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Veröffentlicht am 24.06.2020

Schwedens größter Kriminalfall

Die Taten der Toten
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So aktuell können Krimis sein: Gerade mal zwei Woche vor Erscheinen des Buchs „Die Taten der Toten“ präsentierte die schwedische Polizei den Abschluss der Ermittlungen im Mordfall Olof Palme. Um den gewaltsamen ...

So aktuell können Krimis sein: Gerade mal zwei Woche vor Erscheinen des Buchs „Die Taten der Toten“ präsentierte die schwedische Polizei den Abschluss der Ermittlungen im Mordfall Olof Palme. Um den gewaltsamen Tod des schwedischen Ministerpräsidenten geht es auch in dem Buch des deutsch-schwedischen Autorenduos Roman Voosen und Kerstin Signe Danielsson.

Mehr als eine Ermittlergeneration dürfte sich im „echten Leben“ an dem größten Kriminalfall der schwedischen Geschichte abgearbeitet haben. Denn Palme, der nach einem Kinobesuch am 28. Februar 1986 in der Stockholmer Innenstadt erschossen wurde, polarisierte seine Landsleute und hatte auch international Gegner.

Die Hinweise, Gerüchte und Spuren im Fall Palme beschäftigen auch die beiden ungleichen Kommissarinnen Stina Forss und Ingrid Nyström und ihr kleines, entschlossenes Team: Gab es eine rechtsextreme Verschwörung, etwa mit Verwicklungen von Palme-Gegnern in den Reihen der Polizei? Spielte der südafrikanische Apartheid-Staat eine Rolle, für dessen internationale Ächtung sich Palme engagierte? Und was war mit jenem Zeugen, der sich bei den Ermittlungen so in den Vordergrund spielte, dass er schließlich verdächtig wurde? Die echten Ermittler in Schweden, so viel sei verraten, glauben, dass dieser mittlerweile verstorbene Mann der Täter war.

Für die junge deutsch-schwedische Kommissarin Forss und ihre erfahrene Kollegin Nyström geht es um viel und um Persönliches: Auf Forss wurden mehrere Anschläge verübt, bei einem kam Nyströms Schwiegertochter ums Leben, offenbar Opfer einer Verwechslung mit Forss. In der Hütte ihres verstorbenen Vaters, eines ehemaligen Militärs, hat Forss einen Revolver und einen Orden gefunden, den es eigentlich gar nicht geben dürfte. Ist es die Tatwaffe?

Die Nachforschungen bleiben lebensgefährlich, auch als Forss ihren Selbstmord vortäuscht. Nyström wiederum stößt bei ihren offiziellen Ermittlungen zu den Anschlägen auf Widerstände. Die sonst so korrekte Ermittlerin beschließt ihre eigene heimliche Operation. Die Arbeit an diesem Fall bringt sie an psychische Grenzen und fordert ihr bisheriges Selbstverständnis als Polizistin heraus.

„Die Taten der Toten“ ist rasant und spannend, auch wenn die Autoren der Versuchung erliegen, aus der lädierten Forss eine derart toughe Superfrau zu machen, dass die Figur über weite Strecken nicht mehr glaubwürdig-realistisch wirkt. Weitaus mehr wie aus dem wirklichen Leben gegriffen sind die Nebenfiguren, gerade die anderen Ermittler im Team mit ihren menschlichen Macken und Eigenarten.

Wie es sich für einen guten Schwedenkrimi gehört, herrscht nicht nur Spannung, das Lesen lädt auch zum Nachdenken ein, ob zu Gewalt gegen Frauen, Rechtsextremismus bei der Polizei oder Seilschaften, die der Wahrheitsfindung schaden. Ein furioses Finale bringt die Kommissarinnen in Grenzsituationen – und die Lösung des Falls ist nach all den aufwändigen Spurensuchen überraschend.

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Veröffentlicht am 22.06.2020

Achtsamer Umgang mit mörderischem inneren Kind

Das Kind in mir will achtsam morden
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Auf dem Weg zu (Selbst-) Erkenntnis und Achtsamkeit ist Rechtsanwalt Björn Diemel zweifellos schon deutlich vorangeschritten seit Kasten Dusses Roman „Achtsam morden“: Er hat sich von einer Arbeit getrennt, ...

