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Veröffentlicht am 28.12.2021

Am weitesten vom Einschlagpunkt entfernt

Die Überlebenden
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„Ein Polizeiauto pflügt langsam durch das blaue Grün, die Traktorspur zum Hof hinunter. Da steht das Sommerhaus, einsam auf einer Landzunge, in der nie ganz schwarzen Juninacht.“
Gegenwart: Drei erwachsene ...

„Ein Polizeiauto pflügt langsam durch das blaue Grün, die Traktorspur zum Hof hinunter. Da steht das Sommerhaus, einsam auf einer Landzunge, in der nie ganz schwarzen Juninacht.“
Gegenwart: Drei erwachsene Männer, finden einen Brief, den ihre verstorbene Mutter ihnen hinterlassen hat, mit der Bitte darum, ihre Asche nicht einem Grab zu übergeben, sondern sie dorthin zu bringen, wo die Familie früher gemeinsam lebte, zum Sommerhaus am See. Vergangenheit: Drei Kinder/ Halbwüchsige leben in einer dysfunktionalen Familie, beide Eltern sind Alkoholiker und erziehen ihre Söhne zwischen Gewaltausbrüchen und liebevoller Zuwendung, soweit es ihnen eben möglich ist. Das Sommerhaus am See ist Schauplatz und Bühne für alle Ereignisse damals, deren Folgen bis in die heutige Zeit spürbar sind, denn vor zwei Jahrzehnten ging hier ein Riss durch die Welt.
Der Debütroman des schwedischen Autors Alex Schulman hat so gute Kritiken bekommen und versprach eine Geschichte, die genau in mein Beuteschema fällt, so dass ich ihn unbedingt lesen wollte. Zum einen, weil ich besonders schwierige Erzählungen mag, die gerne auch melancholisch und nachdenklich stimmen dürfen, zum anderen, weil mich das Schicksal von Kindern in Romanen immer sehr anspricht. Eine bestimmte Erwartungshaltung hatte ich nicht, aber möglicherweise einen speziellen Fokus.
Das Vorwort des Autors hat dabei wahrscheinlich bewirkt, dass ich mich gezielt auf seine Aussage konzentriert habe, dass er sich mit diesem Buch auf Spurensuche in die Vergangenheit begibt, um zu ergründen, an welcher Stelle sich Geschwister so fremd werden, obwohl sie von Kindheit an die gleichen Erfahrungswerte teilen und im selben Umfeld aufwachsen. Ein sehr interessanter Aspekt, der mich ebenfalls schon oft gedanklich beschäftigt hat …
Der Schreibstil des Buches ist eher neutral, manchmal wirklich etwas karg, was mir persönlich auf Grund der Geschichte nicht ganz so gut gefiel, denn hier liegt viel Emotionalität unter der Oberfläche und kommt nicht recht zum Vorschein, weil sehr distanziert erzählt wird. Dadurch konnte ich zu keinem der Charaktere eine enge Beziehung aufbauen, was aber nicht gestört hat, weil ich mich mehr auf die Beziehung der Beteiligten untereinander konzentrieren konnte. Äußerst genau und tragisch werden die Kindheitserlebnisse geschildert, dabei treten immer wieder zwei dominante Aussagen auf: Die Eltern waren auf Grund des Alkoholkonsums nicht in der Lage, sich angemessen um ihre Kinder zu kümmern und die drei Brüder hatten in mancher Situation nur sich selbst, um heil wieder auf dem Geschehen aufzutauchen.
Ein zweiter Erzählstrang wird eingefügt, der sich rückwärtsgerichtet mit den Ereignissen im Jetzt beschäftigt und zeigt, was die Männer nun mit dem letzten Wunsch ihrer Mutter machen werden, wie es überhaupt weiterging, nachdem der älteste Sohn ausgezogen ist und aus dem Dreiergespann ein Glied verschwunden ist.
Dieser Roman ist sehr dicht und intensiv geschrieben, er löst echte Betroffenheit aus, ohne direkt zu schockieren. Die Sachlichkeit des Textes hat mich zwar persönlich nicht ganz erreichen können, wirkt aber dennoch irgendwie authentisch und setzt eine echte Beschäftigung mit den zahlreichen psychischen Verletzungen der einzelnen Charaktere voraus. Besonders die multiperspektiven Sichtweisen, der jeweiligen Söhne konnten mich begeistern, denn jeder nimmt aus vergangenen Situationen etwas anderes mit und verändert irgendwann auch die eigene Erinnerung an ein und dasselbe Erlebnis. Ebenso der Zerfall des Dreiergespanns, sowohl in der Kindheit als auch jetzt im Erwachsenenalter wird deutlich herausgearbeitet, die Geschwisterkonstellation immer wieder aus ganz anderen Blickwinkeln betrachtet, dass ist für dieses Buch sehr bereichernd gewesen.
Fazit: Gerne vergebe ich gute 4 Lesesterne, für einen aufrüttelnden, glaubwürdigen Roman, der dem einzelnen Familienmitglied genügend Raum zugesteht, um dem Leser etwas zu vermitteln, ganz egal, um wen es gerade geht. Auch die Eltern werden nicht nur anklagend behandelt oder gar ausgegrenzt, vielmehr wirkt hier das Familienbild komplex und vielschichtig. Der Ort am See, gewissermaßen in der Einöde, bringt die interfamiliären Befindlichkeiten besonders gut zum Ausdruck und wirkt verstärkend. Einzig die fehlende Nähe zur Gefühlswelt wenigstens einer Person sorgt hier dafür, dass ich keine volle Punktzahl vergeben kann. Dieses Buch zielt mir persönlich zu sehr auf den Verstand weniger aufs Herz und bei so einer Story hätte ich mir das umgedreht gewünscht.

