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Veröffentlicht am 29.01.2024

Liebe, Magie, Besessenheit

Love Will Tear Us Apart
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Es geistert wieder dämonisch in Manchester: Mit "Love will tear us apart" hat C.K. McDonnell den dritten Teil seiner Urban Fantasy Saga über die exzentrischen Macher der Zeitung "The Stranger Times" geschrieben ...

Es geistert wieder dämonisch in Manchester: Mit "Love will tear us apart" hat C.K. McDonnell den dritten Teil seiner Urban Fantasy Saga über die exzentrischen Macher der Zeitung "The Stranger Times" geschrieben - und er wird den Erwartungen seiner Fans erneut gerecht. Es hilft sehr, die Vorgängerbände gelesen zu haben und sowohl den Mitarbeiterstab wie auch die Abenteuer der "Stranger Times"-Belegschaft mit übernatürlichen Wesen zu kennen. Ist das nicht der Fall, könnte manches etwas verwirrend sein. Wobei: Verwirrung gehört für die Protagonisten doch eigentlich zum Alltag, haben sie es doch regelmäßig teils mit Spinnern, teils mit Wesen zu tun, die nicht ganz von dieser Welt sind. Mal ganz abgesehen von Mitarbeitern, die nur noch als Geister in der Redaktion herumspuken!

Diesmal ist die Redaktion, wenn schon nicht kopf- , dann vor allem führungslos. Hanna, die stellvertretende Chefredakteurin und bislang Garantin für eine gewisse Stabilität, hat kurzfristig gekündigt. Vincent, der reizbare, cholerische Chefredakteur, ist noch launischer als sonst, wobei ständiger Schlafmangel noch dazu beiträgt. Vor allem aber ist er regelrecht besessen von der Vorstellung, dass seine tote Frau gar nicht tot ist und er sie aus einer schlimmen Lage befreien muss. Wie weit würde er dafür gehen? Und was geht in einem Selbstoptimierungs-Retreat vor sich, in dem Hanna zu Gast ist, um vielleicht ihrem Ex-Mann doch noch eine Chance zu geben?

Ein verschwundener Verschwörungstheoretiker, ein Wellness-Tempel mit Gehirnwäsche und Sehnsüchte nach Unsterblichkeit sind nur einige Herausforderungen, denen sich das Team der "Stranger Times" diesmal stellen muss. Stella, jüngstes Mitglied der Redaktion, steht dabei vor ganz besonderen Herausforderungen wie auch Einsichten über sich selbst. Werden alle Geheimnisse gelüftet? Da ein vierter Band in Aussicht steht, hat McDonnell wohl noch einige Ideen in petto. So viel darf verraten werden: Langweilig wird es mit dem schrägen Personal und britischem Humor der Romanreihe auch diesmal nicht.

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Veröffentlicht am 26.01.2024

Mord in der Algonquin Bay

Kanadische Wälder
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Die Inuit mögen eine große Zahl von Wörtern über Schnee, Eis und Winter haben, aber Giles Blunt schafft es auch ohne das indigene Vokabular, in seinem Kriminalroman die Bilder einer eisigen kanadischen ...

Die Inuit mögen eine große Zahl von Wörtern über Schnee, Eis und Winter haben, aber Giles Blunt schafft es auch ohne das indigene Vokabular, in seinem Kriminalroman die Bilder einer eisigen kanadischen Winterlandschaft an den großen Seen Ontarios erstehen zu lassen. Sein Buch "Kanadische Wälder" ist von Nebel, Eisregen und einem harschen Winter in Algonquin Bay geprägt. Der Polizist John Cardinal muss sich hier nicht nur mit den Missetaten des "dümmsten Gauners aller Zeiten" herumschlagen, sondern auch mit der Sorge um einen herzkranken Vater, der sich als ziemlich beratungsresistent gegenüber medizinischen Ratschlägen erweist, und der Sorge um seine psychisch kranke Ehefrau, der er Belastungen ersparen will.

Das überschaubare Kleinstadtleben erfährt aber nicht nur durch den Wintereinbruch eine Wende, sondern auch durch die angefressenen Leichenteile, die in den Wäldern gefunden wurden. Hungrige Bären haben sich offenbar aus dem Winterschlaf aufgerappelt, doch bei dem Toten handelt es sich nicht um einen verlorenen Wanderer oder Jäger, sondern offenbar um ein Mordopfer.

Die Ermittlungen bringen Cardinal nicht nur in Kontakt zur ungeliebten Konkurrenz der Mounties, als sich herauskristallisiert, dass der Tote Amerikaner ist. Auch der kanadische Geheimdienst mischt plötzlich mit und scheint die Ermittlungen der örtlichen Polizei vor allem zu behindern. Cardinals Kollegin ermittelt unterdessen in einem Vermisstenfall und plötzlich steht die Frage im Raum, ob die beiden Fälle womöglich in Verbindung zueinander stehen.

Einziger Hinweis auf ein mögliches Tatmotiv beim Fall des Amerikaners ist ein Negativ aus den 1970-er Jahren, das zur Separatistenbewegung in der Provinz Quebec in jener Zeit, führt, zu Terrorzellen und Entführungen. Doch warum wird das 30 Jahre später wieder wichtig?

