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Veröffentlicht am 13.04.2024

Vom Festhalten & Loslassen

Bis wir Wald werden
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Nanush ist um die 30 und lebt mit ihrer Urgroßmutter Babulja in einem Hochhaus. Nachdem die beiden Sibirien verlassen mussten und nach Deutschland kamen ist eben dieses Haus ihr Lebensmittelpunkt. Hier ...

Nanush ist um die 30 und lebt mit ihrer Urgroßmutter Babulja in einem Hochhaus. Nachdem die beiden Sibirien verlassen mussten und nach Deutschland kamen ist eben dieses Haus ihr Lebensmittelpunkt. Hier leben nicht nur, aber auch viele andere Menschen, welche als Spätaussiedlerinnen unter Altkanzler Helmut Kohl nach Deutschland geholt wurden. Obwohl weit weg, liegt in der Geschichte um die beiden Frauen eine diffuse Sehnsucht nach Sibirien. Immer wieder klopfen Erinnerungen an die damalige Vertreibung bei Babulja an, welche sie jedoch bis fast an ihr Lebensende immer wieder beiseite schiebt, auch wenn die Urenkelin von klein auf immer wieder nachfragt. Während Babulja zunehmend in ihrer ganz eigenen Welt aus einem baumartigen Hochhaus, dem angrenzenden Wald, den Tieren Bär, Fuchs und Reh lebt, geht Nanush täglich arbeiten im örtlichen Real an der Kasse. Ist sie glücklich? Vielleicht ja. Die Beziehung zwischen den beiden Frauen ist liebevoll, zärtlich und innig. Sie halten aneinander fest. Doch bald ist es an der Zeit, dass sie einander loslassen müssen.
Birgit Mattausch @frauauge erzählt in ihrem Roman "Bis wir Wald werden" auf fast schon märchenhafte Weise von einer bunten Hausgemeinschaft. Sie alle sind sehr verschieden, doch eint sie die Vertreibung. In Sibirien wurden sie Faschisten geschimpft und hier manchmal abfällig als Russen. Und führen ein Leben dazwischen. Schön bei der Autorinnen-Lesung im vergangenen November im Literarischen Zentrum Braunschweig hat mich die Geschichte in dem Roman berührt und fasziniert. Und auch in mir hat es Erinnerungen geweckt an die Kinder und Jugendlichen in meinem Heimatdorf, welche wie hier im Buch aus Spätaussiedler
innen-Familien stammen. Ich habe diese als herzliche und freundliche Menschen in Erinnerung. Wenn ich nach der Schule dort zu Gast war, gab es in den Küchen der Familien immer reichlich zu essen, es war sehr lebhaft und familiär. Vorurteile gegenüber diesen Menschen sind für mich bis heute nicht nachvollziehbar, da ich bisher nur positives erlebt habe.
Der Roman ist auf jeden Fall äußerst lesenswert. Und mit seinen knapp 177 Seiten schnell verschlungen.

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Veröffentlicht am 13.04.2024

Weil das Leben endlich ist

BYE
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"bye" von @laura.letschert & @julia.felicitas.allmann @palomaa_publishing hat mich definitiv überrascht. Nicht mit dem Erscheinen des Buches, sondern vielmehr mit seinem Inhalt. Denn ursprünglich hatte ...

"bye" von @laura.letschert & @julia.felicitas.allmann @palomaa_publishing hat mich definitiv überrascht. Nicht mit dem Erscheinen des Buches, sondern vielmehr mit seinem Inhalt. Denn ursprünglich hatte ich hier einen Ratgeber zur Trauerbewältigung erwartet. Aber es steckt sooo viel mehr drin! Die beiden Autorinnen haben mit 15 verschiedenen Menschen über Tod, Abschied und dem was bleibt gesprochen. Viele Geschichten haben mich sehr unterschiedlich abgeholt. Mit einer könnte ich gar nicht warm werden, einige waren echt heftig und wieder andere inspirierend. Es sind Geschichten, wie eine erneute Krebserkrankung dazu führt, das berufliche Leben umzukrempeln. Was es bedeutet, wenn das geliebt Kind nicht Mal die Grundschule beendet, weil es an einer schweren Krankheit sterben wird. Aber auch, wie ein Mann im besten Alter an einer todbringenden Diagnose die kleinen Dinge im Leben zu wertschätzen lernt. Dennoch sollten Menschen mit sensiblem Gemüt sich die Lektüre sehr gut überlegen, denn hier geht es auch um Suizidgedanken, Depression und weitere schwere Krankheiten. Trotzdem hat sich die Lektüre für mich sehr gelohnt und ich nehme vieles daraus mit. Ich fühle mich weiter darin bestärkt im "Jetzt" zu leben, Gefühle aller Art zulassen zu dürfen und mich an neues zu wagen. Das Leben ist endlich und das ist mir nun noch einmal bewusst geworden. Der Tod gehört auch dazu. Und ich finde es schade, dass es in meinem Umfeld so wenige Menschen gibt, mit denen ich offen darüber reden kann. All diesen Menschen und auch euch kann ich daher dieses wunderbare Buch nur ans Herz legen, es ist ein wahrhaftiger Türöffner.

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Veröffentlicht am 13.04.2024

Ein Kaleidoskop ostdeutscher Punk-Geschichte

Tanz den Kommunismus
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Was für ein Sound, was für Ansagen! 38 Punkbands, welche in der Illegalität aktiv der nunmehr ehemaligen DDR aktiv waren, portraitiert Henryk Gericke in seinem Buch "Tanz den Kommunismus - Punkrock DDR ...

