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Veröffentlicht am 12.04.2024

800 Stufen für eine Leiche

Azzurro mortale
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„Die Großen lässt man laufen, und die Kleinen hängt man auf oder trampelt über ihre Gräber.“ (S. 181)
Eigentlich macht Commissario Vito Grassis gerade einen Ausflug mit seiner Frau und seinem erwachsenen ...

„Die Großen lässt man laufen, und die Kleinen hängt man auf oder trampelt über ihre Gräber.“ (S. 181)
Eigentlich macht Commissario Vito Grassis gerade einen Ausflug mit seiner Frau und seinem erwachsenen Sohn, die ihn endlich in Ligurien besuchen, doch als ihn seine Partnerin Ispettore Ricci anruft und eine im Hafenbecken von Corniglia treibende Leiche meldet, fährt er sofort dorthin. Nachdem sie den Toten endlich bergen konnten, wirft er gleich mehre Fragen auf. Er kann nicht identifizieren werden, ist an trockenem Ertrinken gestorben und hat kurz vor seinem Tod Austern, Hummer und Champagner zu sich genommen, obwohl er nicht so aussieht, als könnte er sich solche Mahlzeiten leisten. Grassi ist sich sicher, dass er ermordet wurde. Aber erst als ihn ein Rechtsanwalt informiert, dass eine anonym bleiben wollende Mandantin den Toten kannte, kommt Bewegung in den Fall. Sie hatte ihn vor 4 Jahren das letzte Mal beim Einsturz der Morandi-Brücke gesehen und dachte, er sei damals wie so viele andere gestorben. Um herauszubekommen, wer ihn jetzt warum ermordet hat, müssen Grassi und Ricci ermitteln, was der Tote seitdem gemacht hat.

Andrea Bonetto baut bei Vito Grassis zweitem Fall auf einen realen Hintergrund. Die Morandi-Brücke verband den Ost- und Westteil von Genua und stürzte am 14.8.2018 aufgrund längst bekannter und nie behobener Baumängel ein, wobei 43 Menschen starben. Die Verbindung des realen Unglücksfalls mit einem zwar konstruierten, aber sehr spannenden Kriminalfall ist dem Autor ausgesprochen gut gelungen. Grassi und Ricci ermitteln im Umfeld großer Baufirmen, die mit der Mafia in Verbindung gebracht werden.

Der Krimi lebt auch vom Zwischenmenschlichen. Grassis Frau hatte erwartet, dass er in Ligurien nur den Tod seines Vaters verarbeitet und danach zu ihr nach Rom zurückkehrt, doch es gefällt ihm hier viel zu gut, die Arbeit und das Leben sind viel entspannter. Außerdem stößt ihr auf, dass er in der von seinem Vater „geerbten“ Untermieterin Toni eine sehr gute Freundin gefunden hat und sie weiterhin bei sich wohnen lässt. Ist da etwa mehr zwischen ihnen? Das wissen auch Grassi und Toni nicht immer so genau …

Wie schon der erste Band hat mich dieser wieder mit seinen Beschreibungen von Land, Leuten und kulinarischen Genüssen begeistert (es ist sogar ein Rezept für Testaroli, die älteste Pasta Italiens drin). Da bekommt man glatt Lust auf einen Urlaub in Ligurien, nur bitte ohne Mord.

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Veröffentlicht am 10.04.2024

Ein Leben für den Genuss

Mademoiselle Marthe und die Küche der Freiheit
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„Ein Menü sollte wie eine gut erzählte Geschichte sein. Es gibt ein Vorwort, das neugierig machen soll, hungrig auf das, was noch kommt. Und dann soll sich der Geschmack steigern, bis zum Hauptgang. Der ...

