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Veröffentlicht am 26.11.2020

Spannend, berührend und zum Nachdenken anregend

Still schweigt der See
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„Still schweigt der See“ ist nach „Schreie im Nebel“, „Die dunkle Seite des Sees“ und „Gewittersee“ der vierte Krimi von Tina Schlegel um Kommissar Paul Sito. Packend und berührend fand ich sie alle, weil ...

„Still schweigt der See“ ist nach „Schreie im Nebel“, „Die dunkle Seite des Sees“ und „Gewittersee“ der vierte Krimi von Tina Schlegel um Kommissar Paul Sito. Packend und berührend fand ich sie alle, weil nicht nur die Ermittlungsarbeit der Polizei und das Privatleben von Paul Sito, Miriam, Roman Enzig und weiteren beschrieben werden. Immer geht es auch um moralische Fragen. Dieser vierte Band hat mich besonders bewegt, weil das Geschehen hochaktuell ist. Demonstrationen, Klimaschutz, rechtes Gedankengut, über diese Themen lesen und hören wir täglich etwas in den Medien. Die Autorin nutzt diese Aktualität als Hintergrund für ein nervenzerrendes Geiseldrama. An der Universität Konstanz wurden fünfzig Personen als Geiseln genommen. Zunächst ist unklar, was die Geiselnehmer bezwecken.

Erschreckend fand ich, wie jede Veränderung der Lage sofort in den sozialen Medien verbreitet wurde. Und auch, wie schnell rohe Gewalt sich breitmacht, selbst an einem friedlichen, dem Lernen dienenden und wegen des Blicks über den Bodensee sogar idyllischen Ort wie der Uni Konstanz. Die persönliche Verstrickung der Hauptfiguren in das Geiseldrama ließen mich beim Lesen mitfiebern und auf eine gute Lösung hoffen. Die moralische Frage, ob man ein Leben opfern darf, um viele zu retten, brachte mich zum Nachdenken. Aber Moral ist nicht erpressbar, Unmoral schon. Zu dieser Aussage sehr passend finde ich das Cover mit dem Foto der Imperia.

Viele Dialoge, einige zeitliche Rückblenden und nicht zuletzt die manchmal unkonventionelle Arbeitsweise von Paul Sito lockern das Geschehen auf. Auch wenn es hier um ernste Themen geht, die zum Nachdenken anregen, so ist „Still schweigt der See“ vor allem eins - ein sehr gut geschriebener, packender Bodenseekrimi, den ich nicht aus der Hand legen mochte, bis ich wusste, wie er ausgeht.

Fazit: Spannend, berührend und zum Nachdenken anregend. 5*****

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Veröffentlicht am 21.11.2020

Beeindruckende, spannende Dystopie

The Loop. Das Ende der Menschlichkeit (The Loop 1)
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„The Loop“ ist ein Hightech-Gefängnis für Jugendliche. Sie alle warten hier auf ihre Exekution. In einer schmerzhaften Prozedur wird ihnen täglich über mehrere Stunden Energie abgesaugt. Flucht ist unmöglich, ...

„The Loop“ ist ein Hightech-Gefängnis für Jugendliche. Sie alle warten hier auf ihre Exekution. In einer schmerzhaften Prozedur wird ihnen täglich über mehrere Stunden Energie abgesaugt. Flucht ist unmöglich, einzig die sogenannten „Aufschübe“ geben ein wenig Hoffnung. Allerdings weiß niemand, was ihn beim Aufschub erwartet. Es sind unterschiedlichste medizinische Experimente und nicht alle kommen von dort zurück oder sind danach noch sie selbst. Allerdings, einen Aufschub abzulehnen, bedeutet die sofortige Exekution.

Der Untertitel: Das Ende der Menschlichkeit" ist sowohl doppeldeutig, als auch Programm. Es ist eine total unmenschliche Welt in nicht allzu ferner Zukunft, in die wir mitgenommen werden und den sechszehnjährigen Luke im „Loop“ begleiten. Egal, was die Jugendlichen getan haben, es sind Kinder! Der Jüngste ist zehn. Warum habe ich dieses Buch trotzdem bis zum Ende gelesen? Weil der Autor es geschickt versteht, Momente der Hoffnung einzubauen. Für Luke sind es Kleinigkeiten, die ihm den Gefängnisalltag erleichtern, und die auch mich als Leser gerührt haben. Und dann ist bei jedem Buch, das im Gefängnis spielt, die egal wie irrwitzige Hoffnung, dass eine Flucht gelingen möge. Natürlich nimmt die Geschichte Fahrt auf. In die Aneinanderreihung Lukes scheinbar gleicher Tage 736, 737, 738 ... mischen sich irgendwann kleine Besonderheiten. Und auch das alles überwachende Computersystem „Happy“ scheint nicht unfehlbar.

