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Veröffentlicht am 12.08.2020

Vater-Sohn-Geschichte

Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens
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Ein Vater-Sohn-Buch vor interessanter Kulisse: Das ist Tom Barbashs Buch „Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens„. Vater und Sohn: das sind Buddy Winter und sein Sohn Anton. Die Kulisse: ...

Ein Vater-Sohn-Buch vor interessanter Kulisse: Das ist Tom Barbashs Buch „Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens„. Vater und Sohn: das sind Buddy Winter und sein Sohn Anton. Die Kulisse: das Haus „Dakota“, einer der teuersten Flecken in New York, wo auch John Lennon gelebt hat. Buddy Winter ist der Moderator einer Late-Night-Show, bis er einen Nervenzusammenbruch hat. Sein Sohn Anton kommt – er muss die Nachwirkungen einer Malaria-Erkrankung auskurieren – aus Gabun zurück und entschließt sich, seinem Vater zu helfen, wieder ins Showbusiness einzusteigen.

Tom Barbash erzählt die Geschichte aus Antons Sicht, der sich klar darüber werden muss, was er aus seinem Leben machen will. So ist das Jahr 1979, in dem die Handlung spielt, für Anton auch das Jahr der Entscheidung, was er aus seinem Leben machen will.

Auch wenn Anton den Job eines Abräumers annimmt: Wir befinden uns im gehobenen Bildungsbürgertum, entsprechend viel Bücher und Musik wird erwähnt. Fast schon ein wenig zu viel – viele Bücher werden einfach als Reiseliteratur genannt, ohne dass es irgendeine Relevanz hätte.

Mir war „Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens“ viel zu geschwätzig. Anton fand ich als Person nicht so spannend, dass ich immer wissen müsste, welchen Schritt er als nächstes tut. Und kleinschrittig geht die Handlung voran, zumeist versehen mit etwas zu viel an direkter Rede. Bobby trifft sich mit diesem und jenem, Anton hat diese und jene Idee – ach ja, und John Lennon kommt auch noch vor. Auch sonst gibt es viele Nebenhandlungen, wie etwa der Wahlkampf für Ted Kennedy. Freilich ändern diese Nebenhandlungen auch nichts daran, dass die Handlung des Buches einfach vor sich hin plätschert.

Die Beschreibung des bekannten Appartmenthauses „The Dakota“ und seiner Geschichte hingegen hat mir sehr gefallen. Hier gelingt es Barbash, eine Stimmung zu erzeugen, die mir im restlichen Teil des Buches gefehlt hat.

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Veröffentlicht am 04.08.2020

1794

1794
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„1794“ heißt der Nachfolgeband von Niklas Natt och Dags erfolgreichem historischen Kriminalroman „1793″. Und wie in „1793″ überwiegt auch in „1794″ die Faszination an den dunklen Seiten der Zeit – dieses ...

„1794“ heißt der Nachfolgeband von Niklas Natt och Dags erfolgreichem historischen Kriminalroman „1793″. Und wie in „1793″ überwiegt auch in „1794″ die Faszination an den dunklen Seiten der Zeit – dieses Mal ist es der Sklavenhandel, dessen Beschreibung außerordentlich viel Raum einnimmt.

Und so lernt man als Zuhörer nicht nur, dass Schweden mithilfe der Westindienkompanie sich sehr intensiv – zumindest eine kurze Zeit lang – am Sklavenhandel beteiligte und bereicherte. Man lernt auch viel darüber, wie mit den Sklaven damals umgegangen wurde.

Wer den Vorgänger „1793“ nicht kennt, wird sich über den ersten Teil des Hörbuchs sehr wundern – angekündigt ist ein Kriminalfall, und man befindet sich in den schwedischen Kolonien, von einem Kriminalfall keine Spur. Auch „1794“ ist wieder in vier Jahreszeiten eingeteilt, und manche der Teile haben ein starkes Eigenleben, die Handlungsstränge sind weit ausgeführt, weit über das hinaus, was für das Wissen um den Kriminalfall herum nötig wäre. Auch wird die Handlung nicht chronologisch erzählt.