Auf dem Weg zu (Selbst-) Erkenntnis und Achtsamkeit ist Rechtsanwalt Björn Diemel zweifellos schon deutlich vorangeschritten seit Kasten Dusses Roman „Achtsam morden“: Er hat sich von einer Arbeit getrennt, die ihn nur unglücklich machte, hat mit der räumlichen Trennung von seiner Noch-Ehefrau auch private Konflikte entschärft und kann sich darauf konzentrieren, ein Super-Papa für Töchterchen Emily zu sein. Na gut, zwei Mafia-Clans muss er auch noch führen, ebenso einen Kindergarten. Und dann wäre da noch der Mafiosi im Keller. Immerhin: Im Gegensatz zu früheren Zeiten keine Leiche. Björn will nicht mehr töten. So achtsam ist er immerhin.

Doch ach, es kann der Beste nicht im Frieden leben, wenn es dem verwundeten inneren Kind nicht gefällt. Das kleine, schrille Stimmchen im Ohr, das unbeabsichtigt zum jähen Ableben eines unsympatischen Kellners auf einer Almhütte führt. Doch die Störgeräusche in Björns Unterbewusstsein hören nicht auf.

Kein Zweifel, er muss mal wieder zu seinem persönlichen Guru, Achtsamkeitscoach Joschka Breitner. Und wieder gewinnt er eine Erkenntnis: Sein gegenwärtiges Leiden reflektiert das Leiden seines inneren Kindes. Die ganzheitliche Selbstoptimierung muss auf das innere Kind ausgedehnt werden. Wenn das innere Kind wieder Vertrauen gefasst hat und ausgeglichen ist, kann auch Björns Leben wieder in ruhigeren Bahnen verlaufen. Doch bis dahin ist es ein langer Weg. Denn das innere Kind möchte lustvoll Gewalt zelebrieren, wo Björn dem Morden abgeschworen hat.

Immerhin, die Suche nach den Schuldigen dauert nicht lange: Es waren Björns verständnislose Eltern, die ihn beziehungsweise das innere Kind von verkorkst haben. Niemals soll Emily diese Erfahrung machen müssen! Autor Karsten Dusse setzt die inneren Dialoge des Anwalts mit seinem kindlichen Selbst in dem Hörbuch „Das Kind in mir will achtsam morden“ höchstpersönlich in Szene und muss sich dabei hinter Profi-Sprechern keineswegs verstecken. So sanft reflektierend, so einsichtig und sensibel lässt er die Hörer*innen an Björns Gedankenwelt teilhaben, dass man bei dem Mann glatt ein Achtsamkeitsseminar buchen möchte.

Dabei steht Anwalt Björn unter Stress, ganz gewaltigem Stress sogar. Ausgerechnet in der Woche, in der er das Vertrauen seines inneren Kindes gewinnen soll, wird er erpresst. Ein Unbekannter fordert den Kopf von Boris, den Mafioso im Keller – wortwörtlich. Die Elternvertreter des Kindergartens wollen den Keller besichtigen, um die Planungen für den ersten klimaneutralen Kindergarten voranzutreiben. Und als Björn für eine Elternvertreterin Gefühle entwickelt, reagiert Noch-Ehefrau Katharina eifersüchtig: Sie will Björn zwar offenbar nicht zurück haben, aber andere sollen ihn auch nicht kriegen.

Nach einem Erfolg noch einmal einen zweiten dranzuhängen, ist bekanntlich nicht leicht. Doch mit „Das Kind in mir will achtsam morden“ schafft Karsten Dusse das souverän. Überdreht und unterhaltsam, mit einer ordentlichen Prise schwarzen Humors, aber auch allerlei Achtsamkeits-Einsichten ist dieses Hörbuch ein Angriff auf die Lachmuskeln. In stressigen Zeiten wärmstens zu empfehlen.

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Veröffentlicht am 14.06.2020

Das Schweigen brechen

Nein
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Mutig, schmerzhaft und teilweise quälend ist «Nein». Die Erzählung einer Frau, deren Leben sich nach einer Vergewaltigung dramatisch ändert - und des Täters, der immer noch glaubt, sie habe es doch nicht ...

Mutig, schmerzhaft und teilweise quälend ist «Nein». Die Erzählung einer Frau, deren Leben sich nach einer Vergewaltigung dramatisch ändert - und des Täters, der immer noch glaubt, sie habe es doch nicht anders gewollt.

