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Veröffentlicht am 16.07.2023

Wird niemals alt

Vom Ende der Nacht
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Im Kern ist "Vom Ende der Nacht", das, was man erwartet, wenn man den Klappentext liest. Eine Geschichte von der Art, wie man sie schon häufig gelesen oder auf der Leinwand gesehen hat. Good Girl aus strengem ...

Im Kern ist "Vom Ende der Nacht", das, was man erwartet, wenn man den Klappentext liest. Eine Geschichte von der Art, wie man sie schon häufig gelesen oder auf der Leinwand gesehen hat. Good Girl aus strengem Elternhaus trifft haltlosen Bad Boy. Es kann nicht funktionieren, weil das Leben dazwischen kommt, die emotionalen und sozialen Distanzen zu weit sind.
So ist das auch bei Will und Rosie, deren Beziehung immer wieder an Rosies Familie und den Erwartungen, die auf ihr lasten, scheitert. Nichtsdestotrotz erzählt Claire Waverley die Geschichte ihrer Protagonisten auf eine eindringlich tragische, schmerzvolle und romantische Weise. Es ist ein Roman fürs Herz, keine Frage. Eine dieser großen Sommererzählungen über Leben, Liebe und Schicksal. Ich persönlich kann solche Bücher immer wieder lese, mir kann man das immer neu erzählen, für mich werden sie niemals alt.
Nichtsdestotrotz kann ich nachvollziehen, wenn andere Leser das anders wahrnehmen. Wenn man aber generell eine Affinität für Romanzen hat, die tiefgründig und sprachlich anspruchsvoll erzählt werden, dann wird "Vom Ende der Nacht" nicht enttäuschen. Viele solcher Bücher scheitern in meinen Augen daran, dass sie nicht gut erzählt werden. Der emotionale und ausgereifte Schreibstil der Autorin trägt die Handlung.
Gut vergleichbar ist "Vom Ende der Nacht" in meinen Augen mit "Der Papierpalast". Das habe ich letzten Sommer gelesen und auch hier geht es um ein Paar und eine Liebe, die von verpassten Chancen und tragischen Schicksalsschlägen geprägt ist.
Ich liebe und brauche solche Bücher von Zeit zur Zeit in meiner Leseplanung. Sie sprechen eine melancholisch dramatische Seite in mir an. Der Teil meines Leserinnenherzens, der sich gerne in ein wenig Weltschmerz wälzt. All denjenigen, die sich auch so einen Teil in sich haben, kann ich dieses Buch wärmsten empfehlen!

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Veröffentlicht am 09.07.2023

Karibische Legenden

Als wir Vögel waren
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„Als wir Vögel waren“ ist die mystische und ganz und gar außergewöhnliche Liebesgeschichte von Darwin und Yejide. In poetischer und bildgewaltiger Sprache schreibt Ayanna Lloyd Banwo über die Liebe, das ...

„Als wir Vögel waren“ ist die mystische und ganz und gar außergewöhnliche Liebesgeschichte von Darwin und Yejide. In poetischer und bildgewaltiger Sprache schreibt Ayanna Lloyd Banwo über die Liebe, das Leben und den Tod. In einem Trinidad, das zwischen Realität und Sagenland divergiert, entscheidet sich der junge Rastafari Darwin Totengräber zu werden, obwohl dieser Beruf für Menschen seines Glaubens nicht vorgesehen ist. Yejide hingegen besitzt die Gabe mit Verstorbenen in Kontakt zu treten, ein Phänomen, das in ihrer Familie Tradition hat. Doch sie hadert mit ihrem Schicksal und der Beziehung zu ihrer Mutter. Die beiden finden Vertrauen und Trost ineinander. „Als wir Vögel waren“ ist nicht nur ein Liebesroman oder eine Legende, es ist ein fantasievolles Sozialporträt, in dieser Kombination einzigartig. Zwischen all der Poesie und Romantik, beschäftigt sich das Buch mit sozialen Ungerechtigkeiten, mit Armut, alten Traditionen und kulturellen Schwierigkeiten, mit dem Jungsein und Erwachsenwerden, dem Loslassen, Aufbrechen und Davonfliegen.
Es ist manchmal nicht ganz leicht sich in die Bildsprache der Geschichte hineinzudenken. Darwins Hintergrund ist für mich leichter zu greifen als der von Yejide. Ihre Geister und all das Vergangene haben mich herausgefordert. Nichtsdestotrotz schafft es der Roman mit seiner einzigartigen Ästhetik und der lebendigen karibischen Kultur, die hier kritisiert, aber auch gefeiert wird, zu begeistern. In diesem Buch steckt so viel: Es war für mich ein Fenster in eine Kultur, die mir fremd ist, eine Art Coming off Age Roman, in dem ich mich zuhause fühle und eine Erzählung über die Liebe, in all ihren Facetten, die mich berührt hat. Die Autorin hat ein wunderbares und sonderbares Geflecht aus Gedanken zu einer außerordentlich lesenswerten Geschichte verwoben.

