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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.06.2020

Gelungener Spagat zwischen Historie und Fiktion

Unter den Linden 6
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Es empfiehlt sich sehr, das Nachwort der Autorin vorab zu lesen. Denn erst dann versteht man die eigentliche Leistung von Ann-Sophie Kaiser, in einem Spagat zwischen historischer Korrektheit, romanhafter ...


Es empfiehlt sich sehr, das Nachwort der Autorin vorab zu lesen. Denn erst dann versteht man die eigentliche Leistung von Ann-Sophie Kaiser, in einem Spagat zwischen historischer Korrektheit, romanhafter Fantasie und sehr viel Fachwissen und Recherchearbeit ein Buch entstehen zu lassen, das gleichermaßen unterhaltsam und informativ ist.

Drei Frauen begegnen sich im Berlin der Jahrhundertwende. Lise (Meitner) will an der Universität bei Max Planck weiter forschen. Hedwig erreicht mit einer Unterschriftenfälschung die Möglichkeit, die Universität zu besuchen. Anni, das Dienstmädchen, liest sich heimlich durch das Bücherregal ihres Dienstherren. Alle drei Frauen, so unterschiedlich sie auch sind, finden eng zusammen im Kampf um ihr ureigenstes Recht auf Wissen und Bildung.

Lise Meitner, die bekannte Physikerin, wurde zwar die erste deutsche Physik-Professorin und entdeckte die Kernspaltung, dennoch blieben ihr die ihr eigentlich zustehenden Würdigungen verwehrt. Sie ist die historische Person in dem Roman. Hedwig, verheiratete Fabrikantentochter, und Anni, das Dienstmädchen, sind fiktive Figuren. Drei Gesellschaftsschichten, drei Einzelschicksale, drei Frauen, denen allen in einer von Männern beherrschten Welt auf unterschiedliche Weise, aber dennoch einschneidend Diskriminierung und mangelnde Wertschätzung widerfährt und die Zusammenhalt darin finden, für die Rechte der Frauen zu kämpfen, insbesondere für das Recht der Frauen auf Bildung. Der Autorin ist es sehr gut gelungen, die Persönlichkeiten der drei Frauen differenziert und psychologisch nachvollziehbar darzustellen. Atmosphärisch dicht erlebt man als Leser die Zeit des beginnenden 20. Jahrhunderts im pulsierenden Berlin und spürt geradezu schmerzhaft all die Einschränkungen, denen Frauen zu dieser Zeit ausgesetzt waren. Durch die Erzählweise der wechselnden Perspektiven bringt die Autorin geschickt und sehr anschaulich die jeweilige Persönlichkeit der drei Protagonistinnen dem Leser nahe. Streckenweise wurde mir die Lektüre zwar etwas langatmig durch die Detailfreude der Autorin, aber insgesamt fand ich den Roman doch sehr unterhaltsam, informativ und atmosphärisch dicht erzählt.

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Veröffentlicht am 17.06.2020

Gekonnt geschriebener Thriller mit kleiner Einschränkung

Der Fahrer
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Winkelmann ist zweifellos ein Könner seines Faches. Das haben seine früher erschienenen Bücher von Mal zu Mal überzeugend bewiesen. Insofern hatte ich sehr hohe Erwartungen an „Der Fahrer“. Was vielleicht ...


Winkelmann ist zweifellos ein Könner seines Faches. Das haben seine früher erschienenen Bücher von Mal zu Mal überzeugend bewiesen. Insofern hatte ich sehr hohe Erwartungen an „Der Fahrer“. Was vielleicht ein Fehler war. Denn gekonnt konstruiert und in Szene gesetzt ist „Der Fahrer“ auf jeden Fall, spannend zu lesen ist er auch. Und doch erscheint mir der Thriller ein wenig schwächer als die früher erschienenen Titel, zumindest was die erwartete angstauslösende Intensität betrifft.

