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Veröffentlicht am 01.10.2019

Die Satteltaschenbibliothek

Wie ein Leuchten in tiefer Nacht
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Kentucky 1937: Alice ist Engländerin und hat ihren Mann Bennett van Cleve während dessen Europareise kennengelernt. Er sieht sehr gut aus und war der Erste, der ihr den Hof gemacht hat, also hat sie ihn ...

Kentucky 1937: Alice ist Engländerin und hat ihren Mann Bennett van Cleve während dessen Europareise kennengelernt. Er sieht sehr gut aus und war der Erste, der ihr den Hof gemacht hat, also hat sie ihn vor seiner Heimreise geheiratet. Doch die Flitterwochen sind schnell vorbei und die Realität ist hart. Statt in New York wohnen sie in einer Kleinstad mitten in den Bergen von Kentucky. Sie haben kein eigenes Haus sondern nur ein Zimmer im Haus ihres Schwiegervaters, der über jeden Lebensbereich bestimmt. „Sie hatte, wie ihr schnell bewusste wurde, nur ein häusliches Gefängnis gegen ein anderes getauscht.“ (S. 31)

Der Landstrich ist weit und wer nicht in der Mine der van Cleves arbeitet, lebt abgeschieden auf einer Farm. Um alle Bewohner mit Büchern versorgen zu können, wird eine mobile Bibliothek nach dem Vorbild von Elena Roosevelt gegründet wird. Die Frauen tragen die Bücher zu Pferd breit. Da Alice seit ihrem vierten Lebensjahre reitet und dem Haus der van Cleves wenigstens für einige Stunden am Tag entkommen will, meldet sie sich gegen den Willen ihres Schwiegervaters freiwillig.
Insgesamt sind sie vier Satteltaschenbibliothekarinnen. Margery fasziniert Alice sofort, da sie sich wie ein Mann benimmt und in ihrer Freiheit nicht einschränken lässt. Sie will sich nie wieder jemandem unterordnen müssen und darum unverheiratet bleiben. Durch sie lernt Alice das Land kennen, in dem sie jetzt lebt, seine Bewohner und seine Geschichte(n).
Izzy leidet an Kinderlähmung und kann kaum laufen, aber reiten. Obwohl sie sich gegen diese Tätigkeit sträubt und von ihrer Mutter dazu gezwungen werden muss, liebt sie es bald. Sie wird endlich gebraucht und geachtet und niemand hänselt sie mehr wegen ihrer Behinderung.
Betty entflieht mit dieser Arbeit dem Schicksal, ihrem Vater und den Brüdern den Haushalt führen zu müssen. Aber eigentlich träumt sie davon, die Welt zu bereisen.
Schnell ist es für die Frauen nicht nur ein Job – sie werden echte Freundinnen, halten immer zusammen und erleben auf den Pferderücken eine ungeahnte Freiheit. „Ich fühle mich dort oben einfach ... mehr wie ich selbst.“ „Dort draußen sein, das tut der Seele gut.“ (S. 87)

Jojo Moyes schildert in ihrem neuen Buch das harte Leben der einfachen Leute in der Weite Kentuckys, der Minenarbeiter und deren Familien. Oft regieren Alkohol und Gewalt – auch gegen Frauen und Kinder. Die Bibliothekarinnen beweisen bei ihrer Arbeit Leidenschaft, Mut, Hingabe und Aufopferung und bringen den Menschen nicht nur Literatur, sondern damit auch Bildung und Hoffnung. Leider werden sie bald von Männern angefeindet und angegriffen. Angeblich verhalten sie sich unweiblich und halten die Ehefrauen und Töchter von der Hausarbeit ab, verbreiten obszöne Schriften und wiegeln die Farmer zum Widerstand gegen die Minenbesitzer auf.

„Wie ein Leuchten in dunkler Nacht“ ist traurig, erschütternd und unglaublich berührend. Es erinnert uns, was Freundschaft, Liebe und Zusammenhalt bewirken können und dass man nie den Mut verlieren darf. „Es hat keinen Zweck, sich darum Sorgen zu machen, was man in der Stadt über sie denkt – daran können Sie ohnehin nichts ändern. Aber wenn sie den Blick nach vorn richten, gibt es eine ganze Welt voller Schönheit zu sehen.“ (S. 61)
Es ist ein großartiges, sehr emotionales Buch und berichtet vom Kampf der Frauen um Selbstbestimmung und gegen Vorurteile, Männer und Naturgewalten.

