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Veröffentlicht am 09.08.2023

Der Selbstwert ist ein relativer Begleiter

Die Einladung
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Der Sommer hat für Alex vielversprechend begonnen: ein luxuriöses Sommerhaus in den Hamptons, ein spendabler älterer Freund, der ihr schöne Kleider kauft und sie finanziell aushält. Beinahe hätte ...

Der Sommer hat für Alex vielversprechend begonnen: ein luxuriöses Sommerhaus in den Hamptons, ein spendabler älterer Freund, der ihr schöne Kleider kauft und sie finanziell aushält. Beinahe hätte sie darüber ihre echten Probleme vergessen können: ein fordernder Ex-Freund, ihre Tablettenabhängigkeit, das leere Bankkonto, die verlorene Wohnung und ihr ungebrochenes Interesse an Drogen und Alkohol.
Doch ein kleiner, unangepasster Fehltritt ihrerseits bedeutet das Ende des sorglosen Daseins, denn ihr Freund Simon setzt sie einfach vor die Tür und erbittet sich Abstand. Erst da wird ihr schlagartig bewusst, wie nah am Abgrund ihr Leben verläuft. Ihr fragiler Lebensentwurf macht sie zum Spielball für stärkere Charaktere, treibt sie in jene bedingungslose Abhängigkeit, die abgebrühte Anpassungsfähigkeit erfordert. Doch ihr ist es egal, solange Simon sie am Ende der Woche wieder bei sich aufnimmt – und dafür muss sie nichts weiter tun, als die schier endlosen Tage bis zur nächsten Party zu überstehen …

Meinung:
Nachdem mich „The Girls“ gut unterhalten hat, bin ich nach dem Lesen der Leseprobe auf das neue Buch der kalifornischen Autorin Emma Cline aufmerksam geworden. Ihr gewählter Rahmen in der Welt der High-Society sprach mich zwar nicht unmittelbar an, die geschilderte Story schien aber vielversprechend. Und so habe ich ohne spezielle Erwartungshaltung mit der Lektüre begonnen.
Die Handlung selbst ist irgendwie belanglos, denn sie widmet sich der tagtäglichen Ausweglosigkeit der Protagonistin und ihrem aktionsarmen „Vor-sich-hin-Dümpeln“. Aber die Geschichte zog mich dennoch unweigerlich in ihren Bann. Dabei hat mich vor allem die Erzählperspektive fasziniert, denn der Leser bekommt alles ungefiltert aus erster Hand präsentiert und kann mit der unreifen, provokanten Alex erleben, wie es sich anfühlen muss, ein derart gestörtes Leben aufrecht zu erhalten. Dieses irrige Verhalten, die Skrupellosigkeit, die ständigen Ängste – kurzum das Bild der Hauptfigur von sich selbst aber auch von anderen, hat mich nachhaltig beeindruckt und eine große Lesefreude erzeugt. Was dort wem und weswegen passiert, ist vollkommen unerheblich – es geht um den sukzessiven Verfall eines Individuums, um Kurzschlusshandlungen ebenso wie um Berechnung, um tiefste Verzweiflung und absolute Ohnmacht, um rauschhafte Erlebnisse gepaart mit bitteren Wahrheiten.
Das schillernde Porträt einer geschundenen Seele, die aus welchen Gründen auch immer, kontinuierlich auf ihren Zerfall zusteuert. Sehr gern hätte ich noch mehr aus ihrer Vergangenheit erfahren, wäre durch Rückblenden etwas schlauer geworden, insbesondere was die Motivation hinter den Aktionen betrifft, doch die im Nebel bleibende, zurückliegende Zeit ist so unbestimmt und zerstörerisch, wie Alex selbst.

Fazit: Ich vergebe 4,5 Lesesterne (aufgerundet 5) für diesen Roman, der mit einem facettenreichen Menschenporträt punkten kann und sich vorrangig der psychischen Komponente widmet. Weder die Handlung noch die Schauplätze sind dominant, sondern einzig die diffizile Persönlichkeit einer jungen Frau. Das offene Ende hat mich nur kurz befremdet, denn eigentlich passt es ganz gut – jeder Leser kann eine eigene Interpretation entwickeln und wird nicht widerlegt werden. Dieser Roman würde mir auch als Verfilmung zusagen, vor allem weil mittels Bildmaterial die Diskrepanz zwischen der Welt der Schönen und Reichen und der zerrütteten Alex, die nur eine Fassade aufrecht erhält, noch deutlicher zu Tage treten würde.