Im Hamburger Stadtpark wird eine Tote gefunden, das Gesicht mit einer fluoreszierenden Farbe angemalt. Kommissar Jens Kerner und seine Kollegin Rebecca Oswald stehen vor einem Rätsel, auch nachdem sich herausstellt, dass sie es mit einem Serienmörder zu tun haben, der junge Frauen auf perfide Art tötet und mit Leuchtfarbe bemalt zur Schau stellt. Scheinbar wahllos ausgesuchte Opfer, die nachts unterwegs gewesen waren. Die an vielen Orten auftauchenden Hashtags #findemich lassen mehr und mehr erkennen, dass diese Botschaften Jens Kerner persönlich betreffen. Doch nicht nur das: Beide Ermittler haben auch privat allerlei zu bewältigen…

Es gibt in diesem Thriller geniale Szenen, mehrheitlich die, in denen der Täter sich selbst, seine Sicht der Dinge, sein persönliches Erleben schildert. Es sind Sequenzen, die den Leser mitten hinein in die Gedanken- und Gefühlswelt des Mörders führen und eine gruselige Nähe zu ihm aufbauen. Das ist ja die besondere Stärke von Andreas Winkelmann, dieses geschickte Spiel mit Szenen, die dunkle Ängste auslösen und somit den Leser unmittelbar persönlich packen. Auch wieder genial gelöst ist der Aufbau einer sich steigernden Spannung aus wechselnden Perspektiven heraus mittels einer raffinierten überraschungsreichen Geschichte. Und doch blieb ich ein klein wenig enttäuscht zurück. Mag sein, dass ich in diesem Thriller weniger Zugang zu den beiden Ermittlern fand. Gerade weil dem persönlichen Hintergrund von Jens Kerner dieses Mal so viel Raum gegeben wurde. Ebenso dem komplizierten Hin und Her zwischen Rebecca und Jens, jenseits des Beruflichen. Das hätte ich nicht gebraucht, denn die teilweise trivial anmutenden Sequenzen rauben dem Thriller ein wenig die bei Winkelmann gewohnte schaudernde Intensität.

Fazit: Wieder ein raffinierter, sehr spannender, gekonnt geschriebener Thriller, jedoch nicht ganz so stark wie seine Vorgängerbände.

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Veröffentlicht am 15.06.2020

Alle Chancen vertan

Das Dorf (Finsterzeit 1)
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Dystopien sind per definitionem Geschichten, die auf bedenkliche gesellschaftliche Entwicklungen in der Gegenwart aufmerksam machen und vor deren Folgen warnen sollen. So wäre der eigentlich diesem Buch ...


Dystopien sind per definitionem Geschichten, die auf bedenkliche gesellschaftliche Entwicklungen in der Gegenwart aufmerksam machen und vor deren Folgen warnen sollen. So wäre der eigentlich diesem Buch zugrunde liegende Plot die ideale Grundlage für eine aufrüttelnde Dystopie.

Durch eine exzessiv vorangetriebene Energiewende ohne vernünftige Ausgleichswirtschaft wurde die Gesellschaft gespalten. Als die Stromversorgung komplett zusammenbricht, herrschen unter den Menschen apokalyptische Zustände. Anstand und Moral sind verschwunden, Gewalt in jeglicher Form bestimmt das Leben der Übriggebliebenen. In einer von einem wahnsinnigen Despoten geschaffenen Festung herrscht zwar Sicherheit vor Übergriffen von außen, innerhalb der Mauern bestimmen allerdings strengste Regeln und Ausbeutung das Leben. Lara und Thomas, beide jung und einander zugetan, sind auf der Flucht. Überall lauern Gefahren, und sie erleben tatsächlich Schreckliches.

Was hätte man alles aus diesem Thema machen können. Doch leider, leider wurden alle Chancen vertan. Das große Thema der Energiewende geht völlig unter, wird nur mit wenigen Sätzen zu Buchbeginn erwähnt, dient also lediglich als „Aufhänger“ für die nachfolgende völlig abstruse Geschichte. Zwar wird sie in einigen Sequenzen durchaus spannend erzählt, aber leider darf man weder mit Wissen noch mit Logik die Geschichte erfassen wollen. Auch schaut die allwissende Autorin zuviel in die Köpfe der Protagonisten hinein und berichtet langatmig davon, statt dieses Wissen in Handlung zu „übersetzen“ und damit den Leser zu „packen“. Am schlimmsten war für mich die Ausgestaltung der beiden Hauptpersonen zu lesen. Hier gab es im gesamten Buch für den Lesenden weder die Möglichkeit der Identifikation noch eine ehrliche Chance, aufgezeigtes Verhalten in irgendeiner ernsthaften Form nachzuempfinden. Sowohl Lara als auch Thomas weisen ein solches Durcheinander an Persönlichkeitsstrukturen auf, das fast schon schizophren zu nennen ist. Die Berücksichtigung von wenigstens einfachstem psychologischem Grundwissen hätte den Protagonisten und damit der Geschichte gut getan. Schade.