Erst im zweiten Teil des Buches wird der Kriminalfall erzählt: eine Frau soll von einem Wolfsrudel umgebracht worden sein, so übel zugerichtet ist so. Doch: rund um das Hofgut Dreirosen gibt es seit Urzeiten keine Wölfe mehr. Was also ist wirklich passiert? Und was hat Erik damit zu tun, der aus den Kolonien zurückkam, um die Liebe seines Lebens zu heiraten?

In diesem Band ermittelt der inzwischen wieder abgestürzte Jean Michael Cardell, dieses Mal wird er vom Bruder seines früheren Mitermittlers Winge aus seiner Trübsal geholt. Homo homini lupus – das gilt für „1794″ noch viel mehr als für „1793“ – auch wenn man das fast nicht für möglich halten kann.

Und so war „1794“ ebenso wie der Vorgänger für mich ein beeindruckendes Hörerlebnis. Die Personen sind sehr plastisch dargestellt, menschliche Abgründe treten zutage, Historisches ist eingebunden.

Generell würde ich empfehlen, vor „1794“ den Vorgängerband „1793“ zu lesen oder zu hören. Auch wenn „1794“ von der Handlung her für sich allein steht, ist „1793“ doch ein besserer Einstieg in die Art des Erzählens bei Niklas Natt och Dag. Auch lernt man die meisten Personen in „1793“ deutlich besser kennen und erfährt nun, wie es mit den Personen weitergeht. Der Nachteil sei allerdings nicht verschwiegen: vieles in „1794“ ähnelt dem Vorgängerband: die Art des Beschreibens, der Gattungswechsel von der Erzählung zum Bericht, die beschriebene Grausamkeit.

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Veröffentlicht am 17.05.2020

Ein Superheld, der keiner sein will

Secret Protector, Band 1: Tödliches Spiel
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Die Reihe "Secret Protector" lebt von ihrem Helden, Lukas Crowe. Der englische Schriftsteller Andrew Lane hat mit ihm einen Superhelden geschaffen, der von einer Actionszene in die nächste taumelt. Es ...

Die Reihe "Secret Protector" lebt von ihrem Helden, Lukas Crowe. Der englische Schriftsteller Andrew Lane hat mit ihm einen Superhelden geschaffen, der von einer Actionszene in die nächste taumelt. Es ist ein Superheld ohne Superkräfte, dem aber trotzdem alles gelingt.

Umso überraschender ist es, dass Lukas im Laufe der Handlung der mysteriöse junge Mann bleibt, der er am Anfang ist. Viel mehr, als dass er in Afrika aufgewachsen ist und sich enorm gut mit Waffen auskennt, erfährt man nicht. Es scheint so, als hätte sich Andrew Lane das Aufdecken seiner Vergangenheit für die Folgebände aufbewahrt. Das ist schade, denn so kommt Lukas dem Leser auch nur an wenigen Stellen näher. 

Das Buch lebt vielmehr von seinem actionreichen Plot, genauer gesagt: von der action allein, denn eine sich entwickelnde Handlung gibt es kaum. Eine Verfolgungsjagd jagt die nächste, und mit einem Killerkommando allein gibt sich Lane nicht zufrieden. Und warum soll nur eine Person entführt werden, wo es doch zwei Killerkommandos gibt?

Die Handlung drumherum wirkt wie ein Rohbau - Lukas hat keinen Personalausweis mehr? Dann trägt er eben immer ein Duplikat in seiner Gürteltasche mit sich. Lukas muss mehr über die rasend schnellen Autos herausfinden? Dann engagiert ihn eben eine Polizistin, die ihn zuvor einmal gesehen hat, als Undercover-Mann. Lukas muss jemanden ausfindig machen? Dann lernt er eben kurz zuvor jemanden kennen, der mal für ihn gearbeitet hat. Mit Kleinkram hält sich der Autor nicht auf. Was nicht passt, wird eben passend gemacht. Hierbei erweist sich der Autor als zutiefst grobschlächtig. Auf die Entwicklung der Protagonisten und der Handlung, auf Stimmigkeit, Plausibilität und Ähnliches legt Lane keinen Wert. 

