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Veröffentlicht am 04.09.2020

Unterhaltsamer 2.Teil der Reihe um DCI Jonah Sheens

Wer auf dich wartet
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Letztes Jahr las ich ich den ersten Band dieser Krimireihe. Da ich ihn nicht schlecht fand, war ich nun auf ihren Neuen neugierig.
Mord in Southhampton - Zoe, eine Kunststudentin ist tot. Ihr Ex Freund ...

Letztes Jahr las ich ich den ersten Band dieser Krimireihe. Da ich ihn nicht schlecht fand, war ich nun auf ihren Neuen neugierig.
Mord in Southhampton - Zoe, eine Kunststudentin ist tot. Ihr Ex Freund Aidan, Dozent an der Uni, war zur Tatzeit über Skype verbunden. Dabei konnte er die Geschehnisse zwar nicht direkt sehen, aber eindeutige Geräusche hören. Höchst beunruhigt informiert er die Polizei, muss sich selbst jedoch etwas bedeckt halten, da er einiges zu verbergen hat.
Das Team um DCI Jonah Sheens nimmt nun die Arbeit auf und ermittelt vorrangig in Zoes Freundeskreis. Hier gibt es insbesondere Zoes junge und depressive Freundin Angelina mit Borderline Strukturen, ihre ehemalige, sehr religiöse Mitbewohnerin Maeve, den jähzornigen und eifersüchtigen Arbeitskollegen Victor sowie Felix, den etwas merkwürdigen Vermieter. Aber auch in Zoeys Familie gibt es mehr Schein als Sein, da ihr Vater seine Alkoholabhängigkeit versteckt.

Das Team um DCI Jonah mit den Kollegen Juliette Hanson, Lightman und O`Malley wird knapp, aber prägnant und sympathisch in Szene gesetzt. Man bleibt recht distanziert und die dezenten Privatgeschichten behindern nicht die eigentliche Ermittlungsarbeit, die hier sehr im Fokus steht.

Die meisten Figuren werden zwar nicht tief, aber mit Ecken und Kanten dargestellt und verheimlichen Dinge. Sie werden mit Empathie und Wohlwollen gezeichnet, die meisten waren mir jedoch eher unsympathisch. Ich wurde etwas abgestoßen und sogar gegruselt und fühlte mich streckenweise wie in einem Psychothriller (bin aber auch eher zart besaitet), weil die meisten wirklich psychisch auf bedenkliche Weise angeschlagen schienen..:) Und zwar so, dass ich mich fragte, wie dieser Freundeskreis überhaupt funktionieren konnte…Insgesamt wirkte die Atmosphäre zumeist etwas unheilvoll und auch traurig auf mich.
Zoe wird besonders anfangs als sehr selbstbewusst und stark geschildert, doch im Verlauf zeigen sich ihre Handlungen doch eher naiv, co-abhängig und stetig helfend. Ihre Beziehung zu Aidan wird beleuchtet, gerät zwar relativ überzeugend, an manchen Stellen mir jedoch zu schwülstig und trivial.
Auch gefielen mir einige Dialoge nicht so recht, sie wirkten platt und unglaubwürdig.

Thematisch geht es um ungesunde Beziehungen, Liebesbeziehungen, Machtverhältnisse, Abhängigkeiten und Co- Abhängigkeiten, um die Sinnhaftigkeit von Affairen sowie letztlich auch um Empowerment.
Viele Frauenfiguren standen hier im Mittelpunkt, das gefiel mir sehr gut. Sie werden zwar diskussionswürdig beschrieben (Schlankheitswahn, männlich- orientiert), aber es werden auch immer wieder Emanzipationsbestrebungen sichtbar.

Ich las den Krimi gut in einem Rutsch und war gefesselt. Rückblenden, Perspektivwechsel und kurze Kapitel sorgen für Spannung und ein hohes Tempo. Es gab viele vermeintliche Täter, das gefiel mir sehr gut, ich konnte gut miträtseln und es wurden oft falsche Fährten gelegt, wobei einige wenige relativ durchsichtig waren.
Einige Ähnlichkeiten zum Erstlingskrimi bestehen sowohl thematisch, als auch strukturell. So geriet auch der Showdown, der mir leider schon beim ersten Mal nicht recht gefiel, auch hier etwas unglaubwürdig und übertrieben.