Veröffentlicht am 30.09.2019

Weihnachtswunder

Omas Inselweihnacht
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Herbststürme jagen ums Haus und Weihnachten rückt langsam näher. Da kann man schon mal den ersten Weihnachtsroman lesen – zumal, wenn er am Meer spielt.

„Obwohl Heiligabend in ihrem Haus also ein Garant ...

Herbststürme jagen ums Haus und Weihnachten rückt langsam näher. Da kann man schon mal den ersten Weihnachtsroman lesen – zumal, wenn er am Meer spielt.

„Obwohl Heiligabend in ihrem Haus also ein Garant für Streit war, gab Imke die Hoffnung nicht auf. Diese Jahr sollte alles anders werden.“ (S. 18)
Oma Imke freut sich auf das Fest mit der ganzen Familie, hat tolle Geschenke für alle besorgt und einen Plan: Dieses Jahr wird nicht gestritten, sondern getanzt! Doch dann erfährt sie, dass ihr Sohn lieber mit seiner neuen Freundin im Golfclub feiern will und ihre Tochter mit Familie eine Last-Minute-Reise gebucht hat. Wird sie Heiligabend etwa allein verbringen?

Imkes Weihnachtskekse, etwas zu viel Lametta, Weihnachtslieder und sehr viel Schnee bilden die perfekte Kulisse für „Omas Inselweihnacht“ von Janne Mommsen.
Imke ist eine herrlich unangepasste Siebzigjährige, die ihr Leben und ihre Familie meist fest im Griff hat. Kurzweilig und amüsant wird erzählt, wie sie die auftretenden Probleme mit der lieben Verwandtschaft auf ihre ganz eigene Art löst und schon mal Zuflucht in der Ü30-Inseldisko sucht, wenn ihr alles zu viel wird.

Mein Fazit: Janne Mommsens Buch macht Lust auf Weihnachten auf der Insel Föhr – ob nun mit oder ohne nervige Familie.

Veröffentlicht am 28.09.2019

Saras Erbe

Die kleine Buchhandlung am Ufer der Themse
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„Zu arbeiten war ihre Methode, zu vergessen, und nachdem sie endlich wieder die Kontrolle über ihr Leben zurückgewonnen hatte, dachte sie nicht daran, sie so ohne weiteres wieder abzugeben.“ (S. 20) Charlotte ...

„Zu arbeiten war ihre Methode, zu vergessen, und nachdem sie endlich wieder die Kontrolle über ihr Leben zurückgewonnen hatte, dachte sie nicht daran, sie so ohne weiteres wieder abzugeben.“ (S. 20) Charlotte kämpft immer noch mit dem viel zu frühen Unfalltod ihres Mannes. Ihnen war nicht viel Zeit zusammen vergönnt, Zeit, die sie in die gemeinsame Firma gesteckt hatten, anstatt eine Familie zu gründen.

Martinique vermisst ihre vor kurzem verstorbene Freundin Sara. Bis deren Nichte Charlotte ihr Erbe antritt, führt sie Saras Buchladen weiter. Doch der Umsatz ist rückläufig und Charlotte mit dem Erbe überfordert. Sie wusste nicht mal, dass sie eine Tante hat und versteht nichts vom Buchhandel. Martinique hat Angst, dass Charlotte das Haus inkl. Laden einfach verkauft. „Diese Buchhandlung war Saras Erbe. ... Wenn er verschwand, würde sich auch das Letzte, was von ihr blieb, im Nichts auflösen, und Martinique würde es nicht ertragen, ihre Freundin auf diese Weise noch ein weiteres Mal zu verlieren.“ (S. 85)

„Die kleine Buchhandlung am Ufer der Themse“ ist ein echter Pageturner. Ich bin durch die über 500 Seiten nur so geflogen. Charlottes Geschichte, vor allem aber die ihrer Mutter Kristina und ihrer Tante Sara von vor 30 Jahren, hat mich gefesselt. Geschickt wechselt die Autorin Frida Skybäck zwischen beiden Zeitebenen.

