im Inneren Dienst tun, die Betonpoller, die Sprengstoffanschläge mit Autos verhindern sollen. In Halle hat es all das nicht gegben - kein Einzelfall, gerade in kleinen Gemeinden außerhalb der Metropolregionen, die in der Regel zudem nicht das Geld haben, die vom zuständigen LKA empfohlenen Schutzmaßnahmen umzusetzen - und wo sich das jeweilige Bundesland mangels entsprechender Verträge nicht in der Pflicht sieht.

Die "nie wieder"-Reden an den einschlägigen Gedenktagen kosten nichts - bei Maßnahmen zum Schutz jüdischen Lebens in Deutschland fühlen sich die Gemeinden, das zeigt das Buch, vielfach allein gelassen. Das gelte auch dann, wenn Juden angegriffen werden - man solle doch nicht so empfindlich sein, bekommt danach manches Opfer zu hören. Sei doch alles nicht so gemeint. Das erinnert an die Erfahrungen derjenigen, die sich von Rassismus, Sexismus oder Homophobie betroffen fühlen.

Oder der Umgang mit dem Mord an dem Verleger Shlomo Lewin und seiner Lebensgefährtin im Jahr 1980, wo bevorzugt persönliche statt antisemitischer Tatgründe untersucht wurden. Erinnert an NSU?

Steinkes Buch ist auch eine Abrechnung mit Verharmlosung, eine Absage an die resignative Grundstimmung, dass der Ausnahmezustand der Normalzustand jüdischen Lebens in Deutschland sei und eine Auflistung all jener Umstände, dass Juden vielleicht nicht gerade auf gepackten Koffern sitzen aber doch, wie einer der Gesprächspartner des Autors sagte, schon einmal auf dem Dachboden nach den Koffern sucht. Eine Zustandsbeschreibung, die bitter ist und nicht nur zum Nachdenken, sondern vor allem zum Handeln anregen sollte.

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Veröffentlicht am 02.08.2020

Die dunkle Seite der Ferieninsel

Verschollen in Palma
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Ein Skandinavien Krimi unter der Sonne des Mittelmeers - kann das sein? Ja, und wie, so düster wie im hohen Norden, mediterranean noir, gewissermaßen! Jedenfalls in Mons Kallentofts neuen Beuch "Verschollen ...

Ein Skandinavien Krimi unter der Sonne des Mittelmeers - kann das sein? Ja, und wie, so düster wie im hohen Norden, mediterranean noir, gewissermaßen! Jedenfalls in Mons Kallentofts neuen Beuch "Verschollen in Palma", wo ein auf Privatdetektiv umgesattelter Ex-Polizist seine seit drei Jahren vermisste Tochter sucht. Ihre Spur verliert sich auf der Urlaubsinsel, wo sie zusammen mit zwei Freundinnen zum ersten Mal allein Urlaub machte. Es war Tim, der Vater, den sie von der Reise überzeugen konnte und der dann auch seine zunächst ablehnende Frau Rebekka zu ihrem Einverständnis überredete. Doch nach einer Partynacht verliert sich Emmes Spur, ihre Freundinnen haben die Eltern erst nach einem Tag informiert, weil sie meinten, Emme würde schon zurück ins Hotel kommen nach einer wilden Nacht.



Auch drei Jahre später will Tim nicht glauben, dass Emme tot ist, möglicherweise betrunken schwimmen gegangen und im Meer ertrunken, wie die Polizei meint. Er hat seine Zelte in Schweden abgebrochen, die Ehe ist über der Familientragödie kaputt gegangen. Wo Rebekka sich in ihre Arbeit als Ärztin stürzt, geht Tim neben seiner Arbeit an Untreueermittlungen oder Bootsbetrügern weiter jeder Spur nach, die sich vieleicht doch noch auftun könnte, mit mehr Alkohol und Tabletten, als gut für ihn ist. Der Leser erlebt ihn als einen gebrochenen, kaputten Helden, den eigentlich nur noch die Verzweiflung und seine selbstgesteckte Mission aufrecht halten, einer, der auf der falschen Seite der Avenida lebt und vor allem die Schattenseiten des Urlaubsparadieses kennt.



Das gilt umso mehr für den neuen Fall - ein deutscher Millionär befürchtet Untreue seiner sehr viel jüngeren Ehefrau, was Tim innerhalb einer Woche eindeutig bestätigen kann. Doch dann überstürzen sich die Ereignisse: Der Lover, ein Escort, wird ermordet aufgefunden, Tatwaffe war ein Baseballschläger, wie ihn der gehörnte Ehemann in seiner Villa hatte. Die Ehefrau ist spurlos verschwunden,. Der Deutsche unter dringendem Tatverdacht festgenommen. Doch Tim glaubt nicht, dass es so einfach ist und ermittelt auf eigene Faust.