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Veröffentlicht am 17.12.2021

Mein Leben, ein schmaler Tunnel in eine Richtung

Im Wasser sind wir schwerelos
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„Ich war wie ein losgemachtes Schiff, das endlich seinen Hafen verlassen hatte und dann ohne eigene Kontrolle vom Wind herumgeschubst wurde.“

Inhalt

Ludwik wächst im kommunistischen Polen der 1980 er ...

„Ich war wie ein losgemachtes Schiff, das endlich seinen Hafen verlassen hatte und dann ohne eigene Kontrolle vom Wind herumgeschubst wurde.“

Inhalt

Ludwik wächst im kommunistischen Polen der 1980 er Jahre auf und merkt schon früh, dass er homosexuell ist. Für Mädchen kann er nicht mehr als Freundschaft empfinden, ein Umstand, der erst in seinem jungen Erwachsenenleben unhaltbar wird, denn wem soll er davon erzählen und wie kann man eine gleichgeschlechtliche Beziehung überhaupt leben? Als er schließlich Janusz begegnet und endlich all seine Emotionen teilen kann, weil der andere ebenso empfindet, könnte die Welt so schön und erfüllt sein. Aber die beiden Männer haben ganz verschiedene Ansichten, während Ludwik überlegt, wie er dem engen politischen System entfliehen kann, möchte Janusz sich anpassen und einfach nur im Rahmen seiner Möglichkeiten zufrieden sein. Schnell wird klar, dass sich auf diesem Fundament keine langjährige Partnerschaft aufbauen lässt und so geht der Sommer voller Unbeschwertheit dahin und bleibt bald nur noch eine Erinnerung …

Meinung

Der Debütroman des jungen Autors Tomasz Jedrowski, konnte bereits zahlreiche Leser für sich gewinnen und wurde in Großbritannien von der Kritik gefeiert. Ich selbst bin durch zahlreiche positive Rezensionen auf diesen Roman aufmerksam geworden, der sehr melancholisch und nah am Gefühlsleben seiner Protagonisten über eine schwierige, fast irreale Beziehung berichtet. Und da ich genau solche Coming-of-Age Bücher bevorzuge, hat sich die Auswahl definitiv gelohnt.

Das große Plus der Erzählung ist nicht nur ein fließender, ausgewogener Schreibstil, der sich richtig gut lesen lässt und dennoch Ansprüche hegt, sondern die dramatische, bewegende Geschichte, die zwar voller Optimismus beginnt, sich aber bald zwischen den gesellschaftlichen Konventionen und den unterschiedlichen Lebensentwürfen zerreibt. Dadurch wirkt der Text ausgesprochen realistisch, beschönigt nichts, offenbart tiefe Gefühle und zeigt die verschiedenen Facetten einer schwierigen Beziehung, der es in gewisser Weise an Akzeptanz und Möglichkeiten fehlt.