Mit «Nein» hat die amerikanische Schriftstellerin und Filmproduzentin Winnie M. Li einen wichtigen Beitrag zur «#MeToo»-Debatte um sexuelle Gewalt geleistet. Mit ihrem Roman über Vivian, eine Amerikanerin mit chinesischen Wurzeln, die in einem Park von Belfast von einem 15-Jährigen brutal vergewaltigt wird, dürfte sie auch ein persönliches Trauma aufgearbeitet haben. Denn auch Li wurde wie ihr literarisches Alter Ego in Belfast vergewaltigt, auch in ihrem Fall war der Täter ein 15-Jähriger aus der irischen Traveller Community.
Schon wenige Wochen nach der eigenen Vergewaltigung sei der Gedanke zu dem Buch entstanden, schreibt Li in dem Nachwort. Damit entschloss sie sich zu Offenheit, wo viele Opfer einer Vergewaltigung häufig schweigen, manchmal für Jahre oder gar Jahrzehnte - als ob das Schweigen die Tat irgendwann einmal aus der Erinnerung drängen könnte.
Li erspart sich und dem Leser nichts - die Angst, die Panik, die Erniedrigung, Schmerz und Brutalität, blanken Überlebensinstinkt und das tiefe Loch, in das Vivian, ein aktive, reiselustige und aufgeschlossene Frau, nach der Vergewaltigung fällt. Plötzlich ist sie nur noch ein Schatten ihrer selbst, verkriecht sich in ihrem Schlafzimmer, leidet unter Übelkeit und Panikattacken. Und trotzdem nimmt sie es auf sich, im Prozess gegen ihren Vergewaltiger auszusagen, im Gerichtssaal ihm in die Augen zu sehen und ihm zu zeigen: Bei allen Tränen - sie hat überlebt.
Das Besondere an «Nein»: Li schreibt aus zwei Perspektiven, aus der Sicht Vivians und aus der Sicht des Täters, Johnny. Der Jugendliche, der Frauen bevorzugt als «Schlampen» tituliert und bis zuletzt betont, Vivian habe freiwillig mit ihm Sex gehabt. Die 39 Verletzungen, die bei der medizinischen Untersuchung dokumentiert wurden, seien eben darauf zurück zu führen, dass sie es «hart» wollte.
Mit einem prügelnden Vater und einem kriminellen älteren Bruder in einem Wohnwagen lebend, ist Johnny klar einer der Verlierer der Gesellschaft, hat ein hartes Leben. Die Reaktionen der Nachbarn auf dem Wohnwagenplatz machen aber deutlich: Nichts rechtfertigt sein Verbrechen. Auch Li betont, sie wolle keinerseits zur Pauschalisierung der Traveller beitragen.
Wie lange hat die Tat gedauert? Vielleicht eine halbe Stunde, schätzt Vivian in ihrer Aussage vor Gericht. Doch das war eine halbe Stunde, die ihr Leben radikal veränderte und noch Jahre nachwirkt. Der Prozess, allen voran die Vernehmung durch den Verteidiger Johnnys, reißt die vorsichtig verheilenden Wunden wieder auf. «Müssen wir Frauen wirklich all diese Erniedrigungen über uns ergehen lassen, damit uns Gerechtigkeit widerfährt?» fragt Vivian sich.
An einer anderen Stelle heißt es: «Wie oft muss sie dieses Spießrutenlaufen noch über sich ergehen lassen? Um Gerechtigkeit zu erfahren, wird sie sich öffentlich so lange entblößen müssen, bis nichts mehr von ihr übrig ist.»
Das Urteil kann nur eine gewisse Erleichterung verschaffen: Der Täter kann vorerst weder Vivian, noch anderen Frauen gefährlich werden. Dass er Einsicht zeigt, sich zu seiner Verantwortung bekennt und tatsächlich ändern kann - das scheint fraglich. Vivian wiederum fällt es trotz des Urteils schwer, daran zu glauben, dass ihr Leben irgendwann einmal wieder so sein wird wie früher.
Vielleicht war das Schreiben des Buches ein Ventil für Li. Ganz bestimmt ist es ein wichtiger Beitrag für Frauen, die nach einer Vergewaltigung selber den Weg zum Weiterleben suchen, aber auch für ihre Freundinnen, Schwestern, Mütter, die sich fragen, wie sie am besten Unterstützung leisten können. Zu wünschen wäre, dass dieses Buch aber auch den Weg zu Männern findet die das «Nein» einer Frau bisher nicht ernst nehmen wollten.