Charlotte findet alte Fotos, Briefe und Bücher mit Widmungen und kommt so ihre Mutter und Tante, aber auch dem Geheimnis ihrer eigenen Vergangenheit immer näher. Zudem stellt sie fest, dass ihr die Anonymität in London gut tut. Niemand weiß, dass sie Witwe ist und bedauert sie. Sie verliebt sich in ihren Buchladen und die Stadt und beginnt, sich heimisch zu fühlen. Doch um bleiben zu können, muss die Buchhandlung wieder Gewinne machen, neue Ideen sind gefragt.
Martinique ist ihr von Beginn an eine große Hilfe. Sie hat viele Jahre für Sara gearbeitet und kennt den Laden wie ihre Westentasche. Ihr einziger „Fehler“ ist ihre große Hilfsbereitschaft, die gern von anderen ausgenutzt wird. Dank Charlotte lernt sie sich selbst zu behaupten und auch mal „Nein“ zu sagen. Mir war der Erzählstrang um sie an einigen Stellen etwas zu ausführlich.
Mit Charlottes zweiter Mitarbeiterin Sam hatte ich zu Beginn so meine Probleme. Sie ist oft schnippisch und feindselig, hat sich ihre Meinung über Charlotte schon gebildet, bevor sie diese näher kennenlernt. Zum Glück hat sich ihr Verhalten im Laufe des Buches geändert.
Mein heimlicher Liebling ist Kater Tennyson, ein absoluter Herzensbrecher und das Maskottchen der Buchhandlung.
Auch der Buchladen selbst hat es mir angetan. Er ist schon über 100 Jahre alt und sehr liebevoll und gemütlich eingerichtet. So wie die Autorin ihn beschreibt, wäre ich dort gern mal zu Gast.

Mein Fazit: Trotz kleiner Längen ein echtes Wohlfühlbuch und Must-Reed für alle Bibliophilen.

Veröffentlicht am 27.09.2019

Die große Abschiedsshow

Sorge dich nicht, stirb!
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Noch 24 Tage bis zu Kommissar Henning Bröhmanns 50. Geburtstag, noch 23 bis zur großen Party, schließlich will er ganz cool reinfeiern. „Ich bin wieder zurück. Nicht nur in Bad Salzhausen, sondern auch ...

Noch 24 Tage bis zu Kommissar Henning Bröhmanns 50. Geburtstag, noch 23 bis zur großen Party, schließlich will er ganz cool reinfeiern. „Ich bin wieder zurück. Nicht nur in Bad Salzhausen, sondern auch bei der Polizei.“ (S. 11) Ja, Bröhmann ist wieder im Dienst und motivierter als je zuvor. Darum reißt er auch den Todesfall im Coaching- und Beratungs-Institut an sich. Einer der Besitzer treibt tot im Pool, Fremdeinwirkung nicht ausgeschlossen. Henning stürzt sich voller Elan und im Alleingang in die Ermittlungen, sein Chef ist nicht begeistert. Doch er will Daria, eine junge Trainerin des Instituts, unbedingt beeindrucken – schließlich findet die ihn „interessant“, hört ihm zu und gibt ihm Tipps, sich zu optimieren. Dass sie ihm nur teure Kurse verkaufen will, wie ihm seine Frau auf den Kopf zusagt, will er nicht wahrhaben. „Nur weil ich ein paar ... Ansätze dieser Leute ganz interessant finde, verliere ich doch nicht gleich die Distanz.“ (S. 147)

Dietrich Faber hat mit „Sorge dich nicht, stirb!“ einen würdigen Abschluss der Reihe um den (Ex-)Kommissar Henning Bröhmann geschafft. Der 50. Geburtstag seines Protagonisten ist die perfekte Bühne, um noch mal alle wichtigen Personen auftreten zu lassen – bei Manni und Hessi im wahrsten Sinne des Wortes.
Es hat mir unglaublichen Spaß gemacht zu lesen, wie Henning den Fall immer mehr aus den Augen verliert und dafür Schnupperstunden im Institut belegt, weil Daria ihn manipuliert. Dafür sehe ich Dietrich Faber auch nach, dass der Kriminalfall an sich etwas wenig Raum einnimmt und die Spannung erst zum Ende aufkommt.