Umso überraschender ist es, dass Lane immer wieder kleine Exkurse einbaut, etwa zu Nanotechnik und Nashörnern. Fast so, als wolle er damit wieder wettmachen, dass er anderswo sehr nachlässig gearbeitet hat. Freilich: die vielen Warums?, die am Ende offen bleiben, kann das nicht ausgleichen. 

Das größte Fragezeichen, das bleibt, ist Lukas Crowe selbst. Er will "unter dem Radar" leben, nicht sesshaft werden. Deshalb lebt er in einem Wohnwagen, außerhalb von New Orleans. Aber wo hat er gelernt, so zu kämpfen? Wie kann es sein, dass er einfach so mal eine Verfolgungsjagd auf dem Motorrad absolvieren kann? Wie dass er in Sekundenschnelle reagieren kann? Gerade weil man fast nichts über seine Herkunft erfährt, wird er im Laufe der Handlung immer unglaubwürdiger. 

Dabei hätte es gut funktionieren können, ihm mit Una Britcross eine sympathische Profi-Gamerin an die Seite zu stellen, die genauso souverän wie Lukas ihr Ding macht. Die beiden hätten ein Dream Team werden können, obwohl ihre Leben auf den ersten Blick ganz unterschiedlich sind. Ausgereizt wird das leider zu wenig, denn rasant geht es von New Orleans nach Berlin und von dort schließlich nach Dubai. 

Wer Actionfilme mag, der kann mit diesem Jugendthriller vielleicht auch etwas anfangen. Für mich war es nichts. 

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Veröffentlicht am 09.05.2020

Geschichten zum Nachdenken

Wenn man vom Teufel spricht
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„Wenn man vom Teufel spricht“: Heinz Rudolf Kunze spricht in seinem neuen Buch über Politik, Heimat, die Liebe, das Altern und – den Teufel. Und das auf ganz unterschiedliche Weise.

Heinz Rudolf Kunze ...

„Wenn man vom Teufel spricht“: Heinz Rudolf Kunze spricht in seinem neuen Buch über Politik, Heimat, die Liebe, das Altern und – den Teufel. Und das auf ganz unterschiedliche Weise.

Heinz Rudolf Kunze ist ein Vielschreiber. Fast täglich entsteht ein neuer Text. Viele seiner Texte aus den vergangenen Jahren hat er nun in seinem neuen Buch „Wenn man vom Teufel spricht“ veröffentlicht. Die Texte sind nach dem Entstehen gegliedert, sodass man bei jedem Text neu überrascht wird, welches Thema angesprochen wird.

Politisierende Texte wechseln sich ab mit grotesk anmutenden, alberne Geschichten mit anklagenden Statements, Kurzgeschichten mit überraschenden Pointen mit lyrischen Texten. Mal sind Kunzes Texte gefühlvoll, mal ironisch-distanziert. Heinz Rudolf Kunze erweist sich als kritischer Denker, der Spaß daran hat, seinen Leser auch mal in die Irre zu schicken. „Man möchte doch auch ein bißchen rotieren, wo doch gerade alle durchdrehen“, heißt es in einer seiner Geschichten.

Neben dem Blick in die Welt blickt Kunze immer wieder auch auf sich selbst, thematisiert den Umgang mit seinem Erfolgshit „Dein ist mein ganzes Herz“, vor allem aber: die Liebe. Die Liebe, schreibt Kunze, sei wie ein Pianist, der einem einzigen angeschlagenen Ton nachhört, „sein Ohr an den Körper des Konzertflügels hält und diesem Ton nachlauscht“. Und das für immer.

Als weiteres Lebensthema Kunzes erweist sich das Altern. Wehmütig blickt er auf das Vorrecht der Jugend zurück, „alte Fehler zu begehen“. Wehmütig und voll Neid. Glaubt man ihm, wenn er schreibt, im Alter lächle man über die „Irrtümer der eigenen Vorzeit“? Vielleicht ein bisschen. Schließlich weiß man, dass Kunzes Brille keine Gläser hat.