Der Protagonist tritt als Erzähler auf, wodurch jede Szene ungefiltert und empathisch wirkt. Dieser intensive Blickwinkel, die manchmal konfrontativen Gedanken und zwischen den Zeilen eine langjährige Traurigkeit, die sich vielmehr aus der Erinnerung speist, machen es dem Leser leicht, sich zu identifizieren und Partei zu ergreifen, für einen jungen Mann, der ganz klare Werte und Präferenzen hat. Was mir nicht ganz so gut gefallen hat und das eine fehlende Sternchen zur vollen Bewertungsskala ausmacht, ist die indirekte Wahl eines Adressaten. Denn Ludwik wendet sich direkt an seinen Geliebten, schreibt kontinuierlich in der Du-Form und dadurch richtet sich jedes Wort an jenen jungen Mann, der eben nicht so eindeutig und nachhaltig zu der gemeinsamen Liebe stehen kann, wie der Erzähler selbst.

Dadurch habe ich mich trotz der offenen Erzählstruktur mit einer breiten Palette an Gedanken und einer vielschichtigen Beobachtungsgabe immer irgendwie ausgeschlossen gefühlt. Ludwik personalisiert, er sucht weder einen Ausweg noch einen Schuldigen, aber irgendwie sucht er auch nicht das Verständnis des Lesers, sondern vielmehr die Auseinandersetzung mit einer unglücklichen Liebesbeziehung, die zahlreiche Spuren hinterlassen hat.

Fazit

Ein sehr gefühlvoller, nachhaltiger Roman über eine tragische Liebesbeziehung, die die spürbare Zerrissenheit der Akteure deutlich macht und unabhängig von der Beschreibung einer homosexuellen Partnerschaft sehr intensiv die Gefühlswelt der Beteiligten beschreibt. Ich vergebe gerne gute 4 Lesesterne und eine Leseempfehlung, für ein besonderes, einprägsames Buch, dem man mit innerer Überzeugung sicher noch mehr entnehmen kann, als auf den ersten Blick erkennbar.

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Veröffentlicht am 08.12.2021

Glaubwürdige Zerrbilder der Wirklichkeit

Meeressarg (Ein Fabian-Risk-Krimi 6)
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„Vielleicht hatte er begriffen, dass das Lügengebäude unhaltbar geworden war. Dass er umso tiefer fallen würde, je länger er die Wahrheit vertuschte. Oder er hatte innerlich schon aufgegeben und wollte ...

„Vielleicht hatte er begriffen, dass das Lügengebäude unhaltbar geworden war. Dass er umso tiefer fallen würde, je länger er die Wahrheit vertuschte. Oder er hatte innerlich schon aufgegeben und wollte die Sache so schnell wie möglich beenden.“

Inhalt

Für Fabian Risk ist es eine schwere Zeit, nachdem sein Sohn in der Haftanstalt Selbstmord begangen hat und sich an einem Kabel erhängte. Schlimm genug, dass er ihn dazu gedrängt hat, seine indirekte Beteiligung an einem Verbrechen zuzugeben, nun befand sich der junge Mann anscheinend in einer derart labilen psychischen Situation, dass ihm der Freitod als einzig vernünftige Alternative erschien. Aber Risk glaubt nicht an die Todesumstände, die ihn die zuständigen Stellen als Wahrheit verkaufen wollen, denn bei der Obduktion seines Sohnes wird deutlich, dass er selbst Opfer massiver Gewaltanwendung geworden ist und dafür kann es eigentlich nur einen Schuldigen geben – Kim Sleizner, den Polizeichef von Kopenhagen und Erzfeind von Fabian Risk.