Was für ein Sound, was für Ansagen! 38 Punkbands, welche in der Illegalität aktiv der nunmehr ehemaligen DDR aktiv waren, portraitiert Henryk Gericke in seinem Buch "Tanz den Kommunismus - Punkrock DDR 1980 bis 1989" @verbrecherverlag
Meine Erwartungen an das Buch wurden nicht enttäuscht. Der Autor erzählt unterhaltsam und wortgewandt wie Punks zwischen 1980 und 1989 u.a. in Ostberlin, Magdeburg, Halle und Rostock zusammenfanden um mit ihrer Musik ihre Unzufriedenheit mit dem Terrorstaat DDR Ausdruck zu verleihen. Doch die teils witzigen Bandnamen und Anekdoten konten mich nicht darüber wegtäuschen, wie hart die Stasi damals gegen diese jungen Menschen vorgegangen sind. Festnahmen durch die Volkspolizei, Inhaftierung in Zuchthäusern oder Dienst in der Volksarmee waren für die Punks keine Seltenheit. Zurück auf freien Fuß würde dann oftmals die nächste Punkband gegründet. Ein Katz- und Mausspiel. Doch auch Gewalt von beiden Seiten war oftmals Normalität. Zu guter Letzt gab es noch eine satte Playlist zum Download, ein echter Hörgenuß und Zeitreise zugleich.
Ein echtes Schmankerl, dieser Titel, für Musikbegeisterte und Solche, die sich für Subkulturen in der ehemaligen DDR interessieren. Lesen dringend empfohlen 🤗

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Veröffentlicht am 02.03.2024

Eine zarte aber auch eindringliche Stimme

Die lichten Sommer
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Ein selbstbestimmtes Leben, wahrgenommen und geliebt werden, danach sehnt sich die junge Liz. Doch in der Enge des Elternhauses findet Liz, eine fleißige und hilfsbereite Frau, nicht. Eine angebotene Ausbildungsstelle ...

Ein selbstbestimmtes Leben, wahrgenommen und geliebt werden, danach sehnt sich die junge Liz. Doch in der Enge des Elternhauses findet Liz, eine fleißige und hilfsbereite Frau, nicht. Eine angebotene Ausbildungsstelle kann sie nicht antreten, denn ihr Vater ist nicht einverstanden. Nun sucht Liz einen anderen Weg in ihre Freiheit.
Simone Kucher erzählt in ihrem Roman "Die lichten Sommer" @kjonaverlag einfühlsam und in leicht zugänglicher Sprache von der Tochter des aus der ehemaligen Tschechoslowakei vertriebenen Paares Nevenka & Arthur. Obwohl in Deutschland geboren ist Liz seit Kindesbeinen an für die Dorfgemeinschaft ein "Flüchtling aus der Barackensiedlung".
Niemand scheint Liz so zu sehen, wie sie wirklich ist. Gleichzeitig scheint sie nicht den Mut aufbringen zu können um für ihre Wünsche aufzubegehren, sich selbstbewusst zu offenbaren. Durchbrochen wird die Erzählung immer wieder von den Kindheitserinnerungen Nevenkas, ihrer innigen Freundschaft mit der klugen und aufgeweckten Zena, den 2. Weltkrieg mit seinen Gräueln, die Vertreibung aus der Heimat. Der Roman hat sich sehr kurzweilig gelesen. Es war ein Auf und Ab von helllichter Hoffnung und finsterer Enttäuschung. Hier und da wird von Gewalttaten erzählt, welche die Autorin jedoch andeutet anstatt diese unnötig detailliert zu schildern. Und doch konnte ich enorm viel zwischen den Zeilen lesen. Dies ist definitiv ein überaus lesenswertes Buch, welches Vertriebenen und ihren Nachfahren*innen eine zarte und auch eindringliche Stimme verleiht.

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Veröffentlicht am 02.03.2024

Für die Befreiung aus der Mannokratie

Anarchafeministisches Manifest
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In sehr schlanker Form kommt es daher, knapp 107 Seiten stark. In "Anarchafeministisches Manifest" übertragen aus dem Englischen von Marie Beckmann @maerzverlag analysiert Philosophin, Genderforscherin ...

In sehr schlanker Form kommt es daher, knapp 107 Seiten stark. In "Anarchafeministisches Manifest" übertragen aus dem Englischen von Marie Beckmann @maerzverlag analysiert Philosophin, Genderforscherin und Schriftsteller*in Chiara Bottici unsere Welt. Eine Welt welche aus dem Patriarchat entstanden ist und vorwiegend von Männern dominiert und bestimmt wird: eine Mannokratie.
Bottici kritisiert den Kapitalismus aufs Schärfste,,der traditionelle Feminismus ist ihrer Meinung nach nicht mehr zukunftsfähig, es braucht einen Umbruch jenseits der von Männern aufgebauten und geprägten Hierarchien: den Anarchafemismus. Das Büchlein umfasst 11 Kapitel. Diese sind knackig, pointiert und kämpferisch geschrieben. Stellenweise schwingt etwas religiöses mit. Ob es mit dieser Kampfschrift tatsächlich gelingen kann einen Umbruch zu erwirken? Ich schwanke zwischen Hoffnung und Utopie. Aber ich denke, der Versuch ist es wert. Meiner Meinung nach eine Pflichtlektüre, insbesondere an Menschen, welche sich mit Gleichberechtigung, Feminismus und Genderstudies beschäftigen.

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