Fazit: Unterhaltsamer Kriminalroman
3,5 Punkte

Veröffentlicht am 24.08.2020

Reichhaltiger Inhalt, etwas mühseliger Stil

Die Sommer
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Leyla lebt in verschiedenen Kulturen. Ihre Mutter ist Deutsche, ihr Vater ein ehemals geflüchteter staatenloser Kurde aus Syrien. Leylas Großmutter, gläubige Ezidin, lebt dort noch in einem kleinen Dorf. ...

Leyla lebt in verschiedenen Kulturen. Ihre Mutter ist Deutsche, ihr Vater ein ehemals geflüchteter staatenloser Kurde aus Syrien. Leylas Großmutter, gläubige Ezidin, lebt dort noch in einem kleinen Dorf. Leyla verbringt dort jedes Jahr ihre Sommerferien.
Als der Krieg jedoch beginnt, kann sie nicht mehr hinfahren. Stattdessen sitzt der Vater nun rund um die Uhr vor dem Fernseher und verfolgt angespannt die aktuellen Geschehnisse. Angesichts des Syrien- Krieges sowie der Gefahr durch die Daesch (IS), welche die Eziden auslöschen will, helfen sie ihren Verwandten bei der Ausreise nach Deutschland.
Zugleich erzählt der Vater seine eigene Flucht- Geschichte.
Leyla selbst fühlt sich nirgendwo richtig zugehörig, überall macht sie aufgrund ihres Andersseins Diskriminierungserfahrungen. Zudem der Krieg, der ihre Familie hochbelastet und unmittelbar betrifft, von ihren deutschen Freundinnen und Schulkameraden gar nicht wahrgenommen wird.

Viele Thematiken werden hier bearbeitet: die Kurdische Geschichte mitsamt der Unterdrückung, die Ezidische Geschichte mitsamt der Massaker, der Krieg in Syrien, das Flüchtling -Sein, das Asylrecht in seiner ungenügenden Ausprägung, das Migrant - Sein in Deutschland. Es ist zudem eine Familien- und Coming of Age Geschichte inklusive Queer-Seins. Zu viel? Einerseits ja und andererseits auch nicht. Hier wird ein durchaus realistisches Bild gezeichnet, welche unsere aktuelle Modernität abbildet, die komplex, widersprüchlich und vielgestaltig ist. Insofern finde ich das folgerichtig und gelungen.

Nicht so gelungen empfand ich den Schreibstil, die Art des Erzählens. Der Roman kam oft wie eine Aneinanderreihung von Anekdoten daher oder auch wie ein Bericht. Für mich las sich das auf Dauer beschwerlich, sehr nüchtern, zu oft emotionsarm. Wenngleich mich auch einige Szenen wirklich berühren konnten und aufgrund der detaillierten Beschreibungen auch klare Bilder entstanden, besonders vom Alltag in diesem kurdischen Dorf. Ebenso eindrücklich gelangen die Erlebnisse des Vaters sowie die Figur der Großmutter. Zwar werden die Figuren sehr distanziert geschildert, so blieb aber auch genügend Abstand, um über sie nachzudenken. Und über manche Entscheidungen, welche die Figuren treffen oder eben auch nicht treffen (Leyla in ihrer Passivität), lohnt es sich durchaus nachzudenken.

Mehrmals musste ich dennoch Pausen einlegen. Der „brave“ berichtende Schreibstil, die vielen Fakten und aneinandergereihten Anekdoten ermüdeten und langweilten mich etwas. Erst mit Zeit und paralleler Recherche "erarbeitete" ich mir diesen "Romanbericht". So informierte ich mich mit Hilfe anderer Quellen über Eziden und ezidische Kurden im speziellen und erst danach verstand ich Teile dieses Werkes besser, konnte Dinge besser einordnen und sie erhielten mehr Farbe und Hintergrund.
Mich verwirrte zum Beispiel anfangs die Verbindung von Eziden und Kurden – dies wusste ich vorher nicht und es schien mir auch aufgrund der unterschiedlichen Religionen unverständlich. Hierauf geht die Autorin leider kaum ein und thematisiert auch nicht, dass es auch große Konflikte zwischen ezidischen und muslimischen Kurden gab und gibt. Das fehlte mir. Selbstkritisch wurde mir jedoch auch bewusst, wie gern ich Menschen in bestimmte Schubladen sortieren möchte..:)

Insgesamt war das für mich ein etwas unbefriedigender Mix zwischen Bericht und Roman, der jedoch wichtige Themen anspricht, zur Völkerverständigung beiträgt, zur weiteren Auseinandersetzung anregt und damit auch ziemlich nachhallt.
3,5 Punkte

Veröffentlicht am 17.08.2020

Sehr intensiv und berührend

Was Nina wusste
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Der Klappentext fasst den Roman sehr gut zusammen. Grossman erzählt die Geschichte einer über Generationen traumatisierten Familie, die, wie man im Nachwort erfährt, auf wahren Begebenheiten beruht.