Fabers Humor ist genau meine Kragenweite. Die Geburtstagsparty und alles, was dabei anders läuft als geplant hat man garantiert schon mal so oder ähnlich erlebt, da bleibt kaum ein Auge trocken. „Soll man zu einem runden Geburtstag nur die Leute einladen, die man mag, oder auch die Verwandtschaft?“ (S. 6)
Zudem nimmt er sich am Ende des Buches als Autor auch selbst auf die Schippe.

Mein Fazit: Manipulativ, lustig, traurig – der perfekte Abschied.

Veröffentlicht am 25.09.2019

Gute Plot-Idee, aber die Umsetzung ist für mich nicht gelungen

Das geteilte Herz
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Ostberlin 1988: Es ist Liebe auf den ersten Blick, als sich Barbara und Ullrich in der Silvesternacht auf einer Party kennenlernen. Trotz einiger Widrigkeiten finden sie zusammen und planen eine gemeinsame ...

Ostberlin 1988: Es ist Liebe auf den ersten Blick, als sich Barbara und Ullrich in der Silvesternacht auf einer Party kennenlernen. Trotz einiger Widrigkeiten finden sie zusammen und planen eine gemeinsame Zukunft. Doch dann reist Ullrich nach Heidelberg zu einem Kongress und kommt nicht wieder. Hat er wirklich Republikflucht begangen? Barbara kann das einfach nicht glauben, ihn nicht vergessen. Aber ihr Leben muss weitergehen. Inzwischen spitzt sich auch die politische Lage in der DDR immer mehr zu ...

Leider konnte mich „Das geteilte Herz“ von Birgit Schönthal nicht wirklich erreichen. Ich dachte die Geschichte geht tiefer, berührt mich stärker. Für mich ist weder eine richtige Liebesgeschichte (obwohl es am Anfang schon sehr rührselig war), noch ein historischer Roman. Im ersten Teil des Buches geht es nur darum, ob und wie sie sich endlich bekommen und im zweiten Teil, dass sie ihn nach seinem Verschwinden einfach nicht vergessen kann. Zudem ist die politische Entwicklung zwar für das Ende der Geschichte wichtig, aber die Vorfälle waren mir zum Teil zu hölzern in die Handlung eingebunden. Dabei hat der Plot echt Potential.
Barbara ist eine junge Lehrerin aus der Nähe von Ostberlin. Sie ist nicht immer glücklich mit den Zuständen in der DDR, aber sie will sie nicht verlassen, sondern durch Reformen verändern. Das bringt sie auch ihren Schülern nahe. Ihre Freunde denken wie sie, engagieren sich in der Kirche, später im neuen Forum.
Durch Ullrichs Fluch gerät Barbara ins Visier der Stasi. Nur weil der Vater ihres besten Freundes zur Regierung gehört und die Hand schützend über sie hält, wird sie nicht verhaftet und eingesperrt. Ullrichs Verschwinden setzt eine Lawine in Gang, an deren Ende Barbara ihre Geschichte, ihre Herkunft und Vergangenheit neu schreiben muss – darüber hätte ich gern mehr gelesen.
Ihr bester Freund ist übrigens schwul und unterhält eine Beziehung mit einem Mann aus Westberlin, die sie verheimlichen müssen. Der Erzählstrang hat mir sehr gut gefallen, hier wurden echte Gefühle und Leidenschaften transportiert, hier konnte ich mitfühlen und bangen.

Ich bin selber in der DDR aufgewachsen und habe einige Situationen wiedererkannt. Trotzdem merkt man dem Buch an, dass die Autorin die Dinge aus Sicht der anderen Seite der Mauer erzählt. Sie beschreibt Alltäglichkeiten aus dem Leben in der DDR, die ich aus eigener Erfahrung und eigenem Erleben so nicht bestätigen kann.

Mein Fazit: Ich finde die Idee für den Plot gut, aber die Umsetzung ist für mich nicht gelungen. Liebe ja, DDR-Feeling nein.