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heinoko

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.11.2017

Perfekt komponiert

Vier Morde und ein Weihnachtsbraten
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Ein ganz raffinierter Plot: Ein historischer Roman, ein Krimi in der Vergangenheit, eine Geschichte über eine moderne Familie mit 2 Kindern und 2 Katzen in der Gegenwart – und das alles miteinander, übereinander ...

Ein ganz raffinierter Plot: Ein historischer Roman, ein Krimi in der Vergangenheit, eine Geschichte über eine moderne Familie mit 2 Kindern und 2 Katzen in der Gegenwart – und das alles miteinander, übereinander – aber nicht durcheinander!
Wer die ersten beiden Bücher der Autorin über Granny kennt, der wundert sich in diesem dritten Band über nichts mehr. Granny ist die Ururgroßmutter von Sabrina und hat die Fähigkeit, in einer Art Zeitreise aus dem Ende des 19. Jahrhunderts kommend hin und wieder bei Sabrina in der Gegenwart aufzutauchen und sie um Hilfe zu bitten. Im vorliegenden Buch gibt es im Umfeld von Granny und ihrem Verlobten Heinrich einen Mord, Granny wird entführt, Heinrich unter Hausarrest gestellt. Sabrina muss sich allerlei einfallen lassen zur Rettung von Granny und Heinrich – und das auch noch in der Vorweihnachtszeit…
Das Buch zu lesen ist kurzweilig und vergnüglich. Die schräge Geschichte, die fröhliche Erzählweise, die humorvollen, herzerfrischenden Konversationen, die stets vorhandene gleichbleibende Spannung, die kleinen versteckten Hiebe gegen Obrigkeiten, für Emanzipation oder gegen den weihnachtlichen Konsumwahn, die richtig gut recherchierten Ausflüge in die Zeit Kaiser Wilhelm des II. – dieses perfekt komponierte Buch zu lesen ist kurzweilig, vergnüglich und macht rundum einfach nur Spaß..

Veröffentlicht am 05.11.2017

Etüde in Moll

Schmitts Fall
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Schmitt ist ein Grantler, mit seinen galligen Gedanken verdirbt er sich selbst ständig das Leben. Von seiner Detektei kann er kaum leben. Als er vom Oboisten des ortsansässigen Sinfonieorchesters angeheuert ...

Schmitt ist ein Grantler, mit seinen galligen Gedanken verdirbt er sich selbst ständig das Leben. Von seiner Detektei kann er kaum leben. Als er vom Oboisten des ortsansässigen Sinfonieorchesters angeheuert wird, sieht er einen finanziellen Hoffnungsschimmer am Horizont. Denn es geht um einen Erpressungsversuch, Hintergrund ist eine richtig miese Sache. Als der Oboist jedoch kurz darauf auf offener Straße ermordet wird, fühlt sich Schmitt aufgerufen, auf eigene Faust weitere Nachforschungen zu betreiben…
Gut geschrieben ist das Buch. Aufgrund der kurzen Kapitel lässt es sich leicht und flüssig lesen, der Spannungsbogen wird einigermaßen konstant aufrecht erhalten. Die Protagonisten sind lebendig und vorstellbar geschildert, wenngleich niemand von ihnen ein Sympathieträger ist. Insofern bleibt man als Leser stets etwas distanziert am Rande des Geschehens als reiner Beobachter stehen.
Schwierigkeiten bereitete mir das Verbrechen hinter den Verbrechen. Dass sogenannte Gutmenschen in Wahrheit die Naivität behinderter junger Frauen für ihre sexuellen Bedürfnisse missbrauchen, ist abstoßend und wird leider in seiner Verwerflichkeit und Widerwärtigkeit nicht scharf genug angeprangert. Das hat mich an diesem Buch am meisten gestört, abgesehen von der geschilderten weitgehend destruktiven, oft sehr abfälligen Gedankenwelt, die der Autor seinen Figuren unterstellt.
Zurück bleibt nach der Lektüre des Buches ein merkwürdig trauriges Gefühl, so als habe der Autor ein in Moll geschriebenes Musikstück gewählt und eine ganze Krimihandlung lang versucht, es uns Lesern als eine in Dur komponierte Fälschung zu verkaufen.