Drei ...

Der Klappentext fasst den Roman sehr gut zusammen. Grossman erzählt die Geschichte einer über Generationen traumatisierten Familie, die, wie man im Nachwort erfährt, auf wahren Begebenheiten beruht.

Drei Frauen und ein Mann: Vera, 90 Jahre, ihre Tochter Nina, um die 60 Jahre sowie Gili, 39 Jahre und Gilis Vater Rafael fahren gemeinsam nach Kroatien auf die Insel Goli Otok. Hier musste Vera fast 3 Jahre lang in einem jugoslawischen Straf- und Umerziehungslager Titos verbringen. Ihr Mann Milos hatte sich noch in Haft erhängt. In dieser Zeit verblieb ihre gemeinsame Tochter, die damals 6 jährige Nina ohne ihre Eltern. Obwohl dies nun alles schon sehr lange her ist, wird die „Familie bereits über drei Generationen vergiftet“, geprägt und traumatisiert von der Diktatur und dem Krieg. Was damals genau geschah und welche Spuren dies hinterließ, davon erzählt dieser Roman. Handlungsorte sind schwerpunktmäßig Jugoslawien vor, während und nach dem 2. Weltkrieg, insbesondere das Umerziehungslager Goli Otok sowie ein Kibbuz in Israel.

Die Geschichte nahm mich sehr gefangen, entwickelte einen starken Lesesog und schuf ein beeindruckend intensives Leseerlebnis, aufwühlend, berührend und ins Innerste gehend. Schon auf den ersten Seiten kamen mir die Tränen. Angesichts des beschriebenen Leids wurde ich zu tiefem Mitgefühl angeregt, jedoch nie herunter gezogen. Es las sich zwar traurig und schmerzhaft, aber auch ein wenig schräg und humoristisch, so dass ich oft schmunzeln und auch lachen musste. Zudem beeindruckten mich diese starken Figuren sehr.

Die seelisch sehr tief gezeichneten Figuren kamen mir sehr nahe, als Leserin war ich sehr dicht an ihnen dran, obwohl man alles aus Gilis Perspektive erfährt. In den Zeiten wird immer wieder gewechselt, manchmal muss man auch sehr genau aufpassen, um zu bemerken, wessen Innenleben gerade eingefangen wird.

Rafael und Gili sind Filmemacher, daher lag es nahe, dass sie alles von ihrer Fahrt nach Goli Otok aufzeichnen, insbesondere die Gespräche miteinander. Gili fungiert zusätzlich noch als „Scriptgirl“, so dass man auch als Leser
in klare filmische Sequenzen vor Augen hat.

Bei Vera, der außergewöhnlich charismatischen, starken, tätigen und sehr hilfsbereiten Frau laufen alle Fäden zusammen. Sie wurde in einer ungarisch-jüdischen Familie geboren und heiratete den Serben Milos. Eine damals sehr ungewöhnliche, nicht allseits akzeptierte Verbindung, aber die Liebe zwischen den beiden schien ungewöhnlich stark.

Ihre Tochter Nina ist hingegen kaum greifbar, unnahbar, stets auf der Flucht, „sie ist da und zugleich abwesend“, „sowohl das verirrte als auch das schwarze Schaf“ der Familie.

Gili, die Erzählerin, steht kurz vor der Trennung, da sich ihr Lebensgefährte ein Kind wünscht. In Bezug auf ihre Mutter ist Gili sehr verbittert, wütend und böse, weil sie so früh von ihr verlassen wurde. Im Verlauf der Reise erfährt und sieht sie jedoch sehr viel und langsam verändert sich ihre Perspektive.

Die Geschichte dieser „verkappten“ Familie mit ihren starken Persönlichkeiten wird hier äußerst eindrücklich und psychologisch tief erzählt. Dabei wird die Geschichte der Juden gestreift, die Geschichte des Balkans, Krieg, Faschismus und Kommunismus. Es geht um Verlust, Verrat, Verlassenwerden, Mutterschaft, Liebe zum Kind, Liebe zum Mann und zur Frau. Und vor allem geht es um die Entstehung von Traumata, deren Langzeitfolgen, die Weitergabe an die folgenden Generationen sowie die versuchte Heilung.

Eines meiner Lesehighlights des Jahres!