"Kanadische Wälder" ist mehr als nur ein Krimi, das Buch erklärt auch viel über Kanada, den alten Widerstreit zwischen Anglo- und Francophonen, die Gegensätze zwischen Provinz und Großstadt, zwischen Kanadiern und US-Amerikanern. Cardinal ist ein komplexer Charakter, ein eigentlich anständiger Mann, der aber auch einen schweren Fehler gemacht hat und noch immer mit den Folgen hadert. Hinzu kommt die Beschreibung des Eissturms, der Algonquin Bay in Dunkelheit und Kälte legt, und in dem Cardinals Heim zur Zufluchtsstätte von Nachbarn ohne Strom und Heizung wird, die sich um den Holzofen der Cardinals scharen. Das trägt zu einer ganz besonderen Atmosphäre dieses Buchs bei. Es handelt sich um den zweiten Band einer Reihe, doch auch mit Rückgriffen auf die Vergangenheit lässt es sich als Standalone gut lesen.

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Veröffentlicht am 23.01.2024

Ermittlungen in Kanadas wildem Westen

Blutrodeo
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Cowboys gibt es nicht nur in Colorado oder Montana. In Kanada ist Calgary geprägt von Menschen, die den Business-Anzug gerne gegen Westernboots und Cowboyhut austauschen - nämlich wenn in der Ölstadt in ...

Cowboys gibt es nicht nur in Colorado oder Montana. In Kanada ist Calgary geprägt von Menschen, die den Business-Anzug gerne gegen Westernboots und Cowboyhut austauschen - nämlich wenn in der Ölstadt in der Provinz Alberta die Stampede, das jährliche Superrodeo stattfindet. Hier ermittelt auch der Ermittler Ted Garner in seinem neuen Fall und Frauke Buchholz´ zweitem Kanada-Krimi, "Blutrodeo".

Der Fall, um den es geht, stellt RCMP-Ermittlerin Sam Stern vor Rätsel: Zwei todkranken alten Männern wurde brutal die Kehle durchgeschnitten. Wer hat ein Interesse daran, Menschen zu ermorden, die ohnehin bereits mit einem Bein im Grab stehen? Garner soll mit einem Täterprofil die Ermittlungen unterstützen - das passt der ehrgeizigen Polizistin gar nicht. Und auch Garner ist nicht so wirklich teamfähig - sprich, die Zusammenarbeit der beiden ist von wechselseitigem Misstrauen und eher kratzbürstigem Umgangston gekennzeichnet.

Spielten im ersten Band der Reihe um den Profiler die Lebensbedingungen der Indigenen in Kanada eine große Rolle, geht es hier vor allem um den Umgang mit der Umwelt und der Ausbeutung der Ressourcen, die Auswirkungen von Fracking - wobei es hier dann auch wieder um die gesundheitlichen Folgen für die Menschen in den Reservationen zumindest am Rande geht. Das persönliche emotionale Gepäck des Ermittlerteams spielt ebenfalls eine Rolle, auch das nicht ganz einfache Verhältnis Garners zu seinem Vater. Denn da alle Hotels in Calgary während der Stampede ausgebucht ist, muss er notgedrungen beim "Colonel" in dessen entlegener Hütte unterkommen.

Die Leser - in diesem Fall Hörer - erfahren die Handlung aus der wechselnden Perspektive der Ermittler, aber auch durch Zeitsprünge verschiedener Personen. Erst nach und nach fügen sich die Puzzleteile zusammen, welche Rolle diese Menschen für die Geschichte spielen. Dabei legt Buchholz auch einige Fährten, die zunächst auf Irrwege führen. Auch das Motiv für die Mordfälle gibt lange ein Rätsel auf. Ist ein Serientäter zugange? Sind die Morde Werk eines Psychopathen? Handelt es sich um grausame Rache, oder ist die Mordmethode Ablenkung, um das eigentliche Tatmotiv zu verbergen? Es bleibt spannend bis zu einem dramatischen Showdown. Dabei sorgt Sprecherin Brigitte Carlsen für eine lebendige Interpretation der Protagonisten.

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Veröffentlicht am 20.01.2024

Sechs Stoffe, die die Welt veränderten

Material World
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Mit seinem Buch "Material World" schickt Ed Conway seine Leser auf eine ebenso informative wie faszinierende Zeitreise durch Erdzeitalter und Technikgeschichte. Darüber hinaus philosophiert er über die ...

Mit seinem Buch "Material World" schickt Ed Conway seine Leser auf eine ebenso informative wie faszinierende Zeitreise durch Erdzeitalter und Technikgeschichte. Darüber hinaus philosophiert er über die Eingriffe des Menschen in Ökosysteme, über die Herausforderungen des Klimawandels und das Gut oder Böse neuer Technologien - kurzum, ein gewaltiger Rundumschlaf. Dass es ihm dabei gelingt, Platitüden zu vermeiden oder ins allzu Allgemeine abzugleiten, ist ihm hoch anzurechnen.