Ein spannendes Buch, das selbst scheinbar unlogische Ereignisse im Nachhinein doch noch schlüssig erklärt. Bis auf eine Ausnahme, die Sache mit dem Trigger. Die Auflösung am Schluss kam für mich etwas hastig, als wollte der Autor die beim gemächlichen Beginn verlorene Zeit wieder herausholen. Und irgendwie schreit alles nach einer Fortsetzung. Ein Jugendbuch, das gern auch Ältere lesen dürfen. Sprachlich gekonnt, gut zu lesen, mit Liebe zum Detail geschrieben. Das auf den ersten Blick nüchterne Cover ist ebenfalls sehr schön gestaltet. Auf der matten Grundfläche stehen die Buchstaben "LOOP" glänzend und erhaben. Wenn man genaus hinschaut, sieht man ins Gefängnis hinein. Es passt wunderbar zum Inhalt des Buches.

Fazit: Eine beeindruckende, spannende Dystopie. 5*****

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Veröffentlicht am 06.10.2020

Erwartungen nicht erfüllt

Das Buch eines Sommers
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Das Buch eines Sommers weckt zu Beginn hohe Erwartungen, als von Nicolas, dem Abiturienten, und seinem Onkel Valentin erzählt wird. Der Onkel lebt fern aller Normen und zeigt seinem Neffen, dass es im ...

Das Buch eines Sommers weckt zu Beginn hohe Erwartungen, als von Nicolas, dem Abiturienten, und seinem Onkel Valentin erzählt wird. Der Onkel lebt fern aller Normen und zeigt seinem Neffen, dass es im Leben Wichtigeres gibt, als Karriere. Valentin ist so herrlich unkonventionell, seine Gedanken gehen ins Herz ... und dann kommt ein Zeitsprung. Nicolas ist einige Jahre älter, verheiratet mit Valerie, sie haben einen gemeinsamen Sohn. Von den Gedanken, die der Onkel ihm mit auf den Weg gegeben hat, ist nicht viel übrig. Nicolas lebt für seinen Job, da muss sich die Familie unterordnen. Bis etwas passiert, das seine Sichtweise sehr langsam ändert.

Das Buch ließ mich sehr zwiespältig zurück. Es gibt zwei, drei Stellen, die ich richtig gut finde. Insgesamt aber ist es vorhersehbar, teilweise sehr einfach, umgangssprachlich und Klischees bedienend, geschrieben. Als wenn ein Sachbuchautor aus ein paar guten Gedanken einen Roman gebastelt hat. Die Botschaft steht schon auf dem Cover im Untertitel - „Werde, der du bist“. Während mir als Leser ziemlich schnell klar wurde, was Nicolas tun muss, kehrt er nach ein paar Gedankenblitzen zunächst immer wieder in seinen alten Trott zurück. So las ich mich durch 240 Seiten Geschichte und Gedanken, auf denen nichts Herausragendes, Spannendes, Überraschendes passiert. Kleine Geschichten anderer Autoren werden eingeflochten, ohne dass irgendwo im Buch, auch nicht im Anhang, ein Hinweis auf die Quelle zu finden ist. Die Auflösung mit den Namen „Nicolas“ und Christopher“ am Ende fand ich unbefriedigend.
Schade, das Buch konnte meine hohen Erwartungen, die es auf den ersten Seiten geweckt hatte, leider nicht erfüllen.
Fazit: „Werde, der du bist“ - damit ist bereits auf dem Cover alles gesagt. 3***

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Veröffentlicht am 29.09.2020

Nicht jammern - selber machen!

Heimat muss man selber machen
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Sina Trinkwalder hatte mich schon mit ihrem Buch „Wunder muss man selber machen“ begeistert, in dem sie beschrieb, wie sie vor über zehn Jahren in der für Deutschland totgesagten Textilbranche einen Betrieb ...