„Ein Menü sollte wie eine gut erzählte Geschichte sein. Es gibt ein Vorwort, das neugierig machen soll, hungrig auf das, was noch kommt. Und dann soll sich der Geschmack steigern, bis zum Hauptgang. Der Käsegang und der Nachtisch sind dann das sachte Ende der Geschichte – ein hoffnungsvoller Ausgang, der uns mit Wohlgefühl zurücklassen sollte.“ (S. 121)
Frankreich, 1887: Seit dem Tod ihres Vaters lebt Marthe mit ihre Mutter Julie bei ihrer Großmutter in den Vogesen. Sie führen ein sehr ursprüngliches Leben auf einem kleinen Hof, wo fast alles selbst erwirtschaftet und angebaut wird. Der Alltag und das Essen orientieren sich streng an der Natur und den Jahreszeiten. Es gibt Obst und Gemüse aus dem Garten. Die Milch für den täglichen Bedarf sowie für Butter und Käse kommt von der eigenen Kuh, die Eier von den Hühnern. Die Küchenabfälle werden an ein Schwein verfüttert, das im Herbst geschlachtet wird. Das Brot wird selber gebacken, den Sauerteig dafür pflegt Grand-mère schon ihr ganzes Leben, genau wie die Suppe immer auf der Kochstelle simmert, in die alle verwertbaren Gemüse- und Fleischreste kommen und die dadurch jeden Tag anders schmeckt, obwohl sie den gleichen Grundstock hat. Marthe lernt von ihr, wie man mit Rohstoffen und Lebensmittel umgeht, Vorräte anlegt, haltbar macht – und schreibt sich alles auf. Denn schon da steht für sie fest, dass sie später vom Schreiben leben und Journalistin zu werden will.
Weil Marthe das Lyzeum besuchen und studieren soll, nimmt Julie eine Stelle als Köchin in einem großbürgerlichen Pariser Haushalt an. Dort wird Marthe bewusst, dass ihre Mutter eine Sonderstellung einnimmt. Die meisten Köche sind Männer, da Köchinnen nur auf dem Land ausgebildet, gebraucht und akzeptiert werden.
Sie freundet sich mit Florence, der gleichaltrigen Tochter der Familie an, die auch das Lyzeum besucht und studiert, aber keinen Plan für ihr Leben hat, da sie ja nie arbeiten werden muss, sondern heiraten soll.

„Du stehst zwischen den Welten, zwischen Personal und Herrschaft. Solche wie dich muss es noch mehr geben. Wir müssen die Grenzen aufreißen.“ (S. 21)
Marthe und Florence stehen für eine neue Generation Frauen, die unabhängig von ihren Familien etwas Eigenes erreichen wollen und über die ihnen eigentlich zugedachten Grenzen hinausgehen. Ihre Freundschaft ist trotz aller Unterschiede eine Beziehung auf Augenhöhe.

Ich hatte bisher weder von Marthe Distel gehört, der Journalistin und Gründerin der Kochschule Le Cordon Bleu, noch ihrem Vorbild, Auguste Escoffier, der die Küche und Ausbildung der Köche revolutioniert hat. Die Autorin hat es geschafft, mir ein sehr lebendiges Bild von ihnen, ihrem Leben und ihrer Arbeitsweise zu vermitteln.

„Essen ist mehr als nur Nahrung. Mahlzeiten sind Gefühle … Essen ist mehr als nur satt werden.“ (S. 21) Da ich selber leidenschaftlich gern koche und backe, hat mich diese Buch fasziniert. Ulrike Renk hat es wie ein 5-Gänge-Menü aufgebaut und schreibt mit viel Herzblut über die verschiedenen Zubereitungsarten, verwendeten Produkte und Gerichte. Man liest in jeder Zeile ihre eigene Begeisterung für diese Thema. Gleichzeitig ist es ein richtig toller Schmöker, der die Unterschiede zwischen dem Stadt- und Landleben und den gesellschaftlichen Schichten zeigt und wie diese sich zu dieser Zeit langsam auflösten bzw. vermischten.

5 Sterne für dieses Lesehighlight.

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Veröffentlicht am 09.04.2024

Mischung aus Künstlerroman und Cosycrime

Mademoiselle Coco und die Entführung des Picasso
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„Ein Diebstahl und ein Mord, ein Diebstahl und eine Entführung.“ (S. 175)
Paris, Frühling 1916: Erst verschwindet Geld aus der Kasse von Coco Chanel Hut-Atelier, dann liegt ein Toter im Hinterhof: Monsieur ...

„Ein Diebstahl und ein Mord, ein Diebstahl und eine Entführung.“ (S. 175)
Paris, Frühling 1916: Erst verschwindet Geld aus der Kasse von Coco Chanel Hut-Atelier, dann liegt ein Toter im Hinterhof: Monsieur André Grosjean ist ein gutsituierter Geschäftsmann und der Sohn einer ihrer besten Kundinnen. Warum wurde er ausgerechnet hinter ihrem Laden erschlagen? Weil der ermittelnde Kommissar leider auch Coco verdächtigt, bleibt ihr nichts anderes übrig, als selber nachzuforschen. Zumal ihr Freund Arthur Chapel, genannt Boy, Angst hat, dass vielleicht er das eigentliche Ziel des Anschlages war.