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Veröffentlicht am 14.06.2020

Dahinplätschernd

Die Sonnenschwestern
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Wie nur kam der Verlag darauf, das Buch „Die Sonnenschwestern“ zu nennen anstelle des so viel passenderen Originaltitel „Das Stundenglas“? Wollte man eine falsche Fährte legen zu Lucinda Riley, „Die Sonnenschwester“?

Der ...


Wie nur kam der Verlag darauf, das Buch „Die Sonnenschwestern“ zu nennen anstelle des so viel passenderen Originaltitel „Das Stundenglas“? Wollte man eine falsche Fährte legen zu Lucinda Riley, „Die Sonnenschwester“?

Der Verlag beschreibt den Inhalt ungefähr so:
London 2006: Nora, 40, weiß so gut wie nichts über ihre Familiengeschichte. Sie kündigt Job und Wohnung und reist nach Tenby, Wales, auf der Suche nach den Spuren ihrer Familie.
Tenby, 1956: Llew und Chloe sind von Kindheit an enge Freunde. Ein dramatischer Vorfall bringt die beiden auseinander und sie sehen sich nie wieder, ohne einander zu vergessen.
50 Jahre später findet Nora in Tenby nicht nur ihren Frieden, sondern auch die Lösung eines alten Familiengeheimnisses.

Irgendwie konnte ich mit dem Buch nicht warm werden. Vielleicht weil die Zeitsprünge nur jeweils so kurz sind und man als Leser dadurch nicht wirklich die Chance bekommt, sich wirklich in die jeweiligen Situationen einzufühlen. Kaum weiß man, wer wo wann und warum, schon springt die Geschichte wieder um in die andere Zeitebene und die Orientierungsphase beginnt von vorne. Zwar ist der Schreibstil gut lesbar, aber das reicht einfach nicht. Das Erzählte plätschert irgendwie nur so dahin, was auch daran liegen mag, dass die Protagonisten recht farbloss und blass beschrieben werden. Bildlich und atmosphärisch besser werden dagegen die jeweiligen Schauplätze geschildert. Doch insgesamt bleibe ich während der gesamten Lektüre leicht gelangweilt. Wirklich gepackt hat mich das Buch an keiner einzigen Stelle.

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Veröffentlicht am 10.06.2020

Triviale "Weisheiten"

Ich hoffe, ich versau das!
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Es ist stets größtes Misstrauen angebracht, wenn ein Mensch – meistens auch noch ein Prominenter oder einer, der sich dafür hält – aus seinen persönlichen Entwicklungsschritten eine Heilslehre zimmert ...



Es ist stets größtes Misstrauen angebracht, wenn ein Mensch – meistens auch noch ein Prominenter oder einer, der sich dafür hält – aus seinen persönlichen Entwicklungsschritten eine Heilslehre zimmert und sich darin gefällt, diese seine Erkenntnisse unter all die Menschen zu bringen, die diese Entwicklung nur mit seiner Hilfe machen können. Und wenn es sich bei diesem Menschen auch noch um einen Comedian handelt, kann sein Selbsthilfebuch im Grunde gar nichts anderes sein als eine besondere Form des Lacher und Applaus heischenden Auftritts.

Der Autor betreibt Nabelschau, lässt seine Leser daran teilhaben, und erklärt uns, dass uns dieses „offen aussprechen, was man wirklich denkt“ frei und unabhängig, vielleicht sogar glücklich macht. So einfach funktionieren Welt und menschliche Psyche bei Kyle Cease. Nicht nur die an Schlichtheit kaum mehr zu überbietende Sammlung an lächerlich-simplen To-do-Beispielen, sondern auch die unterirdisch schlechte Sprache stoßen ab. Die Summe an Plattitüden zwischen zwei Buchdeckeln ist das Lesen nicht wert. Jedenfalls nicht für denk- und reflexionsfähige Menschen. Punkt.

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