Veröffentlicht am 10.08.2020

Schön erzählt

Ein Sonntag mit Elena
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Titel und Klappentext wecken ein wenig falsche Erwartungen. Der italienische Titel: „Ein Sonntag“ passt schon eher. Um Elena geht es nämlich letztlich nicht, sondern vorrangig, aber nicht nur, um die Beziehungen ...

Titel und Klappentext wecken ein wenig falsche Erwartungen. Der italienische Titel: „Ein Sonntag“ passt schon eher. Um Elena geht es nämlich letztlich nicht, sondern vorrangig, aber nicht nur, um die Beziehungen innerhalb einer Familie. Besonders stehen dabei der Vater sowie seine mittlere Tochter im Mittelpunkt.

Der Vater, der „den Dringlichkeiten in seinem Leben mehr Aufmerksamkeit gewidmet“ hat, „als den Wichtigkeiten“ verlor vor 8 Monaten seine Ehefrau. Er ist schon in Rente, war früher ein großer Brückenbauer, der viel in der Welt umher reiste. Seine nun erwachsenen Kinder leben verstreut und zu seiner mittleren Tochter, deren Leidenschaft dem Theater gilt, hat er seit dem Tod der Mutter keinen Kontakt mehr. Er ist einsam und hatte sich das Leben in diesem Lebensabschnitt ganz anders vorgestellt.
An einem Sonntag kocht er das erste Mal sehr aufwändig, da seine älteste Tochter und seine Enkelin zu Besuch kommen wollen. Doch die Enkelin verletzt sich ernsthaft und muss ins Krankenhaus. Der (Groß-)Vater ist durcheinander, traurig, geht spazieren und lernt zufällig die dreißig Jahre jüngere Elena und ihren Skateboard-begeisterten Sohn Gaston kennen. Auch die beiden haben Schicksalsschläge zu verkraften… und jeder muss Entscheidungen treffen.

Dieser kurze Roman beginnt mit dem Vater als männliche Hauptperson, doch schon bald wird man gewahr, dass die Geschehnisse seine mittlere Tochter erzählt. Anfangs störte mich die Einführung dieser weiblichen Hauptperson, sie überzeugte mich nicht so ganz und irgendwie ergab sich für mich ein Missklang. Ich gewöhnte mich aber an sie und gab mich zu frieden. Sie erzählt, wie es zu diesem etwas besonderem Sonntag kam und wie es danach weiter ging. Zugleich erzählt sie über sich und reflektiert ihre etwas komplizierte Beziehung zum Vater, zur geliebten Mutter, zu den Geschwistern und insbesondere auch die Beziehung der Eltern zueinander. Sie ist dabei nicht allwissend, sondern bleibt stets subjektiv. Sie erzählt bruchstückhaft und in Rückblenden.

Man erhält daher kurze Einblicke in die Familie, wobei vieles nur angedeutet bzw. angerissen wird, einzelne Szenen wirken wie Spotlights, es wird nicht alles ausgeformt, so dass jede Menge Identifikationspotential für Leser*innen entsteht. Ich konnte mich gut hinein versetzen sowie über eigene Erfahrungen und Ansichten nachdenken. Ein zweites wichtiges Thema ist zudem das Leben selbst. Was ist wichtig, was ist realistisch, welche Entscheidungen trifft man.

Alle Figuren wirken, obwohl man sie eher distanziert betrachtet, zumeist recht authentisch. Sie geraten durchaus tief und werden durch die beschriebenen Dynamiken lebendig.

Der Schreibstil wirkte sehr ruhig, fast meditativ, gleichzeitig leichtfüßig auf mich. Der Autor schreibt leise und sehr schön, dabei humorvoll und liebevoll – eine sehr angenehme Mischung!

Die Geschichte wirkt sehr aus dem Leben gegriffen, sehr echt und überhaupt nicht kitschig. Ein zwei Stellen waren mir vielleicht zu konstruiert, aber letztlich ist das Leben selbst ja doch viel verrückter, als man denkt..:) Inhaltlich wird allerdings im Grunde nichts Neues erzählt, mittendrin langweilte ich mich daher fast ein wenig, bis ich doch wieder mitgenommen und auch sehr berührt wurde.

Fazit: Ein ruhiger, besinnlicher und berührender Roman, der sich mit Familienbeziehungen und den Wichtigkeiten des Lebens beschäftigt.

Veröffentlicht am 06.08.2020

Der 8.Teil um einen eigenwilligen Detektive in Nordirland während der Troubles

Alter Hund, neue Tricks
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Der 8.Teil der Sean Duffy Reihe. Für mich allerdings der erste. Ich war super neugierig auf das Setting: Nordirland, Anfang der 90er, die „Troubles“ sind noch im Gange.
Zwar benötigt man für diesen Band ...