Michelle Marly (Micaela Jary) entführt uns in ein frühlingshaftes Paris, das durch den 1. Weltkrieg geprägt ist. Viele Männer haben sich freiwillig an die Front gemeldet, viele Frauen leisten karitative Arbeit. Auch in den Künstlerkreise, mit denen Boy sie bekannt gemacht hat, gehört es zum guten Ton, sich zu engagieren. Doch Coco konzentriert sich ganz auf ihre Karriere. In Paris ist sie bisher zwar nur für ihre Hüte bekannt, aber in den Urlaubsorten fällt sie durch die dort zusätzlich angebotene Freizeitmode auf, die die Frauen weniger einengt und ihnen mehr (Bewegungs-) Freiheit lässt. Diese will sie jetzt auch in der Hauptstadt verkaufen, da im Krieg andere Ansprüche an Kleider und Materialien gestellt werden. Außerdem sorgt sie sich um Boy. Der wurde gerade befördert, verrät aber kaum etwas über sein neues Tätigkeitsfeld – ist er etwa ein Spion?

Coco Chanel wird als unkomplizierte und unangepasste Frau mit fragwürdiger Vergangenheit dargestellt, an der sich vor allem Kommissar Hollande aufreibt, was zu einigen amüsanten Situation führt. Bezüglich des gestohlenen Geldes hat sie schnell einen Verdacht, aber wie passt der mit dem Mord zusammen? Dann erfährt sie, dass ihre Verdächtige Modell für diverse Künstler sitzt, u.a. für Picasso. Über dessen Namen stolpert sie auch im Elternhaus des Ermordeten und den Salons verschiedener Damen – überall wird über ihn geredet, weil er eine persönliche Krise durchmacht und alle daran teilhaben lässt. Als dann auch noch in einige Einbrüche passieren und eine befreundete Künstlerin verschwindet, wird es brenzlig für Coco Chanel …

Eins vorweg, wer hier einen harten Krimi erwartet, wird enttäuscht. Michelle Marly schreibt mit sehr viel Atmosphäre und lässt viele berühmte Namen in ihre Handlung einfließen, sodass man ein gutes Bild der Pariser Kunst- und Kulturszene zu dieser Zeit bekommt. Und auch wenn Picassos Gejammere und die beschriebene Entführung auf wahren Begebenheiten beruhen, ist der Mord doch ihrer Fantasie entsprungen.
Ein besonderer Clou ist übrigens das Cover, das an das berühmte Hahnentrittmuster der Chanelkostüme erinnert.

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Veröffentlicht am 06.04.2024

Hat das Zeug zum neuen Lieblingskochbuch

Mediterran Express
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Das neue Kochbuch von Ali Güngörmüs hat mich erwartet, als ich von der Leipziger Buchmesse nach Hause gekommen bin. Und da man sich nach hektischen 4 Tagen auf ein selbstgekochtes Essen freut, durfte „Mediterran ...

Das neue Kochbuch von Ali Güngörmüs hat mich erwartet, als ich von der Leipziger Buchmesse nach Hause gekommen bin. Und da man sich nach hektischen 4 Tagen auf ein selbstgekochtes Essen freut, durfte „Mediterran Express“ gleich mal beweisen, ob es halten kann, was es verspricht: Über 80 Rezepte – In nur 30 Minuten – Mit 5 bis 7 frischen Zutaten.

Nach einem kurzen Blick in den Vorratsschrank fiel meine Wahl auf die „Maccheroni mit Thunfischcreme und (frittierten) Kapern“, da ich dafür alles im Haus hatte. Und was soll ich sagen, das Rezept hat uns sofort überzeugt. Danach haben wir uns systematisch durch das Kochbuch gearbeitet. Auch die „Ofenkarotten mit Orangenjoghurt“ (die ich mit Bulgur ergänzt habe), die „geräucherte Paprikasuppe mit Walnüssen“, die Burger mit „Veggie-Patties mit Kichererbsen und Grillpaprika“, die „gestürzte Spaghetti-Pfanne mit Mortadella“ oder die „Hähnchengrillspieße mit Chermoula“ sind Gerichte, die wir definitiv wieder machen werden.