Meinung

Dies ist der sechste Band der Fabian-Risk-Reihe vom schwedischen Erfolgsautor Stefan Ahnhem, der hier den Countdown zwischen den Rivalen Risk und Sleizner auf die Spitze treibt und einen tödlichen Ausgang der Ereignisse heraufbeschwört. Bisher habe ich selbst nur einen Band der Reihe gelesen und zwei weiter stehen noch im Regal. Zugegeben, hier bekommt es dem Leser besser, wenn er sich an die chronologische Reihenfolge hält, damit sowohl Zusammenhänge als auch Charaktere besser zur Geltung kommen und die Vergangenheit nicht immer eine Art Fragezeichen bleibt, welches man sich zwar herleiten kann, aber längst nicht so gut versteht.

Der Schreibstil konnte mich zunächst sehr begeistern und das erste Drittel des Buches hätte das Prädikat „Pageturner“ verdient, weil sehr dicht und intensiv erzählt wird, eine latente Dringlichkeit spürbar ist und ganz klar zum Vorschein kommt, wer hier der Böse ist und warum man ihm nun endlich das Handwerk legen muss. Die übersichtlichen Kapitel und die Einführung diverser Protagonisten bringen Perspektivenvielfalt und einen hohen Unterhaltungswert in diesen Thriller. Aber mit jeder Seite verliert die Story etwas an Wert. Denn bereits ab der Hälfte des ca. 500 Seiten umfassenden Spannungsromans, verschwindet die psychologische Komponente des Ganzen mehr und mehr, während das Actionpotential überdurchschnittlich zunimmt. Fast hätte man meinen können in einem James-Bond-Film zu stecken und hautnah die Jagd zwischen den Guten und den Bösen verfolgen zu können. Aber da bin ich dann raus, denn ich mag weder hervorquellende Gedärme, noch Blutlachen und Schusswunden, geschweige denn tödliche Manipulation, mit reißerischen Wendungen.

Zudem hat es mich nachhaltig gestört, dass hier so viele Einzelkämpfer versuchen, irgendwie Licht ins Dunkel zu bringen und sich einfach nicht absprechen oder klare Ansagen machen – jeder kocht sein eigenes Süppchen und kommt immer nur minimal voran, zumal der Hauptverdächtige einen langen Atem, wichtige Freunde und gekaufte Loyalität auf seinem Guthabenkonto aufzuweisen hat. Die Rache des Einzelnen steht der Gewaltverherrlichung des anderen gegenüber und von „normaler“ Polizeiarbeit ist man hier wirklich meilenweit entfernt, denn ermittelt wird hier nur wenig, stattdessen spricht die Gewalt und die Selbstjustiz.

Fazit

Das werden leider nur 3 Lesesterne, obwohl ich zunächst gerne 5 vergeben hätte, aber das Potential bleibt nicht erhalten und man sollte hier definitiv ein Freund von Verfolgungsjagden, Schusswechseln, Folterszenen und rasanten Entwicklungen sein. Möglicherweise hätte mir hier tatsächlich die Verfilmung besser gefallen, weil dieser Kriminalroman so bildlich geschrieben ist, dass er durchaus an ein Drehbuch erinnert. Während ich vom dritten Band (Minus 18°) der Reihe sehr angetan war, hat mich dieses aktuelle Buch eher desillusioniert. Wahrscheinlich starte ich die Reihe noch mal von vorn (Band 1 und 2 ruhen auf dem SUB) und schaue dann einfach, ab welcher Stelle sich das Aussteigen anbietet, vielleicht ist es ja nur dieser letzte Band, der nicht mehr meinen Geschmack trifft.

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Veröffentlicht am 28.11.2021

Der weiße Tod und seine späten Opfer

FROST
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„Unterm Strich passte es ihr auch ganz gut, dass sich die Aufmerksamkeit auf den armen Mann richtete. Niemand wollte bei Mordermittlungen im Rampenlicht stehen.“

Inhalt

Helgi Reykdal arbeitet noch an ...

„Unterm Strich passte es ihr auch ganz gut, dass sich die Aufmerksamkeit auf den armen Mann richtete. Niemand wollte bei Mordermittlungen im Rampenlicht stehen.“

Inhalt

Helgi Reykdal arbeitet noch an seiner Arbeit über einen Cold-Case am alten Tuberkulose Sanatorium, bevor er als Nachfolger von Hulda in den Polizeidienst der isländischen Behörden einsteigen wird. Aus purem Interesse und einer unterschwelligen Intuition befragt er in seiner Freizeit die ehemaligen Arbeitskräfte der Heilanstalt, an was sie sich noch erinnern und ob die Ermittlungen vor fast 30 Jahren ordentlich zum Abschluss gebracht wurden.