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Veröffentlicht am 05.07.2022

Gekommen, um zu bleiben

Der Mann, der vom Himmel fiel
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„Bin ich zu etwas Neuem geworden oder zu etwas Altem zurückgekehrt?“

Inhalt

Thomas Jerome Newton, scheint nicht nur ein genialer Erfinder zu sein, sondern taucht förmlich über Nacht in Kentucky auf und ...

„Bin ich zu etwas Neuem geworden oder zu etwas Altem zurückgekehrt?“

Inhalt

Thomas Jerome Newton, scheint nicht nur ein genialer Erfinder zu sein, sondern taucht förmlich über Nacht in Kentucky auf und verkauft dort seine wissenschaftlichen Ideen. Dieser Umstand macht ihn innerhalb kürzester Zeit nicht nur reich, sondern auch immer interessanter. Doch Thomas ist ein seltsamer Mann, er scheut das Sonnenlicht, wirkt seltsam filigran und zerbrechlich und benötigt anscheinend keinerlei Schlaf. Nur wenige Menschen kommen ihm überhaupt näher, die meisten hält er strikt auf Distanz. Nur Nathan Bryce, ein Wissenschaftler, der schon bald in der Firma Newtons beschäftigt ist, vermutet hinter dem genialen Geist von Newton etwas anderes. Und Schicht um Schicht versucht er seinen Verdacht zu untermauern, bemerkt aber schnell, dass sein Arbeitgeber zwar nicht den gleichen körperlichen Aufbau wie er selbst zu haben scheint, aber dennoch ein äußerst menschlicher Zeitgenosse ist.

Meinung

Ich bin nun definitiv kein Liebhaber von Science-Fiction, weder im Film noch im Buch. Das Universum und seine möglichen Bewohner sowie die Gefahren, die der Menschheit durch außerirdisches Leben drohen könnten, üben tatsächlich wenig Reiz auf mich aus. Umso erstaunter war ich über die hier erzählte Story, die nicht nur flüssig zu lesen ist, sondern sehr gute Unterhaltung bietet und den ein oder anderen Gedanken aufkommen lässt, was denn nun genau menschliches Verhalten ist.

Der Außerirdische in dieser Erzählung hat diverse Anpassungsschwierigkeiten und er betreibt auch ein Versteckspiel, welches man durchaus erwartet. Dennoch wirkt und handelt er nicht wie jemand, der noch niemals auf unserem Planeten war. Gerade die Entdeckung des Alkohols, dem er bald schon in rauen Mengen zuspricht und die kleinen Gesten machen ihn zu einem netten Individuum, welches man als Leser gern ein Stück des Weges begleitet. Die Mission, die einst sein Anspruch war, muss warten. Denn trotz seiner Tarnung schöpfen die Menschen Verdacht und er wird viele Jahre zu allerlei Experimenten in strengste Verwahrung genommen, denn zu verlockend ist die Aussicht der oberen Regierungsbehörden, dieses Objekt, getarnt als Wissenschaftler gründlichst zu durchleuchten.

Fazit

Ein sehr interessanter, teilweise schockierend ehrlicher Roman, der die Science-Fiktion-Welt nur peripher berührt und viele klare, nachvollziehbare Argumente ins Feld führt. Sehr gern vergebe ich hier 5 Lesesterne, denn ich bin gerade deswegen davon begeistert, weil die Realitätsnähe durchgehend erhalten bleibt und man als Leser nicht mit „fremden Wesen“ vertraut gemacht werden soll, sondern vielmehr den gesellschaftskritischen Spiegel vorgehalten bekommt.

Zwischen den Zeilen hat mich auch immer wieder etwas Melancholie erfasst, denn Mr. Newton besitzt ein Wissen, welches dem der Menschen weit voraus ist und dennoch ist auch sein Volk jenseits des blauen Planeten bedroht und weder er noch die Menschheit an sich wird diesen Prozess aufhalten können, weder dort noch hier.

Auch die Thematik veränderlicher Pläne und Träume wird hier anschaulich umgesetzt, denn die große Frage nach der Motivation dahinter wird sichtbar. Eine gewisse Desillusionierung tritt ein, wenn wir haben, was wir wollen und feststellen müssen, dass uns dieses Wissen dennoch keinerlei Vorteile bringt.

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Veröffentlicht am 13.06.2022

Das Licht am Ufer zwinkert schüchtern

Die Leuchtturmwärter
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„Der Turm wird leer stehen, er wird um die Kameradschaft und Brüderlichkeit vergangener Jahre trauern, die einmal in ihm gediehen, und die Menschen werden nie wieder an diesem Ort Leben können.“
Inhalt/ ...