Veröffentlicht am 03.11.2017

Schreiben kann er, und wie!

Der Tag der Engel
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Schreiben kann er, der Autor, und wie! Er kann Sachbuch und er kann Thriller. Und am besten ist er, wenn er beides verknüpft und in eine Fiktion verpackt, die Wirklichkeit sein könnte.
John Flender, ein ...

Schreiben kann er, der Autor, und wie! Er kann Sachbuch und er kann Thriller. Und am besten ist er, wenn er beides verknüpft und in eine Fiktion verpackt, die Wirklichkeit sein könnte.
John Flender, ein herausragender Biomediziner, wird von einem anonym bleibenden Auftraggeber ausgewählt, gegen viel Geld in völliger Isolation für 2 Jahre an einem Forschungsprojekt teilzunehmen, nur durch ein vielfach gesichertes und verschleierndes Computersystem mit anderen weltweit führenden Wissenschaftlern verbunden. Aufgabe ist die Entschlüsselung des menschlichen Alterungsprozesses und damit die Möglichkeit, Alter und Tod zu überwinden. Untergebracht in einem abgelegenen Cottage in Südengland taucht er wie in einer Taucherglocke in seine fesselnde Arbeit, unterbrochen nur durch gelegentliche Besuche seiner Betreuerin Anna Cortini. Nach vielen Monaten intensivsten erfolgreichen Forschens entdeckt John Flender jedoch eine Unstimmigkeit in den Labordaten und bringt durch Nachfragen sich und andere in größte Gefahr…
Vom Prolog an wird der Leser ins Buch hineingezogen. Die Charaktere der Protagonisten sind lebendig und psychologisch nachvollziehbar in ihren schlüssigen Lebensläufen geschildert, ohne zu übertrieben ins Detail zu gehen. Wie eine Wellenbewegung steigt die Spannung an und ab und wieder an, man langweilt sich an keiner Stelle. Am faszinierendsten jedoch finde ich persönlich, wie es Paul Weiler gelingt, tatsächliche wissenschaftliche Erkenntnisse, wie z. B. die Zusammenhänge zwischen Zellteilung und Altern, für Laien verständlich zu erklären und wissenschaftliche Zukunftsträume wie z. B. den Einsatz des bereits 2009 entdeckten Unsterblichkeitsenzyms Telomerase in die Fiktion des Buches einzubauen.
Dieser (Wissenschafts-)Thriller ist viel mehr als ein kurzweiliges Lesefutter. Er wirft im Rahmen der Handlung grundsätzliche ethische, auch religiöse und sozialpolitische Fragen auf und lässt den Leser intensiv teilnehmen am Disput darüber, inwieweit Genmanipulationen am Menschen Fluch oder Segen sind. Dass der Thriller trotz dieser gewaltig großen Themen niemals langweilig oder schwierig-trocken ist, ist das große Verdienst des brillanten Autors.

Veröffentlicht am 31.10.2017

So ein leises, so ein starkes Buch

Das Geräusch der Dinge, die beginnen
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So ein leises Buch. So ein zartes Buch. So ein starkes Buch.
Ada, ein stilles, sensibles und naives Mädchen, wird von seiner Mutter im Alter von 3 Jahren verlassen und wächst bei der liebevollen Großmutter ...