Die Befragten sind mittlerweile alle entsprechend betagt und erinnern sich dennoch sehr genau an die mörderischen Ereignisse. Eine junge Schwester namens Tinna, hatte 1983 beide Mordopfer gefunden und lebt mittlerweile zurückgezogen mit ihrem Mann, dem ehemaligen Ermittlungsleiter zusammen in der Großstadt. Helgi wird stutzig, weil sich das Ehepaar jede Kontaktaufnahme mit ihm verbittet – und der Fall damals mit Mord und anschließendem Selbstmord zu den Akten gelegt wurde, möglicherweise verbirgt sich hinter der Mauer des Schweigens doch eine brauchbare Information für die Aufklärung des Verbrechens …

Meinung

Nachdem ich zu Beginn des Jahres kurz hintereinander die Fälle der Hulda-Hermannsdóttir-Trilogie des isländischen Autors Ragnar Jónasson kennengelernt habe, war ich natürlich sehr gespannt, auf seinen neuen Thriller, der sowohl optisch als auch inhaltlich angenehme Erinnerungen an bereits Gelesenes weckt.

Zunächst einmal bin ich großer Fan von Mordermittlungen, die sich auf Grund eines Cold-Cases ergeben, gerade weil dort neue Spuren in der Gegenwart zu alten Verbrechen führen und Dinge ans Tageslicht kommen, die man schon längst nicht mehr vermutet hätte. Auch der Schauplatz des Geschehens in einem alten Sanatorium, welches selbst eine dunkle Vergangenheit hat, konnte mich überzeugen und sofort fesseln.

Für einen Thriller ist mir dieses Buch etwas zu blutarm, dafür empfinde ich es als gelungenen Spannungsroman, der zwar keinerlei mystische Elemente aufweist aber sehr verlassene Schauplätze, seltsame, rätselhafte Zusammenhänge und Menschen, die alle irgendetwas zu verbergen scheinen. Es entsteht beim Lesen eine ganz eigene Szenerie mit zahlreichen Nebeninformationen und Begebenheiten, deren Verbindung man immer knapp unter der Oberfläche vermutet. Dadurch konnte ich das Buch kaum aus der Hand legen und hoffe stark auf weitere Fälle des neuen Ermittlers, die nicht so lange auf sich warten lassen.

Einzig das schwierige Privatleben von Helgi und seiner Frau war ein für mich unrelevanter Handlungsstrang, auf den ich hätte verzichten können, wobei er möglicherweise der Ausgangspunkt für den Verlauf der Reihe sein wird, und damit spätere Berechtigung erfährt, da lasse ich mich gern überraschen.

Fazit

Ein sehr kurzweiliger, dunkler Spannungsroman mit einem engagierten, konsequenten Ermittler, der nicht nur Fan von alten Kriminalromanen ist, sondern zielgerichtet seinen Dienst bei der Polizei antritt. Die nordisch-kühle Atmosphäre und das ungelöste Rätsel der Vergangenheit konnten mich auf ganzer Linie überzeugen. Empfehlenswert für alle, die es eher unblutig mögen und dafür Wert auf die Motivation des Täters legen.

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Veröffentlicht am 17.11.2021

Was bleibt ist die Erinnerung

Was bleibt, wenn wir sterben
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„Man kann nicht um die Trauer herumgehen, man kann nur mit ihr oder durch sie hindurchgehen.“

Inhalt

Louise Brown war Journalistin, bevor sie durch den Tod ihrer Eltern in kurzer Folge zu ihrer Passion ...

„Man kann nicht um die Trauer herumgehen, man kann nur mit ihr oder durch sie hindurchgehen.“

Inhalt

Louise Brown war Journalistin, bevor sie durch den Tod ihrer Eltern in kurzer Folge zu ihrer Passion als Trauerrednerin fand und nun für andere Trauernde die Abschiedsreden schreibt und hält. In diesem Buch verarbeitet sie nun ihre vielfältigen Erfahrungen, die sie durch Gespräche, Gedanken und eigenes Erleben gesammelt hat und teilt sie mit dem geneigten Leser.