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Veröffentlicht am 09.07.2023

Summertime Sadness

22 Bahnen
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In den letzten Wochen habe ich kaum ein Buch so oft auf Instagram gesehen wie „22 Bahnen“ von Caroline Wahl. Und kaum ein anderes Buch hat mich beim Lesen je so sehr an meine Jugend erinnert. Was komplett ...

In den letzten Wochen habe ich kaum ein Buch so oft auf Instagram gesehen wie „22 Bahnen“ von Caroline Wahl. Und kaum ein anderes Buch hat mich beim Lesen je so sehr an meine Jugend erinnert. Was komplett irre ist, weil es in „22 Bahnen“ gar nicht um Jugendliche geht, und weil meine eigene Jugend nichts mit dem zu tun hatte, was Tilda und Ida mit ihrer alkoholkranken Mutter erleben. Im Buch geht es viel mehr um eine Jugend, die länger andauert, als sie eigentlich sollte, von der sich die Protagonistin nicht so recht lösen darf, die immer noch ihre langen Finger nach ihr ausstreckt und verhindert, dass sie erwachsen und frei sein kann. Zwischen den Zeilen konnte ich trotzdem irgendetwas lesen, das dem Gefühl entspricht, das ich mit diesen Jahren verbinde. Vielleicht liegt es in den kleinen, verspielten Details der Geschichte oder daran, dass die Autorin und ich in einem ähnlichen Alter sind und sie dadurch eine ähnliche Zeitrechnung aufmacht. Ich weiß es nicht. Generell ist „22 Bahnen“ ziemlich gut darin, Gefühle heraufzubeschwören, obwohl es ja eigentlich eine „Nicht-Liebesgeschichte“ ist. Das behauptet zumindest Tilda im Buch, ich sehe das anders. Mal angenommen, es handelt sich doch um eine Liebesgeschichte, gehört diese jedenfalls zu meiner liebsten Art an Liebesgeschichten: Voller Sommer und roher Melancholie. Ein bisschen wie ein Lana Del Rey Song auf Deutsch. Früher war ich sowieso der Meinung, dass der Sommer immer auch etwas Trauriges, zwischen drohendem Aufbruch und Vergänglichkeit, an sich hat.
Gewissermaßen war mir das Buch zu kurz, gewissermaßen ist es aber genau richtig lang. Wie ein Sommergewitter. Schnell vorbei, aber heftig. Alles ist danach nass. (Meine Augen auch.)
The hype is real, liebe Freunde und Freundinnen der Literatur.

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Veröffentlicht am 12.06.2023

Prophetisch

Blue Skies
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"Blue Skies" ist mein erste Buch von T.C. Boyle, wird aber wahrscheinlich nicht das letzte gewesen sein.

Inhalt:
Wir befinden uns in einer USA der möglicherweise gefährlich nahen Zukunft. Während die ...

"Blue Skies" ist mein erste Buch von T.C. Boyle, wird aber wahrscheinlich nicht das letzte gewesen sein.

Inhalt:
Wir befinden uns in einer USA der möglicherweise gefährlich nahen Zukunft. Während die Influencerin Cat in Florida unter Wassermassen versinkt, röstet der Rest ihrer Familie in der kalifornischen Hitze. Bruder Cooper bemüht sich um einen möglichst nachhaltigen Lebensstil, beschäftigt sich mit Insekten und glaubt an die drohende Apokalypse. Cat kauft sich in Florida eine Tigerpython, um ihre Social Media Accounts zu pushen, und wird von ihrem ständig abwesenden Verlobten ungewollt schwanger.