„Der Turm wird leer stehen, er wird um die Kameradschaft und Brüderlichkeit vergangener Jahre trauern, die einmal in ihm gediehen, und die Menschen werden nie wieder an diesem Ort Leben können.“
Inhalt/ Meinung

Diese Geschichte war wie für mich gemacht, denn eine mystische Ausgangssituation und ein stimmiger Background haben sogleich mein Interesse geweckt. Die Autorin Emma Stonex wurde zu diesem Roman, welcher zugleich ihr Debüt ist, auf Grund des rätselhaften Verschwindens dreier Leuchtturmwärter auf den Flannan Isles inspiriert. Und so versetzt sie den Leser weit hinaus auf einen Leuchtturm vor der Küste Cornwalls, in dem der Oberwärter Arthur Black, seine zweite Hand Bill Walker und der Hilfswärter Vincent Bourne ihren täglichen Dienst verrichten. Doch keiner der drei Männer kehrt jemals vom Turm zurück und ihre Leichen werden niemals gefunden. Fast zwanzig Jahre nach der Tragödie, trifft sich ein Autor nun mit den hinterbliebenen Frauen und versucht durch seine später Recherchen Licht in das Dunkel zu bringen.

Dieses Buch konnte mich auf Grund seiner Handlung und Erzählweise begeistern, denn es ist ausgesprochen vielseitig und perspektivenreich. Trotz der Tatsache, dass hier ein längst vergangenes Schicksal aufgerollt wird und die Handlung mehr ein Echo als eine wirkliche Aktivität zu sein scheint, wirkt der Plot spannend, authentisch und explosiv. Zum Glück halten sich auch die mystischen Ansätze in Grenzen, vielmehr entfaltet sich ein Gespinst aus Lügen, Vorwürfen und persönlichen Verfehlungen, die alle Akteure und auch ihre Frauen miteinander verbindet. Schon bald kristallisieren sich mehrere Möglichkeiten heraus, wie es dazu kommen konnte, dass alle drei Männer nicht wieder zurückkamen. Das Dramatische dieser Erzählung leuchtet aber mehr aus der Vergangenheit heraus und hat seine mörderische Brisanz im Laufe der Jahre verloren.

Zwischen den Zeilen kann man sich in die einsame, trügerische Lebensweise der Leuchtturmwärter hineinversetzen, spürt ihren Beweggründen nach, warum sie überhaupt in dieser kargen Einöde leben, anstatt bei ihren Frauen. Und durch die Gegenwartshandlung entwickelt sich die zweite Ebene der Geschichte, der ebenjenen Ehefrauen die Möglichkeit gibt, über das Verbleiben ihrer Männer zu spekulieren. Jede von ihnen hat eine andere, eine ganz eigene Wahrheit und der Leser bekommt die Möglichkeit das tatsächliche Geschehen von damals zu rekapitulieren und stellt dabei fest, dass drei Wahrheiten nicht genug sind und doch alles Relevante in ihnen verborgen liegt.

Fazit

Ich vergebe sehr gute 5 Lesesterne für diesen stimmigen, perspektivenreichen Roman über mehrere Dramen in zwischenmenschlichen Beziehungen und dem Wunsch Einzelner, der Verantwortung zu entfliehen und sei es nur, indem sie sich abkapseln und den Gesprächen aus dem Weg gehen. Besonders die ausdrucksstarke Schreibweise und die unterschwelligen Gefühle haben es mir angetan, so dass ich diesen Roman als abwechslungsreich und besonders kennzeichnen möchte – ein Buch, welches mit wenigen Akteuren auskommt und diese für den Leser erlebbar macht.

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Veröffentlicht am 26.05.2022

Teuflische Geigenklänge

Die Schatten von Edinburgh
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"Eine panische Angst, wie ich sie noch nie zuvor gespürt hatte, bemächtigte sich meiner. Sie erfüllte meine Brust, während mir das Geflüster der Zigeunerin wieder in den Sinn kam."

Inhalt

Für den nach ...

"Eine panische Angst, wie ich sie noch nie zuvor gespürt hatte, bemächtigte sich meiner. Sie erfüllte meine Brust, während mir das Geflüster der Zigeunerin wieder in den Sinn kam."