Der 8.Teil der Sean Duffy Reihe. Für mich allerdings der erste. Ich war super neugierig auf das Setting: Nordirland, Anfang der 90er, die „Troubles“ sind noch im Gange.
Zwar benötigt man für diesen Band keine Vorkenntnisse, dennoch könnten sie wahrscheinlich hilfreich sein und für einen tieferen Hintergrund sorgen.

DI Sean Duffy ist eigentlich nur noch einige Tage im Monat im Dienst. Den Rest verbringt er mit seiner geliebten Tochter und Frau in Schottland. Zu seinen Arbeitstagen nimmt er die Fähre nach Belfast und lebt dort in seinem alten Häuschen. Es geschieht nun aber ein Mord, während der eigentliche Hauptermittler im Urlaub weilt. Duffy muss ihn vertreten und fordert sich seinen alten Kollegen Crabbie an. Der erstmal harmlos erscheinende Mordfall entpuppt sich schon bald als sehr politisch hintergründig.

Duffy ist ziemlich eigen. Er nimmt seinen eigenen Weg und kümmert sich nicht immer um die Vorschriften. Er ist etwas angeberisch, dickauftragend, ein richtiger Maulheld. Aber auch sehr schlau, sogar intellektuell, manchmal gar etwas elitär wirkend. Er ist literarisch bewandert und ein Musikliebhaber mit großer Plattensammlung. Man erfährt ein wenig aus seinen Lektüren und man kann, wenn man Lust hat, auch die eingestreuten Musiktitel nachhören. Er hat auch düstere Seiten, innere Dämonen, mit denen er mich ein wenig an Harry Hole erinnerte. Grundsätzlich gefiel mir Duffy ganz gut, obwohl ich sein Verhalten manchmal zu dick aufgetragen fand.

Den Fall an sich fand ich nur mäßig spannend. Der Klappentext verrät für meinen Geschmack auch etwas zu viel. Gegen Mitte/ Ende wird es trotzdem sehr spannend, sehr bedrückend, sogar auch berührend. Es geht hier um ein größeres Ganzes, um größere politische Zusammenhänge, was mir wirklich gut gefiel.

Für mich war sowieso eher das Setting das Spannende und Reizvolle, hier kam ich ganz auf meine Kosten. Das Milieu, das Lebensgefühl wird sehr gut gezeichnet. Die stetige Gefahr und Gewalt wird spürbar. Duffy guckt gefühlt 100 Mal unter sein Auto, ob sich da ein Sprengsatz befindet. Dies und noch viele andere Details erhellen das Bild Nordirlands, einer Gesellschaft, die an „posttraumatischem Stress- Syndrom“ litt, obwohl „das traumatische Ereignis noch nicht mal vorbei“ war. Die Polizei wird von niemandem gern gesehen, was die Ermittlungsarbeit durchaus erschwert.

Eine zweite Thematik, die mir gut gefiel, war die Vergänglichkeit, die Veränderlichkeit des Lebens, ja auch die Endlichkeit. So sinniert Duffy immer mal wieder über sein Leben. Vor allem aber auch über die neuen Ermittlungsmethoden und neuen Ermittler, über die er feststellt: „Die beiden Männer waren jünger als ich. Mitte zwanzig, Anfang dreißig, dem Aussehen nach zu urteilen. Karrieristen. Sie kamen herum. Durchtrainiert. Kein Alkohol. Schicke Anzüge. Gewieft. Die neue Art Polizist. Analytiker. Schlampige Polizisten aus den Siebzigern, die wie ich ihren Institutionen folgten, waren auf dem absteigenden Ast.“ Diese Aspekte gefielen mir ebenfalls gut und lassen Entwicklungen erkennen.

Der Krimi ist in Kapitel mit Überschriften eingeteilt.

Hervorheben möchte ich noch den Humor, der sehr gut bei mir ankam. Des Öfteren habe ich wirklich gelacht, obwohl ich manches als etwas übertrieben fand, störte mich das letztlich nicht, ich amüsierte mich. Besonders die Dialoge fand ich sehr lebendig geschrieben.

Fazit: Zumeist spannender Kriminalroman mit einem eigenwilligen Detektive, sehr interessanten Milieuschilderungen Nordirlands sowie einem sehr lebendigem Humor! Jetzt muss ich natürlich auch noch einige der Vorgängerbände lesen…:)