So ein leises Buch. So ein zartes Buch. So ein starkes Buch.
Ada, ein stilles, sensibles und naives Mädchen, wird von seiner Mutter im Alter von 3 Jahren verlassen und wächst bei der liebevollen Großmutter auf. Die Großmutter bringt Ada bei, auf die kleinen Dinge zu achten, wie z. B. auf das Wachsen des Olivenbaums im Garten. Trotz der liebevollen Fürsorge verliert Ada niemals die Angst vor dem Verlassen-Werden. Als Ada 27 Jahre alt ist, wird die Großmutter schwer krank. Im Krankenhaus lernt Ada Matteo kennen, einen Handelsvertreter für Medizintechnik und liefert sich ihm völlig aus, ohne ihn wirklich zu kennen. Auch die Freundschaft zu der Krankenschwester Giulia bringt Ada der Wirklichkeit nicht näher.
Immer wenn ich das Buch aufschlug und zu lesen begann, geriet ich in eine andere Seinsform, weit weg vom lauten, fordernden Alltag. Es wurde in mir ganz still und ich fühlte mich ein in Ada, in diese stille junge Frau, die nichts anderes will als nicht verlassen zu werden, die sich dem Geschehen restlos hingibt, scheinbar ohne jeglichen eigenen Willen.
Restlos verzaubert bin ich von diesem Buch, von dieser Sprache, von Ada. Ich glaube nicht, dass es Sinn macht, sich das Geschehen ganz real, sozusagen als Abbild der tatsächlichen, uns umgebenden Welt vorzustellen. Nirgends geht es so leise, so sensibel, so feinsinnig zu wie in der Welt in und rund um Ada. Die Zeitfolgen sind unwichtig, nur die Bezüge der Themen zueinander sind bedeutsam und was wir aus dem Buch mitnehmen können: manchmal in Stille genau hinschauen, ganz genau hinhören
Ich glaube, man muss mit diesem wundervollen Buch ganz zart und still umgehen.

Veröffentlicht am 31.10.2017

Ich bin verwirrt

Tod in Deauville
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Ich bin verwirrt.
Habe ich wirklich einen Krimi gelesen?
In dem Badeort Deauville, in der Normandie gelegen, steht ein Filmfestival bevor, zu dem viele Stars der Filmbranche erwartet werden. Zum selben ...

Ich bin verwirrt.
Habe ich wirklich einen Krimi gelesen?
In dem Badeort Deauville, in der Normandie gelegen, steht ein Filmfestival bevor, zu dem viele Stars der Filmbranche erwartet werden. Zum selben Zeitpunkt ist eine Rechnungsprüfung angesagt beim Museum für moderne Kunst, ebenfalls in Deauville, und dafür werden entsandt Jean-Francois Lacroix, ein zwanghafter und weltfremder Beamter, und Eglantine de Tournevire, eine kapriziöse, reiche Schönheit. Kaum sind die beiden in Deauville angekommen, bricht bei einer Vernissage der Buchhalter des Museums aus unerklärlichen Gründen tot zusammen, eben der Mann, der den beiden Rechnungsprüfern kurz zuvor noch angedeutet hatte, dass er ihnen etwas sagen müsse. Die Ermittlungen führen mitten hinein in Machtspiele, Korruption und Eitelkeiten.
Das Buch ist in einer etwas behäbigen, vielleicht sogar altmodischen, aber dennoch schönen, sorgsamen, sauberen Sprache geschrieben. Das hat mich für das Buch eingenommen. Ein Personenverzeichnis zu Beginn wäre hilfreich gewesen, da uns zum einen die französischen Namen nicht sofort im Gedächtnis bleiben und zum anderen im Buch oftmals gewechselt wird zwischen Nennung des Vornamens allein oder des Nachnamens. Gut gefallen haben mir die vielen detailreichen Schilderungen, mitunter mit feinem Humor durchsetzt, die es dem Leser leicht machen, innere Bilder zu entwickeln. Manche Passagen sah ich geradezu filmhaft in meiner Phantasie ablaufen. Apropos Humor: Ich bin mir nicht sicher, ob James Holin nicht mit einer gewissen diebischen Freude und ganz bewusst immer so haarscharf an der Grenze eines möglichen realen Geschehens und einer Slapstick-Komödie herumwanderte. Zudem nahm er in so mancher Szene die Politiker, die Ämterwirtschaft, das Polizeiwesen und andere Absurditäten des öffentlichen Lebens auf die Schippe.
Das Buch hat mir Spaß gemacht zu lesen, auch wenn es insgesamt nur mäßig spannend war. Vielleicht war es ja gar kein Krimi und brauchte deshalb das Element des Spannungsbogens gar nicht. Vielleicht war es eine gesellschaftskritische Satire oder vielleicht ganz schlicht eine Komödie oder vielleicht eine Filmvorlage für – ja vielleicht doch für einen Krimi? Ich weiß es nicht und bin verwirrt. Ich weiß nur, dass das Buch zu lesen mir rundum Spaß gemacht hat.