Sina Trinkwalder hatte mich schon mit ihrem Buch „Wunder muss man selber machen“ begeistert, in dem sie beschrieb, wie sie vor über zehn Jahren in der für Deutschland totgesagten Textilbranche einen Betrieb gründetet und Menschen, die am „normalen“ Arbeitsmarkt keine Chance hatten, Arbeit und Würde zurückgab. Und nicht nur das, der Betrieb funktioniert auch heute noch ganz wunderbar. Diese Historie taucht auch in „Heimat muss man selber machen“ wieder auf, denn nicht jeder Leser kennt auch das erste Buch. Und ich persönlich finde es gut, immer wieder an die Energie, das Vertrauen in sich und Andere erinnert zu werden, womit Sina damals manomama gründete. Denn der nächste Schritt ist die Erkenntnis, dass „selber machen“ immer besser ist, als zu jammern.
Heimat, das ist nicht Vereinsmeierei und „wir hier drinnen halten zusammen gegen die Anderen da draußen“. Heimat passiert im Herzen, wenn Menschen erkennen, was sie verbindet. Gemeinsam anpacken, den Anderen wertschätzen, einander ein Lächeln schenken ... all das und noch viel mehr, ist Heimat. Eine gute, tröstende Erkenntnis, gerade in dieser unruhigen Zeit, in der es oft nur noch schwarz oder weiß, wir oder die zu geben scheint. Nur, man muss es halt selber machen. Aufeinander zugehen. Sich und sein Herz öffnen. Dann kann Heimat überall sein, bunt und bewegend.

Das gefühlsbetonte Sachbuch liest sich leicht und flüssig, als würde die Autorin mit einem plaudernd auf der Couch sitzen. Die verwendete Umgangssprache („selber“ machen) verstärkt diesen Eindruck und ist meiner Meinung nach ein bewusst eingesetztes Stilmittel, um diesen lockeren Plauderton zu verstärken. Als würde eine gute Freundin mir raten, was ich als Fazit dieses Buches sehe:
Fazit: „Jammer nicht! Mach es selber besser!“ 5*****

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Veröffentlicht am 16.09.2020

Kalmann mínn, du liebenswerter Sheriff von Raufarhövn

Kalmann
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Kalmann, 33 Jahre alt, lebt im Haus seines Großvaters in Raufarhövn, einem kleinen Fischerdorf im Nordosten Islands. Manche bezeichnen ihn als „Dorftrottel“, doch sein weiser Großvater erklärte ihm, dass ...

Kalmann, 33 Jahre alt, lebt im Haus seines Großvaters in Raufarhövn, einem kleinen Fischerdorf im Nordosten Islands. Manche bezeichnen ihn als „Dorftrottel“, doch sein weiser Großvater erklärte ihm, dass jeder Mensch irgendwie anders sei, und damit wäre auch Kalmann normal. Diese liebenswerte Weltsicht hat Kalmann geprägt und zieht sich durch das ganze Buch.
Erzählt wird in der Ich-Form, wir haben also direkt an Kalmanns Gedanken teil. Die sind oft kindlich naiv in ihrer eigenen Logik, manchmal von Unsicherheit geprägt, auch Wut kommt vor, und dann macht Kalmann Dinge kaputt. Trotzdem muss man ihn einfach gern haben, den isländischen Forrest Gump mit Sheriffstern, Cowboyhut und Mauserpistole, der Haie fängt und daraus den zweitbesten Gammelhai von ganz Island herstellt. Alles ganz prima, kein Grund zur Sorge.

Doch eines Tages findet Kalmann im Schnee auf der Hochebene Melrakkaslétta eine große Blutlache. Bald ist ein Zusammenhang hergestellt zum spurlosen Verschwinden des „Königs von Raufarhövn“, Róbert McKenzie. Polizei kommt ins Dorf, von nun an ist es mit der Ruhe vorbei. Immer neue „Puzzleteile“ tauchen auf, die weder die Lösung des Falls noch Róbert näher bringen. Und dann klärt sich am Ende doch alles auf, kein Grund zur Sorge.

Kalmann muss man einfach mögen, trotzdem oder gerade weil er so speziell ist. In gewisser Weise hält Joachim B. Schmidt uns einen Spiegel vor, denn wie oft beurteilen wir Menschen danach, ob sie der „Norm“ entsprechen oder nicht und stecken sie vorschnell in entsprechende Schubladen? Der Autor zeichnet auch die zahlreichen Nebenfiguren mit viel Liebe zum Detail, indem er sie mit unterschiedlichen Eigenarten ausstattet, die uns doch irgendwie vertraut vorkommen. Jeder ist eben anders und dadurch sind alle normal.

Fazit: Ein wunderbares, herzwärmendes und spannendes Buch, das uns mitnimmt in die raue Welt der isländischen Küste. 5*****

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