Meinung

Die Thematik des Sterbens, Trauerns und Abschiednehmens spricht mich persönlich immer sehr an, ich habe schon zahlreiche Bücher aus dieser Kategorie gelesen, egal ob es sich dabei um Romane handelt oder wie hier, um ein eher objektives Sachbuch. Auf gut 200 Seiten beschreibt die Autorin hier einerseits sehr persönliche Gefühle und Alltäglichkeiten, die sie im Zusammenhang mit ihrer eigenen Trauerbewältigung erlebt hat und gibt andererseits durch kurze Episoden aus dem Leben der Menschen, für die sie die Trauerrede geschrieben hat, einige allgemeingültige Aussagen und Erkenntnisse wieder.

Dieses Buch weckt eher das Verständnis für die Trauernden und deren kleine Wünsche während des schmerzlichen Prozesses der Trauerverarbeitung, welcher mit der Beerdigung längst nicht abgeschlossen ist, selbst wenn dieser Höhepunkt einen ersten Meilenstein auf dem letzten Weg manifestiert. Zwischen den Zeilen überwiegt eindeutig die Zuversicht und das Verständnis dafür, dass jeder Mensch anders trauert und unterschiedlich lange braucht, bis er wieder auf dem eigenen Lebensweg ist und beginnt weiterzuleben, selbst wenn es diesmal kein Neuanfang im herkömmlichen Sinne ist, sondern vielleicht nur eine Lebensbiegung, die man gezwungen ist, zu nehmen.

Dadurch das dieser Ratgeber in viele kleine Kapitel unterteilt ist, kann man ihn auch gut stückchenweise lesen oder in einer beliebigen Reihenfolge. Jeder Abschnitt regt zu eigenen Gedankengängen an und eröffnet die Möglichkeit, sich vielleicht schon zu Lebzeiten mit dem eigenen Lebensende reflektierend auseinanderzusetzen und bestimmte Wünsche oder Abneigungen zu formulieren. Sehr interessant fand ich z.B. den Vergleich mit der Geburt, die oftmals geplant, ja gefeiert wird und bei der die werdenden Eltern nur wenig dem Zufall überlassen möchten, während kaum einer sich bewusst Gedanken darüber macht, welche Worte auf der Beerdigung gesprochen werden sollen und an was sich die Trauergemeinde symbolisch erinnern soll. Louise Brown plädiert dafür, dass man sich mit dem Tod und dem Sterben ebenso offen und frei beschäftigen soll und darf, weil der Gesprächsbedarf unendlich groß ist und nur selten als Thematik unter den Lebenden gepflegt wird.

Ein weiterer großer Meilenstein der Lektüre ist die unabdingbare Akzeptanz der Endlichkeit des Lebens, die immer dann besonders belastend empfunden wird, wenn man enge Bindungen aufgebaut hat, wenn man geliebt hat und geliebt wurde, denn nur diese Nähe macht auch den Verlust so schwer erträglich. Andererseits sind es aber auch jene Bindungen, die uns menschlich ausmachen und ein Verzicht auf ein Leben in Liebe würde letztlich eher ein Armutszeugnis sein.

Fazit

Ich vergebe 4 Lesesterne für ein gut aufbereitetes Buch, welches man immer mal wieder zur Hand nehmen kann, welches Denkanstöße bietet und im Trauerfall auch Mut zuspricht. Plädiert wird hier für einen ehrlichen, offenen Umgang mit der Trauer, die ganz verschiedene Gesichter haben kann. Etwas gefehlt hat mir nur die Emotionalität, was aber daran liegen mag, dass es sich um ein Sachbuch handelt, welches eher beratende/unterstützende Funktion haben soll. Ein eigenes Erleben ist unabdingbar und soll hier nicht näher besprochen werden. Dennoch spreche ich dem Buch einen gewissen Mehrwert zu, es begegnet dem Leser mit einer entspannten Präsenz, mit kleinen Anekdoten und schönen Worten – also definitiv eine Leseempfehlung.

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