Inhalt

Für den nach Schottland versetzten Inspector Frey, einen kultivierten Engländer, manifestiert sich schon nach wenigen ersten Eindrücken sein vorgefertigter Eindruck, dass es hier weder Manieren, noch gutes Essen, geschweige denn eine berufliche Perspektive gibt. Nur unwillig beginnt er mit seinem wahrhaft imposanten, wenn auch exzentrischen neuen Vorgesetzen McGray zusammenzuarbeiten. So unterschiedlich die beiden Ermittler auch sein mögen, so ergänzen sie sich doch vorbildlich und bilden ein gutes Team. Schon nach kurzer Zeit sind sie einem Serienmörder auf der Spur, der ganz zielgerichtet seine Opfer auswählt, sie scheinbar nach keinem genauen modus operandi tötet. Der Fall ist besonders verzwickt, weil allerlei abergläubische Akteure mitwirken, allen voran der Schotte McGray. Und während sich Inspector Ian Frey sehr sicher ist, dass der Teufel bei dieser Mordserie ganz sicher nicht seine Finger im Spiel hat, treten doch immer häufiger Zufälle auf, dies es nahelegen, dass es nicht mit rechten Dingen zugehen kann. Der Schlüssel zur Lösung des Falls scheint greifbar nah, doch so eng der Kreis der Verdächtigen auch ist, weitere Morde dünnen ihn immer mehr aus …

Meinung

Dies ist nicht nur der Auftakt der im viktorianischen Zeitalter spielenden Krimireihe um die Ermittler Frey und McGray, sondern auch mein erstes Buch aus der Feder des Autors. Historische Schauplätze und das Mordgeschehen längst vergangener Tage üben auf mich einen gewissen Reiz aus und nachdem ich zahlreiche begeisterte Leserstimmen zu dieser Reihe wahrgenommen habe, wollte ich sie natürlich auch gerne testen.

Dieser Krimi verbreitet ein gewisses Flair und schafft eine perspektivenreiche Atmosphäre, die den Zeitgeist wunderbar einfängt und für den Leser erlebbar macht. Tatsächlich macht das einen großen Teil dieses Buches aus und zieht sich, wie der rote Faden durch alle Seiten. Ebenso viel Augenmerk wird den beiden Ermittlern geschenkt, die ich mir lebhaft vorstellen kann und deren Eigenheiten vortrefflich das Geschehen ergänzen.

Diese beiden Pluspunkte führen jedoch dazu, dass der eigentliche Fall in den Hintergrund gedrängt wird und die Ermittlungen nur mühsam vorankommen. Also aus kriminalistischer Sicht hätte ich mir da deutlich mehr erwartet, was eindeutig den fehlenden Bewertungspunkt ausmacht. Das Lesen ist mehr wie das Zuschauen bei einem Film und das langweilte mich dann doch stellenweise. Gerade im ersten Teil des Buches hätte ich mir einen stringenteren Erzählstil und weniger Fabulieren gewünscht. Auch die humoristische Komponente bietet mir hier nicht unbedingt den Mehrwert – derart intensive Interaktionen zwischen zwei Personen gefallen mir als Schlagabtausch zwar ganz gut, solange sie nicht zu sehr dominieren, und hier war es manchmal grenzwertig.

Fazit

Ich vergebe 4 Lesesterne für diesen unterhaltsamen, abwechslungsreichen Kriminalroman, der mir insgesamt gut gefallen hat, wenn auch mit kleinen Abstrichen. Ob ich die Reihe nun weiterverfolgen werde, ist fraglich, denn so ganz in Begeisterungsstürme kann ich nicht verfallen, möglicherweise war meine Erwartungshaltung auch etwas hoch. Empfehlenswert ist definitiv historisches Interesse, vor allem für die damalige Zeit.

Trotzdem bietet die Story ein entsprechendes Potential und lässt sich vielfältig ausbauen, so dass ich mir bei passender Laune auch wieder ein Buch aus dieser Reihe vorstellen könnte. Das Gleichgewicht zwischen dem Privatleben der Ermittler und ihrer beruflichen Schaffenskraft wird gewahrt, es entsteht ein Szenario, welchem der Leser beiwohnt, die Hintergründe erscheinen dabei etwas zweitrangig, der Stil hingegen ist wohlwollend einprägsam.

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Veröffentlicht am 12.05.2022

Ein selbstbestimmtes Lebensende in Würde

Die sieben Schalen des Zorns
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„Umkehr der Hierarchien -das war gut. Die eigene Unterordnung drehte sich zur Überordnung. Maria erweckte das nicht wieder zum Leben. Aber in diesem Licht betrachtet, war ihr Leiden auch nicht mehr in ...