Meine Meinung:
Es ist erschreckend, wie realitätsnah die Bilder zu sein scheinen, die T.C. Boyle in seinem neuesten Roman zeichnet. Man kann eine Realität, wie die, die hier beschrieben wird, beinahe mit den Fingerspitzen spüren, und genau das macht sie du einer der unheilvollsten Dystopien, die ich bislang gelesen habe. In Kalifornien ist der Himmel jeden Tag stechend blau. Es ist so heiß, dass die Wälder in Flammen aufgehen.
Bei diesem Roman handelt es sich um eine Art prophetische Warnung und um eine bitterböse Kritik an den Oberflächlichkeiten der US-amerikanischen Gesellschaft. Der Text liest sich spannend, ein wenig bizarr, manchmal auch etwas vorhersehbar. Er verfehlt aber keineswegs seinen Zweck, den Leser wachzurütteln und für die Auswirkungen des Klimawandels zu sensibilisieren. Die stetige Konfrontation mit Katastrophen stellt die Protagonisten immer wieder vor große Herausforderungen. Trotzdem sind sie weiterhin in ihren Oberflächlichkeiten gefangen. Boyle behandelt zusätzlich auch Themen wie Konsumüberfluss oder Alkoholmissbrauch. Ihre eigene Ignoranz ist es, die Cat und die anderen nach und nach ins Unglück führt. Der Autor scheut sich hier nicht davor, extreme oder drastische Bilder zu wählen, um seinen Punkt deutlich zu machen. Das Buch ist tatsächlich wenig subtil. Es kommt mir beim Lesen so vor, als würde der Text sein Publikum beim Kragen packen wollen, um sie heftig durchzuschütteln.

Fazit:
"Blue Skies" ist ein erschreckendes wie faszinierendes Buch. Ich kann am Ende unmöglich behaupten, dass es mich "gut" unterhalten oder mit gefallen hat, dazu ist es zu böse. Es handelt sich trotzdem um gute, politische Gegenwartsliteratur, die im wahrsten Sinne des Wortes ins Wespennest sticht.

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Veröffentlicht am 12.06.2023

Zwischen Himmel und Verwirrung

Zwischen Himmel und Erde
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"Zwischen Himmel und Erde" ist ein moderner, gegenwartsliterarischer Roman einer jungen Autorin, die auf ungewöhnliche Stilmittel zurückgreift, um die Geschichte zweier Frauen zu erzählen. Melissa und ...

"Zwischen Himmel und Erde" ist ein moderner, gegenwartsliterarischer Roman einer jungen Autorin, die auf ungewöhnliche Stilmittel zurückgreift, um die Geschichte zweier Frauen zu erzählen. Melissa und Catarina lernen sich im Jahr 2016 in ihrer Londoner WG kennen. Beide haben sie brasilianische Wurzeln. Ihre jeweiligen Geschichten werden eng verbunden mit dem politischen und soziokulturellen Hintergrund in Brasilien und dem Vereinigten Königreich wiedergegeben. Das prägende Element dabei sind die diversen, teils ungewöhnlichen Erzähltechniken, die sich im Text abwechseln. Neben Passagen, in denen klassisch erzählt wird, findet man Lyrik-ähnliche oder Liedzeilen-artige Abschnitte, Sinneseindrücke, Stream of consciousness oder einzelne Ein-Wort-Zeilen. Das klingt faszinierend, ist es auch, verwirrt aber gleichermaßen ziemlich schnell, vor allem in Kombination mit den politischen Ideen und Informationen, die verarbeitet werden sollen. Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, auch wenn es mir nicht immer leicht gefallen ist. Es ist mutige, andersartige, junge, bunte Literatur. Die Covergestaltung der deutschen Ausgabe möchte ich außerdem hervorheben. Sie ist wirklich wunderschön, ebenso laut wie farbenfroh, und das spiegelt sich im Inhalt wieder. "Zwischen Himmel und Erde" ist ein Buch, das man als Leser*in mit allen Sinnen erfassen sollte. Das Zeit braucht, um sich zu entfalten, und das man nur schwer mit einer halben Gehirnhälfte wegsnacken kann. Es benötigt eine gewisse Konzentration und die Kapazität, sich mit dem Text auseinandersetzen zu wollen. Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, kann sich die Geschichte am besten entfalten.

Das Buch empfehle ich schon allein deswegen, weil es weibliche Stimmen in einem politischen Kontext zeigt und sich so sehr bemüht, eine andersartige Form des Ausdrucks in der Literatur zu finden. Manchmal ist es allerdings schwer dem Text zu folgen. Manche Aussagen werden von der laut schreienden Stilistik übertönt, bzw. der große Gesamtbild geht verloren. Das Zusammenspiel aus Form und Inhalt hätte etwas nuancierter sein können.

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