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Veröffentlicht am 25.05.2020

Ein Buch wie ein Nollywood-Film von Tarrantino

Meine Schwester, die Serienmörderin
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Oops, she did it again! Kann Krankenschwester Korede nach dem Anruf ihrer kleinen Schwester Ayoola nur denken. Sie hat es schon wieder getan. Denn während manche die Modedesignerin aufgrund ihres Äußeren ...

Oops, she did it again! Kann Krankenschwester Korede nach dem Anruf ihrer kleinen Schwester Ayoola nur denken. Sie hat es schon wieder getan. Denn während manche die Modedesignerin aufgrund ihres Äußeren als männermordendes Traumgeschöpf bezeichnen können, rammt Ayoola Männern in der Tat gerne mal eine 20 Zentimeter lange Klinge zwischen die Rippen. Nun auch ihrem gegenwärtigen beziehungsweise ehemaligen Freund.

Das ist nun bereits der dritte – und damit erfüllt Ayoola ganz offiziell die FBI-Standards für Serienmörder. Doch auch wenn die Schwester eine Serienmörderin ist – Blut ist nun einmal dicker als Wasser. Und so macht sich Korede mit Bleiche und anderem Material als Reinmachen, um Tatspuren zu beseitigen und die Leiche zu entsorgen. Ayoola mag schnell mit der Klinge sein, mit dem gründlichen Aufräumen nach der Tat hat sie es nicht so, da verlässt sie sich lieber auf die große Schwester.

Es ist schon eine ganz besondere Schwesternbeziehung und Familiengeschichte, die die nigerianische Autorin Oyinkan Braithwaite in ihrem Debütroman „Meine Schwester, die Serienmörderin“ beschreibt. Ältere Geschwister kennen das seit ihrer Kindheit: Wenn die Kleinen Mist bauen, bekommen die Älteren Vorwürfe: Warum hast du nicht besser aufgepasst? Wobei die Konsequenzen bei Mord und Beihilfe ein bißchen ernster sind. Schon aus Eigeninteresse muss Korede also aufpassen, dass Ayoola nicht auffliegt. Dabei ist die Familiendynamik schon ohne Serienmorde nicht ohne Probleme.

Denn Korede mag die Ältere sein, diejenige, die nach einem neuen Mord nicht den Kopf verliert und als Oberschwester im Krankenhaus auch beruflich respektabel dasteht. Doch im Leben und in der Liebe wird alles überschattet durch Ayoola, die durch ihre Schönheit allen Männern den Kopf verdreht und dank ihres Äußeren auch sonst im Leben offene Türen findet. Selbst die eigene Mutter zieht die schöne jüngere Tochter eindeutig der unauffälligen Korede vor. Als dann auch noch der Klinikarzt, in den Korede heimlich verliebt ist, sich in Ayoola verliebt, reagiert sie nicht nur eifersüchtig, sondern auch besorgt. Schließlich haben die Männer in Ayoolas Leben eine kurze Verweildauer.

Der einzige Mensch, dem sich Korede in ihren Nöten anvertraut, ist ein Komapatient. Der wacht dann entgegen aller Prognosen nicht nur auf, er kann sich auch an die Monologe der Krankenschwester erinnern. Ein vergleichbare kleines Problem angesichts der sprunghaften Ayoola, die die Aufmerksamkeit der Polizei und der Angehörigen ihrer Opfer auf sich zu ziehen droht. Da ist es fast schon wieder von Vorteil, dass in der Mega-Metropole Lagos Korruption zum Alltag gehört.

Erst nach und nach wird in diesem mit hohem Erzähltempo und bissigem Humor geschriebenen Roman klar, dass Gewalt in der Familie Wurzeln hat: Das Messer, mit dem Ayoola ihre Männer umbringt, gehörte einst dem Vater, einem brutalen und gewalttätigen Patriarchen. Gerade Ayoola musste unter seinen Launen leiden – und wurde als die Schönheit der Familie zugleich Geschäftspartnern regelrecht „angeboten“. Welche Rolle die Schwestern beim Unfalltod des Vaters spielen, bleibt offen – doch ich könnte mir gut vorstellen, dass es sich buchstäblich um einen Befreiungsschlag gehandelt haben könnte.