„Umkehr der Hierarchien -das war gut. Die eigene Unterordnung drehte sich zur Überordnung. Maria erweckte das nicht wieder zum Leben. Aber in diesem Licht betrachtet, war ihr Leiden auch nicht mehr in Gottes Hand gewesen. Max hatte Gott um einen Trumpf gebracht. Endlich.“

Inhalt

Die beiden Freunde Max und Jonas haben sich zwar in den letzten Jahren aus den Augen verloren, doch ihre langjährige Freundschaft und ein einschneidendes Schlüsselerlebnis aus ihrer Jugend binden sie nach wie vor aneinander. Während Jonas als Staatsanwalt die Karriereleiter weit hinaufgeklettert ist, hält sich Max nur notdürftig mit seiner Arztpraxis über Wasser. Doch ob er in Zukunft überhaupt noch seine Berufserlaubnis behalten darf, liegt in den Händen anderer. Max wird beschuldigt, seine Tante getötet zu haben. Zwar ausdrücklich auf deren Wunsch, aber dennoch eigenmächtig. Er wendet sich in seiner Notlage an den alten Freund und erinnert diesen an eine längst fällige Schuldbegleichung. Da Jonas aber genau auf der falschen Seite der Gesetzbarkeit steht und nicht die Verteidigung, sondern die Anklage leiten müsste, gerät er in einen Gewissenskonflikt. Und der Ausgang des Prozesses könnte auch das Ende seiner Karriere bedeuten.

Meinung

Da ich bereits die Romane „Echo des Schweigens“ und „Die Wahrheit der Dinge“ des deutschen Autors Markus Thiele gelesen habe und beide Bücher absolut lesenswert fand, konnte ich natürlich das aktuelle Werk nicht verpassen. Immer sind es die wichtigen Dinge des Lebens, die hier anhand eines ganz konkreten Falls betrachtet werden und sich auf tatsächliche Ereignisse (wenn auch in abgewandelter Form) berufen. Dadurch bekommt der Leser einen sehr umfassenden Einblick in die Tatbestände und den Ablauf hiesiger Gerichtsprozesse.

Was aber der eigentliche Knackpunkt ist und damit den Mehrwert des Romans darstellt, ist die Erörterung der menschlichen Ansichten, Überzeugungen und Handlungen in Anbetracht moralischer Entscheidungen, die sich nicht mit den geltenden Gesetzen vertragen. Dazu bedient sich der Autor eines geschickten Elements, indem er als auktorialer Erzähler auftritt und jeden Beteiligten mit dessen entsprechender Sicht auf die Dinge ernst nimmt, ohne irgendeine Wertung vorzunehmen. Die reine Handlungsebene ist spannend geschrieben, fast wie ein Kriminalfall, im Grunde genommen sind es aber die Hintergründe, die den Reiz des Buches für mich ausmachen.

Außerdem wirkt alles sehr authentisch und realistisch, denn der Autor ist Rechtsanwalt und kennt die Abläufe vor Gericht sehr genau. Er scheint außerdem ein guter Beobachter zu sein und bewahrt sich eine große Portion Neutralität, trotz einer so polarisierenden Thematik, wie die der Sterbehilfe. Und was könnte in einem fiktiven Roman besser funktionieren als die Schilderung aus nächster Nähe, mit viel Empathie und Verständnis aber auch mit klaren Grenzen und ohne Schönfärberei?

Fazit

Ein sehr empfehlenswertes Buch, dem ich gerne 5 Lesesterne gebe. Die verschiedenen Wahrheiten regen schon während des Lesens zum Nachdenken an und immer wieder begeben sich die eigenen Gedanken auf die Reise zu den Geschehnissen vor Ort. Dadurch das hier die Perspektivenvielfalt einen so großen Raum einnimmt, beginnt man selbst, die Dinge zu hinterfragen. Unabhängig von der persönlichen Überzeugung kann man sich förmlich nebenbei mit diversen Gesetzmäßigkeiten vertraut machen, ohne tatsächlich irgendein relevantes Wissen bezüglich der Rechtssprechung zu besitzen.

Sehr gut gefallen hat mir auch die Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten des Glaubens oder der Umgang mit der Abwesenheit desselben. Alle Ansätze greifen wie kleine Rädchen ineinander und hinterlassen nachhaltig Eindruck.

Ich freue mich jetzt schon auf weitere Bücher des Autors - die Ideenvielfalt erwächst vielleicht aus aktuellen Fällen und deren Rechtslage und solange es Menschen gibt, die Fehler machen und lebensverändernde Entscheidungen treffen, dürfte diese Quelle auch nicht versiegen.

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