Schon bald merkt er, dass er in ein Hornissennest gestoßen ist: Korruption, Immobiliengeschäfte, Parties mit sehr jungen Frauen und Prostituierten, bei denen es ausgesprochen hart zur Sache gehen kann. Die feine Gesellschaft von Mallorca hat eine dreckige Seite und etwas dagegen, wenn ein Detektiv sie demaskieren will. Doch als Tim auf ein Foto stößt, auf dem eine rosa Jacke zu sehen ist, wie sie Emme getragen hat, gibt es für ihn kein Halten mehr . Doch er hat sich mit skrupellosen Gegnern eingelassen, die ihre Interessen buchstäblich mit aller Gewalt schützen...



Düster und dramatisch liest sich "Verschollen in Palmen", mitunter auch so wirr wie ein Alkohol- oder Drogenrausch, mit Einsprengseln aus der Gedankenwelt der verschwundenen Emme, als seien nur ihre Erinnerungsfetzen noch vorhanden. Auf ein Licht am Ende des Tunnels zu hoffen ist dabei müßig. Definitiv kein Cozy-Urlaubskrimi, aber für Freunde des Scandinavia noir wärmstens zu empfehlen.

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Veröffentlicht am 11.07.2020

Ganz schön vielseitig!

Vegan! Das Goldene von GU
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Es ist ziemlich schwer, in der GU-Reihe ein Kochbuch zu finden, mit dem ich so gar nichts anfangen kann. Höchstens, wenn es sich um ein Geschenk handelt mit einer Küchenrichtung, die so gar nicht meine ...

Es ist ziemlich schwer, in der GU-Reihe ein Kochbuch zu finden, mit dem ich so gar nichts anfangen kann. Höchstens, wenn es sich um ein Geschenk handelt mit einer Küchenrichtung, die so gar nicht meine ist. Der einzige Kritikpunkt ist meist, dass es sich um eher schmale, übersichtliche Bändchen handelt. Appetithappen von einem Kochbuch gewissermaßen, während sich der hungrige Leser/Hobbykoch einen Nachschlag gewünscht hätte.

Bei "Vegan! Das Goldene" ist das ganz und gar nicht so. Mit einem Umfang von 400 Seiten bleibt hier keiner hungrig und ohne Anregungen. Auch wenn die Zielgruppe offensichtlich vegan lebt, kocht und isst, finden auch Vegetarier und Flexitarier viele leckere Gerichte - und die leidenschaftlichen Carnivoren könnten zumindest mal ins Nachdenken geraten, ob sie sich nicht für das eine oder andere Gericht erwärmen könnten. Zumal es sehr viel gibt, was schon mal lecker in den Tag hilft - ob Müsli oder selbstgemachte Energieriegel, Smoothies oder Brot, Dips und Aufstriche, die schon beim Lesen das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Golden Mango Milk (mit Kurkuma) oder Schoko-Pflaumen-Smoothie etwa haben mich sofort überzeugt.

Sehr viele Rezepte dürften der Tatsache geschuldet sein, dass Veganer in Kantinen meist nur ein sehr sparsames Angebot finden, denn es gibt viele Snacks und "to go"-Rezepte, die als Lunch im Glas oder aus der Box für den kleinen Hunger zwischendurch gedacht sind und neue Energie liefern. Der Bulgursalat mit scharfen Möhren etwa hatte es mir sofort angetan. Zudem sind so viele Geschmacksrichtungen vertreten, dass wirklich für jeden etwas dabei ist, zu meiner Freude auch vieles, was orientalisch, mediterran oder asiatisch ist. Dass auch viele Currys enthalten sind, dürfte niemanden wundern, der die indische Küche kennt - so ein leckeres Dhal etwa ist schließlich in vielen Variationen möglich.

Aus meiner ganz persönlichen Sicht überflüssig sind die Gerichte, die nach Fleisch aussehen, angeblich auch so schmecken, aber trotzdem vegane Schnitzel, Burger oder "Currywürste" sind. Aber das ist vermutlich meine flexitarische Ignoranz, die nicht einsieht, warum jemand, der vegan lebt, dennoch etwas essen will, was nach Fleisch aussieht. Auf den wie immer in der Buchreihe liebevoll fotografierten und anregend angerichteten Beispielbildern wirkt der vegane Fleischlook jedenfalls überzeugend.

Zugegeben: Ich werde nie eine echte Veganerin - dazu esse ich viel zu gerne Käse. Und vermutlich werde ich bei so manchem Gericht auch mal schummeln und Milch oder Joghurt statt die pflanzlichen Alternativen benutzen, schon allein deswegen, weil ich sie nicht vorrätig habe. Aber auf diesen 400 Seiten habe ich vieles entdeckt, was in den nächsten Wochen und Monaten bei mir auf den Teller kommen dürfte. Und auf die "goldene Reihe" bin ich jetzt auch aufmerksam geworden.