Conway gibt zu - er ist ein Mensch der immateriellen Welt, einer, der Technologien und Materialien unserer Alltagsgeräte ganz selbstverständlich nutzt, ohne mit deren Herstellung zu tun zu haben. Anders als viele andere hat er aber offensichtlich gründlich darüber nachgedacht - das Ergebnis ist dieses Buch.

Sand, Salz, Kupfer, Eisen, Öl und Lithium - das sind die sechs Stoffe, die laut Conway die menschliche Zivilisation entscheidend vorangetrieben haben - also keineswegs nur die wertvollen Rohstoffe, sondern auch eher vernachlässigte oder zumindest heutzutage als völlig gewöhnlich betrachtet werden.

Beim Lesen wird allerdings klar, dass die Auswahl einer Logik folgt. Conway besucht Bergwerke, Fabriken, Labore, schilder Lieferketten und zeigt die Abhängigkeit von Rohstoffquellen auf. Auch mit Blick auf die globalisierte Welt, auf Abhängigkeiten von Lieferungen - man denke nur an die ersten Monate der Covid-19-Pandemie! - ist sein Buch teils Mahnung, teils eye-opener. Dieses Buch wird sowohl denen gefallen, die sich für Technik- und Wissenschaftsgeschichte interessieren, als auch denjenigen, die sich fragen, wie wir verantwortlich den Umgang mit Rohstoffen und Energieträgern für künftige Generationen angesichts der Herausforderungen des Klimawandels angehen. Viel Stoff zum Nachdenken!

Veröffentlicht am 07.01.2024

Drogensumpf in der Reservation?

Winter Counts
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Nur vordergründig ist "Winter Counts" von David Heska Wanbli Weiden ein Kriminalroman. Denn der Roman, der in einer Lakota-Reservation in South Dakota spielt, ist zugleich eine Abrechnung mit dem Umgang ...

Nur vordergründig ist "Winter Counts" von David Heska Wanbli Weiden ein Kriminalroman. Denn der Roman, der in einer Lakota-Reservation in South Dakota spielt, ist zugleich eine Abrechnung mit dem Umgang mit native Americans in Vergangenheit und Gegenwart. Virgil Wounded Horse, der Ich-Erzähler, entspricht nicht so ganz dem Bild des Indianers aus den Winnetou-Filmen. Er lebt von Gelegenheitsarbeiten, vor allem aber von Aufträgen als privater "Vollstrecker" von Selbstjustiz, ahndet Fälle von Vergewaltigung und anderer Taten, die die Polizei und Justiz nicht kümmert, so lange sie sich auf der Reservation abspielen.

Die meist prekären Lebensumstände sind aus Statistiken bekannt, hier werden sie mit Leben erfüllt - eine schlechte Gesundheitsversorgung, hohe Selbstmordraten, Alkoholismus, Drogen, Perspektivlosigkeit. Nicht jeder will sich damit abfinden - Virgils Freundin Marie, die sich stark mit der kulturellen Tradition der Lakota (Karl May-Lesern und Western-Zuschauern vermutlich eher als Sioux bekannt) identifiziert, möchte die Zustände ändern, angefangen mit einer besseren Ernährung. Doch sie stößt überall auf Hindernisse, durchaus auch von den "eigenen" Leuten.

Virgil, der den Sohn seiner tödlich verunglückten Schwester aufzieht, kann mit den alten Bräuchen und der Spiritualität seines Volkes nichts anfangen, doch die "Rez" ist sein Zuhause. Maries Vater, der Stammeschef, gibt ihm einen Auftrag - diesmal soll Virgil niemanden verprügeln, sondern Heroingeschäfte in der Reservation stoppen. Bald jedoch hat er ganz andere Probleme: Sein 14 Jahre alter Neffe wird wegen Drogenbesitzes verhaftet, muss mit zehn Jahren Haft in einem Gefängnis für Erwachsene rechnen. Doch ein verdeckter Ermittler bietet einen Deal mit hohem Risiko an...

"Winter Counts" ist spannend geschrieben und gibt Einblicke in eine Welt, die so gar nichts mit Wildwest-Romantik zu tun hat. Es ist auch eine Auseinandersetzung mit der Entfremdung von der eigenen Kultur, mit Bewahrung von Identität, gibt einen Einblick in die vom Medizinmann aufrechterhaltenden Traditionen, aber auch um interne Rangabstufungen, wenn es darum geht, wie "echt" jemand ist, wenn er oder sie nicht hundertprozentige Lakota-Vorfahren nachweisen kann. Weiden ist selbst Lakota, er beschönigt und idealisiert nicht, fühlt sich aber eindeutig mit der Lakota-Tradition verbunden. Sein Buch ist teilweise auch eine Anklage des Umgangs mit Indigenen, nicht nur in den USA und nicht nur auf den Völkermord in der Vergangenheit beschränkt. Sein Protagonist ist ein Held mit Macken und Fehlern, dessen Weg gerade darum spannend und glaubwürdig ist. Wer die Bücher von Richard Wagamese und W.P. Kinsella mag, wird auch dieses Buch mögen.

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