Um die Musik geht es Kunze selten. Und wenn, dann nur mit Seitenhieben: „Musiker auf Partys sind echt das Letzte“ heißt es in einem seiner Texte.

Kunzes Mischung zweihundert kurzer Texte – die meisten sind nicht länger als gut eine Seite – lädt dazu ein, als Gutenachtlektüre immer mal wieder drin zu schmökern.

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Veröffentlicht am 09.05.2020

Von einem, der auszog und nichts erreichte

Stern 111
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Lutz Seilers neuer Roman „Stern 111“ hat mich nicht überzeugt. Er hat mich beim Lesen immer mehr gelangweilt, und ich befürchte, dass das sogar so beabsichtigt ist. Schließlich endet der Roman mit der ...

Lutz Seilers neuer Roman „Stern 111“ hat mich nicht überzeugt. Er hat mich beim Lesen immer mehr gelangweilt, und ich befürchte, dass das sogar so beabsichtigt ist. Schließlich endet der Roman mit der kläglichen Selbsterkenntnis des Erzählers: „er war jetzt Mitte zwanzig, und er war nichts.“

Der Roman spielt in der Wendezeit. Eine Zeit, in der alles möglich und nichts unmöglich schien. Für die Hauptfigur Carl eine Zeit der Selbstfindung. Für den Leser eine Zeit der Langeweile. Nichts passiert. Carl probiert sich aus. Will Schriftsteller werden. Vielleicht. Aber gleichzeitig lebt er dahin. In den Tag hinein. Von Gera aus, wo er das Haus seiner Eltern behüten soll, die in den Westen gegangen sind, um ihr Glück zu machen, bricht Carl nach Berlin auf, um sein Glück zu suchen. Ein Glücksritter allerdings ohne jedwede Ambitionen. Einer, der sich treiben lässt.

Er übernachtet zunächst im Auto, verdient sich etwas Geld, indem er schwarz Taxi fährt. Schließlich landet er in der Hausbesetzerszene, wo er versumpft. Was er allerdings nicht bemerkt, denn er scheint sich frei und unabhängig zu fühlen.

Als Leser tut man es recht bald den Eltern nach und verlässt den Protagonisten, lässt ihn mit seinem Schicksal allein. Hat er das Zeug zum Schriftsteller? Keine Ahnung. Hat er den Ehrgeiz, etwas erreichen zu wollen? Ach, wer weiß. Ist er glücklich? Hmm, vielleicht. Irgendwie. Meistens eher nicht. Sind seine Gedichte überhaupt gut? Keine Ahnung. Wird das was mit ihm und Effi, die er wiedergetroffen hat? Es interessiert mich nicht. Ja, als Leser wird man bald ganz abgekühlt gegenüber dem Schicksal von Carl.

Umso mehr will man wissen, wie es mit seinen Eltern weitergeht. In Briefen informiert die Mutter ihren Sohn über ihre ersten Schritte im Westen. Diesen Briefen fiebert man entgegen, um der Langeweile von Carls Leben zu entgehen. Die Eltern, so scheint es, nehmen ihr Leben selbst in die Hand, beginnen ein neues Leben. Ein Aufbruch, den Carl ihnen zutiefst verübelt, er dichtet seinen Eltern sogar ein zweites, paralleles Leben an, von dem er nichts gewusst habe. Sie hätten ihn, den über 20-Jährigen, verlassen, wirft er ihnen vor.

Eine Ziege ist es schließlich, die Carl sagen muss, dass die „wilden Zeiten“ vorbei sind. Ach, wären sie doch nur wild gewesen! Ach, wäre es doch nun wirklich Carls Verhängnis gewesen, Gedichte zu schreiben, wie es auf einer der letzten Seiten des Buches heißt! Stattdessen ist Carl nichts weiter als „faulendes Treibholz“, das ohne Richtung in den Straßen von Berlin vor sich hin treibt.

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