Bei diesem Kochbuch ist der Name Programm. Ich habe für keines der Gerichte mehr als 7 frische Zutaten zukaufen müssen (meist waren es nur 1-2), da ich den Rest im Vorratsschrank hatte. Und auch die Zubereitungszeiten haben hervorragend funktioniert. Besonders gefällt mir, dass so viele vegetarische Rezepte dabei sind. Zudem sind sie einfach und leicht verständlich und damit auch für Anfänger geeignet – oder wie mein Mann sagen würde, damit traut sogar er sich das Kochen zu …

Die Rezepte sind in „Vorspeisen & kleine Gerichte“, „Suppen“, „Hauptgerichte vegetarisch“, „Hauptgerichte mit Fleisch“, „Hauptgerichte mit Fisch und Meeresfrüchten“ sowie „Desserts“ gegliedert und werden durch „Apéro Orientale“ (Häppchen wie aus 1101 Nacht) ergänzt. Zusätzlich gibt Ali Güngörmüs noch Tipps, was alles in den Vorratsschrank gehört, erklärt Wissenswertes zu Kräutern und Gewürzen oder wie man gewisse Basics selber auf Vorrat macht und gibt eine kleine Warenkunde zu Zitrusfrüchten, Oliven(-Öl), mediterranen Käsesorten und herzhaften bzw. süßen Zutaten.

„Mediterran Express“ ist definitiv ein Kochbuchhighlight und Ali Güngörmüs Rezepte haben ab jetzt einen festen Platz in unserer Küche.

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Veröffentlicht am 04.04.2024

Der Saubermann

Die Hausboot-Detektei - Tödlicher Stoff
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„Hinter jedem großen Vermögen steht ein großes Verbrechen.“ (S. 24)
Weil Arie wegen seiner Diät Hunger hat, geht er zu nachtschlafender Zeit spazieren und sieht, wie der vermögende Unternehmer Willem Bot ...

„Hinter jedem großen Vermögen steht ein großes Verbrechen.“ (S. 24)
Weil Arie wegen seiner Diät Hunger hat, geht er zu nachtschlafender Zeit spazieren und sieht, wie der vermögende Unternehmer Willem Bot glücklich vor ein Müllauto tanzt und überfahren wird. Der Zufall will, dass dessen Tochter Wiebke ausgerechnet die Hausbootdetektive mit der Aufklärung der Todesumstände beauftragt. Denn obwohl der ein strikter Drogengegner war, wurde in seinem Blut LSD gefunden. Wiebke ist überzeugt, dass ihm das als „Mordwaffe“ untergeschoben wurde, auch wenn man damit natürlich nicht gezielt töten kann.
Da der Saubermann angeblich keine Feinde und Freunde bis in die höchsten Kreise hatte, durchleuchten die Hausbootdetektive seine Geschäftsbeziehungen. Dabei stoßen sie auf drei Namen: Mike, zu dem sie nicht mal einen Nachnamen finden, Bengt Bjerker, ein bekannter schwedischer Designer, und Kaatje Hommel, die schon über 80 ist und ihre Rente mit dem Stricken von Mützen für Bengt aufbessert. Das irritiert die Detektive am meisten, denn die Mützen tauchen zwar in den Büchern, aber nicht in Bengts Kollektionen auf. Trotzdem tappen sie bei der Suche nach dem Motiv und Täter lange im Dunkeln.

„Tödlicher Stoff“ ist schon der dritte Band der Reihe. Um die Personen und alle Zusammenhänge zu verstehen, sollte man die Vorgänger gelesen haben. Wie diese lebt auch der neueste Teil vor allem von den verschrobenen Ermittlern und ihrer tierischen Unterstützung. Arie will dringend abnehmen, hält aber weder eine Diät noch Sport durch und wird immer unleidlicher, Maddie sorgt sich um ihre Schwester Isa, die ihren Job im Inklusionscafé hingeschmissen hat und endlich als Designerin durchstarten will (dabei allerdings das Prinzip des Geldverdienens nicht versteht) und Jack wird langsam unruhig und will weiterziehen. Dafür kommt Elin endlich aus Panama zurück. Bei den ganzen privaten Probleme, die zugegebenermaßen auch sehr unterhaltsam sind, hatte man manchmal das Gefühl, dass die Ermittlungen etwas zu kurz kommen.

Amy Acherop erzählt die Geschichte aus zwei Sichtwinkeln, dem der Detektive und dem von Willem Angestellten, der mit viel Liebe und Hingabe einen Gnadenhof leitet (und im Nebenberuf Profikiller ist).
Mir mag die Doppeldeutigkeit des Titels, da der Tote einige illegale Geschäfte am Laufen hatte und sowohl mit besonders seltenen Stoffen als auch Drogen handelte.

Mein Fazit: Etwas brutaler als seine Vorgänger, ich hätte mir mehr Spannung und Tempo gewünscht.

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