In manchen Szenen ist „Meine Schwester die Serienmörderin“ so grell und dramatisch wie ein Nollywood-Film, in anderen zeigt dieses Buch das widersprüchliche und doch unzerreißbare Band, das so vielleicht nur zwischen Schwestern besteht – komme, was wolle. Und so manche aberwitzige Situation strapaziert die Lachmuskeln. Dieser Debütroman macht neugierig auf mehr von Oyinkan Braithwaite.

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Veröffentlicht am 02.05.2020

Etwas ist krank im Staate Dänemark

Glasflügel
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Ein ungewöhnliches Mordwerkzeug, eine Mordserie, die Kopenhagen aufschreckt und viele Fragen nach Verantwortung und Missbrauch im Gesundheitswesen - mit ihrem Thrille "Glasflügel" hat die dänische Autorin ...

Ein ungewöhnliches Mordwerkzeug, eine Mordserie, die Kopenhagen aufschreckt und viele Fragen nach Verantwortung und Missbrauch im Gesundheitswesen - mit ihrem Thrille "Glasflügel" hat die dänische Autorin Katrine Engberg einen weiteren Roman um das Ermittlerduo Jeppe Korner und Anette Werner geschrieben, der in sich abgeschlossen ist, aber auf Entwicklungen der Vorgänger basiert.

So setzt Korner seine heimliche Beziehung zu seiner Kollegin Sara fort und grübelt weiterhin: Ist es nur Sex oder ist es Liebe? Ist er bereit für eine Beziehung, die auch zwei Kinder einschließt, Patchworkfamilie statt Ungebundenheit? Wobei es auch mit der Ungebundenheit nicht weit her ist - nach seiner Scheidung ist Korner erst einmal wieder bei seiner Mutter eingezogen, die nun auch während der Arbeit an einem Fall ständig anruft. Als Erwachsener zurück im Kinderzimmer - gar nicht so einfach.

Vor allem, da die mütterlichen Anrufe erst recht störend sind, seit täglich eine nackte Leiche in einem Brunnen gefunden wird, gespenstisch weiß, da buchstäblich ausgeblutet. Der Täter benutzte ein Schröpfmesser, ließ seine Opfer verbluten. Alle von ihnen haben einmal in einem Heim für psychisch kranke Jugendliche gearbeitet. Ein Mädchen, das dort Aufnahme gefunden hatte, hatte sich einst die Pulsadern aufgeschnitten. Liegt hier der Schlüssel zu dem Fall?

Bei seinen Ermittlungen muss Körner ohne seine Partnerin Werner auskommen, eigentlich - denn die ist in Elternzeit. Wirklich glücklich ist die Polizistin in ihrer Mutterrolle allerdings nicht - während ihr Ehemann völlig im Vatersein aufgeht, ist sie zunehmend genervt. Warum schreit das Kind ständig? Das Stillen hätte sie sich auch nicht so anstrengend vorgestellt und vor allem möchte sie endlich mal wieder ausreichend schlafen. Muttergefühle wollen sich da nicht so recht einstellen, statt dessen verfolgt Werner heimlich aus dem trauten Heim Hinweise und stellt eigene Ermittlungen an.

Es geht also ziemlich vielfältig um Familien, ihre Dynamik und ihre Altlasten. Kaputte Familien, zerstörte Familien, Familien, die sich erst noch zusammenfinden müssen, Familienersatz - kurz, die ganz besonderen Bande von Liebe, Nähe, aber auch Enttäuschung oder Hass, die in anderen sozialen Zusammenhängen selten so intensiv sind. Wie heißt es schließlich? Blut ist dicker als Wasser.

Es ist aber auch etwas faul im Staate Dänemark, genauer gesagt in seinem Gesundheitssystem, wie die Ermittlungen zeigen. Wer kontrolliert eigentlich, wie gut psychisch Kranke, gerade auch Jugendliche, betreut werden? Was passiert, wenn sie mit 18 Jahren sozusagen aus der Zuständigkeit der Behörden fallen? Kann es wirklich noch sein, dass Patienten mit Medikamenten ruhig gestellt werden ? Engberg schafft es, spannend und empathisch zu schreiben und findet die richtige Mischung aus einem interessanten Plot und der persönlichen Entwicklung ihrer Hauptfiguren, die lebensnah und glaubwürdig wirken. Die Lösung ist ebenso überraschend wie stimmig.

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